Urteil des OLG Düsseldorf vom 15.06.2004

OLG Düsseldorf: kündigung, mietsache, untermieter, untermietvertrag, mietzins, mietobjekt, besitz, rechtsgrundlage, erlass, rückgabe

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 38/04
Datum:
15.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 38/04
Vorinstanz:
Landgericht Wuppertal, 7 O 163/03
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuwei-sen. Dem Beklagten zu 1. wird Gelegenheit gegeben,
hierzu binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses
Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
1
Die Berufung des Beklagten zu 1. hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat ihn
zu Recht zur Zahlung i.H.d. Mietzinsen für Januar bis März 2003 verurteilt und ihn auch
mit den Kosten, betreffend den Räumungsanspruch, belastet. Die hiergegen gerichteten
Angriffe in der Berufungsbegründung bieten keinen Anlass zu einer anderen
Beurteilung.
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1. Auch wenn mit dem Landgericht von einer wirksamen Kündigung unter dem 29.
September 2002 auszugehen ist (im angefochtenen Urteil entsprechend ausgeführt
Seite 5 im Zusammenhang mit der Frage des sofortigen Anerkenntnisses), ändert sich
im Ergebnis nichts, weil die Ansprüche dann nicht aus § 535 BGB (so das Landgericht),
sondern aus § 546 a BGB (Nutzungsentschädigung) bestehen. Es kann offen bleiben,
ob das Landgericht hierzu einen Hinweis hätte geben müssen, wie der Beklagte zu 1.
mit der Berufung geltend macht; denn seine Darlegungen hierzu in der
Berufungsbegründung rechtfertigen keinen anderen Urteilsausspruch. Auch auf den
Anspruch auf Nutzungsentschädigung müsste sich die Klägerin ggfs. das anrechnen
lassen, was sie anderweitig erlangt hat. Sie hat aber unstreitig nichts erlangt und muss
sich auch nicht entgegen halten lassen, dass sie Zahlungen der Beklagten zu 2. hätte
beanspruchen können. Es ist nicht zu einem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin
und der Beklagten zu 2. gekommen, und den Schriftsätzen der Parteien ist auch nicht zu
entnehmen, dass die Beklagte zu 2. das Mietobjekt mit dem Einverständnis der Klägerin
(unentgeltlich) genutzt hat, was eine Vorenthaltung der Mietsache im Sinne des § 546 a
BGB in Frage gestellt hätte.
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Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass grundsätzlich keine vertraglichen
unmittelbaren Beziehungen zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter
bestehen (BGH NJW 2001, 1355). Hier sind auch aufgrund der Schreiben der Klägerin
vom 21. Oktober und 28. November 2002 keine solchen entstanden. Den Schreiben ist
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deutlich zu entnehmen, dass die Klägerin keinen Vertrag mit der Beklagten zu 2.
schließen wollte ("..., dass unserem Hause gegenüber kein Rechtsgrund mehr zum
Besitz besteht."). Die einstweilige Gestattung zur Weiterbenutzung begründete ebenfalls
kein Vertragsverhältnis, wie die Wendung "einstweilige Gestattung" sowie die
Benutzung des Wortes "Nutzungsentschädigung" verdeutlichen. Mit der (hier als
wirksam unterstellten) fristlosen Kündigung gegenüber dem Hauptmieter, dem
Beklagten zu 1., war auch das Recht zum Besitz des Untermieters gegenüber der
Klägerin entfallen, wie diese zutreffend geltend gemacht hat. Das Bemühen der
Klägerin, den bisher von der Beklagten zu 2. an den Beklagten zu 1. gezahlten
Untermietzins als Nutzungsentschädigung selbst zu erlangen, war erkennbar darauf
gerichtet, ihre finanziellen Nachteile möglichst gering zu halten. Dies war auch
gerechtfertigt, weil ihr Hauptmieter weder Mietzins noch Nutzungsentschädigung zahlte.
Den Schreiben der Klägerin vom 21. Oktober und 28. November 2002 ist allenfalls ein
Vertragsangebot der Klägerin auf Gestattung der Weiterbenutzung durch die Beklagte
zu 2. zu entnehmen. Dieses Angebot hat die Klägerin aber erkennbar unter der
Voraussetzung abgegeben, dass die Beklagte zu 2. den bisher als Untermietzins an den
Beklagten zu 1. gezahlten Betrag als Nutzungsentschädigung an die Klägerin zahlte.
Dieses Angebot hat die Beklagte zu 2. aber nicht angenommen, was spätestens einen
Monat nach Erhalt der genannten Schreiben deutlich wurde, als sie die Mieträume
lediglich weiter nutzte, aber ohne jede Erklärung gegenüber der Klägerin und vor allem
ohne jede Zahlung an sie. Unter diesen Umständen liegt aber eine Vorenthaltung des
Mietobjekts durch den Beklagten zu 1. vor, der die Räume im Wege der
Untervermietung der Beklagten zu 2. überlassen hatte, aber nach wie vor aufgrund des
wirksam gekündigten Hauptmietverhältnisses der Klägerin gegenüber zur Räumung
verpflichtet war.
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Diese Wertung steht auch im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung:
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Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10. November 1982 (BGHZ 85,
267 = NJW 1983, 446) erleidet der Vermieter keinen Nutzungsausfall, wenn er für die
ihm vorenthaltenen Räume Mietzins von dem neuen Mieter erlangt, der sich seinerseits
mit dem bisherigen, in Rückgabeverzug befindlichen Mieter auf die Begründung eines
Untermietverhältnisses geeinigt hat. Eine solche oder eine ähnliche Fallgestaltung liegt
hier aber nicht vor. Insbesondere fehlt es an dem entscheidenden wirtschaftlichen
Aspekt; denn die vermietende Klägerin hat gerade keinen finanziellen Ausgleich für den
Wegfall des Mietzinses trotz unterbliebener Rückgabe der Mietsache erhalten, obwohl
sie deutlich gemacht hat, auf einem solchen zu bestehen. Auch wenn der Vermieter mit
einem Fortbestand des Untermietverhältnisses einverstanden ist, fehlt es an einer
Vorenthaltung (OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, ZMR 2001, 882); aber dieses
Einverständnis ist hier nicht gegeben, jedenfalls nicht ein solches in dem Sinne, dass
die Klägerin weder Mietzins noch Nutzungsentschädigung erhielt. Dagegen ist eine
Vorenthaltung anzunehmen, wenn der an sich rückgabewillige Mieter das Mietobjekt
nicht zurückgeben kann, weil der Untermieter wegen des fortbestehenden
Untermietverhältnisses das Objekt nicht räumt, wobei der Anspruch auf
Nutzungsentschädigung nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass der Vermieter den
Untermieter unmittelbar auf Rückgabe in Anspruch nehmen kann (BGHZ 90, 145 = NJW
1984, 1527). Diese Fallgestaltung entspricht am ehesten der hier zu beurteilenden, vor
allem im Hinblick auf die dadurch gekennzeichnete Lage des Vermieters, dass er weder
das Mietobjekt zurückerhält noch ein Entgelt hierfür erlangt.
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2. Nach den obigen Ausführungen hat sich die Klägerin dem Beklagten zu 1. gegenüber
auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht; denn sie hatte in ihrem an die Beklagte zu
2. gerichteten oben genannten Schreiben zu Recht geltend gemacht, dass jene
aufgrund der außerordentlichen Kündigung des Hauptmietverhältnisses die Mieträume
der Klägerin gegenüber ohne Rechtsgrund nutzte. Lediglich die Wendung, damit sei
auch die Rechtsgrundlage für den Untermietvertrag entfallen, ist etwas zu weitgehend
formuliert; denn der Untermietvertrag zwischen den Beklagten war noch nicht mit
sofortiger Wirkung entfallen, sondern er konnte lediglich ebenfalls gekündigt werden,
aber diese feine Unterscheidung muss einem juristischen Laien nachgesehen werden.
Im übrigen kann die Wendung auch so verstanden werden, dass die Klägerin gemeint
hat, mit der Kündigung sei die Rechtsgrundlage für den Untermietvertrag entfallen,
soweit sie, die Klägerin, betroffen sei, nämlich hinsichtlich der Verpflichtung, das Recht
zum Besitz der Untermieterin hinzunehmen.
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3. Der Hinweis des Beklagten zu 1. auf die in Anspruch genommene Bürgschaft lässt
den Zahlungsanspruch nicht entfallen. Zum einen ist den vorgelegten Urkunden nicht zu
entnehmen, dass die Stadtsparkasse Wuppertal der Zahlungsanforderung auch
nachgekommen ist, und hierzu findet sich auch kein Beweisangebot. Zum anderen ist
eine eventuelle Zahlung nicht anders als eine solche aufgrund einer
Zwangsvollstreckung zu bewerten: Wird während eines laufenden Rechtsstreits über
die Forderung, wegen derer der Bürge in Anspruch genommen wird, eine Zahlung des
Bürgen erreicht, so ist dies im Zweifel als vorläufige Zahlung zu sehen und noch nicht
als Erfüllung. Vielmehr erlangt der Gläubiger dann während des rechtlichen
Schwebezustands vor Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung lediglich eine
vorläufige Sicherheit. Selbst wenn dies anders zu sehen wäre, änderte sich im Ergebnis
nichts, denn das genannte Vorbringen ist als neues, nicht zuzulassendes
Verteidigungsmittel i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO zu werten.
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4. Schließlich ist auch die Kostenentscheidung des Landgerichts zur Frage des
sofortigen Anerkenntnisses nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist ein Mieter auch
bzgl. der Räumung nicht zu Teilleistungen berechtigt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63.
Aufl., § 266 Rdnr. 3). Dies ist hier aufgrund der Schreiben der Klägerin an die unstreitig
die Mietsache noch nutzende Beklagte zu 2. nicht anders zu beurteilen. Die Klägerin hat
ihr die Nutzung nur unter der Voraussetzung gestattet, dass jene den zuvor an den
Beklagten zu 1. gezahlten Untermietzins nunmehr als Nutzungsentschädigung an die
Klägerin zahlte. Dem ist die Beklagte zu 2. aber unstreitig nicht nachgekommen.
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5. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 522 Abs. 2 (Nr. 2
und 3) ZPO sind gegeben.
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6. Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer
Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist.
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Düsseldorf, den 15. Juni 2004 OLG, 24. Zivilsenat
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