Urteil des OLG Dresden vom 30.09.2009

OLG Dresden: eröffnung des verfahrens, verfügungsbefugnis, erfüllung, ausnahme, unabhängigkeit, unternehmen, geschäftsjahr, beteiligter, erlöschen, hamburger

Leitsätze
1.
Der Prüfungsauftrag des Abschlussprüfers endet, so-
weit nicht ein Fall des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO vorliegt,
jedenfalls dann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der prüfungspflichtigen Gesellschaft, wenn
der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Prüfungsauf-
trags wählt.
2.
Nach § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO bleibt eine bereits vor
vor der Verfahrenseröffnung vorgenommene Bestellung eines
Abschlussprüfers durch die Eröffnung nur dann unberührt,
wenn diese sich auf das mit ihr endende Rumpfgeschäftsjahr
bezieht. Für vorher liegende Geschäftsjahre hat die Be-
stellung nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO auf Antrag des Insol-
venzverwalters durch das Registergericht zu erfolgen.
OLG Dresden, 13. Zivilsenat, Beschluss vom 30.09.2009, Az.:
13 W 0281/09
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Oberlandesgericht
Dresden
13. Zivilsenat
Aktenzeichen: 13 W 0281/09
41 HKT 3/08 LG Dresden
Beschluss
des 13. Zivilsenats
vom 30.09.2009
In dem Rechtsstreit
Handelsregistersache
vertreten durch den Vorstand,
RA
als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Bank AG,
- Beteiligter zu 1), Antragsteller und Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ............ &
.......,
................,
............
Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
vertreten durch den Vorstand,
- Beteiligte zu 2), Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .......,
.................,
...............
wegen Bestellung eines Abschlussprüfers
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hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Richterin am Oberlandesgericht ....,
Richterin am Oberlandesgericht ...... und
Richter am Oberlandesgericht ......
beschlossen:
1.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2)
gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom
26.02.2009, Az.: 41 HKT 3/08, wird zurückgewiesen.
2.
Von der Anordnung einer Kostenerstattung wird abgese-
hen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
der ... Bank AG (Schuldnerin), das mit Wirkung vom
16.07.2003 eröffnet wurde. Er begehrt die gerichtliche
Bestellung eines Abschlussprüfers für die Prüfung der
Jahresabschlüsse
der
Schuldnerin
zum
31.12.2000
und
31.12.2001.
Die Hauptversammlung der Schuldnerin wählte mit Beschlüssen
vom 20.07.2000 und vom 26.07.2001 für die Prüfung der Jah-
resabschlüsse zum 31.12.2000 und 31.12.2001 die Beteiligte
zu 2) als Abschlussprüferin, die die entsprechenden Prüfauf-
träge annahm. Die von der Schuldnerin erstellten Jahresab-
schlüsse prüfte die Beteiligte zu 2) und versah sie mit ei-
nem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
Auf eine, vom Antragsteller gegen die Schuldnerin, vertreten
durch ihren Vorstand, erhobene Klage, erklärte das Landge-
richt Dresden - Kammer für Handelssachen - die festgestell-
ten Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2000 und
31.12.2001 mit Versäumnisurteil vom 01.03.2007 für nichtig
(44 O 450/05). Das Urteil wurde rechtskräftig.
Mit Antrag vom 19.12.2007, eingegangen beim Amtsgericht
Dresden – Registergericht - am 24.12.2007 beantragte der An-
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tragsteller, unter Abberufung der Beteiligten zu 2) als Ab-
schlussprüferin die ............W GmbH Wirtschaftsprüfungs-
gesellschafterin zur Abschlussprüferin gemäß § 316 HGB für
die
Prüfung
der
Jahresabschlüsse
zum
31.12.2000
und
31.12.2001 zu bestellen. Zur Begründung hat sich der An-
tragsteller unter Bezugnahme auf die Anspruchsbegründung in
einem, gegen die Beteiligte zu 2) geführten Haftungsprozess
darauf berufen, die Beteiligte zu 2) sei befangen im Sinne
des § 319 Abs. 2 HGB und genieße nicht das Vertrauen des An-
tragstellers.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Ein Antrags-
recht nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO bestehe nicht, weil die-
ses sich nur auf die im Insolvenzverfahren zu bestellenden
Abschlussprüfer beziehe. Die Wirksamkeit der Bestellung ei-
nes, vorher von den Gesellschaftsorganen wirksam bestellten,
Abschlussprüfers bliebe von der Eröffnung des Insolvenzver-
fahrens unberührt. Eine gerichtliche Ersetzung des Ab-
schlussprüfers nach § 318 Abs. 3 HGB komme ebenfalls nicht
in Betracht, weil der Antragsteller insoweit die Zwei-
Wochen-Frist des § 318 Abs. 3 Satz 2 HGB nicht eingehalten
habe. Die Frist habe mit dem Bekanntwerden der befangen-
heitsbegründenden Umständen begonnen, hier spätestens mit
der Rechtskraft des Urteils, mit dem die Jahresabschlüsse
2000 und 2001 für nichtig erklärt worden seien.
Das Landgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts aufge-
hoben, soweit der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Bestel-
lung der Abschlussprüferin zurückgewiesen wurde. Gegen die
am 16.03.2009 zugestellte Entscheidung richtet sich die am
23.03.2009 eingegangene weitere Beschwerde der Beteiligten
zu 2).
II.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2) bleibt ohne Erfolg.
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1.
Das als sofortige weitere Beschwerde nach §§ 146
Abs. 2, 29 Abs. 2 FGG statthafte Rechtsmittel ist zu-
lässig.
a)
Die Einlegungsfrist von zwei Wochen (§§ 29 Abs. 4,
22 Abs. 1 FGG) wurde eingehalten. Der Beschluss
des Landgerichts wurde der Beteiligten zu 2) am
16.03.2009 zugestellt. Ihr Rechtsmittel ging am
23.03.2009 beim Landgericht Dresden ein.
b)
Die Beteiligte zu 2) ist beschwerdeberechtigt
(§ 20 Abs. 1 FGG). Nach der Entscheidung des Land-
gerichts hat das Amtsgericht nunmehr einen neuen
Abschlussprüfer für die Prüfung der Jahresab-
schlüsse zum 31.12.2000 und 31.12.2001 zu bestel-
len. Von dieser Entscheidung ist die Rechtsstel-
lung der Beteiligten zu 2), die sich als bestellte
Abschlussprüferin ansieht, betroffen.
2.
Die sofortige weitere Beschwerde ist aber unbegründet.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich
zumindest im Ergebnis als richtig (§§ 27 Abs. 1 FGG,
446, 561 ZPO).
a)
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Nach der
Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse
müssten neue Jahresabschlüsse aufgestellt werden.
Das der Beteiligten zu 2) erteilte Prüfungsmandat
sei mit der Vornahme der ersten Prüfung und ab-
schließend erfolgter Testierung beendet. Die Be-
stellung des Abschlussprüfers sei nach §§ 155
Abs. 3 InsO, 318 Abs. 1 HGB durch das Registerge-
richt vorzunehmen.
b)
Die Entscheidung erweist sich jedenfalls aus ande-
ren Gründen als richtig.
Der Senat lässt offen, ob außerhalb des Insolvenz-
verfahrens das Mandat des Abschlussprüfers beste-
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hen bleibt, wenn der geprüfte und testierte Jah-
resabschluss sich nachfolgend als nichtig erweist
(bejahend: Forster, Festschrift für Welf-Müller
zum 65. Geburtstag, Seite 183; verneinend: Kowals-
ki, AG 1993, 502, 506). Der Prüfungsauftrag endet,
soweit nicht ein Fall des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO
vorliegt, jedenfalls dann mit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens, wenn der Insolvenzverwalter
nicht die Erfüllung wählt.
aa) Im Ausgangspunkt ist zwar zwischen dem handels-
rechtlichen Prüfungsauftrag einerseits und dem ihm
zugrunde liegenden schuldrechtlichen Prüfungsver-
trag zu differenzieren. Die Stellung als Ab-
schlussprüferin steht und fällt allerdings mit der
Wirksamkeit
des
Prüfungsvertrages
(Ebke,
in:
Münchner Kommentar, HGB, 2. Aufl., § 318 Rn. 22).
bb) Der zwischen dem prüfungspflichtigen Unternehmen
und dem Abschlussprüfer geschlossene Prüfungsver-
trag endet, wenn nicht das Geschäftsjahr vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens betroffen ist,
jedenfalls dann mit der Verfahrenseröffnung, wenn
der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung wählt.
(1) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der
Prüfungsvertrag, der ungeachtet seiner umstritte-
nen Rechtsnatur (vgl. dazu Ebke, a.a.O., Rn. 23)
eine Geschäftsbesorgung im Sinne der §§ 115, 116
InsO zum Inhalt hat, nach diesen Vorschriften er-
lischt (so wohl Füchsl/Weißhäupl, Münchner Kommen-
tar, InsO, 2. Aufl., § 155 Rn. 21) oder - weil die
Geschäftsbesorgung sich nicht auf das zur Masse
gehörende Vermögen bezieht - dessen Schicksal nach
§ 103 InsO von der Erfüllungswahl des Insolvenz-
verwalters abhängt (so Adler/Düring/Schmalz, Rech-
nungslegung und Prüfung von Unternehmen, 6. Aufl.,
§ 318 Rn. 258), denn hier hat der Antragsteller
die Erfüllung abgelehnt.
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(2) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 155 Abs. 3
Satz 2 InsO sieht diese Norm nur für das mit der
Eröffnung des Verfahrens endende Geschäftsjahr ei-
ne Ausnahme vor (vgl. auch Füchsl/Weishäupl,
a.a.O., § 155 Rn. 21). Der Senat vermag der in
der Literatur vertretenen Ansicht, nach der diese
Regelung auch für frühere Geschäftsjahre gilt
(Kübler, in: K/P/P, InsO, § 155 Rn. 69), nicht
beizutreten.
(2.1) Die Vorschriften der §§ 103 bzw. §§ 115, 116 InsO
dienen der Sicherung der Verfügungsbefugnis des
Insolvenzverwalters hinsichtlich der Insolvenz-
masse. Der Insolvenzverwalter soll bezogen auf
die bei Verfahrenseröffnung schwebenden Geschäfte
selbst entscheiden können, ob und gegebenenfalls
in welchem Umfang sie zu Lasten der Masse nach
Verfahrenseröffnung erfüllt werden (Ahrendt, Ham-
burger Kommentar, InsO, 3. Aufl., § 103 Rn. 1)
und - damit zusammenhängend -, ob und inwieweit
Leistungen aus der Masse hierfür gewährt werden
(§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Zur Sicherung der Ver-
fügungsbefugnis des Verwalters erlöschen sämtli-
che auf die Insolvenzmasse bezogenen Aufträge
nach § 115 InsO. Die Vorschrift des § 155 Abs. 3
Satz 2 InsO stellt vor dem Hintergrund der von
der Verfahrenseröffnung grundsätzlich unberührt
bleibenden Rechnungslegungspflichten eine Ausnah-
me zu diesen allgemein geltenden Bestimmungen
dar.
(2.2) Es ist nicht zu ersehen, dass eine vom Wortlaut
abweichende Auslegung dieser Bestimmung zwingend
geboten wäre. Die Anwendung der dem Schutz der
Unabhängigkeit
des
Abschlussprüfers
dienenden
Vorschrift des § 318 Abs. 1, 3 HGB erscheint nach
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr
zwingend geboten. Die Unabhängigkeit des Ab-
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schlussprüfers wäre auch dann, wenn dem Insol-
venzverwalter das Wahlrecht gemäß § 103 InsO zu-
stünde, nicht gefährdet, weil dieses in erster
Linie der Wahrung der Masseinteressen dient und
aufgrund des durch § 80 InsO bewirkten Wechsels
der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Ge-
fahr
der
missbräuchlichen
Wahlrechtsausübung
nicht in gleicher Weise besteht, wie es bei einem
allgemeinen freien Widerrufsrecht des Auftragge-
bers anzunehmen wäre. Auch die Bindung an den le-
diglich im Innenverhältnis der Gesellschaftsorga-
ne wirkenden Wahlakt der Gesellschafter nach
§ 318 Abs. 1 Satz 1 HGB stellt keinen zwingenden
Grund für die Fortwirkung des Prüfungsauftrages
dar, denn der Insolvenzverwalter soll nach dem
Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
über die Insolvenzmasse gerade von solchen Bin-
dungen frei sein.
III.
Die Anordnung einer Kostenerstattung ist aus Billigkeits-
gründen nicht geboten (§ 313a Abs. 1 FGG).
V...
B.....
S.....