Urteil des OLG Düsseldorf vom 30.11.2009

OLG Düsseldorf (befreiung, gesellschaft, eintragung im handelsregister, eintragung, handelsregister, unternehmen, verfügung, satzung, rechtssicherheit, zwischenverfügung)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-3 Wx 195/09
Datum:
30.11.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-3 Wx 195/09
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 36 T 9/09
Leitsätze:
BGB § 181, 2. Fall; FamFG § 382 Abs. 4 Satz 1
Bei einer zur Eintragung ins Handelsregister anzumeldenden Befreiung
vom Verbot der Mehrfachvertretung gegenüber
Beteiligungsunternehmen nach der Vorschrift des § 181, 2. Fall BGB ist
klarzustellen, gegenüber welcher Beteiligungsgesellschaft die Befreiung
gelten soll.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. November 2009 – I-3 Wx 195/09
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Geschäftswert: 2.500,-- €
I.
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Die Beschwerdeführerin ist als Gesellschafterin an 14 weiteren Gesellschaften beteiligt.
Ihre Satzung enthält in § 6 u.a. folgende Regelung:
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"Ferner kann der Aufsichtsrat einzelnen Vorstandsmitgliedern gestatten, im Na-
men der Gesellschaft mit sich als Vertreter von Unternehmen, an denen die Ge-
sellschaft beteiligt ist, Rechtsgeschäfte zu schließen."
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Diese Bestimmung wurde nachträglich durch einen entsprechenden Beschluss der
Hauptversammlung vom 5. März 2009 in die Satzung aufgenommen.
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In seiner Sitzung gleichfalls vom 5. März 2009 fasste der Aufsichtsrat der
Beschwerdeführerin u.a. folgenden Beschluss:
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"Unter dem Vorbehalt, dass die Hauptversammlung der I. AG in ihrer Sitzung am
05.03.2009 der Änderung der Satzung der I. AG im § 6 Abs. 2 beschließt, gestattet
der Aufsichtsrat dem Vorstand, Herrn Dr. P., im Namen der I. AG mit sich als
Vertreter der Beteiligungsunternehmen der I. AG Rechtsgeschäfte zu schließen."
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Unter dem 2. April 2009 hat die Beschwerdeführerin zur Eintragung in das
Handelsregister angemeldet:
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"Das alleinige Vorstandsmitglied, Herr Dr.-Ing. Heinrich P., …, ist berechtigt im
Namen der Gesellschaft mit sich als Vertreter der Beteiligungsunternehmen der
Gesellschaft, Rechtsgeschäfte abzuschließen."
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Daraufhin hat das Registergericht mit Verfügung vom 14. April 2009 mitgeteilt, dem
Antrag könne "in dieser Form nicht entsprochen werden". Zur Begründung hat es
angeführt, für einen das Register Einsehenden wäre nicht ohne weitere Ermittlungen
erkenn-bar, ob die Befreiung nun vorliege oder nicht; eine Eintragung könne aber auch
nicht z.B. für eine einzelne Gesellschaft erfolgen, da die Feststellung oder Prüfung, ob
tatsächlich ein Beteiligungsunternehmen vorliege, im Einzelfall nicht vom
Handelsregister ohne größere Ermittlungen zu überprüfen sei. Abschließend hat das
Registergericht die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihren Antrag "zwecks Meidung
einer kostenpflichtigen Zurückweisung" zurückzunehmen, und hierfür eine Frist von drei
Wochen gesetzt.
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Gegen diese Verfügung hat sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde gewandt.
Dieser hat das Registergericht unter Bezugnahme auf eine Äußerung im Schrifttum nicht
abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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Vor dem Landgericht ist das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin ohne Erfolg
geblieben. Die Zurückweisung ihrer Beschwerde hat die Kammer im Wesentlichen wie
folgt begründet:
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Die Befreiung von § 181 BGB, dem Verbot des sogenannten Selbstkontrahierens, stelle
eine eintragungspflichtige Tatsache dar, unabhängig davon, ob jene Befreiung generell
erteilt werde oder ob sie sich auf bestimmte Arten von Geschäften der Gesellschaft oder
auf die Vertretung der Gesellschaft gegenüber bestimmten Dritten beschränke. In jedem
Falle habe die Eintragung die beschränkte sachliche oder persönliche Reichweite der
Befreiung zu umfassen. Deshalb müsse sie in einer Weise erfolgen, dass sich ihre
Voraussetzungen und ihr Eintritt allein dem Register entnehmen ließen, ohne dass es
eines Rückgriffs auf außerhalb des Registers liegende Umstände bedürfe. Die
erforderliche Rechtssicherheit werde nur dann herbeigeführt, wenn jeder, der in
Geschäftsbeziehung zu der Gesellschaft trete, durch Einblick in das Handelsregister
ohne Schwierigkeiten Kenntnis über die Vertretung der Gesellschaft und den Umfang
der Gestattung des Selbstkontrahierens erlangen könne. Diese tragenden
Gesichtspunkte verkenne die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte, von der
gefestigten Rechtsprechung abweichende Auffassung. Den dargestellten
Anforderungen genüge, wie die Beschwerdeführerin selbst erkenne, ihr Antrag nicht.
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Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin
nunmehr mit ihrem weiteren Rechtsmittel.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II.
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Das vorliegende Rechtsmittel unterliegt noch dem Verfahrensrecht der freiwilligen
Gerichtsbarkeit in seiner bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung. Es ist nach §§ 27
Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1, 29 FGG als weitere Beschwerde statthaft und auch im Übrigen
zulässig. In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg, weil die Entscheidung des
Landgerichts nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG,
546 ZPO beruht.
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1.
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In formeller Hinsicht ist zwar durchaus zweifelhaft, ob das Registergericht
zulässigerweise in Form einer Zwischenverfügung entschieden hat. Denn nach seiner
eigenen Sicht sollte mit der Verfügung vom 14. April 2009 möglicherweise lediglich eine
Frist zur Antragsrücknahme gewährt werden. Auch spricht die Begründung des
Amtsgerichts eher dafür, dass es von der Unbehebbarkeit des von ihm gesehenen
Hindernisses ausgegangen ist. Eine Zwischenverfügung ist jedoch lediglich in Fällen
eröffnet, in denen ein Eintragungsantrag unvollständig ist oder ihm ein anderes
behebbares Hindernis entgegensteht (so für das neue Recht nunmehr auch § 382 Abs.
4 Satz 1 FamFG).
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Auf der anderen Seite hat das Registergericht davon gesprochen, dem
Eintragungsantrag könne "in dieser Form" (Verfügung vom 14. April 2009) bzw. "in der
gewünschten Formulierung" (undatierte Nichtabhilfe- und Vorlageverfügung des
Registergerichts) nicht entsprochen werden. Dies hat die Beschwerdeführerin selbst
ausweislich ihrer Ausführungen zu Ziffer I. ihrer Beschwerdebegründung dahin
verstanden, das Amtsgericht habe ihr im Wege der Zwischenverfügung aufgegeben,
klarzustellen, ob eine gänzliche Befreiung von der Beschränkung des § 181, 2. Fall
BGB gewünscht sei oder ob die Befreiung für ein bestimmtes Unternehmen erteilt
werden solle. Dieses Verständnis der Verfügung des Registergerichts erscheint
immerhin gleichfalls möglich. Ersichtlich ist es auch vom Beschwerdegericht geteilt
worden, das sich zur Frage der formellen Zulässigkeit der Zwischenverfügung nicht
geäußert hat.
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Bei dieser Lage sieht der Senat davon ab, die Verfügung des Amtsgerichts vom 14. April
2009 allein aus formellen Gründen aufzuheben.
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2.
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In der Sache lassen die eigenen Ausführungen der Beschwerdeführerin erkennen, dass
sie die maßgebliche Rechtslage weitestgehend nicht verkennt. Danach findet § 181, 2.
Fall BGB auf das Handeln des Vorstandes einer Aktiengesellschaft Anwendung und
kommt eine Freistellung von dieser Beschränkung nicht nur allgemein durch die
Satzung, sondern auch im Wege einer Gestattung durch den Aufsichtsrat in Betracht,
sofern die Satzung hierfür eine ausreichende Grundlage enthält. Die Befreiung vom
Verbot der Mehrfachvertretung ist zum Handelsregister anzumelden. In all diesen
Hinsichten bestehen im gegebenen Fall auch keine Probleme.
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Sodann entspricht es, wie die Beschwerdeführerin gleichfalls erkennt, weitaus
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überwiegender Ansicht, dass im Falle einer Befreiung für Rechtsgeschäfte mit
verbundenen Unternehmen – hier: "Beteiligungsunternehmen" – Anmeldung und
Eintragung die betreffenden Unternehmen konkret zu bezeichnen haben; mit anderen
Worten muss bei einer Befreiung vom Mehrfachvertretungsverbot gegenüber
Konzerngesellschaften angemeldet und eingetragen werden, um welche Gesellschaften
im Einzelnen es sich handelt. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen diese ganz
herrschende Meinung wendet, vermag der Senat sich ihren Argumenten nicht
anzuschließen.
Nach wie vor sind für die Eintragungspflichtigkeit einer Befreiung vom Verbot des In-
sichgeschäfts diejenigen Erwägungen ausschlaggebend (so auch OLG München NJW-
RR 2006, S. 1042 f. – juris-Version Rdnr. 16), die der Bundesgerichtshof bereits 1983
angestellt hat (BGHZ 87, 59 ff.): § 181 BGB schützt nicht nur die Interessen der
Gesellschaft, sondern auch den Rechtsverkehr und damit zugleich die Gläubiger der
Gesellschaft. Die Eintragung im Handelsregister, § 181 BGB sei ausgeschlossen und
damit die Vertretungsbefugnis des Organs um den Abschluss von Insichgeschäften
erweitert, soll den Rechtsverkehr auf die Gefahr hinweisen, dass im Umfang der
Befreiung Vermögen zwischen der Gesellschaft und anderen Unternehmen verlagert
oder die rechtliche Zuordnung bewusst unklar gehalten werden kann. Hierdurch kann
sich der Gläubiger auf diese Gefahr rechtzeitig einstellen und gegebenenfalls von
Geschäften mit der Gesellschaft absehen. Im Punkte der solchermaßen geschaffenen
Rechtssicherheit steht das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Anliegen
seinerzeit geschaffenen Europarechts, das den Zweck verfolgte, die Rechtssicherheit in
den Beziehungen zwischen Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten nach
Schaffung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten. Hierfür ist es ohne Belang,
dass der hier in Rede stehende Teilaspekt der Rechtssicherheit nicht die Frage betrifft,
ob ein Dritter, der beabsichtigt, mit der betroffenen Gesellschaft Geschäfte
abzuschließen, durch die Einsicht in das Handelsregister ermitteln kann, ob das ihm
gegenüber handelnde Organ zur Vertretung der Gesellschaft gerade bei dem konkret
beabsichtigten Geschäft mit ihm berechtigt ist.
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Nach alledem geht es bei der Eintragung der Befreiung von § 181 BGB um Sicherheit
im Rechtsverkehr durch Transparenz. Nicht hingegen soll die Eintragungspflichtigkeit
der Befreiung dazu dienen, Unternehmen anzuhalten, ihren Organen die Befreiung
möglichst vorzuenthalten oder auf den geringstmöglichen Kreis von Geschäften zu
beschränken. Zugleich ergibt sich daraus ohne Weiteres, dass der gewünschte Zweck
der Transparenz nur erreicht werden kann, wenn in Fällen einer eingeschränkten
Befreiung die Eintragung nicht nur die beschränkte sachliche oder persönliche
Reichweite der Befreiung "irgendwie" umfasst, sondern der Umfang der durch die
eingeschränkte Befreiung vermittelten erweiterten Vertretungsbefugnis ohne
Zuhilfenahme der Anmeldungsunterlagen und vor allem ohne Kenntnis sonstiger
tatsächlicher Umstände allein aus dem Handelsregister der betroffenen Gesellschaft
selbst ersichtlich ist. Praktische Nachteile infolge der Notwendigkeit, bei einer
Veränderung des Kreises der Beteiligungsunternehmen eine ergänzende
Handelsregistereintragung anzumelden, haben dabei zurückzutreten. Zum Einen ist der
tatsächliche Aufwand in derartigen Fällen nicht relevant höher als etwa bei einem
häufigen Wechsel der Zusammensetzung der die Gesellschaft vertretenden Organe.
Zum Anderen gilt es gerade bei Gesellschaften mit rasch wechselnden Beteiligungen,
dem Rechtsverkehr die oben beschriebene Gefahr vor Augen zu führen. Weitergehende
Erschwernisse für die betroffene Gesellschaft in ihrem Verhältnis zum Handelsregister
vermag der Senat nicht zu erkennen; dass zwischen Anmeldung und Eintragung einer
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Tatsache eine gewisse Zeit verstreicht, ist mit dem System des Handelsregisters
notwendig verbunden.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat der Senat auch in seiner
Entscheidung vom 1. Juli 1994 (NJW-RR 1995, S. 488 f.) keinen anderen Standpunkt
vertreten. Die dortige Befreiung von § 181 BGB betraf die Geschäftsführer einer GmbH
und war für verschiedene Fallgruppen gesondert gefasst; zur damaligen Entscheidung
durch den Senat stand die Eintragung, die Geschäftsführer der Gesellschaft seien bei
Geschäften mit vier namentlich im Einzelnen bezeichneten anderen Unternehmen vom
Verbot des § 181 BGB befreit, die das Registergericht wegen Bedenken im Hinblick auf
die Übersichtlichkeit der Registereintragungen nicht vornehmen wollte.
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Schließlich geben die Überlegungen der Beschwerdeführerin zu möglichen
Umgehungstatbeständen keinen Anlass, das gefundene Ergebnis zu ändern. Die
abstrakte Möglichkeit, von der Eintragung einer Befreiung vom
Mehrfachvertretungsverbot abzusehen und ein schwebend unwirksames
Mehrfachvertretungsgeschäft des Vorstandes durch untergeordnete
(vertretungsberechtigte?) Mitarbeiter der Gesellschaft genehmigen zu lassen, kann für
die Gewährleistung der Rechtssicherheit im redlichen Geschäftsverkehr durch
Handelsregistereintragungen keinen Maßstab bilden. Der weitere, von der
Beschwerdeführerin angeführte Sachverhalt, ein Vorstand könne bei entsprechender
Gestaltung der Satzung zunächst durch Aufsichtsratsbeschluss generell von § 181 BGB
befreit und diese Befreiung ins Handelsregister eingetragen werden, hernach könne ein
weiterer Aufsichtsratsbeschluss erfolgen, der dem Inhalt der hier in Rede stehenden
Beschränkung der Befreiung entspreche, spricht nicht gegen die hier geteilte
herrschende Meinung, denn in diesem Fall ist der Rechtsverkehr durch die im Register
verlautbarte uneingeschränkte Befreiung gewarnt, und es geht zu Lasten der
Gesellschaft, wenn die im Register eingetragene Befreiung und damit die Erweiterung
der Vertretungsbefugnis des Vorstandes weiter gefasst ist als die "eigentlich"
bestehende.
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III.
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Eine Kostenentscheidung für das vorliegende Verfahren ist nicht veranlasst. Bei der
Festsetzung des Geschäftswertes schließt sich der Senat dem Beschwerdegericht an.
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