Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.11.2007

OLG Düsseldorf: drucker, vergütung, urheberrecht, schiedsstelle, gerät, patent, video, werken, form, auflage

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 U 186/06
Datum:
13.11.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-20 U 186/06
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November 2006 abgeändert und
wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung der
Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
i.H.v. 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Geräteabgabe nach § 54a UrhG für
Drucker und Plotter, die diese im Jahre 2001 vertrieben hat.
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Die Klägerin nimmt als einzige Verwertungsgesellschaft in D. die urheberrechtlichen
Befugnisse der ihr angeschlossenen Wortautoren und ihrer Verleger insbesondere
gemäß § 54h UrhG wahr. In diesem Rahmen wird die Klägerin auch im Auftrag der V.
B.-K. tätig, deren Aufgaben die Wahrnehmung von Rechten an Fotografien, Bildwerken
und Grafiken aller Art betrifft.
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Die Beklagten vertreiben in D. Drucker und Plotter, wobei diese entweder von ihnen in
D. selbst hergestellt oder - in der Hauptsache - aus dem Ausland nach D. eingeführt
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werden.
Die Parteien streiten – nach einem vorausgegangenen Schiedsstellenverfahren bei der
Schiedsstelle nach dem Urheberwahrnehmungsgesetz beim Deutschen Patent- und
Markenamt – über eine Vergütung nach § 54a UrhG für diese Geräte sowohl dem
Grunde als auch der Höhe nach.
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Die Klägerin ist der Auffassung, auch Drucker und Plotter seien dazu bestimmt,
urheberrechtsfähige Werke zu vervielfältigen. Soweit stützt sie sich auf eine Studie der
Gesellschaft für Konsumforschung von April 2001. Die Klägerin meint ferner, der
Umstand, dass Drucker nur im Rahmen einer Funktionseinheit mit anderen Geräten
geeignet seien, urheberrechtsfähige Werke zu vervielfältigen, sei unerheblich. Es
entstehe beim Druckvorgang ein Vervielfältigungsexemplar, welches Schrift- und
Zeichengut lesbar und sichtbar mache. Jeder Ausdruck des Werkes stelle eine
Vervielfältigungshandlung dar. § 54a UrhG gelte auch für digitale Vervielfältigungen. Im
Übrigen entstehe beim Druckvorgang ein analoges Vervielfältigungsstück. § 54a Abs. 1
UrhG sei so auszulegen, dass allein schon die Möglichkeit zu einer Erstellung von
Kopien ausreiche; auf die tatsächliche Benutzung komme es nicht an. Werde ein
Kopiervorgang mit mehreren Geräten bewirkt, die zusammen zu dem gleichen Ergebnis
führen, müssten sämtliche Geräte, die daran mitwirken vergütet werden. Bei
Geräteketten seien alle Geräte, das heißt z. B auch Scanner, PC und Drucker, zur
Herstellung von Vervielfältigungen bestimmt, so dass für jedes dieser Geräte eine
entsprechende Vergütung entrichtet werden müsse. Die Gefahr einer
Mehrfachvergütung sei bei der Höhe der jeweiligen Vergütung zu berücksichtigen.
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Die Beklagten meinen demgegenüber, Drucker würden als so genannte
Ausgangsgeräte von § 54a UrhG nicht erfasst. Der maßgebliche Kopiervorgang finde
bereits bei den Eingangsgeräten statt. Desweiteren würden Werke durch das
Ausdrucken bereits deswegen nicht in urheberrechtsrelevanter Weise genutzt, weil der
Ausdruckende dazu bereits weitgehend unabhängig von der Vorschrift des § 53 UrhG
berechtigt sei. Es handele sich nämlich entweder um selbst erstellte "Werke" oder um
Werke, für deren Nutzung der Ausdruckende bereits anderweitig eine Vergütung bezahlt
habe oder mit deren Nutzung der Rechteinhaber ohne weiteres einverstanden sei.
Zudem sei eine Geräteabgabe aufgrund des technischen Fortschritts beim d. R. M.
unverhältnismäßig. Der Rechteinhaber könne nunmehr sicherstellen, dass ohne seine
individuelle – gegebenenfalls entgeltpflichtige – Zustimmung eine Kopie nicht mehr
erstellt werden könne. Aus diesem Grund verstoße eine Vergütungspflicht sowohl
gegen Art. 3 und Art. 14 Grundgesetz als auch gegen die Richtlinie 2001/29/EG des
Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der
Informationsgesellschaft (Amtsblatt EG Nr. L 167, Seite 10). Auch sei die
Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EGV verletzt.
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Das Landgericht hat – unter Klageabweisung im Übrigen –
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die Beklagten verurteilt, für einen Teil der von ihr im Gebiet der B. D. in Verkehr
gebrachten Drucker und Plotter einen Betrag in Höhe von 485.704,41 € zuzüglich 7 %
Mehrwertsteuer, zusammen 519.703,71 € an die Klägerin zu zahlen, nämlich
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a. für 10.000 Drucker vom Typ L.. 810 jeweils 10 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer,
zusammen 107.000 €;
b. für 15.000 Drucker vom Typ B.. 85 jeweils 20 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer,
zusammen 321.000 €;
c. für 20 Drucker vom Typ L.. 2460 jeweils 21,39 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer,
zusammen 457,75 €;
d. für 1.970 Drucker vom Typ S 600 jeweils 42,78 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer,
zusammen 90.175,96 €;
e. für 50 Plotter vom Typ B.. 3000 jeweils 20 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer,
zusammen 1.070 €,
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und zwar nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz für sämtliche Beträge seit
dem 26. Januar 2006.
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Gegen dieses Urteil, soweit ihr nachteilig, wendet sich die Beklagte. Sie macht unter
Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin geltend,
Drucker und Plotter seien nach § 54a UrhG nicht vergütungspflichtig. Die von Druckern
hergestellten Ausdrucke seien nicht in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung gemäß
§ 54a Abs. 1 Satz 1 UrhG erzeugt. Insofern passe auch nicht der vom Landgericht
vorgenommene Vergleich mit Telefaxgeräten.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November
2006 – 12 O/06 die Klage abzuweisen,
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hilfsweise,
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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an das Landgericht
zur erneuten Sachentscheidung zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens und betont, die Auslegung des § 54a UrhG müsse dem
technischen Fortschritt sowie dem berechtigten Schutz des Urhebers Rechnung tragen.
Zu bedenken sei ferner die Novellierung des Urheberrechtsgesetzes im Rahmen des so
genannten 2. Korbes.
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Die Akte Sch-Urh 39/03 der Schiedsstelle nach dem Urheberwahrnehmungsgesetz
beim Deutschen Patent- und Markenamt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils
sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen im Berufungsverfahren Bezug
genommen.
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B. Die Berufung ist zulässig und begründet. § 54a Abs. 1 UrhG ist auf die hier
streitgegenständlichen Drucker nicht anwendbar. Dabei kann offen bleiben, ob – wie die
Beklagte meint -– wegen der Verfügbarkeit wirksamer technischer Schutzmaßnahmen
Abstand vom Pauschalvergütungssystem zu nehmen ist. Auch die verfassungs- und
europarechtliche Zulässigkeit des Pauschalvergütungssystems war nicht zu prüfen.
Denn unabhängig von diesen Fragen handelt es sich bei den streitgegenständlichen
Druckern nicht um Geräte handelt, die im Sinne von § 54 a Abs. 1 S. 1 UrhG "dazu
bestimmt" sind, Vervielfältigungen "durch Ablichtung eines Werkstücks oder in einem
Verfahren vergleichbarer Wirkung" vorzunehmen.
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I. Das Erfordernis des Bestimmtseins wurde 1985 ins UrhG eingebracht und löste das
Erfordernis der bloßen Eignung zur Vervielfältigung im genannten Verfahren ab. Die
Zweckbestimmung beurteilt sich dabei u. a. danach, ob mit Wahrscheinlichkeit
anzunehmen ist, dass urheberrechtlich geschütztes Material mit den Geräten
vervielfältigt wird (Loewenheim in: Schricker, Urheberrecht, 23. Auflage, 19992006, § 54
a Rz. 7). Es kommt also nicht darauf an, ob mit dem Gerät im konkreten Einzelfall
tatsächlich relevante Vervielfältigungen vorgenommen werden (BGH v. 28.01.1993 – I
ZR 34/ 91, BGHZ 121, 215, 220 – Readerprinter) oder in welchem Umfang dies
geschieht: Entscheidend ist allein die bestimmungsgemäße Nutzungsmöglichkeit
(BVerfGE 31, 255, 259 – Tonbandgeräte; BGH GRUR 1981, 355, 3598 – Video-
Recorder; BGHZ 121, 215, 220 – Readerprinter; BGH GRUR 1999, 928, 929 WRP
1999, 860, 863 – Telefaxgeräte), während die Intensität der zu erwartenden
urheberrechtlich relevanten Nutzung erst auf einer zweiten Stufe bei der Bemessung der
Abgabenhöhe zu berücksichtigen wäre. Daher ist der Streit, den die Parteien darüber
führen, welche GfK-Studie denn nun realistische Zahlen über die urheberrechtlich
relevante Nutzung von Druckern liefert, zunächst einmal unbeachtlich, denn auf diese
tatsächliche Nutzung kommt es an dieser Stelle noch nicht an.
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Stattdessen gelten seit der Scanner-Entscheidung des BGH (GRUR 2002, 246,Urteil v.
5.07.2001 – I ZR 335/98, GRUR 2002, 176, 177 247) zur Anwendung von § 54 a UrhG
die folgenden Grundsätze: Im Rahmen des § 54 a UrhG ist zu fragen, ob der in Rede
stehende Vorgang funktional dem entspricht, was der Gesetzgeber als
regelungsbedürftig angesehen hat. Dabei ist es unerheblich, ob einzelne Geräte ihre der
Ablichtung entsprechende Vervielfältigungsfunktion nur im Zusammenwirken mit
anderen Geräten erfüllen können (so schon BGH GRUR 1981, 355, 3598 – Video-
Recorder), wie es bei so genannten Funktionseinheiten der Fall ist. Auch im Fall der
Einheit (z. B.) von PC und Drucker kann eine Vergütungspflicht in Betracht kommen.
Allerdings sollen in diesem Fall nach Ansicht des BGH grundsätzlich nicht sämtliche zu
einer Funktionseinheit gehörenden Geräte der Vergütungspflicht unterfallen:
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"Eine derartige Aufteilung der Vergütungspflicht würde schon deswegen der
gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen, weil im Gesetz feste Vergütungssätze
vorgesehen sind. Im Übrigen ist es für eine derartige Funktionseinheit typisch, dass
nicht für jedes der Geräte in derselben Weise davon ausgegangen werden kann,
es sei i. S. von § 54 a Abs. 1 S. 1 UrhG zur Vornahme urheberrechtsrelevanter
Vervielfältigungen bestimmt" (BGH GRUR 2002, 246, 247176, 177).
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Stattdessen soll das Gerät vergütungspflichtig sein, das am deutlichsten dazu bestimmt
ist, als Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden, es muss also eine Einzelfallprüfung
bezogen auf das konkrete Gerät vorgenommen werden. Im damaligen Fall sah das
Gericht innerhalb der Funktionseinheit Scanner-PC-Drucker gerade den Scanner als
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das für den Vervielfältigungsvorgang maßgebliche Aufzeichnungsgerät an. Die
Formulierung des BGH schließt jedoch nicht ausdrücklich aus, dass innerhalb dieser
Gerätekette auch noch ein anderes Gerät als vergütungspflichtig angesehen werden
kann.
Der BGH gibt allerdings keine Vorgaben dafür, wie die Geräte in der Gerätekette
Scanner-PC-Drucker bzw. PC-Drucker entsprechend ihrem Bestimmtsein gewichtet
werden sollen. Und dem Wortlaut nach sind die Voraussetzungen des § 54 a Abs. 1 S. 1
UrhG für den Drucker erfüllt: Ein Ausdruck stellt eine "Vervielfältigung" im Sinne von §
16 UrhG dar (Dreier in: Schricker (Hrsg.), Urheberrecht auf dem Weg in die
Informationsgesellschaft, 1997, S. 111; Ulmer, Elektronische Datenbanken und
Urheberrecht, 1971, S. 52; Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, 2. Auflage,
2000, Rn. 157247), und zwar unabhängig davon, ob zuvor bereits eine oder mehrere
digitale oder sonstige Vervielfältigungen (etwa durch das Einscannen eines
Schriftstückes) stattgefunden habent (Loewenheim in: Schricker, Urheberrecht, § 16 Rn.
116). Und auch wenn der Druckvorgang nicht identisch ist mit der "Ablichtung", wie sie
durch ein Fotokopiergerät in Gang gebracht wird, so ermöglicht die weite Formulierung
der Vorschrift ("…oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung") ihre Anwendung
auch auf neue Vervielfältigungstechniken, solange die Vervielfältigung nur als Stück
verkörpert ist (Dreier in: Dreier/ Schulze, 2. Aufl. 2006, § 54 a Rn. 4); Loewenheim in:
Schricker, § 54 Rn. 6) .- z. B. in einem Ausdruck als Hardcopy (Loewenheim in:
Schricker, § 54 a Rn. 6).
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Entsprechend tendieren verschiedene Gerichte (LG Stuttgart, Urteil v. 22.12.2004 – 17 O
392/04, CR 2005, 378; OLG Stuttgart v. 11.05.2005 – 4 U 20/05, ZUM 2005, 565; LG
Düsseldorf v. 29.11.2006 – 12 O 8/06), die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und
Markenamtes (DPMA München Schiedsstelle, Entscheidung v. 25.03.2004, Az. Sch-Urh
14/02) sowie die wohl herrschende Meinung in der Literatur (Lüft in: Wandtke/ Bullinger,
UrhR, 2. Aufl. 2006, § 54 a Rn. 5; Nordemann in: Fromm/ Nordemann, Urheberrecht,
9.Aufl. 2007, § 54/ 54 a Rn. 2; Gass in: Möhring/ Nicolini, 2. Aufl. 2000, § 54 a Rn. 8)
dazu, eine Vergütungspflicht für Drucker zu bejahen. Kappes vertritt beispielsweise die
Auffassung, dass es sich beim Drucker um das "adäquat-kausale Element eines
Computersystems handelt, welches regelmäßig für Eingriffe in das urheberrechtliche
Vervielfältigungsrecht verantwortlich ist" (GRUR 1997, 338, 344 f.)". Bei digitalen
Informationseinheiten sei auch zu erwarten, dass sie in dieser Form "in einem Verfahren
vergleichbarer Wirkung" vervielfältigten würden. Die damalige Bundesministerin der
Justiz, H. D.-G., sagte 1999 in einer Rede vor Vertretern der Musikindustrie
(Aabgedruckt in ZUM 1999, 769, 771): "Erstaunlich und für mich ganz unverständlich ist
es jedoch, dass die Rechteinhaber solche gerichtlichen Verfahren über die
Vergütungspflicht anderer Geräte wie (…) Drucker nicht einmal in Gang gesetzt haben
(…). Ich bedauere das sehr, weil die weit gefassten Tatbestände der §§ 53, 54 ff. UrhG
durchaus gute Erfolgschancen bieten."
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Misst man jedoch der Situation, in der ein Drucker eingesetzt wird, Bedeutung zu, so
kommt trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen eine teleologische
Reduktion der Vorschrift in Betracht. Eine Vervielfältigung mit Hilfe eines Druckers
kommt immer nur dann in Betracht, wenn sich das zu vervielfältigende
(urheberrechtsrelevante) Werk auf dem verbundenen PC befindet. Dies kann (nur) durch
das Einscannen, Downloaden oder durch den Aufruf von im Internet oder auf einer CD-
ROM veröffentlichten Werken geschehen. All diese Handlungen stellen für sich
gesehen bereits "Vervielfältigungen" im Sinne von § 16 UrhG dar. Unproblematisch gilt
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dies für das Einscannen (Dreyer in: Dreyer/ Kotthof/ Meckel, 2004, § 16 Rn. 26), denn
die Art des Herstellungsverfahrens – analog oder digital – ist gleichgültig (Schulze in:
Dreier/ Schulze, 2. Aufl. 2006, § 16 Rn. 7), solange das Werk nur körperlich fixiert wird,
was beim Einscannen eines Textes oder einer Abbildung, die auf dem Bildschirm
erscheinten, der Fall ist. Auch beim Download eines Werks, das danach auf dem PC
gespeichert werden soll, ist die Einordnung als "Vervielfältigung" ebenfalls
unproblematisch (Dreyer in: Dreyer/ Kotthof/ Meckel, 2004, § 16 Rn. 30). Der
Vervielfältigung mittels eines Druckers geht also regelmäßig eine weitere
Vervielfältigung voraus. Dann stellt sich aber die Frage, ob diese zweite Vervielfältigung
(ebenfalls) diejenige ist, an die § 54 a Abs. 1 S. 1 UrhG zum Schutz der
Urheberinteressen anknüpft. Die Klägerin argumentiert in ihrer Berufungserwiderung,
der Urheber solle für jede einzelne Vervielfältigungshandlung, die ein anderer statt
seiner selbst vornimmt, eine Vergütung erhalten. Sie beruft sich dabei auf den BGH, der
in seiner Telefaxgeräte-Entscheidung (Urteil v. 28.01.1999 – I ZR 208/96, GRUR 1999,
928, 929) die Vergütungspflicht sowohl für das beim Faxvorgang entstehende
Vervielfältigungsstück als auch für die zuvor notwendige Fotokopie bejaht hat, die von
dem zu vervielfältigenden Werk angefertigt werden muss, damit mit einem Faxgerät mit
Einzugsschlitz gefaxt werden kann.
Die Begründung für diese doppelte Vergütungspflicht lautete:
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"…die für diese herkömmliche Kopie anfallende Vergütung, die dem
Urheberrechtsberechtigten durch die für das fragliche Kopiergerät gezahlte Vergütung
nach § 54 a Abs. 1 UrhG sowie gegebenenfalls durch eine Betreibervergütung nach §
54 a Abs. 2 UrhG zukommt, deckt nicht noch weitere Vervielfältigungsvorgänge ab, die
mit der erstellten Kopie als Vorlage gefertigt werden. Vielmehr handelt es sich bei
diesen weiteren Kopien um selbständige Vervielfältigungsvorgänge, für die dem
Berechtigten grundsätzlich ebenfalls eine Vergütung zusteht." (GRUR 1999, 928, 930)"
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An dieser Stelle muss man sich aber einmal die Verschiedenheit der Situationen vor
Augen führen, die hier beleuchtet werden. Auf der einen Seite sind da das Herstellen
einer Kopie mittels eines (im Faxgerät enthaltenen) Fotokopierers und das
anschließende Versenden des Faxes, so dass auf Seiten des Empfängers eine weitere
Kopie entsteht. Es erscheint plausibel, dass der BGH die erste Vervielfältigung als
selbständig gegenüber der zweiten angesehen hat, denn schon mit der Kopie des
Werks erhält der Nutzer heutzutage ein vollwertiges Äquivalent, mit dem er nach seinem
Belieben verfahren kann. Die anschließende Versendung per Faxgerät stellt dabei nur
eine von vielen möglichen Handlungsvarianten dar, so dass der eine Vorgang vom
anderen getrennt zu sehen ist.
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Wird hingegen ein Werk auf dem PC sichtbar gemacht und für so wichtig angesehen,
dass der Wunsch nach einem Ausdruck besteht, ist die anschließende Verkörperung als
Hardcopy keine Handlung, der eine vergleichbare Eigenständigkeit zugesprochen
werden könnte. Das Werk ist nach wie vor beim Nutzer, nur nicht mehr in digitaler Form,
sondern "zum Anfassen" auf einem Blatt. Ähnlich argumentieren Paul/ Naskret (CR
2003, 473, 475), die im Rahmen der vom BGH geforderten funktionalen
Betrachtungsweise diejenigen Geräte mit der Vergütungspflicht belegen wollen, "die
innerhalb einer Funktionseinheit die Vervielfältigung von urheberrechtlich relevantem
Material erst ermöglichen" (CR 2003, 473, 477),", also die Eingabemedien wie z. B. den
Scanner. Die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützten Materials sei nur mittels
(Online-/ Offline-)Eingabemediums möglich, daher sei im Rahmen einer auf
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Vervielfältigung von (Online-/ Offline-)Material ausgerichteten Funktionseinheit das
Eingabemedium am deutlichsten dazu bestimmt, als Vervielfältigungsgerät eingesetzt
zu werden. Der PC und das Ausgabemedium, also der Drucker, seien hingegen neutral
(CR 2003, 473, 476).
Dazu passt die Argumentation Bornkamms (in Loewenheim (Hrsg.), Festschrift für
Nordemann, 2004, S. 299, 3111):
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"Vor allem wenn man die festgesetzten Vergütungssätze in der Anlage zu § 54 d
Abs. 1 UrhG hinzuzieht, wird deutlich, dass der Gesetzgeber einen ganz
beschränkten Sachverhalt geregelt hat. Die Rechtsprechung hat diese enge
Regelung bereits auf Geräte ausgedehnt, für die die festgesetzten Vergütungssätze
eindeutig nicht passen, und hat angenommen, dass für diese Geräte eine
angemessene, im Gesetz der Höhe nach nicht bestimmte Vergütung geschuldet ist.
Dabei handelte es sich aber stets um Geräte, die in ihrer technischen Funktion dem
in § 54 a Abs. 1 UrhG angesprochenen herkömmlichen Fotokopiergerät ohne
weiteres vergleichbar waren. Geht es dagegen um Geräte, die auch im technischen
Verfahren mit herkömmlichen Ablichtungsgeräten nichts mehr zu tun haben, wird
eine Rechtsfortbildung schwer fallen. Denn mit dem Anspruch würden in großem
Umfang auch "Unbeteiligte" belastet werden, also Hersteller, deren Geräte nur
selten oder niemals für die Vervielfältigung von geschützten Wortbeiträgen
eingesetzt werden. Solange mit derartigen Geräten die Möglichkeit zum Herstellen
von Vervielfältigungen geschützter Werke geschaffen wird, ist eine solche
Vergütungspflicht zwar verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie bedarf aber einer
klaren gesetzlichen Grundlage."
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Der Senat verweist insofern auch auf sein den Parteien bekanntes Urteil vom 23. Januar
2007 (I 20 U 38/06). Dort hat er schon eingehend begründet, wieso jetzt unter dem
Gesichtspunkt der "Funktionseinheit" eine Vergütungspflicht für Drucker nicht begründet
werden kann. In Auslegung des Scanner-Urteils des Bundesgerichtshofs hat der Senat
dort eingehend begründet, dass und warum es Geräte in einer Funktionseinheit geben
kann, die nicht mit einer Vergütungspflicht belastet werden sollen.
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II. An dem rechtlichen Ergebnis ändert sich nichts infolge der derzeitigen Novellierung
des Urheberrechtsgesetzes. An der Privatkopie wird auch in Zukunft festgehalten
werden, jedoch sieht der (mittlerweile von Bundestag und Bundesrat bestätigte) Entwurf
zum "Zweiten Korb" der Urheberrechtsnovelle eine Neuregelung der §§ 54 ff. UrhG vor.
Das Merkmal der Zweckbestimmung, das 1985 die bloße Eignung zur Vervielfältigung
von urheberrechtlich geschützten Werken ablöste, um "präziser" (Schack, Urheber- und
Urhebervertragsrecht, Rn. 444) zu sein, soll nun durch die Anknüpfung an die
tatsächliche Nutzung zum Kopieren urheberrechtlich geschützter Inhalte ersetzt werden.
Allerdings soll es nicht auf die jeweilige Nutzung der einzelnen Geräte oder
Speichermedien ankommen, sondern darauf, ob diese typischerweise zu
entsprechenden Vervielfältigungen benutzt werden. Damit kann nach Auffassung der
Bundesregierung "schneller geklärt werden, ob eine Vergütungspflicht besteht"
(Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 22. März 2006), so dass es
nicht mehr zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten über diese Frage kommt.
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Losgelöst von der Frage, ob eine solche Novellierung auch die Vergütungspflicht für
den Druckervertrieb im Jahre 2001 neu regeln kann, bleibt es nach Inkrafttreten der
Änderungen in bezugBezug auf § 54a UrhG bei der alten Rechtslage. Unzweifelhaft
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besteht ein Unterschied zwischen "zur Vervielfältigung bestimmt" und der "typischen
Nutzung zur Vervielfältigung". Nach der Neufassung sind schon bei der Frage nach dem
Bestehen des Anspruchs Studien zur tatsächlichen Nutzung des betreffenden Geräts
heranzuziehen, wie es nach dem bisher geltenden Recht erst bei der Festsetzung der
Höhe des Anspruchs der Fall ist. Allerdings lässt sich aus dieser Neuregelung keine
Richtung des Gesetzgebers herauslesen, die vollkommen von den bisherigen §§ 54 ff.
UrhG abweicht. Weiterhin ist Ziel der Vorschriften, den Urheber für Vervielfältigungen
seiner Werke zu entschädigen, sofern sie seine Rechte berühren und in einem
nennenswerten Umfang erfolgen. Die neue Formulierung soll die bisherigen
Schwierigkeiten bei der Subsumtion beseitigen, begründet aber keine Abkehr vom
jetzigen System der Pauschalvergütung.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
40
Im Hinblick auf die entgegenstehende Rechtsprechung etwa des OLG Stuttgart und die
anstehende höchstrichterliche Klärung der Frage einer Geräteabgabepflicht für Drucker
ist die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
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Der Berufungsstreitwert wird auf € 535.000 festgesetzt.
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Prof. B. Dr. M. Prof. Dr. H.
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