Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.08.2009

OLG Düsseldorf (bundesrepublik deutschland, anlage, internationale zuständigkeit, zeuge, lizenzvertrag, gutachten, common law, kündigung, lizenz, vertrag)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-2 U 6/04
Datum:
20.08.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-2 U 6/04
Tenor:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18. November 2003
verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird
zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,-- Euro
abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 750.000,-- Euro.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem eine Vorrichtung zur Befestigung eines
Stützelements an einem Drahtgitter betreffenden, auch mit Wirkung für die
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 780 xxx (Klagepatent,
3
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 780 xxx (Klagepatent,
Anlage L1) auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung
zum Schadenersatz in Anspruch. Eingetragener Inhaber des Klagepatentes ist der
Zeuge Jörg A aus B; durch Vertrag vom 10. Mai 2002 räumte er der Klägerin eine
ausschließliche Lizenz an dem Gegenstand des Klagepatentes ein und trat ihr
entstandene und noch entstehende Ansprüche auf Schadenersatz ab (vgl. Anlage L2).
Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent beruht auf einer im Dezember
1995 eingereichten und im. Juni 1997 veröffentlichten Anmeldung; der Hinweis auf die
Patenterteilung ist im. Juni 1999 im Patentblatt bekannt gemacht worden. Der im
vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Patentanspruch 2 lautet wie folgt:
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Vorrichtung zur Befestigung eines Stützelementes (14) an einem Drahtgitter (12)
eines Sitzes, mit Klemmnuten (56), in denen jeweils zumindest ein Draht (20, 22;
24, 26) des Drahtgitters verrastet ist,
dadurch gekennzeichnet
Klemmnut durch eine parallel zu deren Längsrichtung verlaufende, vom Boden der
Klemmnut aufragende elastische Zunge (58) in zwei Schächte (60, 62) unterteilt ist,
die jeweils einen der Drähte (20, 22; 24, 26) aufnehmen, wobei die Drähte in der
Klemmnut (56) nebeneinander liegen, und dass die lichte Weite (W1 + W2) der
Öffnung der Klemmnut (56) kleiner ist als die Summe der Durchmesser der beiden
Drähte.
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Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 bis 4 der Klagepatentschrift zeigen ein
Ausführungsbeispiel der Erfindung, und zwar Figur 1 die vom Benutzer abgewandte
Seite einer Lordosenstütze, die Figuren 2 und 3 die durch eine elastische Zunge in zwei
Schächte unterteilte Klemmnut am oberen Ende des Stützelementes, wobei in Figur 2
die Drähte in den Schächten der Klemmnut eingerastet sind, während in Figur 3 einer
der Drähte in die Öffnung eingerastet bzw. aus ihr herausgezogen wird; Figur 4 zeigt die
ebenfalls unterteilte Klemmnut am unteren Ende des Stützelementes mit den beiden
eingerasteten Drähten.
6
Vor der Lizenzvergabe an die Klägerin hatte der Zeuge A durch schriftlichen
Lizenzvertrag vom 23. März/4. Mai 2000 (Anlage B1) der D of North America Ltd. aus E,
Ontario/Kanada und der D Gerätebau J aus F in Österreich (nachfolgend: D Gerätebau)
die Benutzung des Klagepatentes gestattet. Für letztere unterzeichnete ihr damaliger
Geschäftsführer, der Zeuge Rudolf G, die Vereinbarung; er war seinerzeit auch
Geschäftsführer der Beklagten, die eine Tochtergesellschaft der beiden
Lizenznehmerinnen ist. Die Lizenznehmerinnen gehören inzwischen wie die Beklagte
zum US-amerikanischen H – Konzern. Vereinbarungsgemäß wurde der Vertrag dem
Recht der Provinz Ontario, Dominion Kanada, unterstellt; für Streitfälle, streitige
Angelegenheiten oder Fragen, die zwischen den Parteien im Zusammenhang mit dieser
Vereinbarung oder ihrer Auslegung oder der Rechte, Verpflichtungen und
Obliegenheiten und Verbindlichkeiten jeder der Parteien entstehen, wurde die
Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart.
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Die in Ausübung der der D Gerätebau eingeräumten Lizenz hergestellten
Lordosenstützen wurden von der ebenfalls in Österreich geschäftsansässigen
Beklagten gefertigt und in die Bundesrepublik Deutschland geliefert. Die Ausführung
entsprach der als Anlage B4 vorgelegten Konstruktionszeichnung und machte von der
in Anspruch 2 des Klagepatentes beschriebenen technischen Lehre Gebrauch. Hierfür
wurden an den Zeugen A Lizenzgebühren entrichtet; dieser widersprach der Nutzung
durch die Beklagte nicht.
8
Der Zeuge A beanstandete, die Lizenznehmerin habe die Produktion des – ebenfalls
lizenzierten und durch ein weiteres Patent für ihn geschützten – Spannschlosses bis
zum 29. September 2000 vereinbarungswidrig noch nicht auf die I Deutschland GmbH &
Co. KG übertragen, deren Alleingesellschafter er war, und habe Einspruch gegen
dieses Patent eingelegt; rückwirkend zum 1. Juli 2000 wollte er die Lizenzgebühren für
das Spannschloss erhöhen. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 (Anlage L3) kündigte
der Zeuge A den Lizenzvertrag gegenüber D Gerätebau fristlos mit der Begründung, sie
habe eine von ihm gesetzte Frist zur Klärung einer noch offenen Angelegenheit – damit
war die vorbezeichnete gemeint – nicht eingehalten. Die inzwischen an die Stelle der
bisherigen J getretene D Gerätebau AG (nachfolgend ebenfalls: D Gerätebau)
widersprach dieser Kündigung u.a. mit Schreiben vom 30. August 2001 (Anlage L5/1),
erklärte gleichzeitig, sie wolle die Patente noch bis längstens März 2002 benutzen und
bat den Zeugen A um Bestätigung. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 (Anlagen L 4/1
und 2) bat dieser seinerseits die Beklagte um schriftliche Bestätigung, dass sie das
Klagepatent nur noch bis Ende März 2002 für die K-Variante benötige; D-Gerätebau
erklärte daraufhin mit Schreiben vom 18. Oktober 2001 (Anlage L 5/2), entsprechend
ihrem Schreiben vom 30. August 2001 wolle sie das Klagepatent bis längstens Ende
März 2002 nutzen. Die Korrespondenz für die D-Unternehmen führte jeweils der Zeuge
G. Seit April 2002 haben die Lizenznehmer keine Lizenzgebühren mehr gezahlt.
Nachdem der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 18. August 2005 (Bl. 242 ff. d.A.)
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigung geäußert hatte, erklärte der Zeuge A
mit Anwaltsschreiben vom 18. Januar 2006 (Anlage BK10) gegenüber beiden im
Lizenzvertrag genannten D-Gesellschaften nochmals die außerordentliche, hilfsweise
die ordentliche Kündigung des Lizenzvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
9
Seit April 2002 vertreibt die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland geänderte
Lordosenstützen (Ausführungsform I), die den als Anlagen L11 (Muster 1) und L12
(Muster 2) vorgelegten Musterstücken, den als Anlagen B6 und B7 vorgelegten
Fotografien und der Konstruktionszeichnung Anlage B5 entsprechen, aus der der
nachstehende die obere Halterung betreffende Ausschnitt stammt (vgl. auch Anlage
L15).
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Hierfür entrichtete die Beklagte keine Lizenzgebühren mit der Begründung, diese
Lordosenstütze entspreche nicht der Lehre des Klagepatentes. Seit 2003 stellt die
Beklagte in Österreich eine weitere Ausführungsform entsprechend dem als Anlage L17
vorgelegten Muster her (Muster 3, Ausführungsform II) und liefert sie nach
Großbritannien an die Abnehmer L und M.
11
Die Klägerin meint, auch diese beiden Ausführungen entsprächen wortsinngemäß den
Merkmalen des Klagepatentanspruches 2. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und
hat geltend gemacht, die Klage sei unzulässig; ihr stehe die Einrede des
Schiedsvertrages entgegen. Auch sei sie – die Beklagte – in die Lizenz gemäß Anlage
B1 einbezogen; die in der Vertragsurkunde aufgeführten D-Unternehmen hätten ihr die
Benutzung im Wege einer Unterlizenz gestattet. Das ergebe sich daraus, dass der
Zeuge G den Lizenzvertrag auch als ihr Geschäftsführer unterzeichnet habe, sie auch
zur im Vertragsrubrum als Lizenznehmer angegebenen D-Gruppe gehöre und der
Zeuge A gewusst und gebilligt habe, dass auch sie – die Beklagte – den Gegenstand
des Klagepatentes nutze. Dementsprechend sei sie es gewesen, die für die bis Ende
März 2002 benutzte Ausführungsform Lizenzgebühren an ihn entrichtet habe. Diese
gegenüber dem Inhaber des Klagepatentes bestehenden Einwendungen müsse die
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Klägerin gegen sich gelten lassen. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dem
erstinstanzlich angerufenen Landgericht Düsseldorf fehle die internationale
Zuständigkeit; mit der Geltung des kanadischen Rechts sei zugleich die ausschließliche
Zuständigkeit der kanadischen Gerichte vereinbart worden. Hinsichtlich der an M und L
gelieferten Gegenstände fehle die internationale Zuständigkeit, weil sie – die Beklagte –
in Deutschland keine Patentverletzung begehe.
Die angegriffenen Gegenstände entsprächen auch nicht der patentgeschützten Lehre.
Erfindungsgemäß müsse die die Klemmnut in zwei Schächte bzw. Kanäle unterteilende
Zunge nachgiebiger sein als die Seitenwände. Das Klagepatent erreiche dies durch
eine Ausbildung der Zunge mit geringerer Wandstärke als die Seitenwände. Die
angegriffenen Gegenstände hätten demgegenüber statt einer elastischen Zunge einen
festen Mittelsteg, der mit über 2 mm und im Querschnitt pilzförmigen Verdickungen am
äußeren freien Ende eine mehr als doppelte Wandstärke gegenüber dem unteren
Bereich der Seitenwände aufweise. Hierdurch könne dieser Mittelsteg beim Einrasten
und Herausziehen der Drähte nicht nachgeben und auch nicht durch den daneben
liegenden eingerasteten zweiten Draht blockiert werden; nachgiebig seien nur die
Seitenwände. Hierdurch entstünden zwei Klemmnuten zur Halterung je eines Drahtes,
während das Klagepatent für beide Drähte eine einzige durch die elastische Zunge in
zwei Schächte unterteilte Klemmnut lehre. Eine Verwirklichung der erfindungsgemäßen
Lehre mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln scheitere daran, dass die angegriffenen
Ausführungsformen gegenüber dem Klagepatent neu und erfinderisch seien;
dementsprechend sei ihr – der Beklagten – für diese Ausführungsformen das
österreichische Patent 408 yyx (Anlage B8) erteilt worden.
13
Im Übrigen gestatte ihr der Lizenzvertrag die Benutzung des Klagepatentes noch immer.
Die Kündigung durch den Zeugen A sei unwirksam. Hilfsweise berufe sie sich auf ein
privates Vorbenutzungsrecht.
14
Durch Urteil vom 18. November 2003 hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang
entsprochen und wie folgt erkannt:
15
I.
16
Die Beklagte wird verurteilt,
17
1.
18
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, oder Ordnungshaft bsi zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu
zwei Jahren, zu unterlassen,
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Vorrichtungen zur Befestigung eines Stützelementes an einem Drahtgitter eines
Sitzes, mit Klemmnuten, in denen jeweils zumindest ein Draht des Drahtgitters
verrastet ist,
20
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu
gebrauchen,
21
wobei eine einzelne Klemmnut durch eine parallel zu deren Längsrichtung
22
verlaufende, vom Boden der Klemmnut aufragende elastische Zunge in zwei
Schächte unterteilt ist, die jeweils einen der Drähte aufnehmen, wobei die Drähte in
der Klemmnut nebeneinander liegen und die lichte Weite der Öffnung der
Klemmnut kleiner ist als die Summe der Durchmesser der beiden Drähte;
2.
23
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziff. I.1.
bezeichneten Handlungen seit dem 1. April 2002 begangen hat, und zwar unter
Angabe
24
a)
25
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
26
b)
27
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,
28
-preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der
jeweiligen Angebotsempfänger,
29
d)
30
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
31
e)
32
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns,
33
II.
34
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden
zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 1. April 2002
begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
35
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einrede der Schiedsvereinbarung stehe seiner
Entscheidung nicht entgegen, da die Beklagte weder Partei der zwischen dem Inhaber
des Klagepatents und der D-Gruppe getroffenen Schiedsvereinbarung sei noch die
Schiedsvereinbarung Fälle wie den vorliegenden Patentverletzungsstreit betreffe.
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Die angegriffenen Gegenstände machten von der Lehre des Klagepatentes
wortsinngemäß Gebrauch. Eine parallel zu deren Längsrichtung verlaufende vom
Boden der Klemmnut aufragende elastische Zunge unterteile die einzelne Klemmnut
der Muster 1 und 2 der Ausführungsform I in zwei Schächte, die jeweils einen der Drähte
aufnähmen. Hierzu genüge es, dass die Zunge beim Herausziehen eines einzelnen
Drahtes ausweiche und beide Drähte bei gleichzeitigem Herausziehen verkeile.
Dementsprechend habe in den in Anlage L13 dokumentierten Versuchen das
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gleichzeitige Herausziehen beider Drähte deutlich mehr Kraft erfordert als die Summe
der Kräfte zum Ausrasten jedes einzelnen Drahtes. Dass beim Herausziehen eines
einzelnen Drahtes auch die Seitenwände in gewissem Umfang nachgäben, stehe der
Verwirklichung nicht entgegen, solange die vorbeschriebene Wirkung erhalten bleibe.
Auf ein privates Vorbenutzungsrecht könne die Beklagte sich nicht berufen, weil sich
aus der zum Beleg der Vorbenutzungshandlungen vorgelegten Konstruktionszeichnung
nicht zweifelsfrei ergebe, dass die Beklagte vor dem Prioritätszeitpunkt bereits im
Erfindungsbesitz gewesen sei, die Skizze aus deren Betrieb stamme und der mittlere
Steg der dort gezeigten Halterung elastisch ausgebildet sei. Abgesehen davon habe die
Beklagte nicht konkret vorgetragen, die dort dargestellten Stützen vor dem
Anmeldedatum des Klagepatents im Inland benutzt zu haben.
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Das Muster 3 (Ausführungsform II) mache von der geschützten Lehre unstreitig
wortsinngemäß Gebrauch; die Störereigenschaft der Beklagten ergebe sich daraus,
dass sie die schutzrechtsverletzenden Gegenstände an M und L nach England geliefert
habe, obwohl sie das Klageschutzrecht gekannt und auch gewusst habe, dass die
Abnehmer mit den angegriffenen Gegenständen ausgerüstete Fahrzeuge in die
Bundesrepublik Deutschland lieferten.
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Der Lizenzvertrag gemäß Anlage B1 berechtige die Beklagte mangels Parteieigenschaft
nicht zur Nutzung. Soweit sie sich auf eine von der D-Gruppe konkludent eingeräumte
Unterlizenz berufen habe, sei das Vorbringen unsubstantiiert, und es seien auch keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die D-Gruppe zur Vergabe von Unterlizenzen
berechtigt gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des
Landgerichts Bezug genommen.
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Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr
Klageabweisungsbegehren weiter. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und
führt ergänzend aus: Im vorliegenden Rechtsstreit müsse darüber befunden werden, ob
der Lizenzvertrag beendet sei oder fortbestehe. Da diese Frage der Schiedsklausel
unterfalle, bestehe sie unabhängig von einer Beendigung des Lizenzvertrages fort. Auch
der Zeuge A sei bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass die Beklagte zur D-
Gruppe im Sinne des Lizenzvertrages gehöre. Sie – die Beklagte – sei das einzige D-
Unternehmen, das als Hersteller in Betracht gekommen sei. D of North America sei nur
dort tätig und D Gerätebau habe nur Büromöbel bzw. Lordosenstützen für Bürostühle
hergestellt und vertrieben, bei denen das Klagepatent keine Rolle gespielt habe.
Letztere sei im Vertragsrubrum als Lizenznehmerin benannt worden, weil der Zeuge A
auch ein europäisches Unternehmen als Schuldner in den Vertrag habe aufnehmen
wollen und die D Gerätebau das wichtigste und größte europäische Unternehmen der
D-Gruppe sei. Ihr Name stehe im Lizenzvertrag für alle Unternehmen der D-Gruppe.
Auch während der Dauer des Lizenzvertrages seien die Vertragsparteien
übereinstimmend davon ausgegangen, dass sie – die Beklagte – ebenfalls
Lizenznehmerin sei. Der Zeuge A habe mit ihr – und nicht mit D-Gerätebau – über den
Vertrag korrespondiert und ihr das Angebot zu einer befristeten Weitergeltung mit
anschließender Vertragsaufhebung unterbreitet. Er habe auch gewusst, dass sie den
Gegenstand des Klageschutzrechtes genutzt habe und die von ihr gezahlten
Lizenzgebühren ohne Beanstandungen entgegengenommen. Letzteres habe jedenfalls
zu einer konkludenten Einbeziehung der Beklagten als Lizenznehmer geführt.
41
Unzutreffend sei das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die
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angegriffenen Gegenstände der Lehre des Klageschutzrechtes entsprächen. Bei den
Mustern 1 und 2 verlaufe der vom Landgericht als elastische Zunge angesehene starre
Mittelsteg nur teilweise parallel zu den Seitenwänden, da die Seitenwände über den
Mittelsteg an dessen Enden um etwa 0,5 cm überstünden; die überstehenden Enden der
Seitenwände seien aufeinander zu gebogen. Der Mittelsteg sei auch deshalb starr, weil
er nicht freistehe, sondern durch eine durchgehende Wand mit den am selben Ende des
Kunststoffteils befindlichen Mittelstegen anderer Halterungen verbunden und seine
Wandstärke doppelt so dick wie die der Seitenwände sei; außerdem stehe die
Verdickung mit ihrer Unterkante um 90° ab und bilde beim Herausziehen des
eingelegten Drahtes eine schwer überwindbare Kante. Die Befestigung des Drahtes
beruhe wesentlich auf seiner Biegsamkeit. Die zum Einsetzen bzw. Herausziehen des
Drahtes notwendige Kraft führe zu einem Durchbiegen des Drahtes in die
entsprechende Form und nur in geringem Umfang auch zu einem Ausweichen der
Seitenwände. Auch bei dieser Funktionsweise könne die aufzuwendende Kraft beim
gleichzeitigen Entfernen beider Drähte größer sein als bei einem aufeinander folgenden
Ziehen. Die Drähte verkeilten sich nicht zwischen patentgemäß vorausgesetzten starren
Seitenwänden und einer elastischen Zunge. Ihre Herausnehmbarkeit beruhe auf dem
pilzförmig konfigurierten Querschnitt des freien Zungenendes, mit dessen gerundeten
Kanten die ebenfalls mit rundem Querschnitt ausgebildeten Drähte zusammenwirkten.
Das Gutachten Anlage L13 sei nicht aussagekräftig, weil die Elastizität der Zunge nicht
gemessen und auch andere Versuchsparameter nicht offen gelegt worden seien. Auch
sei die Versuchsanordnung fehlerhaft, und gemessen worden sei nur der Kraftaufwand
für das Herausziehen und nicht auch derjenige für das Einlegen der Drähte. Darüber
hinaus seien die Messergebnisse nicht repräsentativ, weil jeweils statt mehrerer nur ein
Messvorgang vorgenommen worden sei.
Da der Lizenzvertrag fortbestehe, sei sie auch zur Vornahme der angegriffenen
Handlungen berechtigt. Die vom Zeugen A erklärte Kündigung sei unwirksam, weil der
Lizenzvertrag hierzu keine Regelung enthalte und die gesetzlichen Regeln des
kanadischen Rechts eingriffen. Dass eine Kündigungserklärung und ein
Kündigungsgrund bestünden, die diesen Bestimmungen entsprächen, habe die
Klägerin nicht dargelegt. Der Lizenzvertrag sei auch nicht einvernehmlich aufgehoben
worden, weil die Lizenznehmerin stets geltend gemacht habe, er bestehe fort. Ihre
Erklärung, das Klagepatent nur noch bis März 2002 nutzen zu wollen, sei kein
Einverständnis mit einer endgültigen Vertragsauflösung, sondern liege darin begründet,
dass sie auf die jetzt angegriffenen patentfreien Ausführungen umgestiegen sei. Dass
sie hierfür keine Lizenzgebühren bezahle, verstoße daher nicht gegen den
Lizenzvertrag. Ein Grund zur Kündigung vom 13. Oktober 2000 könne das nicht sein, da
die Einstellung der Zahlungen der Kündigung zeitlich nachfolge; diejenige vom 18.
Januar 2006 könne sie nicht rechtfertigen, weil seit der Einstellung mehrere Jahre
vergangen seien.
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Darüber hinaus sei die Korrespondenz über die Befristung des Lizenzvertrages
zwischen Personen geführt worden, die nicht Vertragspartei gewesen seien. Die
Kündigungserklärung vom 13. Oktober 2000 habe der Zeuge A als Lizenzgeber im
eigenen Namen abgegeben, die Schreiben vom 9. und 15. Oktober 2001 (Anlage L4/1
und 4/2) habe er jedoch im Namen der I GmbH & Co. verfasst und diese auch nicht an
die D Gerätebau, sondern an die Beklagte gerichtet.
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Zumindest habe sie – die Beklagte – von der D Gerätebau eine Unterlizenz erhalten.
Diese Unterlizenz habe der Zeuge A gebilligt, indem er bewusst und beanstandungslos
45
hingenommen habe, dass sie den Gegenstand des Klageschutzrechtes benutzt, mit ihr
die Korrespondenz betreffend den Lizenzvertrag geführt und mit ihr Lizenzgebühren auf
der Basis des Lizenzvertrages abgerechnet habe. Da der Zeuge A den Lizenzvertrag
ungeachtet seiner Kündigungserklärung fortgesetzt habe, sei ein Recht zur Kündigung
in jedem Fall verwirkt.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien auch die Voraussetzungen eines
privaten Vorbenutzungsrechtes gegeben. Die der Zeichnung gemäß Anlage B10
vorausgehende ursprüngliche Konstruktionszeichnung sei zwar nicht mehr vorhanden,
habe aber ebenfalls schon Klemmnuten in der in Anlage B10 dargestellten
Ausführungsform aufgewiesen. Entsprechende Prototypen habe sie im April 1995
Kunden angeboten und zu Testzwecken übergeben. Die Vorbenutzung werde weiter
belegt durch ihre Lizenzgebührenzahlungen. Dass sie diese trotz ihres
Vorbenutzungsrechts geleistet habe, liege daran, dass der Zeuge G als ihr damaliger
Geschäftsführer die Vorbenutzung bei Abschluss des Lizenzvertrages nicht gekannt
habe.
46
Die Beklagte beantragt,
47
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
48
Die Klägerin beantragt,
49
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter
Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen.
Insbesondere hält sie daran fest, der Zeuge A habe nicht gewusst, dass die Beklagte die
lizenzierten Lordosenstützen habe herstellen sollen. Der Zeuge habe zwar im Juni 1998
die Fertigungsstätte der Beklagten besucht und sich bei dieser Gelegenheit in der
Produktionshalle aufgehalten, ihm sei aber nicht aufgefallen, dass die Beklagte dort
klagepatentverletzende Lordosen herstelle.
51
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
52
Beide Parteien haben zur Frage der Patentverletzung Gutachten vorgelegt, und zwar die
Klägerin das Gutachten von Professor Dr.-Ing. Helmut N, Institut für Kunststofftechnik der
Universität O (Anlage L13) und die Beklagte das Gutachten von Professor Dr. Dietrich P,
Deutsches Kunststoff-Institut Q (Anlage B12).
53
Dr. Alexander
R
Steuerrecht hat im Auftrag des Senates unter dem 11. September 2006 ein schriftliches
Gutachten zum Kanadischen Recht der Provinz Ontario erstattet (Bl. 333 – 386 d.A.).
54
Der Senat hat außerdem zur Beweisaufnahme Zeugen vernommen. Wegen des
Ergebnisses wird auf die Niederschriften der Sitzungen vom 19. April 2007 (S. 1 – 15;
Bl. 439 – 452 d.A. [Aussage Sven
S
der Osten
2007 (S. 2 – 16; Bl. 496 – 510 d.A. [Aussage Rudolf
G
55
d.A. [Aussage Karl
U
Eicke
V
(Bl. 649 – 665 d.A. [Aussage Anton
X
Das vom Senat ersuchte Bezirksgericht Urfahr-Umgebung/Österreich hat als
Rechtshilfegericht den Zeugen Dr. Knud
Y
Ergebnisses wird auf die Niederschrift der dortigen Sitzung vom 27. August 2008 (Bl.
708 – 718 d.A.) verwiesen.
56
II.
57
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das
Landgericht die Klage für zulässig und begründet erachtet. Die angegriffenen
Lordosenstützen stimmen in allen hier in Rede stehenden Ausführungsformen mit der im
Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre überein, zu deren Benutzung die
Beklagte weder durch den Lizenzvertrag vom 23. März/4. Mai 2000 (Anlage B1) noch
durch ein privates Vorbenutzungsrecht berechtigt ist.
58
A.
59
Die Klage ist zulässig.
60
1.
61
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie ist in jedem
Verfahrensstadium von Amts wegen zu prüfen, und zwar im Berufungsverfahren auch
dann, wenn das erstinstanzliche Gericht sie zu Unrecht angenommen hat (BGH, NJW
2003, 426; MDR 2004, 707; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 513 Rdnr. 8 m.w.N.). §
513 Abs. 2 ZPO betrifft die internationale Zuständigkeit nicht. Hier ergibt sich die
internationale Zuständigkeit im Verhältnis der Klägerin zur in Österreich
geschäftsansässigen Beklagten aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, wozu es genügt, dass die
Klägerin der Beklagten – wie es hinsichtlich der Lordosenstützen der Ausführungsform I
der Fall ist - eine Patentverletzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland vorwirft,
ohne dass es darauf ankommt, ob diese Patentverletzung auch tatsächlich vorliegt.
Nichts anderes gilt für die Ausführungsform II, die von der Beklagten an die Abnehmer M
und L in Großbritannien geliefert wird; in bezug auf diese Handlungen geht der Vorwurf
dahin, dass diese Abnehmer mit den betreffenden Lordosenstützen ausgestattete
Fahrzeuge mit Wissen und Wollen der Beklagten in die Bundesrepublik Deutschland
exportieren, wobei solche Fahrzeuge in sämtliche Bundesländer und damit auch in den
Bezirk des erstinstanzlich angerufenen Landgerichts Düsseldorf gelangen.
62
2.
63
Die Einrede des Schiedsvertrages hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die Klägerin
weder Partei des Lizenzvertrages gemäß Anlage B1 noch der
Schiedsgerichtsvereinbarung ist. Dass die Klägerin die vor der Vergabe der
ausschließlichen Nutzungsrechte an sie der D-Gruppe erteilte Lizenz, sollte sie noch
fortbestehen und auch die Beklagte einbeziehen, nach § 15 Abs. 3 PatG gegen sich
gelten lassen müsste, ändert daran nichts. Die Bestimmung erfasst zwar auch einfache
Lizenzen und Unterlizenzen und verleiht ein positives Benutzungsrecht gegenüber
64
Dritten (vgl. RGZ 155, 306, 310; Benkard/Ullmann, PatG GbMG, 10. Aufl. § 15 PatG
Rdn. 111, 113), macht aber den Inhaber der späteren Lizenz nicht zur Partei des älteren
Lizenzvertrages.
Auch mit Hilfe der §§ 398, 404 BGB kann die Beklagte die Klägerin nicht in die
Schiedsklausel einbeziehen. Einwendungen der Beklagten gegen den Zeugen A wäre
sie nur ausgesetzt, wenn dieser ihr eine gegen die Beklagte gerichtete Forderung aus
dem älteren Vertrag abgetreten hätte. Das ist indessen nicht der Fall. Die Klägerin ist
weder an Stelle des Zeugen A Lizenzgeberin der Beklagten bzw. der D-Gruppe
geworden noch sind ihr die Ansprüche des Zeugen A auf Zahlung der Lizenzgebühren
oder andere Forderungen aus dem damaligen Lizenzvertrag übertragen worden.
Dementsprechend sind auch die von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend
gemachten Unterlassungsansprüche originär in ihrer Person entstanden; nichts anderes
gilt für die nach Abschluss der ausschließlichen Lizenzverträge vom 1. April und 10. Mai
2002 (Anlage L 2) mit der Klägerin entstandenen Ansprüche auf Schadenersatz.
Ansprüche aus der Zeit vor dem Abschluss dieser Lizenzverträge macht die Klägerin
nicht geltend.
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Aus den vorstehenden Gründen ist auch die Konstruktion einer konkludent vereinbarten
von der D Gerätebau abgeleiteten Unterlizenz nicht geeignet, der Schiedsklausel im
Verhältnis zur Klägerin Geltung zu verschaffen. Dass der Lizenzgeber in dem Vertrag
gemäß Anlage B 1 auf Schadenersatzansprüche gegen mit der D-Gruppe verbundene
Unternehmen verzichtet hat, mag zwar die Beklagte begünstigen, macht sie aber nicht
zur Vertragspartei, sondern ist insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter.
66
Die Entscheidung des Landgerichts B vom 10. September 2002 (Anlage L 14) und das
dazu ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Hamm vom 1. April 2003
(Anlage B 14) erfordern keine andere Beurteilung, weil der dort entschiedene
Sachverhalt mit dem hier zu beurteilenden nicht übereinstimmt; im dortigen Verfahren ist
die – mit der hiesigen Klägerin nicht identische – I GmbH & Co KG, mit ihren gegen die
Beklagte erhobenen Ansprüchen auf Zahlung des Kaufpreises für die Lieferung von
Lordosenstützen nicht durchgedrungen, weil sie im Gegensatz zur Klägerin des
vorliegenden Verfahrens an der Schiedsvereinbarung beteiligt war und diese gegen
sich gelten lassen musste.
67
B.
68
Die angegriffenen Gegenstände machen von der Lehre des Klagepatentanspruches 2
wortsinngemäß Gebrauch.
69
1.
70
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Befestigung eines Stützelements an einem
Drahtgitter eines Sitzes, wobei das Stützelement Klemmnuten aufweist, in denen jeweils
zumindest ein Draht des Drahtgitters verrastet wird.
71
Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (Abs. [0002]), werden solche
Stützelemente insbesondere in den Rückenlehnen von Kraftfahrzeugsitzen unter der
Polsterung in Form einer Lordosenstütze vorgesehen, wobei das Stützelement mit Hilfe
einer Spannvorrichtung aufgewölbt werden kann, um dem Benutzer im
Lendenwirbelbereich einen besseren Halt zu geben. Das Stützelement hat zumeist die
72
Form einer länglichen Platte aus Kunststoff, die mit Hilfe eines Bowdenzuges in
vertikaler Richtung zusammengezogen werden kann, so dass sie sich nach vorn wölbt.
Diese Kunststoffplatte ist an einem Drahtgitter festgeklemmt, das seinerseits mit Federn
nachgiebig im Rahmen der Rückenlehne aufgehängt wird. Ist die Verbindung zum
Festklemmen der Platte an dem Drahtgitter nur als einfache Rastverbindung
ausgebildet, kann sich das Stützelement bei mechanischen Beanspruchungen, etwa
während der Montage des Sitzes oder aufgrund der bei der Wölbung auftretenden
Zugkräfte, leicht vom Drahtgitter ablösen. Erhöht man zur sichereren Befestigung des
Stützelementes an dem Drahtgitter die Klemmkraft, wird das Einrasten der Drähte in die
Klemmnuten zunehmend schwieriger und erhöht den Arbeitsaufwand beim
Zusammenbau der Lordosenstütze (Klagepatentschrift, Abs. [0003]).
Nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift ist aus der PCT-Anmeldung
95/19zzz (Anlagen B 3/L9) eine Vorrichtung zur Befestigung eines Stützelements an
einem Drahtgitter bekannt, das die den Oberbegriff der Klagepatentansprüche 1 und 2
bildenden Merkmale 1 und 2 der nachstehenden Merkmalsgliederung aufweist. Wie die
nachfolgend wiedergegebene Figur 10 dieser Druckschrift zeigt, sind zwei Klemmnuten
(35, Bezugszeichen entsprechen dieser Zeichnung) dicht nebeneinander liegend in
einem gemeinsamen Kunststoffteil (36) ausgebildet; in jede der beiden Klemmnuten
rastet jeweils ein Draht ein, dessen lichte Weite kleiner als der jeweilige Durchmesser
ist. Beide Klemmnuten sind durch einen starren Mittelsteg voneinander getrennt, so
dass beim Ein- und Ausrasten des Drahtes nicht dieser, sondern die gegenüber
liegende Seitenwand nachgibt. Unabhängig davon, ob beide Klemmnuten oder nur eine
von ihnen mit einem Draht belegt ist, ist zum einzelnen oder gemeinsamen
Herausziehen des Drahtes immer der gleiche Kraftaufwand erforderlich und
ausreichend (vgl. Klagepatentbeschreibung, Abs. [0011]), und es bedarf einer
zusätzlichen Sicherung der beiden nebeneinander liegenden Drähte gegen ein
unbeabsichtigtes Herausziehen aus ihrer Nut.
73
Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung gibt die Klagepatentschrift an, eine
Vorrichtung der eingangs genannten Art zu schaffen, die einerseits ein einfaches und
mit geringem Arbeitsaufwand verbundenes Verrasten des Stützelementes an dem
Drahtgitter ermöglicht, andererseits aber so stabil ist, dass das Stützelement nach dem
Einrasten der beiden Drähte auch bei größerer mechanischer Beanspruchung nicht
wieder vom Drahtgitter abgerissen werden kann (Abs. [0004]).
74
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der in diesem Rechtsstreit geltend gemachte
Anspruch 2 des Klagepatentes eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
75
1.
76
Es handelt sich um eine Vorrichtung zur Befestigung eines Stützelementes an
einem Drahtgitter eines Sitzes.
77
2.
78
Die Vorrichtung besitzt Klemmnuten, in denen jeweils zumindest ein Draht des
Drahtgitters verrastet ist.
79
3.
80
Eine einzelne Klemmnut ist durch eine parallel zu deren Längsrichtung
verlaufende, vom Boden der Klemmnut aufragende elastische Zunge (58) in zwei
Schächte (60, 62) unterteilt, die jeweils einen der Drähte (20, 22; 24, 26)
aufnehmen.
81
4.
82
Die Drähte liegen in der Klemmnut nebeneinander.
83
5.
84
Die lichte Weite (W1 + W2) der Öffnung der Klemmnut (56) ist kleiner als die
Summe der Durchmesser der beiden Drähte.
85
Kern der unter Schutz gestellten Erfindung ist die in den Merkmalen 3, 4 und 5
beschriebene Ausgestaltung der einzelnen in Merkmal 2 vorausgesetzten und nur nach
ihrer Funktion beschriebenen Klemmnuten, insbesondere das Zusammenwirken der
Merkmale 3 und 5. Die in Merkmal 3 erwähnte vom Boden der Klemmnut aufragende
elastische Zunge unterteilt die Nut in zwei Schächte und soll, wenn ein einzelner Draht
die Verengung in der Nutöffnung passiert, anders als bei der vorbekannten Vorrichtung
mit starrem Mittelsteg seitlich ausweichen können, so dass die beiden Drähte zwar
nacheinander mit wenig Kraftaufwand in die Schächte ein- und aus ihnen ausrasten
(Klagepatentschrift, Abs. [0007], [0010] und [0024]), aber zusammen nur noch schwer
herausgezogen werden können. Sind beide Drähte bestrebt, gleichzeitig aus der Nut
auszutreten, drücken sie von beiden Seiten mit im wesentlichen gleicher Kraft gegen die
Zunge, die hierdurch nicht mehr seitlich ausweichen kann und in ihrer mittleren beide
Drähte sperrenden Stellung festgehalten wird (Klagepatentschrift, Abs. [0007], [0010]
und [0023]). Voraussetzung für den Eintritt dieser Wirkungen ist, dass die lichte Weite
der Öffnung der Klemmnut kleiner ist als die Summe der Durchmesser beider Drähte.
Dann können beide Drähte gleichzeitig diese Öffnung nur noch passieren, wenn der –
größere – Widerstand der Nutseitenwände überwunden wird, die durch die fehlende
Nachgiebigkeit der festgehaltenen Zunge entsprechend weiter ausweichen müssen.
86
Klar ist dem angesprochenen Durchschnittsfachmann, dass die Klemmnut nicht in ihrer
gesamten Tiefe enger sein kann und darf als die Summe der Durchmesser beider
Drähte, denn dann könnte sie die beiden Drähte allenfalls dann noch gemeinsam
aufnehmen, wenn sie nicht gleich tief in die Nut hineingelangten. Dann wäre jedoch die
erfindungsgemäß angestrebte Sicherung der beiden eingelegten Drähte gegen ein
unbeabsichtigtes Austreten bei mechanischen Beanspruchungen in Frage gestellt, weil
eine unterschiedliche Einlegetiefe bei gleichbleibender Nutweite ein Austreten der
Drähte in umgekehrter Reihenfolge nacheinander begünstigt, die so die elastische
Zunge nicht in ihrer Mittelstellung festhalten können. Zumindest dort, wo die Drähte
nach dem Einrasten zu liegen kommen, muss die Klemmnut weit genug sein, um beide
Drähte nebeneinander aufzunehmen. Dem trägt Anspruch 2 Rechnung, indem nur die
Öffnung, also der äußere Teil der Nut, die in Merkmal 5 beschriebene verringerte lichte
Weite aufweisen soll. Wie diese Anweisung im Einzelfall umgesetzt wird, überlässt
Anspruch 2 dem Fachmann. Besondere Ausführungsformen wie wulstförmige
Verdickungen am freien Ende der Zunge und/oder an den Innenseiten der
Nutwandungen sind erst Gegenstand bevorzugter Ausführungsformen (vgl.
Unteranspruch 3, Klagepatentbeschreibung Abs. [0021] a.E., [0022], [0023], [0026] und
[0027] sowie Figuren 2 bis 4). Sofern der Mittelsteg elastisch ist und beim Einlegen oder
87
Herausnehmen eines einzelnen Drahtes seitlich ausweichen kann, wäre es auch
möglich, eine Ausgestaltung entsprechend Figur 10 der vorbekannten PCT-Anmeldung
WO-A 95/19zzz zu wählen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten lehrt das Klagepatent auch keine allmähliche
Verringerung der lichten Weite der Klemmnutöffnung. Auch eine solche Ausgestaltung
entspricht nur der in den Figurendarstellungen gezeigten bevorzugten Ausführungsform,
die sich in der Fassung des Patentanspruches 2 jedoch nicht niedergeschlagen hat. Ein
"Verkeilen" der beiden gleichzeitig nach außen strebenden Drähte in der Nut, von dem
die Beschreibung spricht (vgl. Abs. [0023] a.E. und [0026]), ist zwar bei streng
wörtlichem Verständnis nur bei einer etwa keilförmigen Verjüngung des
Schachtquerschnittes nach außen möglich. In der Klagepatentschrift ist mit "Verkeilen"
jedoch ersichtlich gemeint, dass die beiden Drähte, die die Verringerung der lichten
Weite der Nutöffnung nicht gleichzeitig überwinden können, an den Verdickungen
gewissermaßen "hängen bleiben" und mit einer Erhöhung der Zugkräfte noch fester
gegen diese Verdickungen gezogen werden, die sich durch das Blockieren der Zunge
in der Mittelstellung als im wesentlichen verformungssteif erweisen. Diese Wirkung kann
auch eintreten, wenn die Verdickung vom Inneren der Nut aus gesehen als Stufe
ausgebildet ist. Bei einer solchen Ausgestaltung wird auch das Herausziehen des
einzelnen Drahtes nicht notwendigerweise behindert. Die Drähte haben in der Regel
einen kreisförmigen Querschnitt und können sich mit dieser Querschnittsform auch bei
stufenförmiger Verdickung allmählich in die verengte Öffnung der Nut hineinschieben
und bei dieser Bewegung die elastische Zunge seitlich ausbiegen. Es mag sein, dass
hierzu mehr Kraft benötigt wird als bei einer allmählichen Verengung der Öffnung. Das
Klagepatent macht aber keine Vorgaben über die im konkreten Einzelfall
aufzuwendenden Kräfte für das Einlegen oder Herausnehmen des einzelnen Drahtes;
es verlangt nur, dass der für das Spreizen der Öffnung durch Ausbiegen der Zunge
erforderliche Kraftaufwand noch problemlos überwindbar ist und so eine einfache
Montage ermöglicht (Klagepatentschrift, Abs. [0007]), wobei auch hier keine konkreten
Werte angegeben werden.
88
Auch für das Maß der Elastizität der Zunge enthält Anspruch 2 keine konkreten
Vorgaben. Die Zunge ist elastisch im Sinne der Erfindung, wenn sie beim Einlegen oder
Herausnehmen eines einzelnen Drahtes ausweicht und der Draht hierdurch die Öffnung
der Klemmnut vorübergehend aufweiten kann. Es ist auch nicht erforderlich, dass beim
Einlegen bzw. Herausnehmen eines einzelnen Drahtes nur die Zunge und nicht auch
die jeweilige Seitenwand nachgibt. Über die Ausbildung der Nutwände enthält
Anspruch 2 ebenfalls keine Vorgaben. Aus der Beschreibung ergibt sich lediglich, dass
die Zunge nicht starr ausgebildet sein darf, wie das bei der aus der PCT-Anmeldung
WO-A 95/19zzz bekannten Vorrichtung der Fall ist, an der nicht bemängelt wird, dass
die Seitenwände überhaupt nachgiebig sind, sondern, dass beim Einlegen eines
Drahtes nur sie (und nicht der Mittelsteg) ausweichen (Klagepatentschrift, Abs. [0011]),
weil durch diese Ausgestaltung zwei nebeneinander liegende Drähte zusammen
ebenso leicht aus ihren Klemmnuten herausgelöst werden können wie ein einzelner von
ihnen und somit keine besondere Sicherung gegen ein Herauslösen der beiden
eingelegten Drähte bei mechanischen Beanspruchungen besteht. Solange auch die
Zunge ausweicht, ist der erfindungsgemäße Erfolg gegeben, auch wenn die
Seitenwände ebenfalls nachgiebig sind. Die Nutwände dürfen nur nicht ein solches
Maß an Elastizität entfalten, dass sie beim Ein- oder Ausrasten eines einzelnen Drahtes
im Wesentlichen die gesamte Verformungsarbeit leisten und die Zunge praktisch
verformungsfrei bleibt.
89
Weitere Vorgaben zur Elastizität enthält das Klagepatent nicht. Insbesondere wird nicht
gefordert, dass die Zunge frei stehen muss und nicht als durchgehende sich durch
mehrere Klemmnutabschnitte erstreckende Wand ausgebildet sein darf. Ebenso ist es
erfindungsgemäß möglich, dass die Drähte die verengte Öffnung nicht nur durch ein
Ausweichen der Zunge und gegebenenfalls auch der Seitenwände passieren können,
sondern dass neben der Spreizung der Nutöffnung auch die Drähte selbst gebogen
werden müssen. Ausgeschlossen ist nach dem Wortsinn des Merkmals 3 lediglich, dass
die Entnahme des Drahtes allein durch dessen Biegen möglich wird, ohne dass die
Zunge an der Öffnung gespreizt werden muss.
90
Die Vorgabe in Merkmal 3, dass sich die Zunge parallel zur Längsrichtung der
Klemmnut erstrecken und vom Boden der Nut aufragen soll, besagt, dass sie zur
Bildung der beiden Schächte Abstand von den Nutseitenwandungen haben muss und
nicht oberhalb des Bodens mit ihnen verbunden sein darf. Dagegen schließt das
Merkmal nicht aus, dass die Nutwandungen selbst einen vor- und rückspringenden
Verlauf haben, so lange sich daraus noch immer ein Schacht ergibt, der den einzelnen
Draht aufnimmt; an der Verlaufsrichtung der Nut ändert das nichts. Merkmal 3 verlangt
dementsprechend keine exakte Parallele des Zungenverlaufs zum Verlauf der
Wandungen, sondern eine Parallele zur Längsrichtung der Nut.
91
2.
92
Von dieser technischen Lehre machen die angegriffenen Gegenstände wortsinngemäß
Gebrauch. Das ist hinsichtlich der Ausführungsform II auch im Berufungsverfahren
unstreitig und bedarf daher keiner vertiefenden Ausführungen mehr.
93
Entgegen der Ansicht der Beklagten verwirklicht auch die Ausführungsform I die
Merkmale des Klagepatentanspruches 2 wortsinngemäß, wobei auch hier die
Verwirklichung der Merkmale 1, 2 und 5 zu Recht unstreitig ist und nur über das
Vorliegen der Merkmale 3 und 4 Streit besteht. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind
auch diese Merkmale bei der angegriffenen Ausführungsform erfüllt. Das Landgericht
hat zutreffend festgestellt, dass die angegriffenen Gegenstände – wie zur Verwirklichung
der Merkmale 3 und 4 erforderlich – zwischen den Nutwandungen eine vom Boden
aufragende elastische Zunge aufweisen. Das von der Klägerin als Anlage L13
vorgelegte Gutachten Prof. Dr. N zeigt, dass zum gleichzeitigen Herausziehen beider
Drähte eine Kraft erforderlich war, die an 10 von 12 gemessenen Klemmstellen deutlich
höher war als die Summe der zum Herausziehen eines einzelnen Drahtes
erforderlichen Kräfte. Dass beim Muster gemäß Anlage L11 die mittlere und hintere
Klemmstelle des Korbes nur zu Messwerten etwa in Höhe der Summe der zum
einzelnen Herausziehen beider Drähte erforderlichen Kräfte geführt hat, kann auf
fertigungstoleranzbedingten Schwankungen beruhen.
94
Die Einwände der Beklagten gegen dieses Gutachten greifen nicht durch. Sie macht
nicht geltend, die angegriffenen Gegenstände ebenfalls Messungen unterzogen zu
haben, die zu signifikant anderen Ergebnissen geführt hätten. Dass die zum
gleichzeitigen Herausziehen beider Drähte aus der Klemmnut erforderlichen Kräfte
höher sind als die Summe der zum einzelnen Herausziehen der Drähte erforderlichen
Kräfte, ist in der Tat nur dadurch zu erklären, dass die Zunge beim gleichzeitigen
Herausziehen beider Drähte in ihrer Mittelstellung blockiert wird, beim Herausziehen der
einzelnen Drähte aber seitlich nachgibt. Würde die Verformungsarbeit, wie die Beklagte
95
behauptet, ausschließlich von den Seitenwänden geleistet, müssten die Kräfte in beiden
Fällen gleich sein. Dass die Zunge beim Einlegen und Herausnehmen eines einzelnen
Drahtes nachgibt, lässt sich auch beim Selbstversuch anhand der dem Senat
vorliegenden Muster ohne weiteres erkennen; die Ausweichbewegung der Zunge lässt
sich mit bloßem Auge verfolgen. Damit erweist sich auch der Einwand der Beklagten als
unbegründet, bei der angegriffenen Vorrichtung werde der Draht im wesentlichen durch
die stufenförmige Verdickung der Zunge unterhalb der Öffnung festgehalten (vgl. auch
Gutachten Professor Dr. P [Anlage B12, S. 8 unten]). Dass das Durchbiegen der Drähte
für sich allein nicht ausreicht, um sie einzeln in die Klemmnut einzulegen oder
herauszunehmen, sondern hierzu auch die Nut selbst verformt werden muss, trägt die
Beklagte selbst vor (S. 24 ihrer Berufungsbegründung vom 19. Mai 2004, Bl. 175 d.A.).
Dem lässt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Materialbeanspruchung, die
aus dem häufigen Einklipsen und Herausziehen der Drähte aus der Nut der
Musterstücke zur Beobachtung der Funktionsweise resultiere, habe Mittelsteg und
Seitenwände weicher und nachgiebiger gemacht als im Auslieferungszustand und lasse
keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Funktionsweise mehr zu. Denn nach wie vor
erweist sich bei den Mustern der zum gleichzeitigen Herausziehen beider Drähte
nebeneinander erforderliche Kraftaufwand als wesentlich höher als zum einzelnen
Herausziehen nacheinander. Es hätte der Beklagten freigestanden, anhand weiterer
dem Auslieferungszustand entsprechender Muster die Unterschiede im Einzelnen
aufzuzeigen; von dieser Möglichkeit hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Der Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen bedarf es nicht, auch wenn die
Beklagte als Anlage B12 das Gutachten eines einschlägig tätigen Fachmannes
vorgelegt hat und dieser zum Teil zu Ergebnissen gekommen ist, die nach dem ersten
Anschein den Resultaten des Gutachtens gemäß Anlage L13 widersprechen. Der
Gutachter der Beklagten hat die angegriffenen Muster, obwohl sie ihm vorlagen,
offensichtlich nicht im Original untersucht, sondern ist lediglich von den aus den
Zeichnungen gemäß Anlage B 5 ersichtlichen Abmessungen ausgegangen und
argumentiert im wesentlichen, der "Mittelsteg" (die Zunge) könne schon wegen seiner
gegenüber den Seitenwänden größeren Wandstärke nicht elastisch sein. Ob ein
Gegenstand elastisch ist oder nicht, ist aber nicht nur eine Frage der Dimensionierung,
sondern auch eine Frage der Materialwahl und bei einer Vorrichtung der hier in Rede
stehenden Art auch eine Frage der Dimensionierung des Nutbodens. Hätte der
Gutachter die Gegenstände im Original untersucht, hätte auch er beim einzelnen
Entfernen und Einlegen der Drähte von Hand ohne Schwierigkeiten mit dem Auge
verfolgen können, dass der "Mittelsteg" der angegriffenen Gegenstände elastisch ist und
zur Seite ausweicht. Das Gutachten erweist sich letztlich als theoretische Abhandlung,
die im übrigen zur Auslegung des Klagepatentes ohne eigene kritische
Auseinandersetzung mit Gegenargumenten den Standpunkt der Beklagten übernimmt,
den diese in ihrer erstinstanzlichen Klageerwiderung vom 6. Mai 2003 vorgetragen
hatte.
96
3.
97
Die Patentbenutzungshandlungen der Beklagten sind rechtswidrig.
98
a)
99
Sie ist, auch wenn sie zunächst in die Nutzungserlaubnis aus dem Lizenzvertrag gemäß
Anlage B1 einbezogen gewesen sein sollte, jedenfalls seit dem 1. April 2002 nicht mehr
100
berechtigt, die Erfindung weiterhin zu benutzen. Zu diesem Zeitpunkt haben die
Lizenzvertragsparteien die Nutzungsberechtigung einvernehmlich vertraglich
aufgehoben.
aa)
101
Die Beendigung des Lizenzvertrages Anlage B 1 unterliegt nach dessen Ziffer 4. dem
Recht der kanadischen Provinz Ontario. Die einschlägigen Rechtssätze des
ausländischen Rechts hat das Gutachten Dr. R zutreffend zusammengestellt; das zieht
auch keine Partei in Zweifel. Die vom Gutachter herausgearbeiteten Regeln betreffen
zwar die einseitige Kündigung eines Patentlizenzvertrages; der Senat hat jedoch keinen
Zweifel, dass unter den Voraussetzungen einer solchen Kündigung ein
Patentlizenzvertrag erst recht auch einvernehmlich aufgehoben werden kann.
102
Das hier anzuwendende ausländische Vertragsrecht unterliegt dem common law; dort
entscheiden die Gerichte selbständig, wenn es – wie das in der Frage der
Vertragspflichten unter Beendigung von Lizenzverträgen der Fall ist – keine
gesetzlichen Regelungen gibt, und sind bei übereinstimmendem Sachverhalt an ältere
Entscheidungen gebunden (Gutachten S. 3-4, Bl. 335-336 d.A.). Zu diesen
Entscheidungen gehören neben denjenigen kanadischer auch diejenigen englischer
Gerichte, weil das englische Zivilrecht durch Gesetz vom 15. Oktober 1792 für die
Provinz Ontario übernommen worden ist. Nach den dortigen Rechtsgrundsätzen
entfalten Lizenzverträge mit gebührenpflichtiger Erlaubnis zur Nutzung einer
patentierten Erfindung, zu denen der Sachverständige zutreffend auch die hier in Rede
stehende Vereinbarung zählt (Gutachten S. 7, Bl. 339 d.A.), ausschließlich
schuldrechtliche Wirkung; enthält der Vertrag zur Beendigung – wie hier – keine
besonderen Vereinbarungen, muss durch – ergänzende – Auslegung ermittelt werden,
ob und unter welchen Voraussetzungen der Lizenzgeber ihn kündigen kann (Gutachten
S. 11-12, Bl. 343-344 d.A.). Die Kriterien, die sich insoweit in der Rechtsprechung
herausgebildet haben, unterscheiden zwischen befristeten und unbefristeten
Lizenzverträgen. Unbefristete Verträge sind bei Vertragsverletzung fristlos (Gutachten S.
19, Bl. 351 d.A.) und unabhängig von einer Vertragsverletzung mit angemessener Frist
kündbar (Gutachten S. 11-13, Bl. 343-345 d.A. u. S. 15 ff., Bl. 347 ff. d.A.), wobei bisher
eine Frist von 12 Jahren als angemessen angesehen wurde (Gutachten S. 18, 20; Bl.
350, 352 d.A.), damit der andere Vertragsteil sich auf die neue Situation einstellen kann
(Gutachten S. 20-21, Bl. 352-353 d.A.). Die vorzeitige Beendigung befristeter Verträge
setzt dagegen eine wesentliche Vertragsverletzung voraus (Gutachten S. 11-13, Bl. 343-
345 d.A.); auch die Einordnung des Lizenzvertrages in eine dieser beiden Kategorien ist
eine Frage der ergänzenden Auslegung (Gutachten S. 12, Bl. 344 d.A.). Diese führt hier
zu einer Einordnung des Lizenzvertrages als befristetet.
103
(1)
104
Dass das Gutachten diese Frage nicht eindeutig beantwortet, steht dieser Einordnung
nicht entgegen, denn die Zuordnung gehört zur Anwendung der einschlägigen
Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden konkreten Streitfall, die der
Senat in eigener Verantwortung leisten muss. Unter Berücksichtigung aller
maßgeblichen Umstände kommt er zu dem Ergebnis, dass der Vertrag auf die Dauer
des längst laufenden Schutzrechtes befristet war. Soweit der Sachverständige der
gegenteiligen Auffassung zuneigt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der
Sachverständige verweist in diesem Zusammenhang auf einzelne Bestimmungen des
105
streitgegenständlichen Lizenzvertrages, nämlich die Lizenzierung zweier Schutzrechte,
das Zugriffsrecht des Lizenznehmers auf weitere schutzfähige Neuentwicklungen, das
mögliche dauerhafte Interesse des Lizenznehmers an der lizenzierten Technologie und
den Umstand, dass erst nach Vertragsschluss – im Zusammenhang mit der fristlosen
Kündigung – über eine Befristung verhandelt wurde (Gutachten S. 13, 14 u. 24, Bl. 345,
346 u. 346 d.A.). Hier wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass nach Ablauf
des Schutzrechtes die Erfindung von jedermann frei genutzt werden kann und eine
weitere Bindung des Lizenznehmers einen zusätzlichen Grund voraussetzt, der es
rechtfertigt, die lizenzgebührenpflichtige Vertragsbindung aufrecht zu erhalten. Ein
solcher könnte die Mitlizenzierung zusätzlichen besonderen technischen Wissens sein;
dafür ist hier aber nichts ersichtlich. Das Zugriffsrecht des Lizenznehmers auf weitere
Entwicklungen des Zeugen A besagt nichts Gegenteiliges, weil über solche
Erfindungen vereinbarungsgemäß ein eigener Lizenzvertrag hätte geschlossen werden
müssen, und die nach der Kündigungserklärung des Zeugen A begonnene Diskussion
über eine befristete Lizenz bis zum 31. März 2002 beruht auf Umständen, die bei
Abschluss des ursprünglichen Lizenzvertrages in März/Mai 2000 noch nicht absehbar
waren. Sie hatten erkennbar das Ziel, einvernehmlich eine vorzeitige Beendigung
herbeizuführen zu einem Zeitpunkt vor Ablauf des Schutzrechtes, auf den die
Lizenznehmerin sich einstellen konnte und den sie selbst in die Diskussion gebracht
hatte. Die vom Sachverständigen zitierten Gerichtsurteile, insbesondere die Martin-
Baker-Entscheidung, stehen dem nicht entgegen – davon geht auch der
Sachverständige aus (Gutachten S. 17, Bl. 349 d.A.) – , insbesondere weil es im
Streitfall anders als seinerzeit nicht um eine ausschließliche Lizenz geht und auch
eindeutig – und nicht nur – wie in der genannten Entscheidung – möglicherweise – eine
Patentlizenz erteilt worden ist, ohne zusätzliches technisches Wissen zu transferieren.
Der hier in Rede stehende Vertrag ist daher ein auf die Dauer des Schutzrechtes
befristeter Lizenzvertrag, auch wenn die Vertragsurkunde das nicht ausdrücklich
erwähnt. Dass keine Ausübungspflicht festgeschrieben war, ist ebenfalls unschädlich.
Der Grund für den Abschluss der Vereinbarung lag gerade darin, dass ein Unternehmen
des D-Konzerns das Patent benutzt hatte, die Identität dieses Unternehmens nicht
feststellbar war und diese Benutzung durch den Lizenzvertrag legitimiert werden sollte;
insofern gingen beide Vertragsparteien selbstverständlich davon aus, dass die D-
Gruppe die Lizenz ausüben werde. Davon, dass auch ohne ausdrückliche Regelung ein
Vertrag im Wege der Auslegung auf die Schutzdauer des Lizenzpatentes befristet sein
kann, geht zu Recht auch der Sachverständige aus (Gutachten S. 24, Bl. 356 d.A.).
Dementsprechend kann nach dem common law der Vertrag B1 nur aus wichtigem
Grund gekündigt werden. Als solcher kommen nur Verstöße gegen wesentliche
Vertragspflichten in Betracht, die nicht durch Schadenersatz oder andere Rechtsbehelfe
unter Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung angemessen ausgeglichen werden
können. Hierzu gehören insbesondere die Nichtzahlung der Lizenzgebühren, aber auch
die Verletzung einer anderen Hauptleistungspflicht, die den Vertrag im Kern in Frage
stellt (Gutachten S. 25, 26; Bl. 357, 358 d.A.).
106
(2)
107
Geht man hiervon aus, kann es fraglich sein, ob dasjenige, was der Zeuge A zum
Anlass genommen hat, den Lizenzvertrag fristlos zu kündigen, dazu ausreicht.
Einerseits betrafen die zu dieser Kündigung führenden Meinungsverschiedenheiten das
"kurze Schloss" und nicht das Klagepatent, für das ordnungsgemäß Lizenzgebühren
entrichtet wurden. Andererseits war, was das kurze Schloss betrifft, insofern eine
108
wesentliche Vertragspflicht verletzt, als sich die Lizenznehmerin darüber hinweggesetzt
hatte, dass vereinbarungsgemäß die Lizenz bis längstens zum 1. September 2000
befristet war und danach die Produktion auf den Lizenzgeber und Zeugen A übergehen
sollte, und sie hatte sich zu Bereinigungsvorschlägen des Zeugen A nicht geäußert.
Außerdem hatte sie gegen das Spannschloss-Patent Einspruch erhoben.
bb)
109
Ob diese Gründe auf den gesamten Lizenzvertrag durchschlagen und auch die
Fortsetzung in Bezug auf das Klagepatent für den Zeugen A unzumutbar machten,
110
kann aber letztlich auf sich beruhen, weil die Parteien sich in der anschließenden
Korrespondenz darauf verständigt haben, der Lizenznehmerin unabhängig von der
Wirksamkeit der Kündigung noch bis zum 31. März 2002 die Benutzung des
Klagepatents zu gestatten und die Klägerin Schadenersatzansprüche für die Zeit dieser
Gestattung nicht geltend macht. Darin eine Bestätigung des Lizenzvertrages zu sehen,
wie sie der gerichtliche Sachverständige für möglich hält (Gutachten S. 26, Bl. 358 d.A.),
wird dem nicht gerecht. Der Zeuge A hat mit Faxschreiben vom 9. Oktober 2001 (Anlage
L4/1) eindeutig erklärt, er werde über den 31. März 2002 hinaus eine Nutzung des
Klageschutzrechtes nicht gestatten. Die Lizenznehmerin hatte in ihrem Schreiben vom
18. Oktober 2001 (Anlage L5/2) der Kündigung zwar widersprochen, aber in Bezug auf
die Benutzung des Klagepatentes erklärt, sie beabsichtigte eine Ausübung "bis
längstens Ende März 2002". Auch wenn keine Ausübungspflicht bestand, hatte die
Lizenznehmerin damit dem Verlangen des Zeugen A entsprechend verbindlich
zugesagt, ab 1. April 2002 von der Lizenz keinen Gebrauch mehr zu machen. Das gilt
umso mehr, als es die D Gerätebau war, die in ihrem Schreiben vom 18. Oktober 2001
(Anlage L5/2) ungeachtet der von ihr verfochtenen Unwirksamkeit der
Vertragskündigung den Wunsch geäußert hatte, die Lizenzschutzrechte nur noch bis
Ende März 2002 zu nutzen und den Zeugen A hierzu um Bestätigung gebeten hatte.
Damit war eine Einigung darüber zustande gekommen, die von beiden Seiten
folgerichtig als "stille Vereinbarung" bezeichnet wird (vgl. Anlagen L4/1 und L5/2) und
darauf gerichtet ist, die Lizenzvereinbarung jedenfalls in Bezug auf den Lizenznehmer D
Gerätebau mit Ablauf des 31. März 2002 einvernehmlich aufzuheben. Mit der Aufhebung
des Lizenzvertrages zwischen dem Zeugen A und der europäischen Lizenznehmerin ist
auch die Benutzungsberechtigung der Beklagten zu Ende gegangen, unabhängig
davon, ob sie bei Abschluss des Lizenzvertrages gemäß Anlage B1 von Anfang an als
Herstellerin der lizenzierten Lordosenstützen vorgesehen war oder ob sie aufgrund
einer von der D Gerätebau abgeleiteten Unterlizenz gehandelt hat. Dies alles
berücksichtigt der Hinweisbeschluss des Senats vom 18. Mai 2005 in seinen
Ausführungen im Brückenabsatz auf S. 4/5) nicht hinreichend. An ihm hält der Senat
insoweit nicht mehr fest, worauf die Parteien im Beschluss vom 22. Juni 2009 (Bl. 773,
774 d.A.) auch hingewiesen worden sind. Die dortigen Ausführungen hätten zur Folge,
dass der Zeuge A der Klägerin keine ausschließliche Lizenz erteilen könnte und
jedenfalls bis zur Kündigung aus dem Jahre 2006 an die alte Vereinbarung gebunden
gewesen wäre, obwohl die Lizenznehmerin verbindlich zugesagt hat, das Klagepatent
nicht mehr zu benutzen und überdies für die gegebene Benutzung durch die jetzt
angegriffenen Gegenstände keine Lizenzgebühren zahlt.
111
cc)
112
Dass die Vereinbarung nur mit der europäischen und nicht auch mit der
113
nordamerikanischen Lizenznehmerin aufgehoben worden ist, steht der Wirksamkeit der
Vertragsbeendigung ebenfalls nicht entgegen. Da auch eine Kündigung unter den hier
gegebenen Umständen auch nur gegenüber der D Gerätebau möglich gewesen wäre,
muss eine einvernehmliche Beendigung nur mit diesem Lizenznehmer erst recht
möglich sein.
Nach dem einschlägigen common law kann ein Lizenzvertrag, wenn es mehrere
gemeinsam berechtigte und verpflichtete Lizenznehmer gibt, grundsätzlich nur
gegenüber allen gemeinsam gekündigt werden (Gutachten S. 22, 23; Bl. 354, 355 d.A.).
Soweit der Sachverständige dazu neigt, das auch für den Lizenzvertrag (B1) zu bejahen
(Gutachten S. 23, Bl. 355 d.A.), weil der Lizenzvertrag im Rubrum beide Lizenznehmer
zur D-Gruppe zusammenfasse, die Rechte und Pflichten der Parteien nicht differenziert
seien und die von der österreichischen Lizenznehmerin gezahlten Entgelte auch die
Verpflichtungen der nordamerikanischen Lizenznehmerin erfüllt hätten, hält der Senat
diese Bewertung für nicht zutreffend; sie berücksichtigt nicht alle relevanten Umstände.
Entgegen der Einschätzung des Sachverständigen wurden die Rechte und Pflichten
durchaus differenziert, weil nur die österreichische Lizenznehmerin das kurze Schloss
benutzen durfte. Die europäische und die amerikanische Lizenznehmerin waren
überdies in unterschiedlichen Staaten tätig, die amerikanische Lizenznehmerin D of
North America auf dem nordamerikanischen Kontinent und die europäische D
Gerätebau in Europa; dass einer oder beide auch das jeweils andere Gebiet bedienen
sollten, war ersichtlich nicht vorgesehen, auch wenn im Vertrag dazu keine
ausdrückliche Regelung enthalten ist, und es ist auch nicht erfolgt. Unstreitig hat die
nordamerikanische D die Erfindung nicht benutzt. In beiden Gebieten konnte die
Schutzrechtslage unterschiedlich sein, wobei nicht aktenkundig ist, ob es in den USA
oder Kanada überhaupt parallele Schutzrechte gibt. Daher sind letztlich zwei räumlich
getrennte Lizenzen gegeben worden, die dann auch einzeln kündbar und aufhebbar
waren. Dass der Zeuge A neben den aus Europa erhaltenen Zahlungen aus
Nordamerika keine zusätzlichen Lizenzgebühren gefordert hat und auch nicht hätte
fordern können, lag nicht an einer Erfüllungswirkung der aus Europa zugeflossenen
Entgelte für Nordamerika, sondern daran, dass in Nordamerika mangels Nutzung keine
Gebühren angefallen waren. Dass der Zeuge A nur mit dem Zeugen G korrespondiert
hat und dem Zeugen Karl U als Geschäftsführer der nordamerikanischen
Lizenznehmerin die Schreiben nur zur Kenntnis gebracht worden sind, steht daher der
Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht entgegen. Insoweit ist auch über den
bereits erteilten Hinweis betreffend die Aufhebungsvereinbarung kein erneuter Hinweis
an die Parteien notwendig, denn erkennbar hatte der Senat in seinem
Hinweisbeschluss die Lage nach deutschem Recht referiert und Sachvortrag dazu
erbeten, wie sich die Rechtslage in Kanada darstellt und hat auch diese Frage dem
gerichtlichen Sachverständigen vorgelegt.
114
dd)
115
Erfolglos bleibt auch der in der mündlichen Verhandlung vom 2. Juli 2009 vorgetragene
Einwand der Beklagten, da der Zeuge A die im Zusammenhang mit der "stillen
Vereinbarung" stehenden Erklärungen im Namen der I GmbH & Co. abgegebenen und
jedenfalls zum Teil statt an die D Gerätebau an die Beklagte gerichtet habe und I nicht
Partei des Lizenzvertrages sei, habe diese Übereinkunft den Bestand des
Lizenzvertrages nicht berührt. Der Zeuge A hat, auch wenn er die Erklärungen gemäß
Anlage L4/1 und 4/2 anders als seine Vertragskündigung vom 13. Oktober 2000 auf
Geschäftspapier der I abgegeben und der Zeuge G seine Bestätigung gemäß Anlage
116
L5/2 ebenfalls an I gerichtet hatte, auch insoweit für den Zeugen G eindeutig erkennbar
in eigenem Namen und nicht als Vertreter von I gehandelt. Das ergibt sich schon
daraus, dass es in diesem Schreiben um den befristeten Fortbestand der Lizenz an dem
Klagepatent ging, über den nicht die I GmbH & Co., sondern nur der Zeuge A als
Inhaber des Klageschutzrechtes entscheiden konnte. Dementsprechend hat sich der
Zeuge A auch an seine Erklärungen gehalten und diese gegen sich gelten lassen, was
sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Klägerin auf der Grundlage der vom Zeugen A
erklärten Abtretung seiner Ansprüche aus dem Klagepatent (vgl. Anlage L2) für die
Laufzeit der stillen Vereinbarung gegen die Beklagte keine Schadenersatzansprüche
erhebt und die Abtretung, auch wenn sie insoweit keine konkreten Angaben enthält, nur
Ansprüche nach Ablauf der stillen Vereinbarung umfasst. Von einer Beendigung ist im
Übrigen auch die Beklagte ausgegangen, wenn sie – wie im Verhandlungstermin vor
dem Senat vom 2. Juli 2007 geschehen – vorträgt, sie habe die Zahlung der
Lizenzgebühren eingestellt, weil aus ihrer Sicht die neuen Lordosen der jetzt
angegriffenen Ausführungsformen von der unter Schutz gestellten technischen Lehre
keinen Gebrauch mehr machten. Da die Beklagte sich die weitere Benutzung nicht
vorbehalten hat und auch keine weiteren patentgemäßen Ausführungsformen mehr
vertrieben hat, konnte auch ihr Verhalten nicht anders verstanden werden, als betrachte
sie die Lizenz als mit dem Ablauf der stillen Vereinbarung beendet.
ee)
117
Auch der Zeuge G hat das entscheidende Bestätigungsschreiben im Namen der im
Lizenzvertrag genannten D Gerätebau verfasst und nicht im Namen der Beklagten. Ob
er die Erklärung in dem Schreiben, wie auf Geschäftspapier der Beklagten niedergelegt
worden sind, in deren Namen abgeben hat, oder ob aufgrund der Gesamtumstände
davon ausgegangen werden muss, dass er auch insoweit im Namen der D Gerätebau
gehandelt hat, kann aber offen bleiben. Denn auch die Beklagte ist in die
Nutzungsbefugnis an dem Klagepatent einbezogen worden. Daran können nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen. So ergibt
sich aus den glaubhaften und insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sven
S, Dr. T von der Osten, G, U und Dr. Y, dass die Beklagte zwar nicht im Rubrum des
Lizenzvertrages gemäß Anlage B1 als Lizenznehmerin angegeben worden ist, sondern
nur die D Gerätebau, dass dies aber nur deshalb geschehen ist, weil der Zeuge A Wert
darauf gelegt hatte, dass im Lizenzvertrag ein Lizenznehmer ausdrücklich benannt wird,
der ihm gegenüber für die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Lizenzvertrag
einsteht; damit sollte die vor dem Abschluss des Lizenzvertrages entstandene Situation
vermieden werden, dass der Zeuge A bei einem Autositzhersteller im
Unternehmensverbund D gefertigte Lordosenstützen vorfand, die sich keinem
Unternehmen zuordnen ließen. Insoweit stimmt auch die Aussage des Zeugen A mit
den Angaben der anderen Zeugen überein. Wie der Zeuge Dr. Y weiter ausgesagt hat,
war für die Partner des Lizenzvertrages und damit auch für den Zeugen A klar, dass die
jeweiligen Produkte immer von der dahinter stehenden Tochterfirma produziert wurden
und für die Produktion der Lordosenstützen die Beklagte zuständig sein sollte und die
im Lizenzvertrag genannte D Gerätebau auch nicht über die dazu benötigten
Produktionsmittel verfügte. Dass der Zeuge A wusste, dass bei der Beklagten
Lordosenstützen für Autositze gefertigt wurden, ergibt sich daraus, dass er im Juni 1998
die Fertigungsstätte der Beklagten besuchte und anlässlich dieses Besuches in der
Werkshalle die Fertigung von Lordosenstützen gesehen hat. Hierzu haben die Zeugen
U, W und X übereinstimmend bekundet, der Zeuge A habe, um in die Büros gelangen
zu können, durch die Fertigungshalle gehen müssen, weil die Büros keine eigenen
118
Außeneingänge besessen hätten. Die gegenteilige Aussage des Zeugen A, er habe
nicht gewusst, was die Beklagte produziert und habe auch deren Produktionsstätte nicht
gesehen, hat sich selbst die Klägerin nicht zueigen gemacht, denn in ihrem Schriftsatz
vom 15. August 2008 (Bl. 683 d.A.) räumt sie selbst ein, dass der Zeuge A im Juni 1998
die Fertigungsstätte der Beklagten besuchte und anlässlich dieses Besuchs die
Produktion elektrisch angetriebener Lordosenstützen gesehen hat, wobei der Zeuge A
u.a. vom Zeugen X begleitet den Hauptgang der Halle entlanggegangen ist und hierbei
einen Blick auf die Lordosenproduktion werfen konnte, auch wenn diese Führung nur
maximal 5 Minuten gedauert haben mag. Dies alles ist infolgedessen unstreitig
geworden. Dass der Zeuge A nicht die Produktion erfindungsgemäßer Lordosenstützen
gesehen hat, ist unerheblich. Aus dem Umstand, dass in der Fertigungshalle der
Beklagten überhaupt Lordosenstützen hergestellt wurden, musste sich für den Zeugen A
zwingend ergeben, dass jedenfalls auch bei der Beklagten die lizenzierten
Gegenstände gefertigt werden würden. Im Verlauf der Korrespondenz vor dem
Zustandekommen der stillen Vereinbarung hat er auch nicht bemängelt, dass einzelne
Erklärungen des Zeugen G auf Geschäftspapier der Beklagten dokumentiert waren, und
er hat auch die Nutzung des Klagepatentes durch die Beklagte nicht beanstandet und
die hierfür erfolgten Lizenzgebührenzahlungen der D Gerätebau entgegengenommen.
Die von der Klägerin aufgestellte Berechnung, bei der sie zu dem Ergebnis kommt, die
von der Beklagten hergestellten Lordosenstützen benötigten nicht einmal eine volle
Arbeitskraft, ist kein Indiz dafür, dass die Lordosenfertigung in der Werkshalle der
Beklagten nicht sichtbar war. Die Frage der Sichtbarkeit hängt von der Größe der hierfür
benötigten Produktionsanlagen ab, die nichts mit der Zahl der zu ihrer Bedienung
benötigten Mitarbeiter zu tun hat. Im übrigen musste dem Zeugen A beim Anblick
dessen, dass in dieser Werkshalle überhaupt Lordosen in größerer Stückzahl gefertigt
wurden, klar sein, dass auch die später lizenzierten Lordosenstützen jedenfalls zum Teil
auch hier gefertigt würden. Dementsprechend hatte der Zeuge A während der Dauer
des Lizenzvertrages die Nutzung durch die Beklagte auch nicht beanstandet.
b)
119
Der Beklagten steht auch kein privates Vorbenutzungsrecht zu. Hinsichtlich der Muster
der angegriffenen Ausführungsform I ergibt sich das schon daraus, dass der in der
Zeichnung gemäß Anlage B 10 dargestellte Gegenstand nach dem eigenen Vorbringen
der Beklagten (S. 26 ihrer Berufungsbegründung vom 19. Mai 2004, Bl. 177 d.A.) erst
um 1999 entwickelt worden ist und somit eine andere Ausgestaltung aufwies. Diese
Änderung betrifft gerade die Ausgestaltung der Klemmnuten, weil die Dimensionierung
der Seitenwände verringert und diejenige der mittleren Zunge vergrößert wurde. Da das
Vorbenutzungsrecht nur dem am Prioritätstag vorhandenen Besitzstand des
Vorbenutzers erhalten will, ist seine ausnahmsweise vom Patentinhaber
hinzunehmende Benutzung auf den damals vorhandenen Besitzstand beschränkt.
Weiterentwicklungen über den Umfang der bisherigen Benutzung hinaus sind ihm
verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der geschützten Erfindung eingreifen.
Anderenfalls würde nicht nur der bei der Anmeldung des Patentes vorhandene
Besitzstand geschützt, sondern dieser unter gleichzeitiger weiterer Einschränkung des
Rechts an dem Patent auf ursprünglich nicht Vorhandenes erweitert (BGH, GRUR 2002,
231, 233/34 – Biegevorrichtung).
120
Hinsichtlich der Ausführungsform II gilt nichts anderes. Die Zeichnung gemäß Anlage B
10 stammt jedoch erst vom 21. August 1996 und ist damit nach dem Prioritätstag des
Klagepatentes entstanden. Da die Originalzeichnung aus dem Jahre 1995 nicht mehr
121
vorhanden ist, kann nicht nachvollzogen werden, ob die auf der Zeichnung selbst
angegebenen Änderungen auch die Klemmnuten betrafen, insbesondere ob auch bei
der jetzt nicht mehr vorhandenen Zeichnung schon eine Klemmnut mit einer elastischen
Zunge vorhanden war. Die Änderungsliste auf der Zeichnung betrifft auch den
Haltedraht, so dass es nahe liegt, dass, da die Klemmnut mit dem Haltedraht zusammen
wirken muss, auch insoweit Änderungen vorgenommen worden sind. Darüber hinaus
stammt die Zeichnung von der D Nürnberg und nicht von der Beklagten. Vor allem aber
spricht der Umstand, dass die D Gerätebau für die angeblich vorbenutzte
Ausführungsform eine Lizenz an dem Klagepatent nahm, eindeutig gegen den
Erfindungsbesitz zum Prioritätszeitpunkt; die Erklärung der Beklagten hierzu (S. 26 der
Berufungsbegründung, Bl. 177 d.A.), ihr Geschäftsführer, der Zeuge G habe seinerzeit
die Vorbenutzung nicht gekannt, überzeugt nicht, zumal sich weder die Beklagte noch
die D Gerätebau während der Dauer des Lizenzvertrages B1 und auch im
Zusammenhang mit dessen Kündigung darauf berufen haben, wegen ihrer
Vorbenutzungshandlungen seien sie auf eine Nutzungserlaubnis durch den
Patentinhaber nicht angewiesen, sondern sich statt dessen bemüht haben, die ihnen
vom Zeugen A durch seine Vertragskündigung entzogene Nutzungserlaubnis noch bis
zum 31. März 2002 aufrecht zu erhalten.
4.
122
Dass die Beklagte, weil sie entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt hat,
der Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin an dem Gegenstand des
Klageschutzrechtes zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz
verpflichtet ist, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt; auf
diese Darlegungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
123
III.
124
Als unterlegene Partei hat die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres
erfolglosen Rechtsmittels zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
125
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Als reine
Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
126
X Y Z
127