Urteil des OLG Dresden vom 20.12.2000

OLG Dresden: gefährdung, parkplatz, anschlussberufung, fahrzeugführer, sorgfalt, mitverschulden, fahrbahn, gestaltung, betriebsgefahr, organisation

Az. 6 U 1889/00
Leitsatz:
1. Die Benutzer ohne weiteren Hinweis als öffentlicher Parkplatz ausgeschilderten,
neu angelegten Parkbucht mit Bordsteinbegrenzung und Überhangstreifen
dürfen auf ein gefahrloses Ein- und Ausparken vertrauen.
2. Bestehen aufgrund der Gestaltung der Parkbucht keine Anhaltspunkte dafür,
dass das Überschwenken des Bordsteins zu einer Gefährdung führen kann,
trifft den Fahrzeugführer an einer Beschädigung seines Fahrzeuges beim
Ausparken kein Mitverschulden.
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 6 U 1889/00
8 O 6744/99 LG Leipzig
Verkündet am 20.12.2000
Die Urkundsbeamtin:
R
Justizobersekretärin
IM
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
1) XXXXXXXXX
XXXXXXXXX,
2) XXXXXXXXX,
XXXXXXXXX,
Kläger und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte XXXXXXXXXXX,
XXXXXXXXXXX
gegen
XXXXXXXXXXXXX
v.d.d. Bürgermeister XXXXXXX ,
Beklagte und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte XXXXXXXXXXXX,
XXXXXXXXXXXX,
wegen Schadenersatz
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 20.12.2000 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bey ,
Richterin am Landgericht Gruber und
Richter am Landgericht Gicklhorn
für Recht erkannt:
I. Auf die Anschlussberufung der Kläger wird unter Zurückweisung der Berufung
der Beklagten sowie der weitergehenden Anschlussberufung der Kläger das
Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16.06.2000 - Az.: 8 O 6744/99 -
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand DM 2.144,30
nebst 4 % Zinsen hieraus seit 22.09.1999 zu bezahlen. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die
Kläger samtverbindlich 21 % und die Beklagte 79 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Beschwer beider Parteien liegt unter 60.000,00 DM.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
B e s c h l u s s :
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.547,63 DM festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Rechtsmittel der Parteien bleiben überwiegend erfolglos.
(I)
1. Die Berufung der Beklagten hat im Ergebnis keinen Erfolg.
a) Nach dem Parteibeitritt ist die Klage zulässig, da alle notwendigen
Streitgenossen klagen. Der erst in der Berufungsinstanz erfolgte
Parteibeitritt des Klägers zu 2 ist wirksam. Ein neuer, nur auf den Kläger zu
2 bezogener Streitgegenstand wird damit nicht in den Prozess eingeführt.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, handelt
es sich um einen Fall der zulässigen Klageänderung (§ 263 ZPO). Soweit -
wie hier - aufgrund des gleichen Streitgegenstandes die Beklagte sich
lediglich mit der Frage der Aktivlegitimation des Klägers zu 2 zu
beschäftigen hat, die überdies hier von der Beklagten sogar postuliert
worden ist, ist die Beklagte durch das weitere Erfordernis der
Sachdienlichkeit, die der Senat bejaht, hinreichend geschützt (vgl. BGH,
Urt. v. 13.11.1975, Az.: VII ZR 186/73, BGHZ 65, 264; ebenso: OLG
München, Urt. v. 28.9.1990, Az.: 14 U 320/90, WM 1991, 100).
b) Zwischen den Parteien ist in der Berufungsinstanz unstreitig, dass der
Leasingvertrag über das beschädigte Fahrzeug nicht vom Kläger zu 1 und
vormaligen alleinigen Kläger selbst, sondern von ihm zusammen mit dem
Mitgesellschafter der Rechtsanwaltskanzlei (in der Rechtsform einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR), dem Kläger zu 2, angeschafft
worden ist. Gemäß Ziffer X 4 des
Leasingvertrages war die
Rechtsanwaltssozietät als GbR und Leasingnehmerin, also die Kläger in
ihrer gesamthänderischen Verbundenheit ermächtigt und verpflichtet, alle
fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadensfall im eigenen Namen
und auf eigene Kosten geltend zu machen. Damit sind die Gesellschafter
handelnd als
GbR nach den Grundsätzen der
gewillkürten
Prozessstandschaft prozessführungsbefugt und materiell-rechtlich zur
Einziehung an die Gesamthand ermächtigt.
c) Den Klägern steht - wie mit der Fassung des Hilfsantrags verdeutlicht - zur
gesamten Hand, und nicht wie im Hauptantrag allein dem Kläger zu 1), ein
Anspruch gegen die Beklagte aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG
(Amtshaftungsanspruch) in der titulierten Höhe zu. Die Ausführungen des
Landgerichts zur Haftung der Beklagten dem Grunde nach lassen
Rechtsfehler nicht erkennen.
aa) Gemäß § 10 Abs. 1 SächsStrG obliegen die mit dem Bau und der
Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen
zusammenhängenden Pflichten den Organen und Bediensteten der damit
befassten Körperschaften und Behörden als Amtspflicht in Ausübung
hoheitlicher Tätigkeit. Diese öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der
Verkehrssicherungspflicht ist zulässig; durch sie tritt § 823 BGB hinter die
spezielle Norm des § 839 BGB zurück, wobei allerdings die
Subsidiaritätsklausel (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) keine Anwendung findet
(vgl. nur BGH, VersR 1994, 618, 619 m.w.N.).
Träger der Verkehrssicherungspflicht und damit Haftungsadressat ist bei
öffentlichen Straßen derjenige, der die von der Straße ausgehende
Gefahrenlage durch Zulassung des öffentlichen Verkehrs geschaffen hat
und der in der Lage ist, auf diese Gefahrenlage einzuwirken; grundsätzlich
ist dies also - soweit er die Verfügungsgewalt über die Straße besitzt - der
Träger der Straßenbaulast (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34.
Aufl., § 45 StVO, Rdn. 55 m.w.N.; Senat, Urteil vom 30.11.1999, Az:
6 U 2814/99).
Wie der Senat in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen und
höchstrichterlichen Rechtsprechung stets vertreten hat, und wovon auch
das Landgericht in seiner Begründung zutreffend ausgegangen ist, umfasst
die Verkehrssicherungspflicht inhaltlich die Pflicht, soweit zumutbar, den
Verkehr auf der Straße möglichst gefahrlos zu gestalten, insbesondere
Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten, aus der Beschaffenheit der Straße
sich ergebenden und bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrsweges
nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahrenstellen zu sichern oder
zumindest zu warnen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Urteile des
Senats vom 09.04.1997, Az: 6 U 2922/96, und vom 19.04.2000, Az:
6 U 498/00; ebenso: OLG Hamm, VersR 1983, 446).
Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber - von objektiv besonders
einschneidenden Gefahrenlagen abgesehen - in der Regel nur gehalten,
die Verkehrsteilnehmer vor solchen Gefahren zu warnen oder solche
Gefahren zu beseitigen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender
Verkehrsteilnehmer nicht selbst hinreichend einstellen und vor denen er
sich nicht selbst hinreichend schützen kann (OLG Düsseldorf, VersR 1989,
274 m.w.N.), insbesondere wenn die Gefahr nicht rechtzeitig zu erkennen
ist.
Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann nur sein, was im Interesse des
Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und
zumutbar ist (OLG Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994,
301, 303). Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer den gegebenen
Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich
ihm erkennbar darbietet (BGH, VersR 1979, 1055). Verkehrswege sind
daher möglichst gefahrlos zu gestalten und in einem gefahrlosen Zustand
zu erhalten. Eine völlige Gefahrlosigkeit ist mit zumutbaren Mitteln aber
nicht zu erreichen (OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303). Dies bestimmt das
Maß der sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden, berechtigten
Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die wiederum maßgeblich den
konkreten Inhalt der Verkehrssicherungspflicht im Einzelfall ausfüllen und
die Grenze zwischen
sicherungsbedürftiger Gefahrenquelle und
hinzunehmender Erschwernis ziehen (vgl. Urteil des Senats vom
23.04.1997, Az: 6 U 2834/96).
bb) Zutreffend geht das Landgericht im Ergebnis der durchgeführten
Beweisaufnahme von einer
haftungsbegründenden
Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten aus.
Entgegen der Beklagten geht es nicht darum, ob ein Anspruch darauf
besteht, einen Parkplatz bestimmter Größe von dem Straßenbaulastträger
zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die in großen Teilen des
Berufungsvorbringens hierauf ausgerichtete Argumentation geht fehl.
Es geht vielmehr allein darum, ob aus der tatsächlich gewählten
Gestaltungsweise Gefahren resultieren, die für einen durchschnittlichen
Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig zu erkennen sind. Diese
Voraussetzungen liegen hier im Ergebnis der Beweisaufnahme vor. Der
Sachverständige hat ausführlich, stringent und überzeugend dargelegt,
dass aufgrund der vorgefundenen besonderen Gestaltungsweise des
Parkplatzes für den Kläger eine nicht rechtzeitig zu erkennende
Gefahrensituation entstanden war. Es handelte sich bei dem Parkplatz um
einen sogenannten Parkplatz mit
Bordsteinbegrenzung und
Überhangstreifen (sogenannter Kurzparkplatz). Das vom Kläger zusammen
mit seinem Rechtsanwaltssozius geleaste Fahrzeug des Typs Audi A 8
musste, um den nachfolgenden Verkehr nicht zu einem Ausweichen zu
zwingen, mit seinem Karosserievorbau über die Bordsteinvorderkante
hinausragend eingeparkt werden. Nach den Feststellungen des
Sachverständigen sind auf der rechten Seite des ausgewiesenen
Parkplatzes die Bordsteine zu hoch. Die vom TÜV empfohlene
Bodenfreiheit von 11 cm in Verbindung mit den Empfehlungen für Anlagen
des ruhenden Verkehrs (EAR 91) und den Empfehlungen für die Anlagen
von Erschließungsstraßen (EAE 85/95) sind ersichtlich nicht eingehalten
worden. Der Sachverständige geht zwar davon aus, dass sich aus den
Empfehlungen kein zwingendes Maß für die Bordsteinhöhe des
Überhangstreifens ergibt. Jedoch schlussfolgert er, dass der Bordstein
angemessen niedriger sein müsse, als der Abstand zwischen der
Karosserieunterseite und der Parkfläche (Maß der Bodenfreiheit). Dieser
Schluss ist ohne weiteres nachvollziehbar. Aus der technischen Auskunft
des TÜV Sachsen über die PKW-Bodenfreiheit ist nach den Ausführungen
des Sachverständigen überdies zu entnehmen, dass die Höhe des
Bordsteines eines Überhangstreifens aufgrund der jedem objektiven
Betrachter ohne weiteres einleuchtenden Gefährdung für parkende
Fahrzeuge 11 cm nicht überschreiten sollte. Weiter hat der
Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger bei der hier
vorliegenden Nutzung des rechten Parkstandes der Parkbucht die rechte
Bordsteinflucht, die letztlich schadensursächlich geworden ist, nicht
erkennen konnte, sondern vielmehr aus dem linken Seitenfenster die
ca. 9 cm hohen Bordsteine der linken Parkstände sah. Aus dieser
besonderen Konstellation war für den Kläger die drohende
Gefährdungssituation weder beim Ein- noch beim Wiederausparken des
Fahrzeuges zu erkennen.
Dass es sich hierbei um eine größere Limousine handelt, ändert an der
Haftung der Beklagten nichts. Die Beklagte musste ohne weiteres damit
rechnen, dass auch längere Pkw zur Meidung einer für sie eventuell
haftungsbegründenden Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs den
Überhangstreifen mit nutzen würden und jedenfalls unter Zugrundelegung
der speziellen Umstände des hier vorliegenden Falles eine Gefährdung des
Fahrzeuges beim Wiederausparken nicht erkennen würden. Dass eine
solche, auf den Schutz des nachfolgenden Verkehrs Rücksicht nehmende
Verhaltensweise nicht zuletzt auch im Interesse der dem Schutz der
Rechtsgutsintegrität ihrer Bevölkerung in besonderer Weise verpflichteten
Beklagten als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts liegen sollte, ist
selbstverständlich und bedarf keiner tiefergehenden Analyse. Dass die
Verkehrsteilnehmer - anders als erfolgt - nicht senkrecht, sondern parallel
oder schräg zur Fahrbahn parken sollten, behauptet die Beklagte konkret
nicht. Aus der vorgefundenen Anlage konnte ein Fahrzeugführer davon
ausgehen, dass grundsätzlich senkrecht zur Fahrbahn geparkt werden
sollte. Andernfalls wäre es Sache der Beklagten gewesen, entsprechende
aussagekräftige Markierungen anzubringen oder durch eine entsprechende
Beschilderung hierauf hinzuweisen. Entsprechend muss sie sich an der
tatsächlich vorgefundenen Lage festhalten lassen.
Der Kläger durfte mangels für ihn erkennbarer objektiver Anzeichen darauf
vertrauen, dass eine als Parkplatz ausgeschilderte Parkbucht ihm ein
ungefährdetes Ein- und Ausparken erlauben würde. Anhaltspunkte dafür,
dass das Überschwenken des Randbereichs zu einer Gefährdung führen
könnte, bestanden in dieser speziellen Situation nicht. Vielmehr konnte der
Kläger durch die gestalterische Konzeption der Parkbucht damit rechnen,
dass auch ein
Überschwenken des Grünstreifens mit dem
Fahrzeugvorderbau gefahrlos möglich sein würde.
Nichts anderes folgt auch aus dem Einwand, die Beklagte treffe keine
Pflicht, jenseits der Bordsteine eine Fläche von 0,7 m als Überfahrfläche
vorzuhalten und gefahrlos auszugestalten. Darauf kommt es nicht an, da
die Beklagte sich an dem tatsächlich Geschaffenen festhalten lassen muss.
Anderfalls hätte sie in zumutbarer Weise vor der Nutzung des
Überhangstreifens warnen oder durch eine entsprechende Gestaltung -
etwa eine Bepflanzung des Streifens deutlich signalisieren müssen, dass
eine Nutzung dieses Bereichs nicht eröffnet ist. Die von der Beklagten
offenbar befürchtete, allgemeine "Schilderflut" vermag der Senat aufgrund
der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht zu erkennen. Dass die
örtlichen Parkmöglichkeiten eine solche Gefährdung auch an anderer Stelle
nahe legen - was der Senat weder weiß noch zu eruieren verpflichtet ist -
will die Beklagte wohl selbst so nicht behaupten.
Dahinstehen kann letztlich, ob diese Situation bereits von Anfang an so
bestanden hat, oder aber später durch drittverursachte Umstände so
entstanden ist. Auch dann ist der Beklagten jedenfalls eine Verletzung ihrer
Kontrollpflichten anzulasten. Die Beklagte hat die dahingehenden
Feststellungen des Landgerichts, dass die Beklagte durch eine
entsprechende Organisation die fragliche Parkfläche nicht regelmäßig
überprüft und überwacht habe bzw. die aufgrund der dort - im Ergebnis der
Beweisaufnahme - sichtbaren Kratzspuren erkennbare
Gefährdungssituation nicht rechtzeitig erkannt und beseitigt habe, in der
Berufungsinstanz nicht weiter angegriffen.
cc) Die Verkehrssicherungspflichtverletzung war auch ursächlich für den
eingetretenen Schaden. Die Beklagte hat die Feststellungen des
Landgerichts hierzu auf Seite 13 der Entscheidungsgründe nicht weiter
angegriffen. Im Übrigen folgt der Senat den Ausführungen und der
Beweiswürdigung des Landgerichts auf Seite 13 dd bis einschließlich
Seite 14 (Ende des ersten Absatzes) gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.
dd) Ein den Anspruch minderndes Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) ist -
entgegen dem Landgericht - nicht zu erkennen. Soweit die Beklagte eine
Parkbucht ohne weiteren Hinweis ausschildert, kann der durchschnittliche
Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen, dass er gefahrlos dort ein- und
ausparken kann. Soweit die Beklagte einen "sehr starken Linkseinschlag"
behauptet, fehlt es bereits an einer substanziierten Darlegung, inwieweit
hier ein nicht aufgrund des Ausparkens des Klägers zu erwartender
Lenkeinschlag vorgenommen worden sein soll, aus dem sich ein
Mitverschuldensvorwurf herleiten könnte. Auch die Betriebsgefahr des vom
Kläger geführten Fahrzeugs (§ 7 Abs. 1 StVG) führt nicht zu einem
Mitverursachungsanteil, da der Unfall unabwendbar war (§ 7 Abs. 2 StVG).
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass ein unabwendbares
Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG nach der ständigen Rechtsprechung
nur ein solches Ereignis ist, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht
abgewendet werden kann. Es
muss ein sachgemäßes,
geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen
Maßstab hinaus vorliegen, so dass der Maßstab eines gedachten
"Idealfahrers" anzulegen ist (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht,
35. Auflage, StVG, § 7,
Rdn. 30). Aus den Feststellungen des
Sachverständigen, die der Senat auch insoweit zur Grundlage seiner
Entscheidung macht, ergibt sich aber überzeugend, dass für den Kläger
keinerlei Anhaltspunkt bestand, an eine Gefährdungssituation am rechten
Rand der Parkbucht zu denken, zumal aus seinem Blickwinkel die linke
Bordsteinseite lediglich 9 cm über die Pflasterung hinaus ragte und
Anhaltspunkte, dass dies am rechten Rand stark differieren würde, nicht
ersichtlich waren. Diese führt
nach Auffassung des Senats dazu, dass das Schadensereignis für den
Kläger unabwendbar war. Eine anspruchsmindernde Zurechnung der
Betriebsgefahr scheidet daher aus.
ee) Die Höhe der Reparaturkosten (DM 2.088,35 DM netto) ist in der
Berufungsinstanz unbestritten. Die
erstinstanzlich zugesprochene
Mehrwertsteuer hierauf können die Kläger allerdings nicht ersetzt
verlangen. Da sie als Betreiber der
Rechtsanwaltssozietät
vorsteuerabzugsberechtigt sind, stellt die Mehrwertsteuer einen erfolgs-
und damit schadensneutralen Durchgangsposten dar. Da das Fahrzeug vor
dem 01.04.1999 angeschafft worden ist, findet § 15 Abs. 1b UStG hierauf
noch keine Anwendung (§ 27 Abs. 3 UStG). Der Vorsteuerabzug stand
daher der Sozietät der Kläger in vollem Umfang zu, so dass auch bei der
Schadensberechnung die Mehrwertsteuer vollständig abzuziehen war (vgl.
nur Rau/Dürrwächter/Wenzel, UStG, 8. Aufl., § 15 Anm. A 48). Dass das
geleaste Fahrzeug etwa nur zu 50% dem Unternehmensbereich
zugeordnet gewesen wäre, haben die Kläger konkret nicht behauptet,
zumal auch die in der mündlichen Verhandlung vom 1.11.2000 auf § 15
Abs. 1b UStG abzielende Stellungnahme der Beklagten vom Kläger
unwidersprochen geblieben ist. Weiter steht dem Kläger zur gesamten
Hand eine nach § 287 ZPO auf 40,00 DM geschätzte Unkostenpauschale
zu.
Soweit die Beklagte rügt, dass die Hauptreparatur des Fahrzeuges bereits
am 07.01.1999 beendet gewesen sei, übersieht sie, dass bereits das
Landgericht diesen Einwand in seiner Schadensberechnung (dort Seite 18)
im Sinne der Beklagten berücksichtigt hat.
Dem Kläger stehen aber lediglich für zwei Reparaturtage
(06. und 07.01.1999) Ansprüche wegen Nutzungsausfalls gegen die
Beklagte zu. Soweit nämlich am 28.12.1998 eine Begutachtung des
Wagens stattgefunden haben soll, ist nicht behauptet worden, dass der
Wagen ganztägig nicht genutzt worden sein soll. Ebenso wenig im Ergebnis
der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ersichtlich ist, dass am
29.12.1998 eine Notreparatur mit der Folge eines ganztägigen Ausfalls des
Wagens stattgefunden hätte. Der Zeuge selbst hat auch nicht bestätigen
können, dass am 28.12.1999 das Fahrzeug begutachtet worden wäre.
Abgesehen davon, dass die Kläger selbst nicht behaupten, dass sie das
Fahrzeug am 28.12. nicht zur Verfügung gehabt hätten, sondern vielmehr
am 29.12.1998, hat der Zeuge Liemert aus eigener Anschauung auch trotz
des Vorhalts des - allerdings auf den 28.12.1998 datierten -
Kostenvoranschlags nichts aus eigener Anschauung aussagen können. Er
hat hierzu lediglich die Vermutung geäußert, dass es wohl so gewesen sein
müsse. Die damit verbleibenden Zweifel gehen aufgrund der
Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers (§ 286 ZPO). Dass im Übrigen
während der beiden Reparaturtage sowohl Nutzungswillen als auch die
hypothetische Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges bestanden haben, ist
von der Beklagten nicht weiter bestritten worden.
Den Kläger traf zwar die
anspruchsmindernde Obliegenheit
(§ 254 Abs. 2 BGB), den erlittenen Schaden möglichst gering zu halten.
Hiervon umfasst ist auch die Möglichkeit, ein kostenlos zur Verfügung
gestelltes Fahrzeug zu nutzen. In diesem Fall besteht mangels entbehrter
Nutzungsmöglichkeit kein Anspruch auf Ersatz des
Nutzungsausfallschadens. Darlegungspflichtig hierfür ist allerdings die
Beklagte. Sie bestreitet jedoch lediglich "mit Nichtwissen", dass der Kläger
nicht in der Zeit der Reparatur völlig kostenfrei allein im Hinblick auf die im
Kulanzwege durchgeführten Arbeiten ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung
gestellt bekommen habe" und verkennt insoweit ihre Darlegungslast.
Insgesamt stehen den Klägern zur gesamten Hand daher 2.144,30 DM zu,
so dass trotz des Abzugs der Mehrwertsteuer der erstinstanzliche Tenor -
auf die Berufung der Beklagten hin - nicht abzuändern war.
ff) Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen folgt aus §§ 291, 288 Abs.
1 Satz 1 BGB. Die Rechtshängigkeit der Klage trat mit Zustellung am
08.09.1999 ein, so dass in analoger Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB ab
09.09.1999 die Forderung zu verzinsen ist. Der Senat ist aber - wie das
Landgericht - gehindert, dem Kläger mehr als die beantragten Zinsen ab
22.09.1999 zuzusprechen (§ 308 ZPO).
Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
2. Die Anschlussberufung der Kläger hat nur teilweise Erfolg.
Wegen der Schadenshöhe unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer und
unter Ausschluss eines anspruchsmindernden Mitverschuldens wird auf
das oben (Ziff. 1 b ee) Gesagte verwiesen. Hieraus ergibt sich der titulierte
Betrag, der den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag - geringfügig -
übersteigt. Nur insoweit hat die Anschlussberufung der Kläger Erfolg.
(II)
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 546 Abs. 2,
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen einer - von der Beklagten erstinstanzlich ausdrücklich
angeregten - (teilweisen) Niederschlagung der Kosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1
GKG liegen nicht vor. Eine unrichtige Sachbehandlung, die erhöhte Kosten nach
sich gezogen hätte, ist nicht zu erkennen. Das Landgericht hat zu den bestrittenen
Behauptungen konsequent und richtig den angebotenen Beweis erhoben.
Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf §§ 3 ZPO, 12 Abs. 1,
14 Abs. 1, 19 Abs. 2, 1 Satz 2 GKG.
Bey
Gruber
Gicklhorn