Urteil des OLG Dresden vom 07.06.2002

OLG Dresden: abnahme, gewährleistung, mangel, firma, versicherung, vertragsschluss, bauvertrag, bauunternehmen, verzicht, beweisverfahren

Aktenzeichen: 11 W 670/02
Leitsatz:
1. Zur Verjährung des Gewährleistungsanspruchs
2. Der Bürge kann auf die Einrede der Verjährung der Haupt-
schuld auch dadurch verzichten, dass er den Gewährleis-
tungsgläubiger auffordert, ein Beweisverfahren einzulei-
ten.
Vorschriften: § 13 VOB/B
§ 638 BGB
Suchbegriffe: Verjährung
Gewährleistungsanspruch
Verzicht
Bürge
konkludent
Vollmacht
2
³ ³
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 11 W 0670/02
4 OH 11/01 LG Görlitz
Beschluss
des 11. Zivilsenats
vom 07.06.2002
In dem Rechtsstreit
S.A.
,
02785 Olbersdorf
Antragsteller u. Beschwerdeführer
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
,
,
02763 Zittau
gegen
1.
Rechtsanwalt U.K. als Insolvenzverwalter über
das Vermögen des Herrn W.K.
,
01219 Dresden
2.
Ingenieur H.K.
,
02785 Olbersdorf
Antragsgegner u. Beschwerdegegner
Prozessbevollmächtigte zu 1) Rechtsanwälte
& Partner,
,
01219 Dresden
wegen Beweissicherung
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hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Amtsgericht und
Richter am Amtsgericht
beschlossen:
A.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird
der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 13.03.2002
teilweise abgeändert und, betreffend den Antragsgegner
zu 2, wie folgt gefasst:
I.
Es ist ein schriftliches Sachverständigengutachten
über die Behauptung des Antragstellers einzuholen,
dass folgende Mängel an dem von dem Baubetrieb
W.K. ausgeführten Arbeiten an dem Ge-
bäude
des
Antragstellers,
, 02785 Olbersdorf, vorliegen:
1.
In dem Außenputz aller vier Außenwände des
Hauses treten erhebliche Risse, welche teil-
weise eine Rissstärke von über einem Millime-
ter erreicht haben, auf.
2.
Im Bereich des Kellers und insbesondere des
ersten Obergeschosses treten beim Innenputz
ebenfalls Risse auf, die gleichfalls zum Teil
eine Rissstärke von mehr als einem Millimeter
innehaben.
3.
Im Bad sind die Fugen zwischen den Wandflie-
sen ebenfalls gerissen, wobei hier der Riss
direkt durch die Fliese als solches geht.
II. Dem Sachverständigen wird aufgegeben zu folgenden
Fragen des Antragstellers hinsichtlich der in Zif-
fer I angeführten Mängel Stellung zu nehmen:
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1.
Sind die unter I.1. bis 4. aufgeführten Män-
gel vorhanden?
2.
Handelt es sich bei den unter I.1. bis 4.
aufgeführten Mängeln um Bauausführungsfehler
der Firma Baubetrieb W.K. ?
3.
Gehen die unter I.1. bis 4. angeführten Män-
gel auch auf Planungsfehler bzw. auf Bauüber-
wachungsfehler des Antragstellers zu 2 zu-
rück?
4.
Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die
Mängel zu beheben?
5.
Welche Kosten sind für die fachgerechte Män-
gelbeseitigung in Ansatz zu bringen?
III. Als Sachverständiger wird bestimmt:
Dipl.-Ing. P.L. ,
02826 Görlitz.
IV. Der Sachverständige wird nur beauftragt, wenn der
Antragsteller bis zum
01.07.2002
tenvorschuss nachweist.
B.
Betreffend den Antragsgegner zu 1 wird die sofortige
Beschwerde
z u r ü c k g e w i e s e n .
Der Antragsteller hat die notwendigen Auslagen des An-
tragsgegners zu 1 im Beweisverfahren zu tragen.
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C.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben zu tragen
-
der Antragsteller die Hälfte der Gerichtskosten
und die notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu
1,
-
der Antragsgegner zu 2 die andere Hälfte der Ge-
richtskosten und die Hälfte der notwendigen Ausla-
gen des Antragstellers.
D.
Der
Streitwert
für
das
Beschwerdeverfahren
ist
EUR 8.000,00.
Gründe:
Der
Antragsteller
ist
Bauherr
des
Bauvorhabens
A in Olbersdorf.
Der Antragsgegner 1 ist der Insolvenzverwalter über das Ver-
mögen des Baubetriebes, der die Bauhauptleistungen erbracht
hatte, der Antragsgegner zu 2 ist der Architekt und Baulei-
ter.
Der Bauvertrag mit der Gemeinschuldnerin vom 24.06.96 be-
zieht die VOB/B und C in den Vertrag ein. Unstreitig ist der
Text dem Antragsteller vor Vertragsschluss nicht übergeben
worden. Der Antragsteller ist nicht vom Fach. Beim Vertrags-
schluss war der Antragsteller nicht von seinem Architekten
vertreten.
Im Vertrag selbst heißt es zur Ziffer 6 "Sicherheitsleistun-
gen":
"Der Auftraggeber darf als Sicherheit 5 % der Brutto-
schlussrechnungssumme für die vertragsgemäße Erfüllung
der Gewährleistung auf die Dauer von zwei Jahren, be-
ginnend mit der Abnahme der Bauleistung, einbehalten."
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Der Architektenvertrag mit dem Antragsgegner zu 2 datiert
vom 30.11.1995 und enthält keine Regelung zur Gewährleis-
tung.
Am 09.12.96 nahm der Antragsgegner zu 2 für den Antragstel-
ler die Werkleistung der Gemeinschuldnerin ab.
Sämtliche zitierten Schriftstücke sind Anlagen zur Antrags-
schrift.
Am 25.11.1998 zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner
zu 2 bei einer gemeinsamen Begehung als Mangel des Bauwerkes
an, dass sich im Außen- und Innenputz zahlreiche waagerechte
Risse bilden würden.
Am 15.12.98 zeigte der Antragsteller diesen Mangel auch der
Gemeinschuldnerin an.
Am 14.01.99 lehnte der Antragsgegner zu 2 schriftlich gegen-
über dem Antragsteller eine Gewährleistung für diese Mängel
ab: Weder er als planender und bauleitender Architekt noch
der Baubetrieb müssten für die Risse einstehen, sie hätten
ihre Ursache in den verwendeten Ziegeln, welche mit hohem
Lufteinschluss beim Austrocknen diese Risse verursachen wür-
den.
Am 05.01.2000 erklärte der Inhaber der Gemeinschuldnerin,
dass sein Betrieb aus Kulanzgründen bereit gewesen sei, die
Risse mit farblosem Acryl dauerelastisch zu verschließen.
Dazu sei es wegen der Insolvenz nicht mehr gekommen.
Mit Schreiben vom 16.05.2000 wollte der Antragsteller die
Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch nehmen, welche die Ge-
meinschuldnerin ihm zur Ablösung des Sicherungseinbehaltes
übergeben hatte. Der Bürge, die Versicherung, berief
sich auf das Schreiben des Antragsgegners zu 2 vom 14.01.99
und lehnte eine Leistung aus der Bürgschaft ab; für den
Fall, dass es dem Antragsteller gelinge, im selbstständigen
Beweisverfahren eine Verantwortung des Bauunternehmers für
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die Risse nachzuweisen, kündigte die Bürgin Leistung aus der
Bürgschaft und Übernahme der Kosten des Beweisverfahrens an
(Schreiben vom 29.05.2000, Anlage K 8). Der Antragsgegner
zu 1 berief sich darauf, dass ein möglicher Gewährleistungs-
anspruch jedenfalls verjährt sei und leugnete entsprechend
dem Schreiben des Antragsgegners zu 2 vom 14.01.99 eine Ge-
währleistungspflicht der Gemeinschuldnerin.
Am 20.11.2001 ging der Antrag auf Durchführung des selbst-
ständigen Beweisverfahrens beim Landgericht ein.
Der Antragsgegner zu 2 hat sich bisher am Verfahren nicht
beteiligt.
Das Landgericht lehnte mit Beschluss vom 13.03.2002 die Er-
öffnung des selbstständigen Beweisverfahrens ab und gab dem
Antragsteller die Kosten auf. Der Antragsteller habe kein
rechtliches Interesse an der Durchführung des Verfahrens,
nachdem die Gewährleistungsansprüche verjährt seien. Es kön-
ne dahinstehen, ob schon mit Vertragsschluss eine zweijähri-
ge Gewährleistungsfrist vereinbart sei, denn mit der Abnahme
vom 09.12. sei spätestens die zweijährige Verjährungsfrist
vereinbart worden. In Ziffer 3 des Abnahmeprotokolls heißt
es unter der Überschrift "Gewährleistung":
"Die Gewährleistung nach § 13 VOB/B beginnt am 20.12.96
und endet nach zwei Jahren. Für die ausgeführte Minder-
dicke der vertikalen Bauwerksabdichtung wird eine Ga-
rantieverlängerung auf vier Jahre vereinbart (siehe
Protokoll vom 27.08.96)."
Diesen Beschluss greift der Antragsteller mit der form- und
fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde an. Das Land-
gericht half der Beschwerde nicht ab, weil der Antragsteller
von einem VOB-kundigen Architekten vertreten gewesen sei und
legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nur zum Teil be-
gründet. Der Antragsgegner zu 1 kann sich mit Erfolg darauf
berufen, dass der Gewährleistungsanspruch gegen ihn verjährt
sei. Damit fehlt dem Antragsteller das rechtliche Interesse
an der Durchführung des Beweisverfahrens ihm gegenüber
(nachstehend unter A).
Der Gewährleistungsanspruch des Klägers gegen den Antrags-
gegner zu 2 ist dagegen noch nicht verjährt, insoweit hat
der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Durchfüh-
rung des selbstständigen Beweisverfahrens (nachstehend B).
A.
Gewährleistungsanspruch gegen das Bauunternehmen K.
1.
Anspruch gegen die Gemeinschuldnerin selbst
Der Anspruch ist verjährt, unabhängig davon, ob die Ge-
währleistung durch Einbeziehung der VOB/B in den Bau-
vertrag oder durch eigenständige Vereinbarung bei der
Abnahme auf zwei Jahre abgekürzt worden ist oder nicht.
Für den Fall, dass die Gewährleistungsfrist auf zwei
Jahre verkürzt worden ist, ergibt sich das unmittelbar
aus dem Zeitablauf. Abgenommen ist am 09.12.1996 gemäß
Ziffer 3 des Protokolls. Sollte die Gewährleistung für
den Fall der Einbeziehung der VOB am 20.12.96 beginnen,
endete sie mit dem 20.12.98. Die Mängelanzeige vom
15.12.98 hätte die Verjährung gemäß § 13 Ziffer 5 VOB/B
unterbrochen,
sie
wäre
endgültig
abgelaufen
am
15.12.2000, kurz vor Antragstellung.
Für den Fall, dass die VOB/B nicht wirksam vereinbart
worden ist, und für den Fall, dass der Architekt (der
Antragsgegner zu 2), welcher die Abnahme durchgeführt
und als einziger unterschrieben hat, nicht dazu berech-
tigt sein sollte, die Gewährleistung durch Einbeziehung
von § 13 VOB/B auf zwei Jahre zu verkürzen, hat ihm
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auch die rechtliche Befugnis gefehlt, die Gewährleis-
tungsfrist vom Tag der Abnahme, dem 09.12.96, auf den
20.12.96 zu verschieben. Dann ist nach BGB a.F. die Ge-
währleistungsfrist am 09.12.2000 abgelaufen, ebenfalls
vor Eingang der Antragsschrift.
Man kann auch nicht sagen, der Antragsteller habe mit
dem Antrag, den er ersichtlich mit Bezug auf Ziffer 3
des Abnahmeprotokolls am 17.12.2001 bei Gericht einge-
reicht hat, die (möglicherweise) vollmachtlose Verein-
barung für die Gewährleistungsfrist teilweise geneh-
migt, nämlich soweit, als sie ihn durch Verschiebung
des Beginns der Gewährleistungsfrist auf den 20.12.96
günstig gewesen ist. Eine solche Aufspaltung des ein-
heitlichen rechtsgeschäftlichen Vorganges "Vereinbarung
über die Gewährleistungsfrist" ist nicht möglich.
Der Ablauf der Gewährleistungsfrist ist auch nicht
durch Verhandlungen über die Frage, ob ein Mangel vor-
liegt oder nicht, zwischen dem 25.11.1998 und dem
14.01.1999 gehemmt gewesen. Eine Hemmung des Ablaufes
der Gewährleistungsfrist durch Verhandlungen ist grund-
sätzlich möglich, das kann auch stillschweigend gesche-
hen. Eine solche Hemmung durch Verhandlungen setzt aber
voraus, dass die Parteien ein Bewusstsein davon haben,
dass durch die Verhandlung der Ablauf der Gewährleis-
tungszeit beeinflusst werden könnte. Hier sind beide
Parteien davon ausgegangen, dass die VOB/B gelten wür-
de. So steht es im Vertrag, so steht es im Abnahmepro-
tokoll. Wenn sie aber die Vorstellung hatten, es würde
die VOB/B gelten, dann gab es keinen Anlass, über eine
Hemmung der Gewährleistungsfrist auch nur nachzudenken,
weil der Gewährleistungsanspruch in unverjährter Zeit
geltend gemacht gewesen ist und weil es nach der VOB/B
ausreicht, den Anspruch anzumelden, um ihn auch nach
Ablauf der Gewährleistungszeit noch durchsetzen zu kön-
nen.
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2.
Anspruch gegen die Bürgin
Im Schreiben vom 29.05.2000 hat die Versicherung,
die Bürgin des Gewährleistungsanspruches, gegen das
Bauunternehmen K. auf die Einrede der Verjährung
nicht verzichtet. Ein solcher Verzicht wäre denkbar,
weil die Bürgin in Absatz 3 ausdrücklich schreibt:
"Wir stellen Ihnen anheim, ein Beweissicherungs-
gutachten über den aufgetretenen Mangel durch ei-
nen öffentlich bestellten und vereidigten Sachver-
ständigen anfertigen zu lassen, dessen Kosten im
Rahmen unserer Bürgschaftsverpflichtung dann er-
stattungsfähig sind, wenn das Gutachten die Ver-
antwortlichkeit des o.g. Auftragnehmers für den
aufgetretenen Mangel feststellt ...".
Wenn die Bürgin diesen Satz in verjährter Zeit ge-
schrieben hätte, hätte sie auf die Einrede der Verjäh-
rung stillschweigend verzichtet.
Am 29.05.2000 war der Anspruch aber auch dann noch
nicht verjährt, wenn man nach unbefangener Lektüre von
Bauvertrag und Abnahmeprotokoll von der Geltung der VOB
ausging. Nach VOB/B war der Ablauf der Gewährleistungs-
frist durch die Mangelanzeige vom 14.12.1998 unterbro-
chen, begann neu zu laufen und endete erst am
14.12.2000. Hätte der Antragsteller zwischen dem 29.05.
und dem 14.12.2000 seinen Antrag auf Durchführung des
selbstständigen Beweisverfahrens eingereicht, wäre das
rechtzeitig gewesen. Unter diesen Umständen kann man
dem Schreiben der Versicherung vom 29.05.2000 keinen
stillschweigenden Verzicht auf die Verjährungseinrede
entnehmen.
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B.
Anspruch gegen den Antragsteller zu 2
Der Gewährleistungsanspruch gegen den planenden und baulei-
tenden Architekten ist noch nicht verjährt.
Im Architektenvertrag gibt es keinen Anhaltspunkt dafür,
dass die fünfjährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsan-
sprüche nach BGB für Werkleistungen nicht gelten solle. Die
Gewährleistungsfrist beginnt mit der Abnahme des gesamten
Architektenwerkes. Das Bauunternehmen K. hat nicht
schlüsselfertig gebaut. Nach den Bauhauptleistungen der Fir-
ma K. war noch der Fußboden zu verlegen, Sanitär und
Elektrik zu installieren und zu malen. Da der Antragsgegner
zu 2 die Objektüberwachung und die Objektbetreuung und Doku-
mentation auszuführen hatte, kann die Abnahme des Architek-
tenwerks erst einige Zeit nach der Abnahme der Leistungen
der Firma K. geschehen sein. Da die fünfjährige Gewähr-
leistungszeit selbst bei einer Abnahme am 09.12.1996 mit
Einreichung des Antrages am 17.12.2001 nur um Tage über-
schritten ist, ist es schwer vorstellbar, dass die Gewähr-
leistungsfrist des Antragsgegners zu 2 tatsächlich schon ab-
gelaufen sein sollte. Im Übrigen hat er sich bisher auch auf
die Einrede der Verjährung nicht berufen.
Die Kostenentscheidung folgt daraus, dass die Beschwerde
betreffend den Antragsgegner zu 1 erfolglos, betreffend den
Antragsgegner zu 2 dagegen erfolgreich war.