Urteil des OLG Düsseldorf vom 13.12.2007

OLG Düsseldorf: treu und glauben, mietsache, geldautomat, wohnraummiete, versicherung, leistungsverfügung, hauptsache, vertragsabschluss, vermieter, abmahnung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I- 24 U 185/07
Datum:
13.12.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I- 24 U 185/07
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 4 O 299/07
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 16.08.2007
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landge-richts Duisburg -
Einzelrichterin - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Verfü-
gungsbeklagten auferlegt.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 18.000,00 €.
G r ü n d e
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Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist gemäß §
522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufungsbegründung rechtfertigt
keine für die Verfügungsbeklagte günstigere Beurteilung.
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I.
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Der Senat hat hierzu in seinem Hinweisbeschluss vom 12.11.2007 ausgeführt:
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Zu Recht hat das Landgericht dem Antrag auf Erlass der von der Verfügungsklägerin
begehrten einstweiligen Verfügung stattgegeben (§§ 935, 940 ZPO). Das
Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der
Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte aus dem Mietvertrag der
Parteien vom 25./29. April 2005 über die Räume des Verbrauchermarkts in O., ein
Anspruch auf Unterlassung des Betriebs eines Geldautomaten zu. Auch fehlt es der
Verfügungsklägerin nicht an einem Verfügungsgrund.
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1. Nach § 541 BGB ist der Mieter verpflichtet, den vertragswidrigen Gebrauch der
Mietsache nach Abmahnung des Vermieters zu unterlassen. Die Fortsetzung des
vertragswidrigen Gebrauchs berechtigt den Vermieter, auf Unterlassung zu klagen.
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Was jeweils im Einzelnen zur vertragsgemäßen Nutzung des Mieters gehört, richtet
sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Maßgebend sind bei deren – auch
ergänzender - Auslegung die gesamten Umstände des Mietverhältnisses,
insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie
die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH
NJW-RR 2007, 1243-1245 zur Wohnraummiete; Staudinger/Emmerich, BGB (2006),
§ 535 Rdnr. 35).
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a)
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Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, gebraucht die Verfügungsbeklagte
die Mietsache unter Verletzung des Mietvertrages der Parteien. Zwar nutzt die
Verfügungsbeklagte die gemieteten Gewerberäume nicht selbst, weil sie diese auf
Grund eines Untermietvertrages der Firma F. Z. (Untermieterin) überlassen hat. Die
Verfügungsbeklagte gestattet oder duldet zumindest, dass die Untermieterin einen
Geldautomaten im Eingangsbereich ihres Verbrauchermarkts durch die E. betreibt.
Darin liegt eine eigene Vertragsverletzung. Im übrigen haftet sie auch für das
Verhalten der Untermieterin; denn der Mieter hat grundsätzlich dafür einzustehen,
dass der Dritte, dem er den Gebrauch des Mietobjekts überlässt, dieses nur in den
durch den Hauptmietvertrag gezogenen Grenzen nutzt (vgl. BGH ZMR 2000, 596;
Bub/Treier/Kraemer Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IIIA Rdn.
1029).
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Nach dem eindeutigen Wortlaut des Mietvertrages (§ 1) der Parteien besteht der
Mietzweck im "Betrieb eines Lebensmittelverbrauchermarktes mit den für diese
Betriebsform üblichen Sortimenten, auch mit den üblichen Non-Food-Artikeln".
Darunter fällt der Betrieb eines Geldautomaten nicht. Es handelt sich
selbstverständlich nicht um einen Teil des Lebensmittelsortiments. Auch zählen die
mit dem Bankautomaten möglichen Geldgeschäfte nicht zu den "Non-Food-Artikeln".
Darunter fallen nur nicht zum Verzehr bestimmte Waren, die der Verbraucher für
seinen Haushaltsbedarf benötigt. Zu Recht hat das Landgericht dazu Reinigungs-
und Drogerieartikel, aber auch Küchenzubehör und Schreibwaren gezählt, wobei
diese Aufzählung nur beispielhaft sein kann.
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Demgegenüber handelt es sich bei den mit dem Geldautomaten ermöglichten
Geschäften auch bei weitgehender, den Interessen der Verfügungsbeklagten gerecht
werdender Auslegung nicht um den Vertrieb von Waren. Vielmehr dient der
Bankautomat der Geldbeschaffung durch ein Kreditgeschäft, das der Inhaber einer
den Zugang zu dem Automaten erlaubenden Kreditkarte mit dem betreibenden
Bankinstitut eingeht. Dieses Geschäft ist zudem nicht notwendig mit einem Einkauf
der Kunden im Markt der Verfügungsbeklagten verbunden. Vielmehr kann sich
jedermann, der die Zugangsvoraussetzungen erfüllt, mit Geldmitteln versorgen, ohne
anschließend einen Einkauf zu tätigen. Ihren Kundenwünschen kann die
Verfügungsbeklagte auch ohne einen Bankautomaten entsprechen, indem sie ihnen
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an der Kasse des Verbrauchermarktes die Bezahlung mit Kredit- oder sonstigen
Bankkarten ermöglicht.
Ob inzwischen die Aufstellung von Geldautomaten im Eingangsbereich von
Verbrauchermärkten üblich ist, kann auf sich beruhen. Zum einen können dem
nämlich entsprechende Mietverträge zu Grunde liegen. Zum anderen kann der vom
Vermieter zugelassene oder auch nur geduldete Betrieb derartiger Geldautomaten
schlicht seine Ursache darin haben, dass in näherer Umgebung des betroffenen
Marktes ein Geldinstitut nicht existiert. Das ist hier gerade nicht der Fall. Denn im
selben Einkaufszentrum ist eine Sparkassenfiliale vorhanden, von der ein
Geldautomat bereitgestellt wird.
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b)
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Einen abweichenden Mietzweck haben die Parteien auch nicht mündlich neben dem
schriftlichen Mietvertrag vereinbart. Abgesehen davon, dass dagegen die Vermutung
der Vollständigkeit und Richtigkeit der umfangreichen Mietvertragsurkunde spricht,
hat das Landgericht überzeugend das Ergebnis der Beweisaufnahme gegen die
Verfügungsbeklagte gewertet. Im übrigen hat die Verfügungsbeklagte auch im
zweiten Rechtszug nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin in
Abweichung vom schriftlichen Mietvertrag bei wöchentlichen
Bauplanungsgesprächen den Einbau eines Geldautomaten gestattet hat.
Insbesondere sind die angeblichen Zusagen zeitlich so unbestimmt, dass nicht
festgestellt werden kann, ob der schriftliche Vertrag vorher oder nachher geschlossen
worden ist. Hinzu kommt, dass im Nachtrag Nr. 1 vom 6./14. Juni 2006 ein Hinweis
auf den Geldautomaten wiederum nicht enthalten, dafür aber die Bezugnahme auf die
Baubeschreibung des Verbrauchermarktes L.-Str. entfallen ist.
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c)
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Gibt der Mietzweck somit für das Betreiben von Bankgeschäften durch die
Verfügungsbeklagte oder Dritte nichts her, so bedurfte es auch nicht der
Vereinbarung einer Konkurrenzschutzklausel (vgl. § 11 Abs. 3 Mietvertrag), wie sie
die Verfügungsklägerin mit der Stadtsparkasse O. vereinbart hat. Ebensowenig wie
diesem Kreditinstitut nach dem mit ihm vereinbarten Mietzweck ein Konkurrenzverbot
hinsichtlich des Betriebs eines Verbrauchermarktes aufzuerlegen war, gilt dies für
den Betrieb von Bankgeschäften für die Verfügungsbeklagte.
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d)
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Die erforderliche Abmahnung hat die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten
mit Schreiben vom 24. Mai 2007 übersandt und auf Beseitigung des Geldautomaten
gedrängt. Darin steckt auch das Unterlassungsbegehren, das Gegenstand dieses
Rechtsstreits ist.
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2. Zu Recht hat das Landgericht auch einen Verfügungsgrund angenommen. Zwar
birgt die hier erlassene Leistungsverfügung stets die Gefahr der Vorwegnahme der
Hauptsache in sich. Ist aber unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
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begehrte Unterlassung zur Vermeidung größerer Schäden der Vermieterin
geboten, steht auch einer Leistungsverfügung nichts im Wege. Im vorliegenden
Fall hat die Stadtsparkasse O. der Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 24. Mai
2007 Schadensersatzforderungen angedroht, und zwar im Hinblick auf den ihr
zugesagten Konkurrenzschutz. Auch ist eine Minderung der Bankfilialenmiete
möglich. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der
Verfügungsbeklagten demgegenüber unschwer möglich, den Betrieb des
Geldautomaten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen.
22
II.
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Der Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 20. November 2007 gibt zu einer
abweichenden Beurteilung keine Veranlassung.
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Eine vom schriftlichen Mietvertrag abweichende Vereinbarung der Parteien ist immer
noch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
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1. Die Angaben des Zeugen W. in der eidesstattlichen Versicherung vom 20.
November 2007 sind nicht mit seiner Aussage vor dem Landgericht zu
vereinbaren. Nach Belehrung durch die vernehmende Richterin hat der Zeuge
ausdrücklich erklärt, es sei "nicht explizit" über den Geldautomaten gesprochen
worden. Wenn ihm nunmehr nach Durchsicht der Unterlagen, die im Übrigen nicht
näher bezeichnet sind, eine gegenteilige Darstellung einfällt, ist deren Inhalt nicht
glaubhaft, weil der Zeuge bei seiner Vernehmung eingehend befragt worden ist.
2. Die Angaben sind auch nicht deshalb glaubhafter, weil sie sich mit dem Inhalt der
von der Verfügungsbeklagten zu den Akten gereichten Plänen decken sollen.
Abgesehen davon, dass der Plan Anlage BB 2 schon nach dem eigenen
Vorbringen der Verfügungsbeklagten mit keiner der im Mietvertrag in Bezug
genommenen Urkunden (Lageplan, Grundrissplan, Bau- und
Leistungsbeschreibung) identisch ist, lässt die nachträglich von Hand in diesen
Plan eingezeichnete Skizze eines Bankautomaten auch sonst keine Verbindung
zu dem Vertragswerk der Parteien erkennen. Dass im Planungsstadium zu einem
nicht näher bezeichneten Zeitpunkt – der Plan selbst lässt weder Zeit noch Ort
noch seinen Verfasser erkennen – ein Geldautomat skizziert worden ist, noch
dazu an einem anderen als dem später ausgewählten Standort, besagt für den
Vertragsabschluss gar nichts. Hinzu kommt, dass der Plan nicht einmal der
Verfügungsklägerin, sondern angeblich ihrem Generalunternehmer zugeleitet
worden sein soll, der mit dem Abschluss des Mietvertrages der Parteien nichts zu
tun hatte. Auch die Anlage BB3 gibt nichts für die Vereinbarung zum
Geldautomaten her. Dass an dessen angeblichem Standort in der
"Entwurfsplanung Bauteil C Grundriss Erdgeschoss Elektrotechnik" im
Eingangsbereich nach der Legende des Plans eine einzige
"Telefonanschlussdose" vorgesehen war, besagt über das bloße Telefonieren
hinaus nichts über deren Zweckbestimmung. Im Übrigen lassen die von der
Verfügungsbeklagten ansonsten vorgetragenen Umstände, insbesondere auch die
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Bedarfsplanung und die Liste des Zeugen W. sowie die eidesstattliche
Versicherung des M. .Z., nur Rückschlüsse auf die von der Verfügungsbeklagten
vorgesehene Planung der Einrichtung des Verbrauchermarktes zu, mögen auch
mit dem Bauvorhaben befasste Beauftragte der Verfügungsklägerin an mehreren
Baubesprechungen teilgenommen haben.
3. Insgesamt kann den Vorgängen vom 7. November 2005, von denen der Zeuge
berichtet hat, damit nicht der Wert einer mündlichen Nebenabrede zum Mietvertrag
vom 17./ 20. Februar 2006 zukommen. Denn der Zeuge war ebenso wenig mit den
eigentlichen Vertragsverhandlungen oder gar dem Vertragsabschluss betraut wie
seine Gesprächspartner, wie der Zeuge bei seiner Vernehmung eingeräumt hat.
Mag auch bei "mindestens einer der" Baubesprechungen der Geldautomat
Gesprächsthema gewesen sein, so kann die Verfügungsbeklagte doch daraus für
eine erlaubte Aufstellung dieses Geräts im Rahmen des Vertragszwecks (s.o.
unter I.) nichts für sich herleiten.
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III.
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Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen ebenfalls vor, weil die
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und eine
Entscheidung des Berufungsgerichts im Urteilsverfahren auch zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§
522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Z. Vorsitzender Richter am
Oberlandesgericht
T. Richter am
Oberlandesgericht
S. Richter am
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