Urteil des OLG Düsseldorf vom 17.12.2004

OLG Düsseldorf: treu und glauben, fristlose kündigung, pachtzins, handelsvertreter, einfluss, beendigung, angemessenheit, anpassung, verwalter, anfechtung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 201/03
17.12.2004
Oberlandesgericht Düsseldorf
16. Zivilsenat
Urteil
I-16 U 201/03
Landgericht Düsseldorf, 5 O 385/01
Es wird festgestellt, dass der Ausgleichsanspruch des Klägers nicht
durch seine Eigenkündigung vom 5. März 2001 gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 1
HGB entfallen ist.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger nimmt das beklagte Mineralölunternehmen auf Zahlung eines
Handelsvertreterausgleichs in Höhe von 90.029 € in Anspruch.
Mit Vertrag vom 10.03./01.06.1983 pachtete der Kläger gemeinsam mit seiner
zwischenzeitlich geschiedenen Ehefrau ab dem 16. August 1983 eine Tankstelle der
Beklagten in A.... Zugleich übernahm der Kläger als Handelsvertreter u.a. den Verkauf von
Markenkraftstoffen und anderen Produkten im Namen und für Rechnung der Beklagten. Für
die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen erhielt der Kläger eine in § 6 des
Vertrages geregelte Umsatzprovision.
Der Kläger kündigte das Vertragsverhältnis unter dem 5. März 2001 fristlos, nachdem die
Beklagte auf Aufforderungen des Klägers, die aus seiner Sicht unangemessen hohe Pacht
auf ein wirtschaftlich erträgliches Maß zurückzuführen, trotz Abmahnung nicht reagiert
hatte.
Unstreitig hatten die Parteien sich im Januar 2000 darauf geeinigt, die sich seit 1998 auf
7.000 DM/Monat belaufende Pacht zunächst ab dem 1. Januar 2000 auf 10.000 DM und
sodann ab dem 1. März 2000 auf 12.500 DM zu erhöhen. Hintergrund dieser
Pachtzinserhöhungen waren die Umsatzerwartungen der Beklagten, die mit der
Einrichtung eines Backshops einhergingen. Auf Wunsch des Klägers vereinbarten die
Parteien insoweit weiter, dass der Pachtzins, der entsprechend den dem Verwalter an der
Tankstelle gebotenen Möglichkeiten eines Eigengeschäfts bemessen werden sollte,
jederzeit überprüft und ggf. neu vereinbart werden könne. Nachdem der Kläger im April der
Erhöhung der Pacht zum 1. März 2000 erfolglos widersprochen hatte und seine im Juli
erklärte Anfechtung der ab dem 1. Januar 1998 vorgenommenen Pachtzinserhöhungen
ohne Reaktion blieb, erhob er im August 2000 Klage vor dem Landgericht Aschaffenburg
auf Feststellung der Sittenwidrigkeit der Pachtzinserhöhungen und entsprechende
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Rückzahlung. Daraufhin erklärte sich die Beklagte im Oktober 2000 anlässlich einer
Besprechung zu einer Reduzierung der Pacht auf 9.500 DM/Monat ab dem 1. März 2000
bereit, womit der Kläger sich indes nicht einverstanden erklärte. Ab Januar 2001 forderte
der Kläger die Beklagte erneut wiederholt zur Anpassung der Pachtzahlungen an die
tatsächliche Geschäftslage auf, indem er Geschäftsanalysen für die Monate November
2000 und Januar 2001 übergab und sie unter Androhung einer fristlosen Kündigung
wiederholt abmahnte. Nachdem die Beklagte hierauf nicht reagierte, erklärte er mit
Anwaltsschreiben vom 5. März 2001 die fristlose Kündigung.
Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, ihm sei angedroht
worden, er würde "fliegen", wenn er der Pachtzinserhöhung auf 12.500 DM nicht zustimme,
und die Klage hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs abgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, dass der Anspruch nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen sei, weil der
Kläger das Vertragsverhältnis selbst durch Anwaltsschreiben fristlos gekündigt habe. Nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund des wechselseitigen Vorbringens sowie
der zu den Akten gereichten Unterlagen könne die Kammer nicht erkennen, dass ein
Verhalten der Beklagten zu dieser Kündigung begründeten Anlass gegeben habe. Ein
solcher liege weder in der Reduzierung seines Eigengeschäfts noch in den seiner Ansicht
nach unberechtigten Pachtzinserhöhungen und seiner damit einhergehenden ungünstigen
wirtschaftlichen Situation. Dass die Pachtzinserhöhungen sittenwidrig oder wucherisch
seien, habe der Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Landgericht Aschaffenburg und dem
Oberlandesgericht Bamberg geführt hätten, nicht ergeben. Den Pachtzinserhöhungen habe
er zugestimmt, so dass er sich daran festhalten lassen müsse, denn er habe nicht beweisen
können, dass er seine Zustimmung nur wegen der Drohung mit einer Vertragskündigung
erteilt habe. Ebenso wenig stelle die Nichtbeantwortung der diversen
Abmahnungsschreiben des Klägers in der Endphase der Vertragsbeziehung einen
begründeten Anlass zur Kündigung dar. Die Beklagte habe dem Kläger im August 2000 ein
Angebot zur Vertragsaufhebung gegen Zahlung einer Ausgleichssumme unterbreitet, das
er als lächerlich zurückgewiesen habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung des von
ihm errechneten Ausgleichsanspruchs in Höhe von 90.029 € - des Höchstbetrages nach §
89 b Abs. 2 HGB – weiter verfolgt.
Er macht geltend, das Landgericht habe den Sach- und Streitstand nicht hinreichend
ausgeschöpft und sei fehlerhaft zu der Rechtsauffassung gelangt, dass der
Handelsvertreterausgleichsanspruch wegen § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen sei.
Entgegen der Rechtsauffassung des Gerichts habe das Verhalten der beklagten
Unternehmerin begründeten Anlass zur Eigenkündigung gegeben. Das Landgericht habe
rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an diesen gestellt. Die in den Jahren 1996 bis
2001 veränderten Wettbewerbsbedingungen, insbesondere die Reduzierung des
Eigengeschäfts und die damit einhergehenden unverhältnismäßigen
Pachtzinserhöhungen, die aus der Sphäre der Beklagten herrührten und nachweislich zu
einer Unwirtschaftlichkeit der Tankstelle geführt hätten, sowie die diesbezüglich nicht aus
dem Weg zu räumenden Differenzen zwischen den Parteien stellten einen begründeten
Anlass zur Eigenkündigung dar. Das Landgericht habe die wirtschaftliche Situation des
Klägers nicht hinreichend berücksichtigt. Die Beklagte habe im Zeitraum zwischen 1996
und 2000 den monatlichen Pachtzins von 6.000 DM auf 12.500 DM erhöht. Das Gutachten
des Sachverständigen G... G... halte für den Standort der Tankstelle lediglich eine Pacht
von 6.500 DM zzgl. Mehrwertsteuer für angemessen. Im Gegensatz zu der Entwicklung des
Pachtzinses habe die Beklagte die wirtschaftliche Eigenständigkeit des Klägers im
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gleichen Zeitraum zunehmend eingeschränkt. Im Zuge eines Umbaus der Tankstelle sei
1996 die Kfz-Reparaturwerkstatt, Hauptträger seiner Einkünfte, geschlossen worden. Die
zusätzlichen Verkaufsprovisionen, die er durch den vergrößerten Tankstellenshop hätte
erwirtschaften können, hätten den Wegfall der Einnahmen aus dem Werkstattbetrieb nicht
kompensieren können. Die Waschanlage, die er ursprünglich im Eigengeschäft betrieben
habe, habe er seit März 1998 als Agenturgeschäft für die Beklagte betreiben müssen. Der
freie Verkauf von Frostschutzmitteln und Getriebeölen sei ihm nach dem 1. Mai 1994 nicht
mehr möglich gewesen. Im November 1996 sei er zusätzlich dazu aufgefordert worden,
keine Vereinbarungen mit Lieferanten zu treffen, die dem Gesamtkonzept der Beklagten für
das Shop-Geschäft entgegenstehen könnten. Im September 1997 sei er verpflichtet
worden, den Vertrieb und die Lagerung der über die Beklagte vertriebenen Erzeugnisse zu
übernehmen. Im April 1997 bzw. Februar 1998 habe er ein Darlehn in einer Gesamthöhe
von 240.000 DM in Anspruch nehmen müssen, um eine Umschuldung des
Geschäftskontos vorzunehmen. In den Jahren von 1991 bis 2000 habe sich der monatliche
Pachtzins um mehr als das Doppelte erhöht. Hingegen sei der Umsatz an der Tankstelle
des Klägers um rund 25 % zurückgegangen. Während er in den Jahren von 1991 bis 1993
noch einen durchschnittlichen Gewinn von rund 120.000 DM hätte erwirtschaften können,
errechne sich für das Jahr 2000 ein Verlust in Höhe von rund 78.000 DM. Diese negative
Umsatz- und Gewinnentwicklung beruhe nur darauf, dass die wirtschaftliche
Eigenständigkeit des Klägers systematisch eingeschränkt worden sei. Unter diesen
Gesichtspunkten sei es ihm nicht mehr zuzumuten gewesen, den Tankstellen-Verwalter-
Vertrag weiter fortzusetzen. Das Landgericht habe auch die persönlichen Umstände des
Klägers (Alter, Eigeninvestitionen etc.) bei der Frage der Zumutbarkeit nicht berücksichtigt.
Er sei 18 Jahre Pächter der Tankstation gewesen, die sich seit 1983 zunächst positiv
entwickelt habe. Er habe den Kraftstoffumsatz von 40.000 Liter/Monat auf 240.000
Liter/Monat gesteigert, zu Vertragsbeginn habe er einen Umsatz von 3.000 DM/Monat
erzielt, zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses einen solchen von
150.000 DM/Monat. Überdies sei es ihm im Hinblick auf sein Alter von über 50 Jahren und
unter Berücksichtigung des investierten Eigenkapitals nicht zuzumuten gewesen, die
Tankstelle unter den von der Beklagten geforderten Vertragsbedingungen, d.h. ohne
Gewinnerzielung, fortzuführen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung, indem sie das angefochtene Urteil
unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt.
Die Akten des Rechtsstreits 1 O 520/00 LG Aschaffenburg=1 U 67/01 OLG Bamberg waren
zur Information des Senats beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den Inhalt der angegriffenen
Entscheidung sowie den Hinweisbeschluss des Senats vom 28. September 2004 Bezug
genommen.
II.
Zu Recht wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung dagegen, dass das
Landgericht das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs wegen der von ihm unter dem 5.
März 2001 ausgesprochenen Eigenkündigung verneint hat. Seine Kündigung stellt einen
Ausschlussgrund nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht dar, weil die Beklagte ihm entgegen
der Auffassung des Landgerichts hierzu begründeten Anlass gegeben hat. Da das
Landgericht sich mit dem Ausgleichsanspruch im übrigen nicht befasst hat und dieser noch
umfangreicher Aufklärung bedarf, hält der Senat es – aus den mit den Parteien in der
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Senatsverhandlung erörterten Gründen – für sachgerecht, im Wege der
Zwischenfeststellung vorab festzustellen, dass der Ausgleichsanspruch des Klägers nicht
durch seine Eigenkündigung gem. § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB entfallen ist (§§ 256 Abs. 2
i.V.m. §§ 301 Abs. 1, 303 ZPO). Der Erlass eines Grundurteils kommt hier schon deshalb
nicht in Betracht, weil zu den Voraussetzungen des § 89 b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HGB noch
keine abschließenden Feststellungen getroffen werden können (s. nur: BGH NJW 1967,
2153; Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rdnr. 166 zu § 89 b).
1. Das Landgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen eines begründeten Anlasses
i.S.d. § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB überspannt.
Nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB entsteht der Ausgleichsanspruch nicht, wenn der
Handelsvertreter eine rechtswirksame Kündigung des Vertragsverhältnisses gegenüber
dem Unternehmer erklärt, sofern nicht der Handelsvertreter beweist, dass ausnahmsweise
begründete Veranlassung für die Eigenkündigung aus den im Gesetz angeführten Gründen
bestand.
Ein solch begründeter Anlass, der dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch trotz
seiner Kündigung erhält, kann grundsätzlich in jedem Verhalten des Unternehmers
bestehen. Erfasst wird jedes dem Unternehmer rechtlich zuzurechnende Tun oder
Unterlassen seiner Betriebsangehörigen oder Erfüllungsgehilfen einschließlich der seinem
Einfluss unterliegenden Umstände seines Unternehmens. Ein solches Verhalten braucht
weder vertragswidrig noch verschuldet zu sein, denn die an einen wichtigen Grund i.S.d. §
89 a HGB zu stellenden Anforderungen müssen nicht vorliegen. Entscheidend ist, ob das
Verhalten des Unternehmers einen vernünftig und billig denkenden Handelsvertreter unter
den gegebenen Umständen des Einzelfalls zur Kündigung veranlassen kann, was
insbesondere, aber nicht nur dann der Fall sein kann, wenn der Handelsvertreter durch das
Verhalten des Unternehmers in eine für ihn nach Treu und Glauben nicht mehr haltbare
Lage kommt und ihm deshalb die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr
zugemutet werden kann (BGH ZIP 1996, 330; NJW 1987, 778; Ebenroth/Boujong/Joost,
Rdnr. 52 zu § 89 b; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 2,
7. Aufl., Rdnr. 1372 ff.; Münchner Kommentar/von Hoyningen-Huene, HGB, Rdnr. 162 zu §
89 b; Westphal, Vertriebsrecht, Band 1: Handelsvertreter, Rdnr. 1123 ff.).
2. Die Beklagte hat dem Kläger entgegen der Auffassung des Landgericht begründeten
Anlass zur fristlosen Kündigung gegeben, weil sie ihre vertraglich übernommene
Verpflichtung, den Pachtzins des Klägers auf seinen Wunsch hin jederzeit zu überprüfen,
verletzt hat.
Unstreitig hatte die Beklagte die Einrichtung eines Backshops in der dem Kläger
verpachteten Tankstelle zum Anlass genommen, an ihn eine Erhöhung des Pachtzinses
von 7.000 DM/Monat auf 12.500 DM/Monat heranzutragen. Durch Vertragsnachträge vom
12. Januar 2000 erklärte sich der Kläger mit einer Erhöhung zunächst auf 10.000 DM/Monat
ab dem 1. Januar 2000 und mit Wirkung ab dem 1. März 2000 auf 12.500 DM/Monat
einverstanden (Anlagen K 5 und K 6). Weil der Kläger aber Zweifel daran hatte, dass durch
den eingerichteten Backshop der Umsatz entsprechend den Erwartungen der Beklagten
gesteigert werden könne, hatte er sich ausbedungen, dass eine Überprüfung des
Pachtzinses nicht erst – wie im vorformulierten Vertrag vorgesehen – nach frühestens
einem Kalenderjahr, sondern jederzeit auf seinen Wunsch hin erfolgen solle.
Vor diesem Hintergrund widersprach der Kläger unter Hinweis auf die tatsächlich erfolgten
Umsatzrückgänge mit Anwaltsschreiben vom 4. April 2000 (Bl. 547 GA) zunächst der
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Erhöhung des Pachtzinses zum 1. März 2000. Die Beklagte teilte ihm darauf hin mit, dass
sie keinen Anlass zur Änderung des einvernehmlich erhöhten Pachtzinses sehe, er
indessen das Pachtverhältnis kündigen könne. Auf das weitere Anwaltsschreiben vom 17.
Juli 2000 (Bl. 554 GA), mit der er die ab dem 1. Januar 1997 vorgenommenen
Pachtzinserhöhungen wegen unrealistischer Gewinnerwartungen anfechten und zugleich
betonen ließ, dass er an der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses interessiert sei,
fand am 11. August 2000 ein Gespräch zwischen den Parteien statt, in dem die Beklagte
dem Kläger nur die Beendigung des Vertragsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung
von 170.000 DM anbot. Erst nachdem der Kläger unter dem 21. August 2000 vor dem
Landgericht Aschaffenburg – Aktenzeichen: 1 O 520/00 – gegen die Beklagte Klage
erhoben hatte, mit der er u.a. die Feststellung begehrte, dass die Pachtzinserhöhungen ab
dem 1. Januar 1998 sittenwidrig seien, stellte die Beklagte bei einer Überprüfung des
Pachtzinses fest, dass die im Rahmen der Geschäftsplanung für das Kalenderjahr 2000
berücksichtigten Umsatzzahlen aufgrund objektiver Umstände (Einführung der Payback-
Karte, genereller Umsatzrückgang) nicht erreicht werden konnten (Bl. 566 GA, Bl. 49 BA).
Dies gab ihr im Oktober 2000 Anlass, den Pachtzins einseitig mit Rückwirkung ab dem 1.
März 2000 auf 9.500 DM zu ermäßigen, die weitergehende Forderung des Klägers nach
einer Reduzierung auf 9.000 DM ab dem 1. Januar 2000 lehnte sie ab.
Daraufhin übergab der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 24. Januar 2001 (Anlage K 13)
die Geschäftsanalysen für November 2000, mahnte die unterlassene Anpassung des
Pachtzinses an die tatsächliche Geschäftslage ab, forderte neue Pachtverhandlungen und
kündigte an, andernfalls das Pachtverhältnis aufzulösen. In Ermangelung einer Reaktion
bot er mit weiterem Schreiben vom 31. Januar 2001 nochmals eine gemeinsame
Besprechung zur Festlegung eines angemessenen Pachtzinses an (Anlage K 14). Unter
dem 1. März 2001 (Anlage K 16, 214 BA, 223 ff. BA) überreichte er schließlich die
Geschäftsanalyse für den Monat Januar 2001, aus der sich ein Monatsverlust von 8.171
DM ergab, und kündigte unter Hinweis darauf, dass die Beklagte bislang auf sein
Verlangen nach Überprüfung des Pachtzinses nicht eingegangen sei, an, das
Pachtverhältnis zu kündigen, wenn keine einvernehmliche Lösung gefunden werde. Mit
Anwaltsschreiben vom 5. März 2001 ließ er sodann die fristlose Kündigung aussprechen,
die er damit begründete, dass die Beklagte auf seine wiederholten Abmahnungen und
Aufforderungen, die Pacht auf ein wirtschaftlich erträgliches Maß zurückzuführen, nicht
reagiert habe und er sich aus wirtschaftlichen Gründen außer Stande sehe, den
Tankstellenbetrieb fortzuführen.
Indem die Beklagte ihrer vertraglichen Verpflichtung, die Angemessenheit der
Pachtzinserhöhung auf Wunsch des Klägers jederzeit zu überprüfen, im Jahre 2001 nicht
mehr nachgekommen ist, sondern ihn hat "auflaufen" lassen, hat sie die ihr schon nach
dem Gesetz obliegende Fürsorge- und Treuepflicht in erheblichem Maße verletzt und das
Vertrauensverhältnis zerstört.
Dabei kann es dahin stehen, ob der – von der Beklagten ermäßigte – Pachtzins in Höhe
von 9.500 DM letztlich nicht den objektiv gegebenen Möglichkeiten an der vom Kläger
gepachteten Tankstelle entsprach. Dafür spricht allerdings, dass die Beklagte mit dem
Nachfolger des Klägers nur eine Pacht in Höhe von 6.500 DM vereinbart hat (Bl. 296 BA)
und es hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Pachtzins in dieser Größenordnung
auch in den Vorjahren angemessen gewesen wäre. So waren die tatsächlich erzielten
Umsätze seit 1992/1993 von rund 2,7 Mio. DM kontinuierlich bis auf rund 2 Mio. DM im
Kalenderjahr 2000 zurückgegangen, wofür der Kläger – unwidersprochen – zahlreiche
weitere nicht in seinem Verantwortungsbereich liegende Umstände, wie die Einführung
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einer Geschwindigkeitsbeschränkung in der S..., den Umbau der nahegelegenen Shell-
Tankstelle sowie die Neueinrichtung einer autobahnnäher gelegenen Aral-Tankstelle
angeführt hat (Bl. 50 ff. GA, 174, 295 BA). Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an.
Die Beklagte hatte sich gegenüber dem Kläger, mit dem sie seit über 15 Jahren erfolgreich
und ungestört zusammen gearbeitet hatte, anlässlich der Pachtzinserhöhung um rund 80 %
im Januar 2000 verpflichtet, auf seinen Wunsch hin den Pachtzins jederzeit zu überprüfen.
Zwar hat sie seinen Widerspruch vom 4. April 2000 mit Schreiben vom 18. April 2000
zurückgewiesen und sich auf seine im Juli 2000 vorgenommene Anfechtung der
Pachtzinserhöhungen schließlich im Oktober 2000 bereit erklärt, den Pachtzins auf 9.500
DM zu reduzieren, nachdem der Kläger sich gezwungen sah, den Klageweg zu
beschreiten (Bl. 51/115 GA). Das entband sie aber nicht von der vertraglich übernommenen
Verpflichtung, auf Wunsch des Klägers die Vertragskonditionen in der Folgezeit erneut zu
überprüfen, insbesondere dann, wenn dies – wie hier - unter Hinweis auf neue und damit
noch nicht geprüfte Sachverhalte geschah. Sie hat sich indessen weiteren Bitten des
Klägers, den Pachtzins angesichts der schlechten Betriebsergebnisse insbesondere in den
Monaten November 2000 und Januar 2001 noch einmal zu überprüfen, widersetzt, indem
sie – auch nach wiederholten Abmahnungen – überhaupt nicht reagiert, ihn also hat
"auflaufen" lassen. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts lässt sich dem
Vorbringen der Parteien nicht entnehmen, dass es neben dem zu den Akten gereichten
Schriftwechsel und den Schriftsätzen in dem Verfahren vor dem Landgericht
Aschaffenburg/Oberlandesgericht Bamberg noch zu einer "Vielzahl von Kontakten und
Gesprächen zwischen den Parteien" und nach August 2000 noch zu einem Angebot der
Beklagten auf einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses gekommen ist. Auch
der vor dem Landgericht Aschaffenburg und dem Oberlandesgericht Bamberg geführte
Rechtsstreit hatte keinen Einfluss auf die Verpflichtung der Beklagten, auf Wunsch des
Klägers den Pachtzins zu überprüfen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass es in diesem
nicht um die Angemessenheit des Pachtzinses, sondern allein um die Frage ging, ob
dieser sittenwidrig war, also ein auffälliges Missverhältnis zwischen den Leistungen der
Vertragsparteien bestand. Dies aber ist nur dann der Fall, wenn der Wert der Leistung den
der Gegenleistung um 100 % übersteigt.
Das Verhalten der Beklagten verstößt in erheblichem Maße gegen Treu und Glauben und
konnte aus der objektiven Sicht des Klägers nicht nur die berechtigte Annahme begründen,
dass er mit ihr in Zukunft nicht mehr vertrauensvoll zusammen arbeiten könne. Gerade vor
dem Hintergrund der jahrelangen ungestörten und durchaus erfolgreichen
Zusammenarbeit, seinen nicht unerheblichen Eigeninvestitionen und seiner nunmehr
wirtschaftlich desolaten Lage wiegt es so schwer, dass ihm die Vertragsfortsetzung bis zum
ordentlichen Vertragsende nicht mehr zuzumuten war. Hierauf hatte die Beklagte sich auch
eingerichtet, denn sie hatte bereits erfolgreich nach einem Nachfolger gesucht.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 95.000 € festgesetzt. In dieser
Höhe ist die Beklagte auch beschwert.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr.
2 ZPO liegen nicht vor. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Rechtsstreit
nicht auf, auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
R... van R... F...