Urteil des OLG Dresden vom 07.09.2004
OLG Dresden: unerlaubte handlung, gerichtsstand des erfüllungsortes, einseitiges rechtsgeschäft, einzelrichter, verbraucher, hauptsache, versandhandel, begriff, geschäftsführer, bringschuld
Für  Klagen  aus  Gewinnversprechen  (  §  661  a  BGB)  ist  der  Ge-
richtsstand  der  unerlaubten  Handlung  gem.  §  32  ZPO  grund-
sätzlich nicht gegeben.
OLG Dresden, 8. Zivilsenat, Beschluss vom 07.09.2004,
Az: 8 W 670/04
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 8 W 0670/04
3 O 636/04 LG Leipzig
Beschluss
des 8. Zivilsenats
vom 07.09.2004
In dem Rechtsstreit
,
,
-Antragstellerin/Beschwerdeführerin-
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt              ,
,
gegen
GmbH
vertr. d. d. Geschäftsführer
,
,
-Antragsgegnerin-
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte                ,
,
wegen Gewinnzusage
hier: Prozesskostenhilfe
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hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Richter am Oberlandesgericht Bokern
als Einzelrichter
beschlossen:
1.
Die  sofortige  Beschwerde  der  Antragstellerin  gegen  den
Beschluss  des  Einzelrichters  der  3.  Zivilkammer  des
Landgerichts  Leipzig  vom  12.05.2004  wird  auf  ihre  Kos-
ten zurückgewiesen.
2.
Der  Antrag  der  Beschwerdeführerin,  ihr  für  das  Be-
schwerdeverfahren
Prozesskostenhilfe
zu
bewilligen,
wird abgelehnt.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
Über  die  gem.  § 127  Abs. 2  Sätze  2  und  3  i.V.m.  §§ 567  ff.
ZPO  zulässige  sofortige  Beschwerde  hat  der  Senat  durch  den
Einzelrichter
zu
entscheiden
(§ 568
Satz 1
ZPO).
Das
Rechtsmittel  ist  unbegründet.  Zu  Recht  hat  das  Landgericht
die  Bewilligung  von  Prozesskostenhilfe  mangels  hinreichender
Erfolgsaussicht versagt (§ 114 ZPO).
1.
Das  Landgericht  hat  seine  Entscheidung  darauf  gestützt,
es  sei  für  die  beabsichtigte  Klage  gegen  die  nach  Dar-
stellung  der  Beschwerdeführerin  hinter  der  Versenderin
stehende  Antragsgegnerin  - die  die  fehlende  Hauptsache-
zuständigkeit  des  angerufenen  Gerichts  ausdrücklich  ge-
rügt  hat  -  örtlich  unzuständig.  Das  ist  frei  von
Rechtsfehlern.
a)
Wie  das  Landgericht  zutreffend  ausgeführt  hat  und
auch
die
Beschwerdeführerin
nicht
in
Zweifel
zieht,  bestimmt  sich  der  Gerichtsstand  des  Erfül-
lungsortes  (§ 29  Abs. 1  ZPO)  für  Zahlungsansprüche
aus  Gewinnzusagen  im  Sinne  von  § 661a  BGB  grund-
sätzlich  nach  dem  Sitz  des  in  Anspruch  genommenen
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Unternehmens  (vgl.  BGHZ  120,  334  [347  f.]  für
Kaufpreisklage;  Smid,  in:  Musielak,  ZPO,  3.  Aufl.,
§ 29  Rn. 25  allgemein  für  Geldschulden;  vgl.  auch
Patzina,  in:  MüKo-ZPO,  2.  Aufl.,  § 29  Rn. 88  für
Klagen  gegen  Versandhändler).  Ein  Sonderfall,  in
dem  die  Verpflichtung  aus  § 661a  BGB  kraft  Partei-
vereinbarung  als  Bringschuld  zu  qualifizieren  ist
(vgl.  hierzu  OLG  Nürnberg,  NJW  2002,  3637  [3640]),
liegt hier nicht vor.
b)
Der  besondere  Gerichtsstand  der  unerlaubten  Hand-
lung  (§ 32  ZPO)  ist  nicht  eröffnet.  Die  Versendung
der  streitgegenständlichen  Gewinnzusage  in  Höhe
von  25.000,00  Euro,  die  die  Beschwerdeführerin  der
Antragsgegnerin  zurechnen  will,  stellt  keine  uner-
laubte  Handlung  im  Sinne  von  § 32  ZPO  dar.  Der
Einzelrichter  tritt  den  überzeugenden  Ausführungen
des  Landgerichtes  bei  und  verweist  zur  Vermeidung
von  Wiederholungen  auf  diese.  Das  Urteil  des  Bun-
desgerichtshofs  vom  28.11.2002  (BGHZ  153,  82;  e-
benso  bereits  Senat,  Urteil  vom  19.12.2001  -  8  U
2256/01, OLGR Dresden 2002, 281), auf das sich das
Oberlandesgericht  Karlsruhe  zur  Begründung  seiner
gegenteiligen  Auffassung  (OLGR  Karlsruhe  2004,  255
[256])  maßgeblich  bezieht,  steht  dem  nicht  entge-
gen.  Ausdrücklich  hat  der  Bundesgerichtshof  in  der
zitierten  Entscheidung  hervorgehoben,  dass  der
Begriff  der  "unerlaubten  Handlung"  im  Sinne  des
Art. 5  Nr. 3  EuGVÜ  (jetzt  Art. 5  Nr. 3  EuGVVO)  au-
tonom  auszulegen  und  in  einem  weit  gefassten  Sinne
zu  verstehen  sei  (a.a.O.,  Seite 90  f.).  Für  dieses
weite,  die  Einbeziehung  unlauterer  Gewinnverspre-
chen  ermöglichende  Verständnis  spricht  nicht  zu-
letzt  der  Wortlaut  des  Art. 5  Nr. 3  EuGVÜ.  Danach
ist  in  Fällen  mit  Auslandsbezug  die  gerichtliche
Inanspruchnahme  am  Ort  des  schädigenden  Ereignis-
ses  möglich,  "wenn  eine  unerlaubte  Handlung  oder
eine  Handlung,  die  einer  unerlaubten  Handlung
gleichgestellt  ist,  oder  wenn  Ansprüche  aus  einer
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solchen  Handlung  den  Gegenstand  des  Verfahrens
bilden".  Einen  ebenso  weit  reichenden  Anwendungs-
bereich  hat  § 32  ZPO,  der  für  Inlandsfälle  bei
"Klagen  aus  unerlaubten  Handlungen"  eingreift,
schon  seinem  Wortlaut  nach  nicht.  Im  Übrigen  kommt
der Zweck dieser Vorschrift, soweit er auf dem Ge-
danken  der  Sachnähe  beruht  und  darin  besteht,  dem
Geschädigten  die  Sachaufklärung  und  Beweiserhebung
am  Begehungsort  des  Deliktes  zu  ermöglichen  (Zöl-
ler-Vollkommer,
ZPO,
24.
Aufl.,
§ 32
Rn. 1
m.w.N.),  bei  Gewinnzusagen  im  Versandhandel  mit
Blick  auf  den  Wohnsitz  des  Empfängers  regelmäßig
nicht  zum  Tragen.  Trotz  gewisser  wettbewerbsrecht-
licher  Elemente  lässt  sich  in  Fällen  des  § 661a
BGB  die  Annahme  einer  unerlaubten  Handlung  im  Sin-
ne  von  § 32  ZPO  auch  nicht  mit  einer  allgemeinen
Parallele
zur
zivilrechtlichen
Verfolgung
von
Wettbewerbsverstößen  begründen  (so  aber  OLG  Karls-
ruhe  a.a.O.),  für  die  der  besondere  Gerichtsstand
des § 32 ZPO häufig eröffnet ist. Entscheidend ist
letztlich  vielmehr,  dass  § 661a  BGB  an  die  als
einseitiges  Rechtsgeschäft  oder  geschäftsähnliche
Handlung  zu  beurteilende  Gewinnzusage  anknüpft  und
dem
Verbraucher
keinen
Schadensersatzanspruch,
sondern  einen  Erfüllungsanspruch  auf  den  zugesag-
ten  Preis  gibt  (BGH  NJW  2003,  3620  [3621]).  Dies
erlaubt  es  nicht,  den  - wie  hier -  allein  auf  der
Grundlage  des  § 661a  BGB  in  Anspruch  genommenen
Versender  ohne  weiteres  als  Täter  einer  unerlaub-
ten Handlung im Sinne von § 32 ZPO anzusehen.
2.
Ob  sich  die  Versagung  von  Prozesskostenhilfe,  wie  das
Landgericht  weiter  meint,  auch  darauf  stützen  lässt,
die beabsichtigte Klage sei aus den Gründen der in NJW-
RR  2002,  1632  abgedruckten  Entscheidung  des  Oberlandes-
gerichts  Düsseldorf  unbegründet,  kann  nach  dem  Gesagten
offen  bleiben.  Anzumerken  ist  insoweit  allerdings,  dass
der  Bundesgerichtshof  die  vom  Landgericht  zitierte  und
zahlreiche  weitere  Parallelentscheidungen  des  Oberlan-
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desgerichts  Düsseldorf  aufgehoben  und  für  die  jeweils
beabsichtigte  Klage  Prozesskostenhilfe  gewährt  hat,
weil  die  rechtsgrundsätzliche  Frage,  wer  als  Versender
der Gewinnzusage im Sinne von § 661a BGB anzusehen sei,
nicht  im  summarischen  Prozesskostenhilfeverfahren  ab-
schließend  beantwortet  werden  dürfe  (z.B.  BGH,  Be-
schluss  vom  19.12.2002  -  NJW  2003,  1192;  Beschluss  vom
27.02.2003
-
NJW-RR
2003,
1001;
Beschluss
vom
31.07.2003  -  NJW-RR  2003,  1438).  Während  das  Oberlan-
desgericht  Düsseldorf  in  der  Hauptsache  bei  seiner  en-
gen  Auslegung  des  Versenderbegriffs  geblieben  ist  (Ur-
teil  vom  22.12.2003  -  VuR  2004,  67;  Aktenzeichen  des
Revisionsverfahrens:  BGH  III  ZR  104/04),  hält  das  Ober-
landesgericht  Frankfurt  eine  weite  Auslegung  für  gebo-
ten  (Urteil  vom  18.12.2003  -  Volltext  in  Juris;  Akten-
zeichen des Revisionsverfahrens: BGH III ZR 112/04).
3.
Die  Kostenentscheidung  ergibt  sich  aus  § 97  Abs. 1  ZPO.
Eine  Streitwertfestsetzung  ist  entbehrlich,  da  für  das
Beschwerdeverfahren  nur  eine  Pauschalgebühr  zu  erheben
ist  und  eine  außergerichtliche  Kostenerstattung  nicht
stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
4.
Das  Begehren  der  Beschwerdeführerin,  ihr  für  das  Be-
schwerdeverfahren
Prozesskostenhilfe
zu
bewilligen,
scheitert  bereits  an  den  fehlenden  Erfolgsaussichten
des  Rechtsmittels.  Unabhängig  davon  kann  für  das  Pro-
zesskostenhilfebeschwerdeverfahren  grundsätzlich  keine
Prozesskostenhilfe
gewährt
werden
(vgl.
Zöller-
Philippi,  ZPO,  24.  Aufl.,  § 114  Rn. 3;  OLG  Karlsruhe
JurBüro 1994, 606 f., jeweils m.w.N.).
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5.
Die  Rechtsbeschwerde  war  nicht  zuzulassen.  Im  Verfahren
der  Prozesskostenhilfe  kommt  eine  Zulassung  der  Rechts-
beschwerde  mit  Blick  auf  § 574  Abs. 2  Nr. 1,  Nr. 2  ZPO
nur  in  Betracht,  wenn  es  um  spezielle  Fragen  des  Ver-
fahrens  der  Prozesskostenhilfe  oder  der  persönlichen
Voraussetzungen  ihrer  Bewilligung  geht  (BGH  NJW-RR
2003, 1001 f.). Solche Fragen stellen sich hier nicht.
Bokern