Urteil des OLG Dresden vom 27.03.2012

OLG Dresden: treu und glauben, gemeinschuldner, grundstück, vollmacht, prozesskosten, auskunftspflicht, verfügung, versicherung, miteigentümer, grundbuch

Leitsatz:
Hat ein Ehegatte eine Eigentümerbriefgrundschuld an einem
ihm gemeinsam mit dem anderen Ehegatten gehörenden Grund-
stück mit Zustimmung des anderen Ehegatten an einen Dritten
abgetreten, kann der spätere Insolvenzverwalter des anderen
Ehegatten von dem Ehegatten, der das Abtretungsgeschäft vor-
genommen hat, Auskunft über dessen Inhalt verlangen, soweit
die im Innenverhältnis der Ehegatten bestehenden Auskunfts-
ansprüche des Insolvenzschuldners auf ihn übergegangen sind.
Az.: 20 W 1003/11
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 20 W 1003/11
1 O 0237/11 LG Görlitz
Beschluss
des 20. Zivilsenats
vom 27.03.2012
In dem Rechtsstreit
........ ,
als Insolvenzverwalter über das Vermögen
des ..
.......... ,
.... Dresden
Antragsteller und Beschwerdeführer
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
................ ,
............... ,
.............
gegen
......,
.......... ,
.... Görlitz
Antragsgegnerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ....
............. ,
..... Dresden
wegen Forderung;
hier: Prozesskostenhilfe
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hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piel,
Richterin am Oberlandesgericht Maciejewski und
Richter am Oberlandesgericht Meyer
beschlossen:
Auf
die
sofortige
Beschwerde
des
Antragstellers
vom
30.09.2011 wird der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom
17.08.2011 - 1 O 237/11 - abgeändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für seine beab-
sichtigte Klage bewilligt und ..................... Dresden,
als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
G r ü n d e :
Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter Prozesskos-
tenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Ehefrau ei-
nes Gemeinschuldners, die - gemeinsam mit ihrem Ehemann -
Eigentümerin eines Grundstückes ist. Für die Miteigentümer
als Gesamtberechtigte ist seit 14.11.2000 eine Eigentümer-
briefgrundschuld über 450.000,00 DM im Grundbuch eingetra-
gen, welche die Ehefrau mit Zustimmung des (späteren) Ge-
meinschuldners unter Übergabe des Grundschuldbriefes an ei-
nen unbekannten Dritten übertragen hat. Der Antragsteller
beabsichtigt, die Ehefrau auf Auskunft und gegebenenfalls
Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu den ihm im
Einzelnen unbekannten Umständen der Grundschuldübertragung
in Anspruch zu nehmen. Die hierfür begehrte Prozesskosten-
hilfe hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss
verweigert, da eine Anspruchsgrundlage für den Antragsteller
nicht ersichtlich sei.
Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde des Antragstel-
lers ist zulässig und begründet.
Richtig ist zwar, dass § 97 InsO dem Insolvenzverwalter ei-
nen insolvenzverfahrensrechtlichen Auskunftsanspruch grund-
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sätzlich nur gegen den Gemeinschuldner, nicht aber gegen
Dritte einräumt (vgl. BGH NJW 1978, 1002; BGHZ 74, 379).
Darauf kommt es hier indes letztlich nicht an. Denn auf den
Insolvenzverwalter gehen mit Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens gemäß § 80 Abs. 1 InsO auch die Auskunftsansprüche
über, die dem Gemeinschuldner gegen einen Dritten zustehen
(Ott/Vuia in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2.
Aufl. 2007, § 80 Rdn. 43). Hier begründet die sachenrechtli-
che Sonderverbindung, die zwischen dem Gemeinschuldner und
seiner Ehefrau aufgrund der Miteigentümergemeinschaft und
der Gesamtberechtigung gemäß § 428 BGB an der (ursprüngli-
chen) Eigentümergrundschuld besteht, im Innenverhältnis der
Eheleute - schon wegen § 430 BGB - eine nach Treu und Glau-
ben aus dieser rechtlichen Gemeinschaft herrührende wechsel-
seitige Auskunftspflicht. Infolge dessen kann der Gemein-
schuldner als Mitgläubiger der am gemeinsamen Grundstück ge-
meinsam bestellten Eigentümergrundschuld zivilrechtlich von
der mitberechtigten Ehefrau Auskunft darüber verlangen, wel-
che Verfügung sie wem gegenüber (auch im Namen und mit Voll-
macht des Gemeinschuldners) über die Grundschuld getroffen
hat. Diesen Anspruch kann der Antragsteller aus übergegange-
nem Recht an Stelle des Gemeinschuldners gegenüber der Ehe-
frau geltend machen und hierfür auch Prozesskostenhilfe ver-
langen.
Da der Antragsteller nach den wirtschaftlichen Verhältnissen
der Insolvenzmasse die zu erwartenden Prozesskosten nicht
aufzubringen im Stande sein wird, liegen die Voraussetzungen
der beantragten Prozesskostenhilfe auch in wirtschaftlicher
Hinsicht vor. Der Senat hat daher die angefochtene Entschei-
dung des Landgerichts antragsgemäß abgeändert, wobei eine
Kostenentscheidung nicht veranlasst war, weil Gerichtskosten
für das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf den Erfolg der
Beschwerde nicht erhoben und außergerichtliche Kosten gemäß
§ 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden. Die Voraussetzungen
für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.
Piel
Maciejewski
Meyer