Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.07.2003

OLG Düsseldorf: angemessene frist, neues tatsächliches vorbringen, eröffnung des verfahrens, zwangsvollstreckung, form, verwertung, grundbuchamt, unrichtigkeit, erlass, sicherheit

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3 Wx 302/02
Datum:
11.07.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Wx 302/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahin abgeändert, dass die
Sache an das Amtsgericht Neuss mit der Weisung zurückgege-ben wird,
dem Beteiligten zu 1 zur Vorlage einer Löschungsbewilli-gung in der
Form des § 29 GBO eine angemessene Frist zu setzen. Die
Entscheidung über die Kosten des dritten Rechtszuges bleibt dem
Amtsgericht vorbehalten.
I.
1
Im Grundbuch von X sind als Eigentümer des o.a. Grundbesitzes zu je 1/2 die Eheleute
L und F C eingetragen. Über den Nachlass des am 25.06.2000 verstorbenen L C ist
durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 07.06.2001 das Insolvenzverfahren
eröffnet und der Beteiligte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
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In Abteilung III des Grundbuches sind auf dem 1/2-Anteil des Erblassers unter lfd. Nrn. 3
- 5 Sicherungshypotheken wie folgt eingetragen:
3
a)
4
für den Beteiligten zu 2 (H) 75.716,20 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung
eingetragen am 31.05.2000,
5
b)
6
für den Beteiligten zu 3 (I) 80.707,32 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung
eingetragen am 29.11.2000,
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c)
8
für den Beteiligten zu 4 (T2) 138.815,36 DM, im Wege der Zwangsvollstreckung
eingetragen am 03.01.2001.
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Der Beteiligte zu 1 hat am 06.02. und 11.04.2002 unter Vorlage einer Ablichtung des
amtsgerichtlichen Beschlusses vom 07.06.2001 und des Originals seiner
Bestallungsurkunde beantragt, die vorstehenden Sicherungshypotheken im Grundbuch
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zu löschen, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 88 Insolvenzordnung die
durch Zwangsvollstreckung erlangten Sicherungen an dem zur Insolvenzmasse
gehörenden Vermögen des Schuldners unwirksam geworden seien, er - der Beteiligte
zu 1 - mit mehreren ernsthaften Interessenten bezüglich des Ankaufs des Hälfteanteils
aus der Insolvenzmasse in Verhandlungen stehe und seitens der Interessenten in den
Verhandlungen verlangt werde, dass die Sicherungshypotheken vor Abschluss eines
Kaufvertrages gelöscht seien.
Das Amtsgericht hat die Anträge mit Beschlüssen vom 15.04. und 10.07.2002
zurückgewiesen, weil die eingetragenen Sicherungshypotheken nicht eine "noch nicht
beendete" Vollstreckungsmaßnahme darstellten, sondern als selbständige
Vollstreckungsmaßnahme mit der Eintragung im Grundbuch beendet seien. Außerdem
werde die in § 88 Insolvenzordnung festgelegte "Rückschlagsperre" im
Nachlassinsolvenzverfahren nicht gemäß § 321 Insolvenzordnung auf den Erbfall
vorverlagert.
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Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.04.2002
aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht mit der Weisung zurückgegeben, die
Löschung der Sicherungshypotheken zu III/4 und III/5 vorzunehmen.
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Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4, die rügen, sie
hätten vor Erlass des landgerichtlichen Beschlusses keine Gelegenheit zum rechtlichen
Gehör gehabt. Außerdem habe das Landgericht in unzulässiger Weise das Amtsgericht
zur Vornahme von Löschungen im Grundbuch angewiesen. Der Beschluss des
Landgerichts sei zudem in der Sache fehlerhaft, nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes könne eine Löschung der Zwangssicherungshypotheken nur im
Rahmen einer Verwertung der Grundstückshälfte des Erblassers in Betracht kommen,
eine unbedingte und vorbehaltlose Löschung der Zwangssicherungshypotheken hätte
nicht angeordnet werden dürfen.
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Der Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
14
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
15
II.
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Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO). Sie führt zur teilweisen
Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und - insoweit - zur Zurückgabe der
Sache an das Amtsgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die
Kosten des dritten Rechtszuges.
17
1.
18
Die mit der weiteren Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die
Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Beschwerdegericht ist allerdings
grundsätzlich berechtigt. Nach dem Akteninhalt sind die Beteiligten zu 3 und 4 auf die
Verfügung des Amtsgerichts vom 25.06.2002 lediglich von dem Antrag des Beteiligten
zu 1 auf Löschung der Zwangssicherungshypotheken, der Stellungnahme des
Rechtspflegers vom 14.03.2002 und der Erwiderung des Beteiligten zu 1 vom
05.04.2002 unterrichtet worden. Dass sie von der vom Beteiligten zu 1 eingelegten
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Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.04.2002, der Verfügung
des Berichterstatters der Kammer vom 10.06.2002 und der Nichtabhilfeentscheidung
des Landgerichts Kenntnis erhalten haben, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Die
Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.07.2002 bezieht sich denn
auch ausschließlich auf die vom Amtsgericht veranlasste Übersendung der Anträge des
Beteiligten zu 1 und 2 mit der Bitte um Kenntnis und Stellungnahme.
Der durch den Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründete
Verfahrensmangel zwingt aber nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
des Landgerichts, denn der Mangel ist im Rechtsbeschwerdeverfahren dadurch geheilt
worden, dass die Beteiligten zu 3 und 4 in ihrer weiteren Beschwerde ausführlich und
hinreichend Gelegenheit hatten, zu den maßgeblichen Rechtsfragen Stellung zu
nehmen und Stellung genommen haben. Neues tatsächliches Vorbringen, das bei
Kenntnis von der Beschwerde des Beteiligten zu 1 im landgerichtlichen Verfahren hätte
vorgebracht werden können, im Verfahren der weiteren Beschwerde aber nicht
berücksichtigt werden dürfte, enthält die weitere Beschwerde nicht.
20
2.
21
In der Sache hat das Landgericht ausgeführt, die nach dem Eintritt des Erbfalls erfolgten
Eintragungen der Sicherungshypotheken zu III/4 und III/5 am 29.11.2000 bzw. am
03.01.2001 stellten Maßnahmen der Zwangsvollstreckung dar, die gemäß § 321
Insolvenzordnung kein Recht zur abgesonderten Befriedigung gewährten. Der Beteiligte
zu 1 könne als Insolvenzverwalter die Löschung dieser Eintragungen gemäß § 22 GBO
beantragen. Der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches sei ordnungsgemäß
durch Vorlage einer Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts Düsseldorf vom
07.06.2001 erbracht worden.
22
3.
23
Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen
Nachprüfung nur zum Teil stand.
24
a)
25
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 1 als
Insolvenzverwalter - grundsätzlich - die Berichtigung des Grundbuches durch Löschung
der Sicherungshypotheken zu III/4 und 5 gemäß § 22 Abs. 1 GBO verlangen kann.
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Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Grundbuch unrichtig geworden.
Gemäß § 88 Insolvenzordnung wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im
letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem
Antrag durch Zwangsvollstreckung in das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen
des Schuldners erlangt hat, mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam. Das gilt hier
für die zu III/4 und 5 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken. Mit der Eintragung
der Zwangshypothek ist - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - die
Zwangsvollstreckung auf nicht beendet, denn die Vollstreckungsmaßnahme
"Eintragung einer Sicherungshypothek" kann erst dann als beendet angesehen werden,
wenn eine auf dieser Grundlage vorgenommene Zwangsversteigerung oder
Zwangsverwaltung durchgeführt ist (vgl. BGH ZIP 1995, 1425, 1426 ZIP 1999, 1490,
1491).
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Sind die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen somit bei Verfahrenseröffnung noch nicht
beendet gewesen, so unterfallen sie der Bestimmung des § 321 Insolvenzordnung mit
der Folge, dass die in § 88 Insolvenzordnung enthaltene Unwirksamkeitsfolge für
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen mit Verfahrenseröffnung für das
Nachlassinsolvenzverfahren auf den Zeitpunkt des Erbfalls vorverlegt wird (vgl.
Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Rn. 2 zu § 321; Kübler/Prütting,
RWS Kommentar zur Insolvenzordnung Rn. 2 zu § 321).
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Der Beteiligte zu 1 hat die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 22 Abs. 1 GBO
auch in der Form des § 29 GBO nachgewiesen. Er hat mit seinem Antrag auf Löschung
der Zwangshypotheken eine Ablichtung des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts
Düsseldorf sowie des Insolvenzantrags der Nachlasspflegerin vom 28.12.2000
vorgelegt. Auch wenn dies allein zur Wahrung der Form des § 29 GBO nicht ausreicht,
liegt darin zumindest eine Bezugnahme auf die bei den Akten befindliche, dem
Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Eintragung des Insolvenzvermerks beigefügte durch
die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts erstellte Ausfertigung des Beschlusses über
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Damit wird den Anforderungen des § 29 GBO
genügt, denn die Unrichtigkeit des Grundbuchs ergibt sich damit aus einer öffentlichen
Urkunde.
29
b)
30
Der Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs aus § 22 GBO ist auch nicht lediglich
eingeschränkt gegeben. Soweit in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, ein
Insolvenzverwalter dürfe von einer ihm aufgrund eines gerichtlichen Urteils zu
erteilenden Löschungsbewilligung nur insoweit Gebrauch machen als dies zur
Verwertung des Grundstücks notwendig ist (vgl. BGH ZIP 1995, 1425), besteht keine
Veranlassung, dies entsprechend auf einen Berichtigungsanspruch gemäß § 22 GBO
zu übertragen. Das das Grundbuchrecht beherrschende Interesse an der Richtigkeit des
Grundbuches und der Sicherheit des Rechtsverkehrs sowie die wirtschaftliche
Notwendigkeit einer Verwertung des Grundbesitzes im Insolvenzverfahren lässt eine
derartige Beschränkung des Anspruchs aus § 22 GBO nicht zu. Der - geforderte -
Nachweis einer bereits "erfolgten Verwertung" etwa durch Vorlage eines notariellen
Kaufvertrages o.ä. wird in der Regel kaum zu führen sein. Ein potentieller Erwerber wird
durchweg zum Abschluss eines Kaufvertrages nur bereit sein, wenn die eingetragenen
Zwangshypotheken gelöscht sind. Ist der Insolvenzgläubiger zur Erteilung der
Löschungsbewilligung nicht bereit, bedarf es erst eines u. U. längeren Rechtsstreites,
wodurch eine schnelle und günstige Verwertung möglicherweise verhindert oder
zumindest erschwert wird. Der "Nachweis" einer beabsichtigten Verwertung z.B. durch
Veräußerung des Grundbesitzes kann daher von dem Insolvenzverwalter nicht verlangt
werden.
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c)
32
Der vom Landgericht bereits angeordneten Löschung der Zwangshypotheken steht aber
ein - behebbares - Hindernis entgegen.
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Die gemäß § 88 Insolvenzordnung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unwirksam gewordenen Zwangshypotheken sind in entsprechender Anwendung des §
868 ZPO zu Eigentümergrundschulden geworden (vgl. BayObLG ZIP 2000/1263, 1264;
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Demharter GBO 24. Aufl., Anhang § 44 Rn. 66; Keller ZIP 2000, 1329; Uhlenbruck,
Insolvenzordnung 12. Aufl., Rn. 15 zu § 88).
Das hat zur Folge, dass es zur Löschung dieser Eigentümerrechte materiellrechtlich der
Aufgabeerklärung des Beteiligten zu 1 gem. § 875 BGB und grundbuchrechtlich der
Bewilligung zur Löschung durch den Beteiligten zu 1 in der Form des § 29 GBO bedarf.
Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Bayerischen Obersten
Landesgerichtes (BayObLG Z 2000, 176) an. Zwar liegt in dem Antrag auf Löschung der
Zwangshypotheken durch den Beteiligten zu 1 sowohl eine Aufgabeerklärung als auch
eine Bewilligung zur Löschung, letztere entspricht allerdings nicht der Form des § 29
GBO, so dass das Grundbuchamt die zu Eigentümergrundschulden gewordenen
Zwangshypotheken erst nach Vorlage einer den Anforderungen des § 29 GBO
genügenden Löschungsbewilligung löschen darf.
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Das hat das Landgericht verkannt. Die Entscheidung des Landgerichts war daher dahin
abzuändern, dass das Grundbuchamt nicht bereits zur Löschung der
Zwangshypotheken, sondern anzuweisen war, dem Beteiligten zu 1 zur Behebung des
Eintragungshindernisses, nämlich der Vorlage einer Löschungsbewilligung in der Form
des § 29 GBO, eine angemessene Frist zu setzen.
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Die insoweit gegen eine "Anweisung" des Amtsgerichts (Grundbuchamtes) von den
Beteiligten zu 3 und 4 vorgetragenen Bedenken sind ersichtlich unbegründet. Erweist
sich ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung oder Verfügung des Grundbuchamts als
begründet, so kann je nach Sachlage das Grundbuchamt auch zur Vornahme der
beantragten Eintragung angewiesen oder aber ihm der Erlass einer Zwischenverfügung
aufgegeben werden.
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Die Sache war daher an das Amtsgericht zurückzugeben, dem auch die Entscheidung
über die Kosten des dritten Rechtszuges obliegt.
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