Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.02.2006

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Oberlandesgericht Düsseldorf, I-5 U 109/05
Datum:
22.02.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-5 U 109/05
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des
Landge-richts Düsseldorf vom 01.09.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Ausge-nommen hiervon sind die außergerichtlichen Kosten der
Streithelferin der Be-klagten, die diese selbst zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Am 22.12.2003 kam es durch einen in Brand geratenen Adventskranz zu einem
Brandschaden in der Mietwohnung der Beklagten, den die Klägerin im Rahmen einer
mit dem Eigentümer/Vermieter des Gebäudes bestehenden Gebäudeversicherung
regulierte. Den insoweit verauslagten Betrag von 25.751,40 EUR verlangt sie nunmehr
aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers von der Beklagten erstattet.
Diese ist ihrerseits bei ihrer Streithelferin haftpflichtversichert, die hinsichtlich des
Brandschadens ebenfalls einstandspflichtig wäre. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten,
die Beklagte habe den Brand grob fahrlässig verursacht, weil sie seinerzeit die Kerzen
auf dem Adventskranz nicht gelöscht, jedenfalls keine entsprechende Nachschau
gehalten habe, bevor sie zu Bett gegangen sei. Demgegenüber hat die Beklagte
behauptet, sie habe damals die Kerzen gelöscht, so dass ihr allenfalls einfache
Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Vor diesem Hintergrund haben die Parteien unter
Heranziehung der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung im
Wesentlichen um die Beantwortung der Rechtsfrage gestritten, ob die Klägerin in
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ergänzender Auslegung des Versicherungsvertrages mit dem Eigentümer/Vermieter
rechtswirksam darauf verzichtet hat, die Beklagte im Schadensfall in Regress nehmen
zu dürfen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung
ausgeführt, dass ein konkludenter Regressverzicht der Klägerin wegen des von der
Beklagten zumindest fahrlässig verursachten Brandschadens nach den Umständen,
insbesondere mit Rücksicht auf die auf Seiten der Beklagten bestehende
Haftpflichtversicherung, nicht angenommen werden könne.
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Hiergegen richtet sich die von ihrer Streithelferin unterstützte Berufung der Beklagten,
mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
weiterhin die Abweisung der Klage begehrt. Erstmals im Berufungsverfahren erhebt sie
nun die Einrede der Verjährung, weil die gemäß § 67 VVG auf die Klägerin
übergegangenen Ersatzansprüche des Eigentümers/Vermieters gemäß § 548 BGB
bereits vor Einreichung des Mahnbescheids im vorliegenden Verfahren verjährt
gewesen seien. Dem allem ist die Klägerin entgegengetreten. Sie will die Berufung
zurückgewiesen wissen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Im Ergebnis zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das
Landgericht entschieden, dass die Beklagte der Klägerin aus gemäß § 67 Abs. 1 VVG
übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers, des Eigentümers/Vermieters N,
gemäß § 823 BGB Schadensersatz in geltend gemachter Höhe schuldet. Die hiergegen
mit der Berufung vorgetragenen Einwendungen führen zu keiner anderen Beurteilung
der Sach- und Rechtslage und geben lediglich zu folgenden, ergänzenden
Anmerkungen Anlass.
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a)
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Auf der Grundlage der insoweit im Berufungsverfahren nicht angegriffenen
Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil geht auch der Senat für seine
Entscheidung davon aus, dass die Beklagte den in Rede stehenden Brand jedenfalls
fahrlässig verursacht hat, weil sie es seinerzeit unter Missachtung der nach den
gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt versäumt hat, ein Entzünden des
ausgetrockneten Adventskranzes durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu
verhindern - § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Daraus folgt weiter, dass die Beklagte dem
Eigentümer/Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 bzw. § 823 BGB zum Ersatz des
Brandschadens verpflichtet ist. Der erstattungsfähige Schaden beträgt nach den auch in
diesem Punkt mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts
25.751,40 EUR.
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b)
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Die Klägerin muss sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegenhalten
lassen, an der Geltendmachung des gemäß § 67 Abs. 1 VVG auf sie übergegangenen
Schadensersatzanspruches ihres Versicherungsnehmers durch eine entsprechende
Regressverzichtsvereinbarung im Rahmen des zugrunde liegenden
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Versicherungsvertrages gehindert zu sein. Insoweit kann hier letztlich dahin stehen, ob
auf dem Boden des vom BGH in nunmehr gefestigter Rechtsprechung vertretenen
versicherungsrechtlichen Lösungsansatzes grundsätzlich im Wege der ergänzenden
Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages von einem Haftungsausschluss
zugunsten des Mieters für einfache Fahrlässigkeit auszugehen ist (BGH VersR 2001,
94ff.; VersR 2001 856f.; VersR 2002, 433; vgl. auch: OLG Hamm VersR 2002, 705 f u.
1280 f.; OLG Dresden, VersR 2003, 1391, 1392; kritisch hierzu: Gaul/Pletsch, NVersZ
2001, 490ff m. w. N.). Denn der Senat teilt mit dem Landgericht die Auffassung des OLG
Köln (VersR 2004, 593ff.; ebenso: LG Lübeck, VersR 2004, 234), das jedenfalls bei
bestehender und – wie hier - eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherung des fahrlässig
schädigenden Mieters für einen solchen Regressverzicht des Gebäudeversicherers im
Verhältnis zu seinem Versicherungsnehmer ohne das Hinzutreten besonderer
Umstände kein Raum ist.
Der BGH hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden, sondern lediglich – allerdings
wiederholt – ausgeführt, dass die Annahme eines Regressverzichts für einfache
Fahrlässigkeit als Ergebnis der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung nicht davon
abhängen könne, ob der Mieter im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung
abgeschlossen habe (BGH VersR 2001, 94ff., 96; VersR 2001, 856). Darum geht es hier
nicht. Streitentscheidend ist vielmehr die Beantwortung der weiterführenden Frage, ob
ein vom BGH grundsätzlich favorisierter Regressverzicht auch dann greift, wenn – wie
im vorliegenden Fall – die auf Seiten des Mieters bestehende Haftpflichtversicherung für
den in Rede stehenden Schaden auch tatsächlich einzustehen hat. Gerade diese Frage
hat der BGH in den vorerwähnten Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen. Sie ist
im Sinne der angefochtenen Entscheidung zu beantworten.
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Die Erwägung des BGH, dem Gebäudeversicherungsvertrag sei im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung ein Regressverzicht des Gebäudeversicherers zu
entnehmen, beruht entscheidend auf der Annahme, dass es in dem für den Versicherer
erkennbaren Interesse des Vermieters liege, das zumeist auf längere Zeit angelegte
Vertragsverhältnis zu seinem Mieter so weit wie möglich unbelastet zu lassen. Dieses
berechtigte Interesse sei im Schadensfall gefährdet, weil der Vermieter in seiner
Eigenschaft als Versicherungsnehmer die Obliegenheit treffe, den Versicherer bei der
Durchsetzung der Regressforderung zu unterstützen, wohingegen dem Mieter
naturgemäß daran gelegen sei, den Regress des Versicherers abzuwehren. Darüber
hinaus werde das Mietverhältnis im Falle der Inanspruchnahme des Mieters durch den
Versicherer auch dadurch belastet, dass der Mieter sich dann in seiner Erwartung
getäuscht sehe, bei dem Brand eines gegen Feuer versicherten Gebäudes nicht in
Anspruch genommen zu werden (grundlegend: BGH, VersR 2001, 94ff., 96).
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Diese Erwägungen tragen dann nicht mehr, wenn eine bestehende
Haftpflichtversicherung des Mieters für den im Regresswege an diesen
herangetragenen Schaden einzustehen hat. Denn zu einer ernsthaften, einen
Regressverzicht rechtfertigenden Belastung des Mietverhältnisses wird es nicht
kommen, wenn der Haftpflichtversicherer Deckungsschutz gewährt und den Mieter
solcherart von den monetären Risiken des Schadensfalles in der Weise freistellt, dass
sich die Auseinandersetzung über die Schadensregulierung faktisch zwischen ihm und
dem Gebäudeversicherer abspielt. Denn ebenso wie der Gebäudeversicherer im
eigenen Namen aus übergegangenem Recht gegen den Mieter vorgeht, hat dieser die
Prozessführung seinem Haftpflichtversicherer zu überlassen (§ 5 Nr. 4 AHB). Der dann
allein verbleibende Umstand, dass beide, Vermieter und Mieter, verpflichtet sind, ihre
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jeweilige Versicherung im Rahmen einer streitigen Schadensregulierung zu
unterstützen und solcherart am Rande einer gerichtlichen Auseinadersetzung der
allenfalls marginalen Gefahr ausgesetzt sind, möglicherweise kontradiktorische
Rechtspositionen vertreten zu müssen, rechtfertigt es nach Auffassung des Senats
angesichts der auf beiden Seiten des Mietverhältnisses weitgehend in Fortfall geratenen
finanziellen Risiken nicht, dem Vermieter auch für diesen Fall ein berechtigtes Interesse
daran zuzubilligen, seinem Versicherer einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des für
den Schadensfall verantwortlichen Mieters abzuverlangen. Diesem wiederum kann es
unter solchen Umständen vernünftigerweise auch nicht unverständlich erscheinen, trotz
des Bestehens einer Gebäudeversicherung für einen Schadensfall in Anspruch
genommen zu werden, dessen Regulierung er einer auch für diesen Fall
abgeschlossenen Haftpflichtversicherung überlassen kann. In Erwägung all dessen
lässt sich dann allerdings gerade nicht sagen, dass es dem für die ergänzende
Vertragsauslegung maßgeblichen hypothetischen Willen der Parteien des
Gebäudeversicherungsvertrages (zur ergänzenden Vertragsauslegung:
Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 157 BGB, Rn. 7 m. w. N.; vgl. auch: Gaul/Platsch
NVersZ 2001, 490, 497) entsprochen haben könnte, auch bei zu unterstellender
Kenntnis von dem Bestehen einer eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung des Mieters
einen Regressverzicht zu dessen Gunsten zu vereinbaren (im Ergebnis ebenso: OLG
Köln, a. a. O; LG Lübeck, a. a. O.; Armbrüster NVersZ 2001, 193; Prölss, r+s 1997, 221;
Gaul/Pletsch NversZ 2001, 490; Wolter, VersR 2001, 998ff; Günther, VersR 2004, 595ff.,
597f.; a. A.: OLG Stuttgart, VersR 2004, 592f). Hinzu tritt die vom BGH in anderem
Zusammenhang für maßgeblich erachtete Erwägung, dass jedenfalls dann nicht von
einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Haftungsverzicht auszugehen sei, wenn
dieser nicht dem Haftpflichtigen, sondern lediglich seiner Haftpflichtversicherung zugute
gekommen wäre (BGH, VersR 1992, 1145ff., 1147; VersR 1993, 1092f., 1093). So wäre
es bei einem Regressverzicht im Ergebnis allerdings auch hier.
c)
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Soweit die Beklagte erstmals mit der Berufungsbegründung Verjährung des auf die
Klägerin übergegangenen Ersatzanspruches einwendet, hat ihr Vorbringen im Ergebnis
ebenfalls keinen Erfolg. Allerdings ist die Beklagte mit der erstmaligen Erhebung der
Verjährungseinrede im Berufungsverfahren nach der jüngeren Rechtsprechung des
BGH (NJW 2005, 291) nicht gemäß § 531 Abs. 2 präkludiert, wenn – wie hier - die den
Verjährungseinwand tragenden Tatsachen unstreitig sind (ebenso zuletzt: OLG
Naumburg, IBR 2005, 650).
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Der auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzanspruch ihres
Versicherungsnehmers ist allerdings nicht gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjährt. Zwar ist
der Beklagten im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass die kurze Verjährungsfrist
des § 548 BGB nicht nur mietvertragliche Ersatzansprüche, sondern auch alle mit
diesen konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt umfasst. Das gilt
insbesondere auch für deliktische Schadensersatzansprüche (BGH, NJW 1993, 2797 m.
w. N.). Allerdings beginnt die Verjährung nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB erst in dem
Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält, was jedenfalls voraussetzt,
dass der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz an der Mietsache vollständig
und unzweideutig aufgibt (BGH, NJW 2004, 774, BGH, NJW 2005, 2004; BGH, NJW-
RR 2004, 1566). Die Gewährung ungehinderten Zutritts bei fortdauernder Besitzlage
reicht hierfür nicht aus (BGH, NJW 1991, 2416), wie die Beklagte allerdings wohl meint.
Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte die in Mitleidenschaft
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gezogene Mietwohnung zwischenzeitlich auf- und den Besitz hieran an den Vermieter
zurückgegeben hat. Vielmehr spricht ihre offenkundig unveränderte Anschrift dafür, dass
sie die Wohnung weiter innehat. In Erwägung all dessen kann offen bleiben, ob der Lauf
der Verjährung aus den von der Klägerin mit der Berufungserwiderung aufgezeigten
Gründen gemäß § 203 BGB gehemmt war und rechtzeitig vor Ablauf durch Einreichung
eines Mahnbescheides unterbrochen wurde.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Der Senat lässt die Revision zu, weil die hier streitentscheidende Frage, ob auch dann
von einem Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters
auszugehen ist, wenn dieser im konkreten Schadensfall Deckungsschutz seiner
Haftpflichtversicherung genießt, von anderen Oberlandesgerichten unterschiedlich
beantwortet wird und bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist - § 543 Abs. 2
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Nr.1 ZPO.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 25.751,40 EUR
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J L B
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