Urteil des OLG Dresden vom 15.03.2017

OLG Dresden: tochtergesellschaft, anfechtung, zuwendung, valutaverhältnis, nebenintervenient, vergleich, verfügung, erfüllung, vorrang, unternehmen

Leitsätze
1. Eine durch eine mittelbare Zuwendung des Schuldners be-
wirkte
gläubigerbenachteiligende
Vermögensverminderung
kann auch darin liegen, dass dieser selbst einen An-
spruch auf das dem Dritten Zugewandte gegen seinen Leis-
tungsmittler hatte und er diesen Anspruch mit der Leis-
tung an den Dritten verliert.
2. Der Empfänger einer mittelbaren Zuwendung kann, wenn so-
wohl über das Vermögen seines Schuldners wie auch über
das Vermögen des Leistungsmittlers ein Insolvenzverfahren
eröffnet ist, gegenüber beiden Insolvenzmassen Anfech-
tungsansprüchen ausgesetzt sein; im Ergebnis muss er die
Leistung jedoch nur einmal zurückgewähren.
3. Die mit der Anfechtung im Zuwendungsverhältnis verbundene
Folge
konkurrierender
Anfechtungsansprüche
ist
auf
Rechtsfolgeebene zu lösen.
4. Gegen die Anfechtung im Zuwendungsverhältnis nach § 134
Abs. 1 InsO kann der Empfänger der unentgeltlichen Leis-
tung eine Zahlung im Valutaverhältnis gemäß § 143 Abs. 2
Satz 1 InsO, 818 Abs. 3 BGB einwenden. Ob daneben die
Zahlung im Valutaverhältnis als Aufwendung für die mit
dem Anfechtungsrecht belastete Leistung nach §§ 143 Abs.
1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 288 Abs. 1, 292
Abs. 1, 994, 995 BGB gelten kann, lässt der Senat offen.
2
Aktenzeichen: 13 U 1672/07
10 O 368/06 LG Dresden
Verkündet am 23.12.2008
Die Urkundsbeamtin:
S.......
Justizobersekretärin
IM
NAMEN
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt
A
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der B............
mbH,
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
I
..........,
vertreten durch den Vorstand
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Rechtsanwalt
S
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der M
GmbH,
- Nebenintervenient -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Insolvenzanfechtung
Oberlandesgericht
Dresden
3
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden im
schriftlichen Verfahren, wobei Schriftsätze berücksichtigt
worden sind, die bis zum 12.12.2008 eingereicht worden sind,
durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. O.......,
Richter am Oberlandesgericht K........ und
Richter am Oberlandesgericht S.....
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Dresden vom 07.09.2007, Az.: 10 O 368/06, abge-
ändert und - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Üb-
rigen - wie folgt neu gefasst:
a)
Die
Beklagte
wird
verurteilt,
an
den
Kläger
4.597,00 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Ba-
siszinssatz seit dem 01.04.2004 zu zahlen.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 3/8
und der Kläger zu 5/8, der in diesem Umfang auch die Kos-
ten des Nebenintervenienten zu tragen hat.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Si-
cherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil
zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der je-
weilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Si-
cherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags leistet.
4. Die Revision wird nach Maßgabe der Gründe zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Bau......................... mbH (nachfolgend:
Schuldnerin), das auf deren Antrag vom 27.01.2004 am
01.04.2004 eröffnet wurde. Diese gründete im März 1991 die
...... M..... ... GmbH (nachfolgend: Tochtergesellschaft),
über deren Vermögen auf Antrag vom 07.01.2004 am 22.03.2004
das Insolvenzverfahren eröffnet und der Nebenintervenient
zum Verwalter bestellt wurde. Der Kläger verlangt von der
4
Beklagten
Zahlungen
auf
rückständige
Beiträge
zur
Gesamtsozialversicherung im Wege der Insolvenzanfechtung
zurück,
die
von
der
Schuldnerin
auf
entsprechende
Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft geleistet wurden.
Auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils wird mit
folgender Ergänzung Bezug genommen:
Der Nebenintervenient focht gegenüber der Beklagten eben-
falls Zahlungen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Hö-
he von 15.874,64 EUR an (vgl. Anlage B 1, Bl. 26 f. dA), wo-
bei Gegenstand dieser Anfechtung - mit Ausnahme der Zahlung
vom 30.09.2003 in Höhe von 4.130,24 EUR - unter weiteren
auch die nunmehr vom Kläger zurückgeforderten Zahlungen wa-
ren. Die Beklagte zahlte an den Nebenintervenienten zur Ab-
geltung dieser Anfechtungsansprüche im Vergleichswege insge-
samt 10.700,00 EUR mit der Abrede, diesen Betrag an den Klä-
ger weiterzuleiten, wenn im Verhältnis zwischen den Insol-
venzverwaltern in einem anderen Verfahren rechtskräftig
festgestellt werde, wem das Anfechtungsrecht gegenüber den
Zahlungsempfängern zustehe.
Das Landgericht hat der Klage gestützt auf §§ 143, 134 InsO
vollständig stattgegeben.
Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, bei den ange-
fochtenen Zahlungen handele es sich um mittelbare Zuwendun-
gen der Tochtergesellschaft, so dass ein Anfechtungsrecht
nur des Nebenintervenienten gegeben sei. Die Mittel seien
der Schuldnerin von der Tochtergesellschaft zur Verfügung
gestellt worden. Es habe eine Verrechnungsabrede und ein
Cash-Management zwischen beiden Gesellschaften gegeben, bei
dem Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Tochter-
gesellschaft durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten ge-
genüber dem Fiskus und der Einzugsstelle für Gesamtsozial-
versicherungsbeiträge ausgeglichen worden seien. Zu Unrecht
habe das Landgericht zudem die Unentgeltlichkeit der Leis-
tungen bejaht. Die Forderung der Beklagten gegenüber der
Tochtergesellschaft seien nicht wertlos gewesen, weil diese
5
nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Im Übrigen sei die
Schuldnerin selbst auch gegenüber der Beklagten zur Abfüh-
rung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet gewesen,
weil diese die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft entlie-
hen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dresden vom 07.09.2007,
Az.: 10 O 368/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Bei den angefochtenen Zahlungen handele es sich nicht um
mittelbare Zuwendungen, weil das von der Schuldnerin Geleis-
tete nicht aus dem Vermögen der Tochtergesellschaft stamme.
Insbesondere habe die Tochtergesellschaft die für die jewei-
lige Zahlung notwendigen Mittel nicht zuvor zweckgebunden
zur Verfügung gestellt. Verbindlichkeiten beider Unternehmen
seien zuletzt jeweils von demjenigen getilgt worden, der
über die nötige Liquidität verfügt habe, und zwar dann un-
mittelbar aus dem Vermögen der die Zahlung ausführenden Ge-
sellschaft. Das Bestreiten der Zahlungsunfähigkeit der Toch-
tergesellschaft gehe nicht substantiiert auf die hierzu vom
Kläger vorgetragenen Tatsachen ein.
Der Kläger hat vom Nebenintervenienten eine Zahlung erhal-
ten, die er in Höhe von 8.656,78 EUR auf die Hauptforderung
verrechnet hat. Er hat daraufhin den Rechtsstreit in Höhe
von 8.656,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunk-
ten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2004 aus diesem
Betrag für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erle-
digungserklärung angeschlossen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen
P..... und B...... Wegen des Ergebnisses wird auf die Sit-
zungsniederschrift vom 25.06.2008 Bezug genommen. Im Übrigen
6
wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren gewechselten
Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 13.02.2008
und 25.06.2008 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Ur-
teil des Landgerichts beruht auf einem Rechtsfehler, soweit
es die Beklagte über einen Betrag von 4.597,00 EUR nebst
Zinsen hinausgehend verurteilt hat. Der Anfechtungsanspruch
ist wegen der Zahlung in Höhe von 4.130,24 EUR vom
30.09.2003 begründet. Hinsichtlich der weiteren im Beru-
fungsverfahren noch streitgegenständlichen Zahlungen vom
18.11.2003 und 18.12.2003 in Höhe von 3.111,74 EUR ist der
Anfechtungsanspruch nur in Höhe von 466,76 EUR begründet,
nachdem der Nebenintervenient diese Zahlungen im Verhältnis
zur Beklagten angefochten und diese im Vergleichswege eine
Zahlung in Höhe von 85 % des Nennbetrags der jeweiligen For-
derung geleistet hat.
1. Die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklagte unterlie-
gen der Anfechtung gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 134
Abs. 1 InsO.
a) Bei sämtlichen Zahlungen handelt es sich um unent-
geltliche Verfügungen im Sinne des § 134 Abs. 1
InsO.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
der sich der Senat anschließt, ist die Tilgung ei-
ner nicht werthaltigen, gegen einen Dritten ge-
richteten Forderung unentgeltlich, weil der Emp-
fänger der Zahlung keine ausgleichende Gegenleis-
tung erbringt (BGH ZIP 2006, 957, 958; BGH ZIP
2008, 1385, 1386). Von der Wertlosigkeit der For-
derung kann jedenfalls dann ausgegangen werden,
wenn der Dritte vermögenslos ist (vgl. Wittig, NZI
2005, 606, 608; Kirchhof, in: Münchner Kommentar,
InsO, 2. Aufl., § 134 Rn. 31a, Henckel, in: Jäger,
7
InsO, § 134 Rn. 25). Die Zahlungsunfähigkeit des
Dritten ist ein Indiz für die Wertlosigkeit der
Forderung. Ob dieses Indiz für sich genommen aus-
reicht, um die Wertlosigkeit der Forderung zu be-
legen (so wohl BGH ZIP 2006, 957, 958; BGH ZIP
2005, 767, 768; OLG Stuttgart NZI 2002, 112, 114)
oder weitere für die Vermögenslosigkeit des Drit-
ten sprechende Umstände hinzutreten müssen (vgl.
Wittig, a.a.O., Kirchhof, a.a.O.) lässt der Senat
offen, weil solche Umstände jedenfalls in diesem
Fall vorliegen.
Die gegen die Tochtergesellschaft gerichteten For-
derungen der Beklagten waren wertlos.
Die Tochtergesellschaft war zum Zeitpunkt der je-
weiligen Zahlungen zahlungsunfähig. Der Kläger hat
hierzu unter Vorlage von durch die Tochtergesell-
schaft selbst erstellten Aufzeichnungen (Anlage
K 16) dargelegt, dass bereits im Sommer 2006 we-
sentliche Teile der Verbindlichkeiten, darunter
auch solche gegenüber Sozialversicherungsträgern,
nicht getilgt werden konnten. Die Aufstellung, der
die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten
ist, belegt, dass zum 30.09.2003 Beitragsrückstän-
de in Höhe von 43.082,79 EUR, die zu diesem Zeit-
punkt älter als 10 Wochen waren und am 15.08.2003
fällig werdende Beträge in Höhe von 93.945,84 EUR
nicht beglichen waren. In dem bereits kurze Zeit
nach den streitgegenständlichen Zahlungen einge-
leiteten vorläufigen Insolvenzverfahren stellte
der vorläufige Insolvenzverwalter kein wesentli-
ches freies Vermögen fest, aus dem die Verbind-
lichkeiten der Tochtergesellschaft hätten gedeckt
werden können (vgl. Anlage K 8). Diese - im Ergeb-
nis für die Wertlosigkeit der Forderungen spre-
chenden - Indizien hat die Beklagte nicht entkräf-
tet.
8
bb) Schließlich war die Schuldnerin der Beklagten
nicht selbst zur Beitragszahlung verpflichtet. Ob
es zwischen der Schuldnerin und ihrer Tochterge-
sellschaft tatsächlich zu einer Überlassung von
Arbeitnehmern gekommen ist und ob aus diesem Tat-
bestand Beitragspflichten der Schuldnerin resul-
tierten, kann offen bleiben. Die Beklagte vermoch-
te keinen Sachverhalt darzulegen, aufgrund dessen
der Senat dieses für die hier streitgegenständli-
chen Beitragszahlungen annehmen könnte.
b) Die Zahlungen benachteiligen die Gläubiger der
Schuldnerin (§ 129 Abs. 1 InsO). Dies gilt auch,
soweit Zahlungen an die Beklagte auf Arbeitnehmer-
anteile zur Sozialversicherung geleistet wurden
(BGH ZIP 2006, 290, 291). Mit der Änderung des
§ 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV zum 01.01.2008 hat sich
die Rechtslage jedenfalls hier nicht geändert,
weil diese Vorschrift nur auf Insolvenzverfahren
Anwendung findet, die nach dem 01.01.2008 eröffnet
wurden (BGH NZI 2008, 293, 294).
2.
Die
Zahlungen
der
Schuldnerin
vom
08.10.2003,
18.11.2003, 27.11.2003 und 18.12.2003 in Höhe von ins-
gesamt 11.708,52 EUR unterlagen allerdings auch der An-
fechtung des Nebenintervenienten gegenüber der Beklag-
ten gemäß §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 2
InsO.
a) Die von der Schuldnerin innerhalb einer Frist von
drei Monaten vor dem am 07.01.2004 gestellten In-
solvenzantrag aus Sicht der Beklagten als Dritte
geleisteten Zahlungen waren inkongruent, weil die
Beklagte sie in dieser Art nicht fordern konnte.
Wie oben näher dargelegt, war die Tochtergesell-
schaft der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt auch
zahlungsunfähig.
9
b) Durch die Zahlungen der Schuldnerin werden die
Gläubiger der Tochtergesellschaft auch benachtei-
ligt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass das
Thüringer Oberlandesgericht in dem zwischen dem
Kläger
und
dem
Nebenintervenienten
geführten
Rechtsstreit eine Gläubigerbenachteiligung ver-
neint hat (Urteil vom 09.11.2006, Az.: 1 U 161/06,
Umdruck Seite 11) und der Bundesgerichtshof (Be-
schluss vom 10.01.2008, IX ZR 229/06) in dem die
Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil
betreffenden Beschwerdeverfahren angenommen hat,
die von der Schuldnerin veranlassten Zahlungen
seien aus deren Vermögen und nicht mittelbar aus
dem Vermögen der Tochtergesellschaft geleistet
worden. Auf der Grundlage der im vorliegenden Ver-
fahren nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Fest-
stellungen nimmt der Senat allerdings eine die
Gläubiger der Tochtergesellschaft benachteiligende
mittelbare Zuwendung an.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs unterliegen Zahlungen, die unter Ein-
schaltung eines Leistungsmittlers erbracht werden,
als mittelbare Zuwendungen der Anfechtung, wenn
diese als unmittelbar vom Schuldner erbrachte
Leistungen ohne weiteres anfechtbar wären, so z.B.
wenn der Schuldner einen Drittschuldner anweist,
die von diesem geschuldete Leistung nicht ihm,
sondern einem Gläubiger des Schuldners zu erbrin-
gen und dieser erkennen kann, dass es sich dabei
um eine Leistung des Schuldners handelt (vgl. BGHZ
174, 228, 239; OLG Stuttgart NZI 2002, 112, 114).
Voraussetzung für die Anfechtbarkeit einer solchen
mittelbaren Zuwendung ist allerdings, dass der
Schuldner eine Rechtsposition aus seinem Vermögen
aufgibt, die selbst Grundlage der Anfechtung sein
könnte (BGHZ 72, 39, 42; BGH WM 1955, 407, 409
f.). Hierfür genügt es, wenn der Gegenwert für den
Erwerb des Anfechtungsgegners aus dem Vermögen des
10
Schuldners stammt (BGHZ 174, 228, 237; Kirchhof,
in: Münchner Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 129
Rn. 71 m.w.N.). In dem der vorstehend zitierten
Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lie-
genden Sachverhalt war eine mittelbare Zuwendung
gegeben, weil die Schuldnerin ihrem Leistungsmitt-
ler entweder das zur Erfüllung ihrer Verbindlich-
keiten erforderliche Geld überwiesen oder ihm Ge-
genstände ihres Aktivvermögens übertragen hatte,
damit deren Gegenwert für die Erfüllung eingesetzt
werden konnte (vgl. BGH, a.a.O.). Damit sind al-
lerdings die für eine mittelbare Zuwendung in Be-
tracht kommenden Fallgestaltungen nicht abschlie-
ßend beschrieben. Wie in den Fällen einer Anwei-
sung auf Schuld regelmäßig, kann die durch die
mittelbare Zuwendung bewirkte Vermögensminderung
des Schuldners auch darin liegen, dass dieser
selbst einen Anspruch auf das dem Dritten Zuge-
wandte gegen sein Leistungsmittler hatte und er
diesen Anspruch mit der Leistung an den Dritten
verliert (vgl. BGHZ 72, 39, 42; BGH NJW 1998,
2592, 2599; BGHZ 142, 284, 288; BGHZ 174, 314,
316; BGH ZIP 2008, 2182; Henckel, in: Jäger, InsO,
§ 130 Rn. 40, 47; Kirchhof, in: Münchner Kommen-
tar, InsO, 2. Aufl., § 19 Rn. 71).
bb) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwi-
schen der Schuldnerin und ihrer Tochtergesell-
schaft Verrechnungskonten geführt wurden, in denen
Ansprüche aus wechselseitig erbrachten Leistungen
eingestellt wurden. Auf diese Weise wurden Ansprü-
che der Tochtergesellschaft aus für die Schuldne-
rin erbrachten Werkleistungen mit aus Zahlungen
der Schuldnerin an Gläubiger der Tochtergesell-
schaft herrührenden Ausgleichsansprüchen verrech-
net. Der Kläger hat diesbezüglich im Verfahren
erster Instanz eingestanden (§ 288 ZPO), dass
durch die Zahlungen der Schuldnerin an die Beklag-
te Forderungen der Tochtergesellschaft gegen die
11
Schuldnerin in voller Höhe befriedigt worden sind
(vgl. Schriftsatz vom 21.09.2006, Bl. 133 dA),
mithin zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung ein
diese übersteigender Verrechungssaldo zu Gunsten
der Tochtergesellschaft bestand. Gegenwert für die
von der Schuldnerin erbrachten Leistungen ist da-
nach der Verlust der der Tochtergesellschaft aus
der Verrechnungsabsprache zustehenden Ansprüche.
Aufgrund der Verrechnungsabrede waren beide Unter-
nehmen auch darüber einig, dass der Gegenwert für
die Zahlung an die Beklagte letztlich aus dem Ver-
mögen der Tochtergesellschaft herrühren sollte. Ob
diese oder deren Gläubiger gegen die Schuldnerin
einen Anspruch auf die Vornahme dieser Zahlungen
hatte, ist unerheblich. Ausreichend ist - und das
steht für den Senat auf der Grundlage der Aussage
des Zeugen B..... fest -, dass die Schuldnerin
nach wöchentlich erfolgter Absprache die Tilgung
der jeweils besonders dringlichen Verbindlichkei-
ten der Tochtergesellschaft auf deren Bitte hin
übernahm.
cc) Nicht gefolgt werden kann dem Kläger in seiner,
auch der Entscheidung des Thüringer Oberlandesge-
richts zugrunde liegenden Argumentation, eine Be-
nachteiligung der Gläubiger der Tochtergesell-
schaft durch diese Verfahrensweise scheide aus,
weil deren Ansprüche gegen die Schuldnerin ohnehin
wertlos gewesen seien. Hierauf kommt es nicht an,
weil die mittelbaren Zuwendungen der Tochterge-
sellschaft so zu behandeln sind, als habe die
Schuldnerin an diese und sie wiederum an die Be-
klagte geleistet (BGHZ 174, 228, 237). Damit ist
für die anfechtungsrechtliche Beurteilung zu un-
terstellen, dass die Tochtergesellschaft die For-
derung aus eigenen Mitteln beglichen hat (vgl.
auch Keller, EWiR 2008, 211, 212). Ob die Tilgung
der Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber
der Tochtergesellschaft möglicherweise ihrerseits
12
der Insolvenzanfechtung unterlegen hätte, bleibt
als hypothetische Betrachtung unerheblich.
3. Die Beklagte ist hinsichtlich der Zahlungen vom
18.11.2003 und 18.12.2003 in Höhe von insgesamt
3.111,74 EUR nur noch in Höhe von 466,76 EUR berei-
chert, nachdem sie an den Nebenintervenienten bereits
im
Vergleichswege
eine
Zahlung
in
Höhe
von
10.800,00 EUR leistete.
a) Ebenso wie der Bundesgerichtshof in seiner Ent-
scheidung vom 16.11.2007, Az: IX ZR 194/04 (BGHZ
174, 228) geht auch der Senat im Ergebnis davon
aus, dass die Beklagte nicht wegen derselben Leis-
tung einerseits dem Kläger und andererseits dem
Nebenintervenienten zur Rückerstattung verpflich-
tet sein kann. Der Senat verneint allerdings einen
tatbestandlichen Vorrang der Anfechtung des Nebe-
nintervenienten gegenüber derjenigen des Klägers.
aa) Ein tatbestandlicher Vorrang der Deckungsanfech-
tung würde den schutzwürdigen Interessen des An-
fechtungsgegners nicht gerecht. Dieser ist, wie
der Bundesgerichtshof zu Recht hervorgehoben hat,
in jedem Fall vor doppelter Inanspruchnahme zu
schützen. Dies wäre auf der Basis des tatbestand-
lichen Vorrangs der Deckungsanfechtung zumindest
dann nicht sicher zu gewährleisten, wenn der An-
fechtungsanspruch im Zuwendungsverhältnis zuerst
geltend gemacht und vom Anfechtungsgegner auch er-
füllt wird.
bb) Der Senat hält auch die Erklärung der Anfechtung
im Valutaverhältnis letztlich nicht für ein hin-
reichendes Ausschlusskriterium. Zunächst ist frag-
lich, in welcher Weise der im Valutaverhältnis an-
fechtende Insolvenzverwalter seinen Anfechtungsan-
spruch geltend machen müsste. Reichte hier die au-
ßergerichtliche Geltendmachung, müsste eine im Zu-
13
wendungsverhältnis bereits anhängige Klage abge-
wiesen werden, obwohl nicht feststünde, ob und in
welchem Umfang die anfechtbare Leistung später
tatsächlich zurückgewährt wird. Das gleiche gilt
im Übrigen selbst dann, wenn auf die klageweise
Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs abgestellt
würde. Eine solche Lösung vermag auch nicht ab-
schließend zu beantworten, wie weit die Aus-
schlusswirkung reicht, wenn - wie hier - mit dem
im Valutaverhältnis anfechtenden Insolvenzverwal-
ter ein Vergleich geschlossen wurde.
b) Die mit der Anfechtung im Zuwendungsverhältnis
verbundene Folge konkurrierender Anfechtungsan-
sprüche ist auf Rechtsfolgenebene zu lösen. Ob
diesbezüglich ein genereller Vorrang der Deckungs-
anfechtung anzunehmen ist oder ob sich die Frage
des Vorrangs letztlich nach dem Inhalt des De-
ckungsverhältnisses beurteilen muss (hierfür mit
beachtlichen
Gründen:
Brinkmann,
in:
Küb-
ler/Prütting/Bork, InsO, 34. Lfg., Anh. I zu § 145
Rn. 58), lässt der Senat offen. Ungeachtet dessen
kann der Anfechtungsgegner gegen die Anfechtung im
Zuwendungsverhältnis nach § 134 Abs. 1 InsO in Hö-
he der tatsächlich im Valutaverhältnis geleisteten
Zahlung die Entreicherung gemäß §§ 143 Abs. 2
Satz 1 InsO, 818 Abs. 3 BGB einwenden. Der Empfän-
ger einer unentgeltlichen Verfügung ist demnach
zur Rückgewähr nur verpflichtet, soweit er durch
die Leistung bereichert ist. An einer solchen Be-
reicherung fehlt es, wenn der Anfechtungsgegner
das Erlangte an den Berechtigten zurückgezahlt
hat. Berechtigt an dem anfechtbar Erlangten ist
aus der Perspektive der Beklagten sowohl der Klä-
ger wie auch der Nebenintervenient. Dieser hat
durch den Vergleich auf Anfechtungsansprüche im
Umfang von insgesamt 12.768,52 EUR eine Zahlung
von 10.800,00 EUR erhalten, mithin eine Deckung in
Höhe von 85 %. In dieser Höhe kann sich die Be-
14
klagte gegenüber dem Kläger auf die Entreicherung
berufen. Dass in dem Vergleich zwischen dem Nebe-
nintervenienten und der Beklagten eine andere als
die quotale Befriedigung der geltend gemachten An-
fechtungsansprüche gewollt war, ist weder vorge-
tragen noch ersichtlich.
Ob Zahlungen der Beklagten an den Nebeninterve-
nienten daneben auch als Aufwendungen für die mit
dem Anfechtungsrecht belastete Leistung gemäß
§§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4,
292 Abs. 1, 994, 995 BGB gelten können, bedarf
keiner Entscheidung, weil die Beklagte dem Anfech-
tungsanspruch ebenfalls nur das tatsächlich Ge-
zahlte entgegenhalten könnte und die Voraussetzun-
gen des § 133 Abs. 1 InsO vom Kläger nicht darge-
legt werden.
4. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO,
819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 Satz 1 Hs. 2, Satz 2, 288
Abs. 1 Satz 2 BGB (BGHZ 171, 38).
III.
Die vorgenannten Grundsätze berücksichtigt, hat die Klage
hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits nur in
Höhe von 15 % Aussicht auf Erfolg gehabt, nachdem bereits
die Zahlung an den Nebenintervenienten zur Unbegründetheit
des Anfechtungsanspruchs führte.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 Satz 1, 92
Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung beruht auf
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
15
V.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen, soweit es
um die Anfechtbarkeit der Zahlungen vom 18.11.2003 und
18.12.2003 geht. Soweit der Senat die Zahlungen als mittel-
bare Zuwendungen der Tochtergesellschaft behandelt, dient
die Zulassung der Revision der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung. Im Übrigen ist die Beurteilung des Konkur-
renzverhältnisses der hier bejahten Anfechtungsansprüche von
grundsätzlicher Bedeutung.
Dr. O.......
K........
S.....