Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.05.2010

OLG Düsseldorf (eintritt des versicherungsfalls, kläger, fahrer, frachtführer, avb, vvg, versicherungsnehmer, obliegenheit, allgemeine geschäftsbedingungen, klausel)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-18 U 226/09
Datum:
20.05.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
18. Senat für Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-18 U 226/09
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 11. Zivilkammer –
Einzelrichterin – des Landgerichts Düsseldorf vom 28.10.2009 (11 O
7/05) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor
Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
1
Der Kläger betreibt ein Frachtunternehmen als Einzelfirma. Er hat unter dem 17.12.1998
eine SVG-Frachtführer-Europa-Police für Frachtführer mit der Rechtsvorgängerin der
Beklagten abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die allgemeinen
Versicherungsbedingungen für die Versicherung der Frachtführer-Haftung (AVB
Frachtführer 1998) zugrunde. Die AVB Frachtführer 1998 bestimmen unter Nr. 7:
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"Dem Versicherungsnehmer obliegt es, …
3
7.2.
4
die Fahrer über die Obliegenheiten zu belehren und anzuweisen, die Sicherungen
zu betätigen;
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7.3.
6
für eine ordnungsgemäße Sicherung beladender Fahrzeuge (Zugmaschine und
Trailer/Anhänger) und Container gegen Diebstahl Sorge zu tragen, insbesondere
während des Abstellens oder der Ruhepausen.
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während des Abstellens oder der Ruhepausen.
7.3.1.
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Die Kraftfahrzeuge müssen zusätzlich zu den Türschlössern mit zwei modernen,
unabhängig voneinander funktionierenden Diebstahlsicherungseinrichtungen
ausgerüstet sein, die auch beim kurzzeitigen Verlassen des Fahrzeuges in Betrieb
zu setzen sind.
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7.3.2
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Trailer oder Anhänger, die ohne Zugfahrzeug abgestellt werden, müssen mit
modernen Diebstahlsicherungen gegen Abschleppen und Aufbrechen gesichert
werden. Auch abgestellte Container sind gegen Aufbrechen besonders zu sichern.
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7.3.3
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Zwischen 22.00 und 6.00 Uhr sind beladene Fahrzeuge – mit Ausnahme während
beförderungsbedingter Ruhepausen – auf einem bewachten Parkplatz abzustellen.
Auf dem Betriebsgelände des Versicherungsnehmers können beladene Fahrzeuge
nach Beendigung der Beladung für eine Nacht abgestellt werden, wenn das
Betriebsgelände umzäunt und durch ein verschlossenes Tor gesichert ist."
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Die Versicherungsbedingungen enthalten unter Nr. 9 die Klausel, dass der Versicherer
bei Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit auch
ohne Kündigung des Versicherungsvertrags von der Verpflichtung zur Leistung frei wird.
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Der Kläger begehrt Versicherungsschutz wegen des angeblichen Diebstahls eines Lkw.
Der Kläger war als Subunternehmer für die Fa. C... tätig. Nach der Behauptung des
Klägers wurden die Fahrten von ihm bzw. der Fa. C... als sogenannte Rundläufe
organisiert, so dass am Abend nur leergefahrene Lkw abgestellt zu werden brauchten.
Dementsprechend war dem Kläger die ständige Praxis seines Fahrers D. bekannt, den
Lkw in der Nähe seiner, des Fahrers, Privatwohnung abzustellen.
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Die Firma C... hatte den Auftrag, einen Container, der per Schiff in A. angelandet war,
von dort nach J. zu transportieren, wo er am Montag, dem 25.11.2002, um 17.00 Uhr
eintreffen sollte. Sie betraute mit dem Transport den Kläger. Dessen Fahrer, der Zeuge
D., übernahm den Container am Freitag, dem 22.11.2002, in A.. Am Abend dieses
Tages parkte er den Lkw mit dem Container in der Nähe seiner Wohnung in D., weil, so
die Behauptung des Klägers, die Firma C... dem Fahrer nicht gestattete, den Container
noch in deren Terminal abzuladen. Am Montagmorgen meldete der Fahrer des Klägers
den Lkw als gestohlen.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seinem Fahrer keine Anweisung
gegeben hatte, wie er sich zu verhalten hatte, wenn entgegen dem angeblich
organisierten Rundlauf doch einmal ein vollbeladenes Fahrzeug abgestellt werden
musste. Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil
Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, soweit der
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Kläger neben der nunmehr verfolgten Leistungsklage Feststellung der Eintrittspflicht der
Beklagten begehre, sei sein Antrag nach § 256 ZPO nicht zulässig, da nicht ersichtlich
sei, welche Forderungen gegenüber dem Kläger noch geltend gemacht werden
könnten. Soweit der Kläger Zahlung verlange, sei die Klage unbegründet. Zwar sei die
Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. eingehalten; der Kläger habe jedoch gegenüber
der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung.
Der Kläger habe schon nicht schlüssig zu dem Schadensereignis vorgetragen.
Insbesondere fehle es an einem schlüssigen klägerischen Vortrag zum Zeitpunkt des
angeblichen Diebstahlsereignisses. Darüber hinaus sei der klägerische Anspruch auch
wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 6 VVG a.F. in Verbindung mit dem AVB
Frachtführer 1998, Nr. 7.3.3 ausgeschlossen. Die Berufung der Beklagten auf ihre
Leistungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 VVG sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der
Versicherungsvertrag unstreitig nicht innerhalb eines Monats nach Kenntnis der
Beklagten von der Obliegenheitsverletzung gekündigt worden sei, § 6 Abs. 1 Satz 3
VVG. In Nr. 9 der AVB Frachtführer sei dieses Erfordernis wirksam abbedungen.
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Die Klausel nach Nr. 7.3.3 der AVB Frachtführer 1998 sei nicht nach § 307 Abs. 2 Ziff. 2
BGB wegen Gefährdung des Vertragszwecks unwirksam. Der Kläger müsse sich darauf
einlassen, dass nicht einschränkungslos ohne Eingreifen von Vorsichtsmaßnahmen
Versicherungsschutz gewährt werde. Beim Verlangen der Beklagten, das beladene
Fahrzeug zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr – also zur Nachtzeit – auf einen bewachten
Parkplatz abzustellen bzw. auf dem Betriebsgelände des Versicherungsnehmers für
eine Nacht, wenn das Betriebsgelände umzäunt oder durch ein verschlossenes Tor
gesichert sei, handele es sich auch nicht um eine unzumutbare, sondern vielmehr um
eine grundsätzlich zulässige Einschränkung des Versicherungsschutzes. Entweder
habe der Kläger sein Gelände sicherheitstechnisch nachrüsten müssen oder jedenfalls
einen bewachten privaten Parkplatz aufsuchen müssen. Die Klausel sei auch nicht nach
§ 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, weil der Haftungsausschluss bei den Obliegenheiten
aufgeführt werde. Typischerweise könne nämlich die Verletzung von Obliegenheiten
zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen, so dass der Standort dieser
Vorschrift nicht ungewöhnlich erscheint.
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Der Kläger habe die in Nr. 7.3.3 der AVB Frachtführer statuierte Obliegenheit verletzt.
Dies habe die Beklagte, gestützt auf den Inhalt der Ermittlungsakte, substantiiert
vorgetragen. Der anderslautende klägerische Vortrag sei widersprüchlich und damit
gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich.
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Die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit sei eingetreten, da die Verletzung der
Obliegenheit jedenfalls nicht als unverschuldet anzusehen sei. Soweit der Kläger
bestreite, er habe dem Fahrer die Erlaubnis erteilt, beladene Lkw in der Nähe der
Wohnung abstellen zu dürfen, reiche dies nicht aus, um das Verschulden
auszuschließen. Dem Kläger hätte es insoweit oblegen, eine Anweisung dergestalt zu
erteilen, dass beladene Lkw’s niemals in der Nähe der Wohnung abgestellt werden
dürfen, sondern nur entsprechend den Anforderungen unter Nr. 7.3.3 der Bedingungen.
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Zudem erscheine es lebensnah, dass über diesen damals aktuell relevanten
Sachverhalt zwischen dem Kläger und seinem Fahrer gesprochen worden sei, so dass
der Kläger selbst Kenntnis von dem beladen abgestellten Lkw gehabt habe.
24
Den Kausalitätsgegenbeweis nach § 6 Abs. 2 VVG habe die Klägerseite nicht zu führen
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vermocht.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers.
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Er rügt, das Landgericht habe aktenwidrig festgestellt, er habe den
streitgegenständlichen Diebstahl des beladenen Lkw am 25.11.2002 behauptet und
damit widersprüchlich vorgetragen. Bei dem genannten Datum handele es sich
offensichtlich um das Datum der Entdeckung. Tatsächlich sei der Diebstahl am
23.11.2002 zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr, wie er erstinstanzlich konkret vorgetragen
habe, passiert. Zu diesem Gesichtspunkt hätte das Landgericht ihn zumindest als Partei
anhören müssen.
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Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass das Kündigungserfordernis gemäß §
6 Abs. 1 Satz 3 VVG in Nr. 9 der AVB Frachtführer wirksam abbedungen worden sei.
Dass es sich bei der Frachtführer-Haftpflichtversicherung um ein Großrisiko im Sinne
von § 187 VVG handele, werde nicht begründet.
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Sein Anspruch sei auch nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 6 VVG a.F.
in Verbindung mit den AVB Frachtführer 1998 ausgeschlossen. Zwar könne dem
Landgericht insoweit beigepflichtet werden, dass nicht einschränkungslos ohne
Eingreifen von Vorsichtsmaßnahmen Versicherungsschutz gewährt werden könne.
Allerdings müsse auch festgestellt werden, dass der Versicherungsnehmer die
geforderten Einschränkungen erfüllen könne.
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Dies sei jedoch nicht möglich, da es bewachte Parkplätze nicht gebe. Da das
eingesetzte Fahrzeug aufgrund der organisierten Rundläufe grundsätzlich und
ausnahmslos leer von seinem Fahrer abgestellt worden sei, könne auch nicht verlangt
werden, dass er ein umzäuntes Betriebsgelände vorhalte. Im Streitfall habe es sich um
eine Ausnahmesituation gehandelt, von der er keine Kenntnis gehabt habe. Deshalb
habe er auch keine allgemeine Anweisung dahingehend geben müssen, beladene
Lkw’s niemals im Bereich der Wohnung des Fahrers abzustellen. Es habe sich um ein
einmaliges Versagen des Fahrers gehandelt, das ihm nicht zugerechnet werden könne.
Der Fahrer sei nicht Repräsentant des Versicherungsnehmers. Hätte der Fahrer ihn
unterrichtet, hätte er den Lkw durch einen privaten Wachdienst bewachen lassen.
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Im Übrigen sei die Klausel Nr. 7.3.3 der AVB Frachtführer 1998 unwirksam, da sie
überraschend sei. Sie stehe, obwohl sie einen Haftungssauschluss darstelle, nicht bei
den Haftungsausschlüssen, sondern bei den allgemeinen Obliegenheiten. Ferner sei
die Klausel auch inhaltlich unangemessen, da sie dazu führe, dass angesichts der
streitgegenständlichen Ausnahmesituation kein Versicherungsschutz bestehe.
Jedenfalls hätte die Beklagte auf den fehlenden Versicherungsschutz hinweisen
müssen, zumal sie sich in der Vergangenheit auf diese Klausel nicht berufen habe und
in den neuen Bedingungen eine entsprechende Klausel nicht mehr enthalten sei.
Angesichts der Ausnahmesituation fehle es zudem an einem schuldhaften Verstoß
gegen die Obliegenheit. Im Übrigen sei ein etwaiger Verstoß gegen die Obliegenheit
nicht kausal geworden, da sich der Diebstahl des Lkw am 23.11.2002 in der Zeit
zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr ereignet habe.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil vom 28.10.2009 abzuändern, das Versäumnisurteil vom 14.12.2005
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aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn
EUR 147.286,74 nebst 5 % Zinsen seit dem 18.05.2004,
EUR 13.824,02 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz
seit dem 30.06.2006 aus EUR 8.482,78 und seit dem 04.06.2007 aus weiteren
EUR 5.341,24,
EUR 14.218,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz
seit dem 24.09.2008,
EUR 3.665,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 25.06.2007,
EUR 3.982,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 09.06.2006,
EUR 4.458,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit
dem 16.05.2007
sowie EUR 1.605,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem
Basiszinssatz seit dem 21.06.2007
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35
zu zahlen und
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm bedingungsgemäß
Versicherungsschutz aufgrund des Haftversicherungsvertrages –
Versicherungsschein Nr.: 4............ – für den im Verfahren – 6 O 455/08,
Landgericht Düsseldorf – von der Firma P. C. N. in Höhe von EUR 34.702,84
nebst Zinsen geltend gemachten Schadensersatz zu leisten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sie ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass das versicherte Ereignis nicht
schlüssig dargelegt sei. Wesentliche Details des Diebstahls seien erst im Laufe des
Rechtsstreits mitgeteilt worden. Allein dies stelle eine Verletzung der
Aufklärungsobliegenheit mit der Folge der Leistungsfreiheit dar. Im Übrigen sei sie
leistungsfrei, weil der Kläger grob fahrlässig diverse Obliegenheiten gem. Nr. 7.3 AVB
Frachtführer 1998 vor Eintritt des Versicherungsfalls verletzt habe. Insbesondere die
Voraussetzungen nach Ziff. 7.3.3 der AVB lägen vor. Diese Klausel sei wirksam. Weder
sei sie überraschend noch inhaltlich unangemessen. In der privaten
Hausratversicherung sei die sogenannte Nachtklausel wirksam; dies gelte erst recht für
die Frachtführerversicherung. Das Fahrzeug sei nicht auf einem bewachten Parkplatz
und auch nicht auf dem Betriebsgelände des Klägers abgestellt worden. Das
Verschulden werde gesetzlich vermutet. Der Kläger habe seine Organisations-, Kontroll-
und Überwachungspflichten schuldhaft verletzt. Der Kläger sei darlegungs- und
beweisbelastet, dass er nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Diesen Beweis habe der
Kläger nicht erbracht. Im Gegenteil ergebe sich aus der durchgeführten
Beweisaufnahme, dass der Kläger keine Anweisungen dahingehend gegeben habe,
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wie mit beladenen Lkws zu verfahren sei. Den Kausalitätsgegenbeweis habe der Kläger
nicht führen können. Er habe darlegen und beweisen müssen, dass die
Obliegenheitsverletzung ohne jede Bedeutung für den Versicherungsfall oder dessen
Umfang war. Die Kündigungsobliegenheit sei wirksam abbedungen worden. Im Übrigen
habe der Kläger auch weitere Obliegenheiten verletzt; so hätte das Fahrzeug nach Ziff.
3.1 der AVB über zwei moderne unabhängig voneinander funktionierende
Diebstahlssicherungen verfügen müssen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
41
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist unbegründet.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Landgericht meint, überhaupt ein
Versicherungsfall schlüssig vorgetragen worden ist; jedenfalls hat der Kläger eine
Obliegenheit i.S.v. Nr. 9 AVB Frachtführer 1998 verletzt, die nach Maßgabe der §§ 6, 62
VVG a.F. zur Leistungsfreiheit führt.
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Im Streitfall findet altes Versicherungsrecht Anwendung, da es sich um einen Altvertrag
aus dem Jahre 1998 handelt und der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eintrat
(Artikel 1 Abs. 1 EGVVG).
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Zu Recht und in der Berufungsinstanz unbestritten ist das Landgericht auch davon
ausgegangen, dass die Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG a.F. eingehalten worden ist.
Auf die diesbezüglichen Ausführungen im landgerichtlichen Urteil wird Bezug
genommen (S. 6/7 des Urteils).
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Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger seiner Aufklärungsobliegenheit nach dem
Versicherungsfall im Sinne des § 6 Abs. 3 VVG a.F. hinreichend nachgekommen ist.
Leistungsfreiheit bestünde nur dann, wenn die Beklagte ihrer diesbezüglichen
Belehrungspflicht nachgekommen wäre (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 34, Rdnr.
22). Eine derartige Belehrung ist im Streitfall nicht ersichtlich.
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Die Beklagte ist nicht gehindert, sich auf eine Obliegenheitsverletzung des Klägers zu
berufen, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu
erfüllen war (§ 6 Abs. 1 VVG a.F.), auch wenn sie den Vertrag nicht gemäß § 6 Abs. 1
Satz 2 VVG a.F. gekündigt hat. Zwar schreibt § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. vor, dass sich
der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen kann, wenn er nicht
innerhalb eines Monats kündigt. Diese Voraussetzung ist jedoch in Ziff. 9 AVB
Frachtführer 1998 wirksam abbedungen (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2004 – IV ZR
291/03 -, zitiert nach JURIS Rdnr. 30 ff.).
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Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Nr. 7.3.1 und 7.3.3 AVB Frachtführer 1998
als allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart worden sind, die Beklagte
sich hierauf berufen darf oder gar den Kläger auf diese Bestimmungen ausdrücklich
hätte hinweisen müssen und ob der Kläger angesichts der von ihm behaupteten
Besonderheiten des Streitfalles diese Obliegenheiten schuldhaft verletzt hat.
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Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen Ziff. 7.3 AVB Frachtführer 1998 vor. Danach obliegt
es dem Versicherungsnehmer, für eine ordnungsgemäße Sicherung beladener
Fahrzeuge gegen Diebstahl Sorge zu tragen, insbesondere während des Abstellens
oder der Ruhepausen. Dass es keine ordnungsgemäße Sicherung eines beladenen
Lkw darstellt, wenn dieser über das Wochenende unbeaufsichtigt auf einer öffentlichen
Straße, sei es nun in einem Industriegebiet oder Wohngebiet, abgestellt wird, liegt auf
der Hand (vgl. auch BGH, NJW-RR 2003, 600, 601 Nr. 1 vom 29.01.2003 – IV ZR
41/01). Diesen objektiven Verstoß räumt der Kläger sogar ein, wenn er vorträgt, dass er
bei einer entsprechenden Kenntnis dieses Umstandes veranlasst hätte, dass der in der
Parkbucht abgestellte, beladene LKW von einem Bewachungsdienst bewacht worden
wäre (Berufungsbegründung, S. 7, Bl. 529 GA).
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Nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung 7.3 AVB Frachtführer 1998, gegen deren
Wirksamkeit keine Bedenken bestehen (vgl. BGH, a.a.O.), erfasst die Obliegenheit die
Sicherung des Transports in einem umfassenden Sinn. Ein durchschnittlich
geschäftskundiger Versicherungsnehmer wird bei aufmerksamer Durchsicht der
Versicherungsbedingungen erkennen, dass Ziff. 7.3 AVB Frachtführer 1998 ihm aufgibt,
für eine ordnungsgemäße Sicherung beladener Fahrzeuge zu sorgen. Aus der
Formulierung "zu sorgen" wird er schließen, dass er den Fahrer mit der Ladung nicht
einfach sich selbst überlassen darf, sondern Anweisungen für das Verhalten bei
Fahrtunterbrechungen erteilen muss (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2004 – IV ZR 291/03,
NJW-RR 2005, 394 ff., zitiert nach JURIS, Rdnr. 21). Da typischerweise nicht der
Versicherungsnehmer handelt, sondern sein Fahrer, dessen Nachlässigkeit dem
Versicherungsnehmer mangels Repräsentantenstellung nicht zugerechnet wird, erfüllt
der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit, indem er die betrieblichen Abläufe
organisiert und zweckmäßige Anweisungen erteilt, die vorausschauend der
Diebstahlsgefahr entgegen wirken können (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom
08.12.2004 – 7 U 130/04, VersR 2006, 115, zitiert nach JURIS). In jedem Fall genügt der
Versicherungsnehmer seinen Obliegenheiten nicht, wenn er den Fahrer mit der Ladung
gewissermaßen sich selbst überlässt und darauf vertraut, dass der Fahrer von sich aus
über hinreichende Erfahrungen verfügt, um für die Sicherheit des Transports zu sorgen
(vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2003 – 5 U 540/02, BeckRS 2003, 30321130).
52
Entsprechende Anweisungen hat der Kläger seinem Fahrer unstreitig nicht erteilt. Der
Kläger selbst hat eingeräumt (Schriftsatz vom 15.10.2008, S. 4, Bl. 415 GA), er habe den
Fahrer nicht anzuweisen brauchen, den beladenen Lkw nicht in der Nähe der
Privatwohnung abzustellen, da es im Rahmen der Abwicklung der laufenden
Geschäftsverbindung niemals vorgekommen sei, dass ein beladener Lkw in der Nähe
der Privatwohnung des Fahrers hätte abgestellt werden müssen. C... als sein
Vertragspartner habe die von ihm durchzuführenden Transporte grundsätzlich in der
Weise organisiert, dass der Fahrer die in A. zu übernehmende Ladung noch am
gleichen Tag beim frachtbriefmäßigen Empfänger abliefern konnte und musste (vgl.
Schriftsatz vom 15.10.2008, S. 3, Bl. 414 GA).
53
Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob dieser Vortrag nicht schon aufgrund der
Aussage des Fahrers im Verfahren 6 O 411/04 LG Düsseldorf widerlegt ist. Ausweislich
des Protokolls vom 21.04.2006 hat der Zeuge D. ausgesagt: "Ich habe dem
Disponenten telefonisch gesagt, dass ich den Lkw im Industriegebiet abstellen werde.
So ist es auch allgemein üblich, das wissen die auch. Denn es ist so, dass entweder der
Container auf dem Terminal der Firma C. abgestellt wird oder die eben sagen, dann
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komm erst am Montag wieder." Diese Aussage kann man nur dahingehend verstehen,
dass es doch öfter vorgekommen sein muss, dass ein beladener Lkw von dem Fahrer in
der Nähe seines Wohnortes abgestellt worden ist.
Auch die Aussage im vorliegenden Verfahren (Protokoll vom 09.09.2009, S. 2, Bl. 455
GA) kann nicht ohne Weiteres dahingehend verstanden werden, dass der Fahrer den
Lkw das allererste Mal beladen vor seiner Wohnung abgestellt hat und es dann zu dem
streitgegenständlichen Diebstahl gekommen ist. Zwar spricht der Zeuge von einer
Ausnahme, später sogar von einer "absoluten" Ausnahme. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass es nicht zuvor auch mal Ausnahmen gegeben haben mag.
55
Jedenfalls hat der Zeuge klipp und klar ausgesagt, dass es hinsichtlich beladener Lkw
keine generelle Anweisung von seinem Chef gegeben hat (Protokoll vom 09.09.2009, S.
2, Bl. 455 GA). Dies wird letztlich von dem Kläger, wie bereits dargelegt, auch nicht in
Abrede gestellt.
56
Zu einer derartigen generellen Anweisung war der Kläger jedoch verpflichtet. Selbst
wenn die Fahrten von C... immer als Rundlauf organisiert worden sind, kann es doch
immer wieder mal vorkommen, dass aufgrund technischer Pannen, Staus etc. die
Ladung nicht am gleichen Tage an den Empfänger ausgeliefert werden kann. Für einen
derartigen Fall hätte der Kläger dafür Sorge tragen müssen, dass entweder im
Rahmenvertrag mit der Firma C... in D. entsprechende Vereinbarungen getroffen
werden, wonach gegebenenfalls ein beladener Lkw auch auf deren Gelände hätte
abgestellt werden dürfen; zumindest hätte er eine deutliche Anweisung dahingehend
geben müssen, dass sich der Fahrer in diesem Fall mit ihm in Verbindung setzt.
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Ohne eine derartige Anweisung hat der Kläger den Fahrer mit der Ladung im Sinne der
oben genannten Rechtsgrundsätze gewissermaßen sich selbst überlassen.
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Damit hat der Kläger gegen Ziff. 7.3 AVB Frachtführer 1998 verstoßen, ohne dass es
darauf ankommt, ob ihm der Fahrer, was das Landgericht durchaus als lebensnah
bezeichnet, nicht doch informiert hat. Wenn es nach dem Vorbringen des Beklagten
noch nie vorgekommen sein soll, dass ein beladener Lkw über das Wochenende auf
einer öffentlichen Straße abgestellt werden musste, ist es doch naheliegend, dass der
Fahrer diesen Sonderfall, wenn er seinen Chef am nächsten Tag sieht, berichtet.
Letztlich kann dies aus den genannten Gründen aber dahin gestellt bleiben.
59
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihn kein Verschulden trifft (Ziff. 9 AVB Frachtführer
1998 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VVG a.F.). Wie bereits ausgeführt, liegt es nicht
außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass ein beladener Lkw doch mal nicht rechtzeitig
zum Empfänger transportiert werden kann. Für diesen Fall muss aber ein
Versicherungsnehmer Vorsorge treffen, dass der Fahrer mit dem Problem nicht alleine
gelassen wird.
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Die Klägerin kann auch nicht gemäß § 6 Abs. 2 VVG a.F. den Nachweis führen, dass
die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls
gehabt hat. Dieser Kausalitätsgegenbeweis ist nur dann erbracht, wenn mit Sicherheit
festzustellen ist, dass sich die Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt
des konkreten Versicherungsfalls ausgewirkt hat (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rdnr. 44).
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Wäre der Kläger seiner Verpflichtung, den Lkw am Wochenende gegen Diebstahl zu
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sichern, nachgekommen, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum
Versicherungsfall gekommen; jedenfalls lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass
sich die Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten
Versicherungsfall ausgewirkt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht
vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
65
Berufungsstreitwert: 223.743,55 €.
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