Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.10.2005

OLG Düsseldorf: aufschiebende wirkung, tochtergesellschaft, grundsatz der gleichbehandlung, stadt, unternehmen, grundstück, erstellung, ausschluss, anonymität, beitrag

Oberlandesgericht Düsseldorf, VII-Verg 67/05
Datum:
25.10.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vergabesenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VII-Verg 67/05
Tenor:
Der Antrag der Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der so-fortigen
Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 1.
Vergabekammer des Bundes vom 1. September 2005 (VK 1 – 98/05) zu
verlängern, wird zurückgewiesen.
(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)
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I. Die Antragsgegnerin lobte für das Projekt "Neubau DEG Gebäude Kämmergasse K."
einen beschränkten einstufigen und einphasigen Realisierungswettbewerb nach RAW
2004 mit vorgeschaltetem Auswahlverfahren zur Vergabe von Generalplaner- und
Architektenleistungen für 10 freischaffende Architekten/innen in Arbeitsgemeinschaft mit
Fachingenieuren für Tragwerksplanung, Technische Gebäudeausrüstung,
Fassadenplanung und Energieberater als Generalplaner aus.
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Eingetragene Eigentümerin des Grundstücks Kämmergasse, auf welchem ein
Bürogebäude errichtet werden soll, war die Stadt K.. Sie beabsichtigte, das Grundstück,
für das kein Bebauungsplan aufgestellt war, zu verkaufen. Vier der Kaufinteressenten,
darunter die B... Projektentwicklungs GmbH, hatten Architektenentwürfe erstellen
lassen. Die B... Projektentwicklungs GmbH beauftragte am 26. Juli 2002 mit der
Erstellung einer Studie die J...P... in Düsseldorf, eine 100%ige Tochtergesellschaft der
Beigeladenen. B... beabsichtigte zunächst, die Antragsgegnerin als Hauptmieterin zu
gewinnen und legte der Antragsgegnerin im Rahmen der Akquisition die Studie der
J...P... Düsseldorf vor. Nachdem die Antragsgegnerin sich entschlossen hatte, das
Grundstück selbst zu erwerben und dort ein Bürogebäude errichten zu lassen,
beabsichtigte die B... Projektentwicklungs GmbH, ihre Dienste als
Generalunternehmerin der Antragsgegnerin als künftiger Bauherrin anzubieten.
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Die J...P... Düsseldorf stellte ihre im Auftrag der B... erstellte Studie sowohl in der
Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Stadt K. am 4. März 2004 als auch im
Gestaltungsbeirat der Stadt K. am 8. März 2004 vor. Die Antragsgegnerin reichte am 25.
März 2004 eine Bauvoranfrage beim Bauaufsichtsamt der Stadt K. ein. Der
Bauvoranfrage fügte sie die Studie der Tochtergesellschaft der Beigeladenen mit den in
ihr enthaltenen Zeichnungen bei. Der Bauvorbescheid wurde unter dem 5. April 2004,
geändert durch den Bescheid vom 7. Mai 2004, erteilt. Mit notariellem Kaufvertrag vom
6. Juli 2004 veräußerte die Stadt K. das Grundstück an die Antragsgegnerin.
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Die Antragsgegnerin beauftragte die A... am 3. September 2004 mit der Vorbereitung,
Betreuung und Durchführung des Wettbewerbs und der Erstellung der
Wettbewerbsunterlagen.
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Nach Bekanntgabe bewarben sich unter anderen die Beigeladene und der Antragsteller
um die Teilnahme am Wettbewerb. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 unterrichtete
die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber, dass er zu den aus einer Vielzahl von
Bewerbern ausgewählten 10 Teilnehmer gehöre. Die Ausgabe der
Wettbewerbsbedingungen erfolgte mit Schreiben vom 23. Dezember 2004. Die
Wettbewerbsarbeiten waren bis zum 25. März 2005 und die Modelle bis zum 31. März
2005 einzureichen. Sowohl die Beigeladene als auch der Antragsteller reichten einen
Wettbewerbsbeitrag ein.
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Das Preisgericht entschied am 2. Mai 2005, dass der erste Preis an den Architekten H.,
der zweite Preis an die Beigeladene und der dritte Preis an den Antragsteller und einen
weiteren Teilnehmer verliehen werde. Das Preisgericht empfahl der Antragsgegnerin,
mit dem 1. und 2. Preisträger nach der Überarbeitung der Beiträge Verhandlungen über
die weitere Beauftragung aufzunehmen. Am 1. Juli 2005 beschloss die
Geschäftsführung der Antragsgegnerin, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen.
Hierüber wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 8. Juli 2005 unterrichtet.
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Der Antragsteller rügte mit Schreiben vom 13. Juli 2005 die Beteiligung der
Beigeladenen am Vergabewettbewerb als fehlerhaft, weil die Beigeladene durch die
vorangegangene Studie ihrer Tochtergesellschaft J...P..., die zur Grundlage der
Bauvoranfrage gemacht worden sei, Kenntnisse und Informationen über die Bedürfnisse
der Antragsgegnerin erlangt habe, die ihr einen nicht einholbaren Vorsprung verschafft
hätten. Die Antragsgegnerin wies die Rüge zurück.
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Gegen die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin richtete sich der
Nachprüfungsantrag des Antragstellers. Die Vergabekammer wies den
Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 1. September 2005 zurück.
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Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt und beantragt vorab,
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die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über
die sofortige Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zu verlängern.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zurückzuweisen.
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Mit Beschluss vom 4. Oktober 2005 hat der Senat die aufschiebende Wirkung der
sofortigen Beschwerde einstweilen bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 118
Abs. 1 Satz 3 GWB verlängert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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II. Der Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebenden Wirkung der
sofortigen Beschwerde zu verlängern, hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag des
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Antragstellers - und damit aus Rechtsgründen auch die sofortige Beschwerde - hat auf
Grund summarischer Prüfung des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes keine
Aussicht auf Erfolg.
1. Der Wettbewerbsbeitrag bzw. das Angebot der Beigeladenen ist nicht gemäß § 6
Abs. 2 VOF von dem Auslobungsverfahren auszunehmen. Die Beigeladene ist nicht
Sachverständiger im Sinne des § 6 Abs. 1, 2 VOF. Nach § 6 Abs. 2 VOF dürfen vom
Auftraggeber hinzugezogene Sachverständige weder unmittelbar noch mittelbar an der
betreffenden Vergabe beteiligt sein und auch nicht beteiligt werden. Es kann
dahinstehen, ob dem Begriff des Sachverständigen ein engeres (vgl. §§ 402 ff ZPO)
oder ein weiteres Verständnis (vgl. Senat, Beschl. v. 16.10.2003, VII-Verg 57/03,
VergabeR 2004, 236, 237) zu Grunde zu legen ist. Die Antragsgegnerin selbst ist in
keinem Stadium des Auslobungsverfahrens, insbesondere weder bei der Beschreibung
der Aufgabenstellung, bei der Prüfung der Eignung von Bewerbern noch bei der
Bewertung der Bewerbungen mittelbar oder unmittelbar an der Vergabe beteiligt
gewesen. Sie ist nur als Bewerberin im Auslobungsverfahren aufgetreten, indem sie
fristgerecht einen eigenen Beitrag im Planungswettbewerb eingereicht hat.
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2. Aus dem gleichen Grunde scheidet ein Ausschluss der Beigeladenen nach § 25 Abs.
4 VOF aus. Nach dieser Bestimmung sind von der Teilnahme an
Planungswettbewerben Personen ausgeschlossen, die infolge ihrer Beteiligung an der
Auslobung oder Durchführung des Wettbewerbs bevorzugt sein oder Einfluss auf die
Entscheidung des Preisgerichts nehmen können. Die Beigeladene wurde von der
Antragsgegnerin nicht mit der Auslobung oder Durchführung des Wettbewerbs
beauftragt. Sie trat lediglich als Bewerberin auf.
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3. Der Antragsgegnerin fällt kein Verstoß gegen § 97 Abs. 1 GWB, § 4 Abs. 3 VOF zur
Last. Die Beigeladene war weder im Rahmen der formalen Angebotsprüfung noch im
Rahmen der Eignungsprüfung verpflichtet, den Beitrag der Beigeladenen von dem
ausgelobten Wettbewerb auszuschliessen, weil ihre Tochtergesellschaft, die J...P...,
Düsseldorf, mit der Erbringung von Planungsleistungen hinsichtlich eines öffentlichen
Auftrags betraut war. Die Beigeladene hat keine wettbewerbsverzerrenden Vorteile aus
der Tätigkeit ihrer Tochtergesellschaft erlangt. Ein Ausschluss des Angebots der
Beigeladenen – wie ihn der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag zu erreichen
sucht – würde die Beigeladene ihrerseits in ihrem Recht auf Teilnahme am Wettbewerb
verletzten. Durch die Zulassung der Beigeladenen zum Wettbewerb hat die
Antragsgegnerin vielmehr dem Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs.1 GWB, dem
Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) und dem Gebot der Wahrung der
Verhältnismäßigkeit genügt, auf deren Einhaltung die Beigeladene nach § 97 Abs. 7
GWB ihrerseits einen Anspruch hat.
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a) § 4 Abs. 3 VOF bestimmt, dass unlautere und wettbewerbsbeschränkende
Verhaltensweisen unzulässig sind. Nach dieser Vorschrift hat der öffentliche
Auftraggeber die Verpflichtung, stets dafür zu sorgen, dass echter, unverfälschter
Wettbewerb hergestellt und erhalten bleibt (vgl. zum Begriff der
Wettbewerbsbeschränkung: Senat, Beschl. v. 17.6.2002, Verg 18/02, NZBau 2002, 626,
629). Dies besagt jedoch nicht, dass ein mit Forschungs- Erprobungs-, Planungs- oder
Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen hinsichtlich
eines öffentlichen Auftrags betrautes Unternehmen durch den öffentlichen Auftraggeber
stets auszuschliessen ist, um der (abstrakten oder konkreten) Gefahr der
Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu begegnen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der
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Europäischen Gemeinschaften v. 3. März 2005, Rs. C 34/03, (vgl. VergabeR 2005, 319)
ist ein Unternehmen, wenn es mit Forschungs- Erprobungs-, Planungs- oder
Entwicklungsarbeiten für Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen hinsichtlich
eines öffentlichen Auftrags durch den öffentlichen Auftraggeber betraut war, zur
Einreichung eines Teilnahmeantrags bzw. eines Angebots grundsätzlich zuzulassen, es
sei denn, es ist ihm nicht möglich gewesen zu beweisen, dass nach den Umständen
des Einzelfalls die von ihm erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen
können.
Diesen Grundsatz, dass ein mit Planungsarbeiten hinsichtlich eines öffentlichen
Auftrags befasstes Unternehmen zur Einreichung eines Teilnahmeantrags berechtigt ist,
leitet der Gerichtshof aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem
Diskriminierungsverbot und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie insbesondere aus
Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/50 EWG des Rates vom 18. September 1992 ab. Dieser
Rechtsgrundsatz gilt - in richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Abs. 3 VOF - auch in
einem Auslobungsverfahren nach der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen
(VOF), das die Vergabe von Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit
erbracht werden, zum Gegenstand hat. Die VOF setzt die Richtlinie 92/50 EWG des
Rates um. Die Gründe, die für den im Einzelfall in Betracht kommenden Ausschluss
eines Unternehmens aus dem Wettbewerb sprechen könnten, bestehen auch in einem
Auslobungsverfahren nach der VOF darin, dass wegen des aus den vorbereitenden
Planungsarbeiten erlangten Informationsvorsprungs die Gefahr einer Begünstigung des
Angebots des planenden Unternehmens - oder des mit ihm verbundenen Unternehmens
- im Auslobungsverfahren bestehen kann bzw. das planende Unternehmen
möglicherweise unbeabsichtigt versuchen kann, die Bedingungen für den öffentlichen
Auftrag in seinem Sinn günstig zu beeinflussen. Im Streitfall kommt nur die erstgenannte
Fallgruppe in Betracht.
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Die Beigeladene und die J...P... Düsseldorf sind miteinander verbundene Unternehmen.
Zwischen den Gesellschaftern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (J...P...) und den
Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern der Kapitalgesellschaft (der Beigeladenen)
besteht Personenidentität. Ausweislich ihres Angebotes wurde die Beigeladene durch
die J...P... Düsseldorf im Auslobungsverfahren vertreten (§ 164 BGB). Unterliegt die als
BGB-Gesellschaft geführte Tochtergesellschaft einem Verbot zur Teilnahme am
Wettbewerb, so besteht auch für die Beigeladene ein Verbot sich am vorliegenden
Auslobungsverfahren zu beteiligen, da anderenfalls ein Umgehungstatbestand vorläge.
Solche Verbote bestehen im Streitfall jedoch nicht.
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Die Tochtergesellschaft der Beigeladenen ist im Sinne der Rechtsprechung des EuGH
mit Planungsleistungen betraut gewesen. Sie ist hierzu jedoch nicht durch die
Antragsgegnerin veranlasst worden, weil die Antragsgegnerin die B...
Projektentwicklungs GmbH nicht mit der Erbringung der Planungsleistungen beauftragt
hat.
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Auch hat die Antragsgegnerin der J...P... Düsseldorf weder ausdrücklich noch
konkludent einen unmittelbaren Auftrag zur Erbringung von Planungsarbeiten erteilt. Die
Tochtergesellschaft der Beigeladenen wurde ursprünglich von der B...
Projektentwicklungs GmbH am 26. Juli 2002 mit der Erstellung einer
"Machbarkeitsstudie" zum Zwecke der Werbung der Antragsgegnerin als Mieterin
beauftragt. Derartige im Rahmen der Akquisition eines Mieters erbrachte Vorplanungen
und teilweise auch Entwurfsplanungen sind Planungsleistungen; sie wurden im Auftrag
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der B... Projektentwicklungs GmbH erbracht und sind – sofern kein Architektenvertrag
abgeschlossen worden ist - für die Antragsgegnerin unentgeltlich.
Die von der Tochtergesellschaft der Beigeladenen erstellte Studie und die in diesem
Zusammenhang angefertigten Zeichnungen sind aber von der Antragsgegnerin im
Einverständnis mit der J...P... Düsseldorf zur Grundlage der am 25. März 2004 gestellten
Voranfrage nach § 37 LBauO NRW beim Bauamt der Stadt K. gemacht worden. Die
Zurverfügungstellung der von der J...P... Düsseldorf angefertigten Zeichnungen im
Rahmen der von der Antragsgegnerin eingereichten Bauvoranfrage bei dem Bauamt der
Stadt K. fällt ebenfalls in den Bereich der Akquisition. Die B... Projektentwicklungs
GmbH war zu diesem Zeitpunkt bereit, im Falle eines Kaufes des Grundstückes
Kämmergasse durch die Antragsgegnerin das Bauprojekt als Generalunternehmerin
auszuführen. Die Antragsgegnerin war vor Abschluss des Kaufvertrages über das
Grundstück allerdings daran interessiert zu erfahren, ob das von ihr geplante Vorhaben
baurechtlich genehmigungsfähig war und stellte zu diesem Zweck unter Verwendung
der Vorplanungsergebnisse der J...P... Düsseldorf eine Bauvoranfrage. Jedoch fehlte ihr
erkennbar ein rechtlicher Bindungswille, einen entgeltlichen Vertrag über die Nutzung
der Zeichnungen der Studie einzugehen. Im übrigen kann dahinstehen, ob die J...P...
Düsseldorf ihre Studie zum Grundstück Kämmergasse auf der Sitzung des
Stadtentwicklungsausschusses vom 4. März 2005 und des Gestaltungsbeitrags vom 8.
März 2005 auf Veranlassung der Antragsgegnerin vorgestellt hat. Derartige
Präsentationen als Bestandteil von Verhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit
des Bauvorhabens sind als Leistungen im Rahmen der Akquisition anzusehen, die
ohne vertragliche Bindungen erbracht wurden und der Bewerbung um einen Auftrag
dienten.
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Gleichwohl ist eine Betrauung der J...P... Düsseldorf nicht zu verneinen. Die
Antragsgegnerin hat sich die Studie der J...P... Düsseldorf zu eigen gemacht, ohne dass
es zum Abschluss eines entgeltlichen Auftrags gekommen ist. Der Begriff "Betrauung"
ist nicht auf Fälle der entgeltlichen Auftragserteilung oder Veranlassung durch den
öffentlichen Auftraggeber beschränkt, sondern erfasst unter Umständen auch ein rein
tatsächliches Tätigwerden für den Auftraggeber im Vorfeld eines Auslobungsverfahrens.
Dem formalem Umstand der fehlenden Beauftragung oder Veranlassung durch den
öffentlichen Auftraggeber kommt im Streitfall keine Bedeutung zu (so aber Reuber,
VergabeR 2005, 271, 275; dies hätte zur Folge, dass mit Planungen vorbefasste
Unternehmen stets ohne Prüfung von Wettbewerbsverzerrungen im Einzelfall zur
Teilnahme am Wettbewerb zuzulassen wären). Entscheidend ist, dass die
streitgegenständlichen Planungen im Rahmen der Akquirierungsbemühungen durch die
J...P... Düsseldorf zwar auf Veranlassung und im Auftrag der B. & B.
Projektentwicklungs GmbH, aber letztlich für den öffentlichen Auftraggeber, die
Antragsgegnerin, erbracht worden sind und die Antragsgegnerin das Ergebnis der
Planungsleistungen der Tochtergesellschaft der Beigeladenen (die Studie) in ihre
Bauvoranfrage hat einfließen lassen und sich die Vorplanungen der J...P... als
Tochtergesellschaft der Beigeladenen zu eigen gemacht hat. Die J...P... befindet sich in
der gleichen Lage wie ein Unternehmen, das mit Planungsleistungen beauftragt oder
sonstwie dazu angehalten oder veranlasst wird. Auf Grund der für die Antragsgegnerin
erbrachten Planungsarbeiten kann die J...P... Düsseldorf einen Informationsvorsprung
gegenüber den übrigen Bewerbern des Auslobungsverfahrens erhalten haben, der der
mit ihr gesellschaftsrechtlich verbundenen Beigeladenen einen ungerechtfertigten
Wettbewerbsvorteil im Auslobungsverfahren verschaffte. Aus diesen Überlegungen
heraus ist kein Grund zu erkennen, den Fall einer tatsächlichen Betrauung rechtlich
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anders zu behandeln als den Fall einer (unmittelbaren oder mittelbaren) Beauftragung
bzw. Veranlassung durch den öffentlichen Auftraggeber.
b) Die Anwendung der vom Gerichtshof entwickelten Grundsätze erfordert im Streitfall
eine Prüfung, ob der Wettbewerb durch Informationsvorteile der Beigeladenen bzw. ihrer
Tochtergesellschaft verfälscht wurde. Diese fällt zugunsten der Beigeladenen aus. Die
Beigeladene hat keinen feststellbar wettbewerbsverzerrenden Informationsvorsprung
durch die Planungen ihrer Tochtergesellschaft gegenüber den Wettbewerbern erlangt.
Die baurechtlichen Anforderungen des auf der Studie der J...P... Düsseldorf beruhenden
Bauvorbescheides sind in die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs eingeflossen.
Dies zeigt ein Vergleich der letzten Seite der Studie mit den auf Seite 31 der
Wettbewerbsbedingungen abgedruckten bauplanungsrechtlichen Anforderungen. Damit
hat die Vergabestelle ihrer Verpflichtung genügt, die im Vorfeld des
Auslobungsverfahrens gewonnenen Informationen allen Bewerbern bekannt zu
machen. Sie war indes nicht verpflichtet, Bauzeichnungen aus der Studie der J...P...
Düsseldorf den Wettbewerbern bekannt zu machen, denn der Planungswettbewerb
bezog sich auf die Erstellung konkreter Gebäudeplanungen.
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Es bestehen darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür, die Beigeladene habe die
individuellen Anforderungen der Antragsgegnerin besser gekannt als die übrigen
Bewerber. Auch alle weiteren Informationen - etwa über die erwarteten Zahlen der
Parkplätze (ca. 250) oder der Arbeitsplätze - sind der Ausschreibungsunterlage zu
entnehmen. Im übrigen zeigt das Preisgerichtsprotokoll deutlich, dass es keinem der
vier Preisträger gelungen ist, die wesentlichen Anforderung der Antragsgegnerin im
vollen Umfang zu erfüllen.
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Die Behauptung des Antragstellers, die frühere Befassung der Tochtergesellschaft der
Beigeladenen habe dieser erlaubt, die Anforderungen des Auftraggebers besser
einzuschätzen, ist nicht zwingend. Die Beigeladene hat an dem von ihrer
Tochtergesellschaft entwickelten Konzept festgehalten. Die bereits vorliegende
Konzeption kann ihr gerade auch den Blick auf die Anforderungen des Auftraggebers
verstellt haben.
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Die pauschalen Vermutungen des Antragstellers, es habe über die Verwendung der
Studie bei der Bauvoranfrage hinaus weitere Abstimmungen zwischen der J...P...
Düsseldorf und der Antragsgegnerin gegeben, bieten keinen Anlass zu amtswegigen
Ermittlungen. Der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 110 Abs. 1 GWB greift in der Regel
erst ein, wenn das Vorbringen des Antragstellers den Vergabenachprüfungsinstanzen
Anlass zu ergänzenden Ermittlungen bietet. Zwar kann einem Antragsteller im Rahmen
seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht aufgegeben werden, einen ihm unbekannten
Sachverhalt substantiiert darzulegen. Dies gilt im Streitfall auch für den Antragsteller.
Nachdem die Antragsgegnerin jedoch eingeräumt hat, dass sie sich die Studie der
J...P... Düsseldorf bei der Bauvoranfrage zu eigen gemacht hat, besteht keine
Veranlassung dazu, den Sachverhalt auf vermeintliche weitere, nicht aus den
vorliegenden Schriftstücken ersichtliche Abstimmungen zwischen der J...P... und der
Antragsgegnerin oder Fachplanern zu untersuchen, zumal der Inhalt der Studie keinen
Anlass für die Annahme von solchen Abstimmungen bietet. Die Studie besteht im
wesentlichen aus Lageplänen und zeichnerischen Darstellungen, die eine Vorplanung
und ansatzweise Entwurfsplanung nebst Ansichts- und Grundrisszeichnungen erkennen
lassen. Sie enthält auf ihrer letzten Seite (Datenblatt) lediglich Angaben zur
Grundstücksgröße, zur Zahl der Ober- und Untergeschosse und ihrer Größe, zur
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Geschoßflächenzahl (GFZ) und Grundflächenzahl (GRZ) sowie zur Zahl der Pkw-
Stellplätze und der Büroachsen. Diese Angaben sind auch in den
Wettbewerbsbedingungen enthalten. Abstimmungen mit den Fachplanern waren dazu
nicht notwendig. Dass sie noch nicht erfolgt waren, belegt der im Datenblatt enthaltene
Hinweis, dass Technikflächen zwar ausgewiesen seien, aber mit Fachplanern
abgestimmt werden müssen.
4. Der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen fällt entgegen der Auffassung des
Antragstellers kein Verstoß gegen das Gebot der Geheimhaltung zur Last (§ 20 Abs. 7
VOF). Ein Ausschluss der Wettbewerbsarbeit aus diesem Grund würde die Beigeladene
in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzen.
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Die Verpflichtung der Bewerber, dem Preisgericht die Wettbewerbsarbeiten anonym
vorzulegen, dient der Wahrung des chancengleichen Wettbewerbs der Bewerber
untereinander. Das Preisgericht soll die Beiträge unbeeinflusst vom Namen und Ruf der
Bewerber beurteilen. Eine Verletzung der Anonymität liegt im Streitfall nicht vor. Zwar
soll ein Preisrichter den Entwurf der Tochtergesellschaft (J...P...) der Beigeladenen
gekannt haben. Ob Preisrichter ihr Wissen auf Grund ihrer Tätigkeiten in Ausschüssen
oder Beiräten der Stadt K. oder lediglich auf Grund des Studiums von in der
Fachliteratur diskutierten Architektenentwürfen erlangt haben oder sie – davon kann
zugunsten des Antragstellers ausgegangen werden - die in der Vergangenheit
geschaffenen Planungen und errichteten Bauwerke der Beigeladenen und deren
wesentlichen Gestaltungselemente, zu denen auch das sog. Cabriodach zählen soll,
kennen, ist unerheblich. Die Möglichkeiten, dass ein Preisrichter eines
Auslobungsverfahrens schon im Vorfeld Kenntnis von dem Architektenentwurf eines
Bewerbers erlangt hat, sind vielfältig. Die konkret gegebene Gefahr einer
Durchbrechung der Anonymität ist jedenfalls nicht durch die Beigeladene begründet
worden oder ihr zurechenbar, sondern beruht auf eigenen Kenntnissen der zur
Unabhängigkeit verpflichteten Preisrichter. Soweit gestalterische Merkmale des
möglicherweise Urheberrechtsschutz genießenden Werkes die Urhebereigenschaft der
Beigeladenen "verraten" können, ist dies der Planung immanent. Zudem kann es einem
Architekten nicht verwehrt werden, sich mit derselben Planung in mehreren
Auslobungsverfahren zu bewerben oder den in dem Auslobungsverfahren eingereichten
Entwurf einem privaten Nachfrager anzubieten. Die Verpflichtung des Bewerbers zur
Wahrung von Anonymität der Wettbewerbsarbeit im Auslobungsverfahren erstreckt sich
indes nicht darauf, einen Planungsentwurf gegenüber jedermann geheimzuhalten oder
ihn, wenn er der Öffentlichkeit bereits vorgestellt worden ist, nicht mehr in einem
Auslobungsverfahren als Beitrag einzureichen. Ein solches Verständnis von der
Verpflichtung des Bewerbers zur Wahrung der Anonymität seiner Wettbewerbsarbeit
würde seine Berufsausübung unverhältnismäßig beschränken, weil es ihm unmöglich
wäre, sich mit seiner Arbeit um mehrere Aufträge gleichzeitig oder nacheinander zu
bewerben. Die hieraus erwachsenden Identifizierungsmöglichkeiten durch die
Preisrichter sind von den Mitbewerbern jedenfalls dann hinzunehmen, solange die
Grenze zur Befangenheit eines einzelnen Preisrichters nicht überschritten ist. Für
letzteres bestehen bei den Preisrichtern des Streitfalles indes keine Anhaltspunkte.
Solche zeigt der Antragsteller auch nicht auf.
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5. Die Kostenentscheidung bleibt der Hauptsacheentscheidung vorbehalten.
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D. Richter am OLG W. ist urlaubsabwesend und daher verhindert zu
D.-
34
unterschreiben D.
B.