Urteil des OLG Dresden vom 13.02.2002

OLG Dresden: rechtskraft, beendigung, fristablauf, prozesskosten, bfa, verfügung, auskunft, gebühr, wohnkosten, anstalt

Oberlandesgericht Dresden
Dresden, 13. Februar 2002
22. Zivilsenat - Familiensenat -
Der Vorsitzende
22 WF 470/00
L e i t s a t z
zum Beschluss des 22. Zivilsenats - Familiensenat -
vom 12. Februar 2002
Die in § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO bestimmte Frist beginnt, wenn
einem Scheidungsantrag gemäß § 628 ZPO vor der Entscheidung
über eine Folgesache - hier Versorgungsausgleich -
stattgegeben wird, nicht bereits mit der Rechtskraft des
Scheidungsausspruchs, sondern erst mit der Rechtskraft der
Entscheidung über die Folgesache, oder wenn in der
Folgesache eine "sonstige Beendigung des Verfahrens"
eintritt.
2
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 22 WF 0470/00
30 F 216/94 AG Leipzig
Beschluss
des 22. Zivilsenats - Familiensenat -
vom 12. Februar 2002
In der Familiensache
A
xxxxxxxxxx xxx xx,
xxxxx xxxxxxx
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
- im Beschwerdeverfahren anwaltschaftlich nicht vertreten -
gegen
L
xxxxxxx xxxxxx x,
xxxxx xxxxxxx
Antragsgegner
Weitere Beteiligte:
Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht xxxxxxx,
xxxxxxxx-xxxxxx-xxxxxx xx, xxxxx xxxxxxx
Gz.: x xxx/xx
wegen Ehescheidung
hier: Prozesskostenhilfe
3
hat der 22. Zivilsenat - Familiensenat - des
Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx,
Richter am Landgericht xxxxxxxxx und
Richterin am Amtsgericht xxxxxxxxxx
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichtes - Familiengericht - Leipzig vom 26.05.2000
wird zurückgewiesen.
I.
Im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren wurde die Ehe der
Antragstellerin mit dem Antragsgegner durch Urteil des
Amtsgerichtes - Familiengericht - Leipzig vom 07.03.1996
rechtskräftig geschieden. Der Antragstellerin war durch
Beschluss des Familiengerichtes vom 25.05.1994 ratenfreie
Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Zum damaligen Zeitpunkt verfügte die Antragstellerin über
Erwerbseinkünfte in einer Größenordnung von 2.700,00 DM
monatlich.
Nach Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse wurde durch Beschluss des Familiengerichtes vom
26.05.2000 in Abänderung des ursprünglichen
Prozesskostenhilfebeschlusses vom 25.05.1994 angeordnet,
dass die Antragstellerin am 01.08.2000 eine Einmalzahlung in
Höhe von 2.501,37 DM zu leisten hat. Zur Begründung wurde
ausgeführt, dass ausgehend von einem monatlichen
Nettoeinkommen von 4.766,90 DM sowie Unterhaltszahlungen in
Höhe von 350,00 DM und Kindergeld in Höhe von 540,00 DM nach
Abzug des Parteifreibetrages in Höhe von 672,00 DM, der
4
Freibeträge für zwei Kinder in Höhe von jeweils 473,00 DM,
des Erwerbstätigenbonus, der Kranken- und Pflegeversicherung
in Höhe von 894,60 DM und 50,20 DM, der Rentenversicherung
in Höhe von 350,00 DM, der Unfallversicherung in Höhe von
49,00 DM sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe
von 529,15 DM und der geltend gemachten Werbungskosten in
Höhe von insgesamt 228,53 DM (103,53 DM + 125,00 DM) sich
ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 1.676,42 DM
errechne, woraus sich eine Monatsrate in Höhe von 776,42 DM
ergebe. Allerdings dürfe Prozesskostenhilfe nur bewilligt
werden, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier
Monatsraten übersteigen würden.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem als
Erinnerung bezeichneten Schreiben vom 16.06.2000, mit dem
sie geltend macht, dass die Entscheidung des
Familiengerichtes nicht innerhalb von vier Jahren ergangen
sei.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.07.2000 der
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist
unbegründet.
1.
Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die
Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn
sich die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
wesentlich geändert haben. Eine solche Änderung liegt hier
vor, denn die Antragstellerin verfügt mittlerweile nicht
mehr über einen monatlichen Bruttoarbeitslohn in Höhe von
2.700,00 DM, welcher dem ursprünglichen Prozesskostenhilfe-
Bewilligungsbeschluss am 25.05.1994 zugrunde gelegt worden
5
war, sondern über ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe
von 6.000,00 DM.
Anhaltspunkte dafür, dass in den Jahren 2001 und 2002 durch
die Antragstellerin ein geringeres Einkommen erzielt wurde
und wird, hat der Senat nicht, weshalb auch für das
vergangene und das laufende Jahr von diesem Einkommen
ausgegangen wird.
Zutreffend hat das Familiengericht in den Gründen seines
Beschlusses vom 26.05.2000 ein einzusetzendes Einkommen der
Antragstellerin in Höhe von 1.676,42 DM errechnet. Daraus
ergeben sich nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO
monatliche Raten in Höhe von (600,00 DM + 176,42 DM)
776,42 DM.
Allerdings wird Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, solange
die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten
nicht übersteigen, § 115 Abs. 3 ZPO. Dies ist hier der Fall.
Aus den bei den Akten befindlichen Kostenfestsetzungen
ergeben sich die der Antragstellerin in der Vorinstanz
entstandenen Kosten. Diese betragen (2.295,87 DM
+
205,50 DM) 2.501,37 DM und halten sich damit innerhalb der
Grenze des § 115 Abs. 3 ZPO von hier (776,42 DM x 4)
3.105,68 DM.
2.
Schließlich kann auch nicht außer Acht bleiben, dass aus der
Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10.02.2000 hervorgeht,
dass die Antragstellerin über ein Sparguthaben von insgesamt
ca. 18.800,00 DM verfügt.
Hat eine Partei Vermögen erlangt, so hat sie dieses
einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist, § 115 Abs. 2 ZPO.
Nach der gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO entsprechend
anwendbaren Vorschrift des § 88 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 b der Verordnung zu § 88 Abs. 2 Ziffer 8 und
Abs. 4 BSHG kommt der Antragstellerin ein sogenannter
Schonbetrag von 4.500,00 DM zuzüglich eines weiteren
Betrages von je 500,00 DM für die beiden minderjährigen
Kinder zugute, von dessen Einsatz die (Fort-)Gewährung von
6
Prozesskostenhilfe nicht abhängig gemacht werden darf. Unter
Berücksichtigung des Schonbetrages von 5.500,00 DM verbleibt
ein Betrag von 13.300,00 DM, den die Antragstellerin für
Prozesskosten einsetzen kann. Unter diesem Gesichtspunkt
erscheint die von der Rechtspflegerin angeordnete
Einmalzahlung nicht ausnahmsweise unzumutbar.
3.
Obgleich die Abänderung nach § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO
ausgeschlossen ist, wenn seit dem Ende des Verfahrens, für
das Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, mehr als vier
Jahre vergangen sind, konnte das Familiengericht vorliegend
die Abänderungsentscheidung am 26.05.2000 noch treffen. Denn
die Vier-Jahres-Frist beginnt erst mit der Rechtskraft der
Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens zu
laufen. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beendigung des
Verfahrens insgesamt (vgl. MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl.,
§ 120, Rdnr. 21). Vorliegend wurde eine Vorwegentscheidung
in der Scheidungssache getroffen, der Versorgungsausgleich
also vom Verbund abgetrennt mit der Folge, dass er weiter zu
betreiben ist. Die Abtrennung eines Folgeverfahrens gemäß
§ 628 ZPO führt nicht zu einer echten Verfahrenstrennung. Es
ergehen vielmehr lediglich zeitlich versetzte
Teilentscheidungen in einem einzigen Verfahren. Die
abgetrennte Sache behält ihren Charakter als Folgesache und
bildet wegen ihrer Abhängigkeit von der Ehesache mit dieser
ein Verfahren. Dementsprechend sind auch die gemäß § 93 a
Abs. 1 Satz 1 ZPO in diesen Teilentscheidungen ergehenden
Kostenaussprüche Teile einer einheitlichen
Kostenentscheidung (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 628,
Rdnr. 21; MünchKomm, ZPO, 2. Aufl., § 628, Rdnrn. 26 und
27). Auch wirkt für die Folgesache kraft Erstreckung nach
§ 624 Abs. 2 ZPO die bewilligte Prozesskostenhilfe nach der
Abetrennung weiter.
Vorliegend hat das Verfahren insbesondere auch aus der Sicht
der Parteien weder tatsächlich noch rechtlich geendet. Die
Antragstellerin hat gegen die erteilte Rentenauskunft
Widerspruch eingelegt, der Antragsgegner hat den
Versicherungsverlauf beanstandet. Die Bundesversicherungs-
7
anstalt für Angestellte hat den Vorgang an die
Widerspruchsstelle der BfA abgegeben. Das Familiengericht,
das zur Amtsermittlung verpflichtet ist, hat den
Versorgungsausgleich auch weiter betrieben. Mit Verfügung
vom 25.10.1996 wurden den Parteien die hierzu beabsichtigten
weiteren Maßnahmen mitgeteilt. Es konnte daher auch nicht
der Eindruck entstehen, das Verfahren sei beendet.
Eine Beendigung des Verfahrens in sonstiger Weise i.S. der
Ausschlussfrist des § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO liegt demnach
nicht vor.
Selbst wenn unterstellt würde, dass die Frist des § 120
Abs. 4 Satz 3 ZPO mit Rechtskraft der getroffenen
Entscheidung zum Sorgerecht am 22.04.1996 abgelaufen wäre,
wäre eine Abänderung durch die Rechtspflegerin auch noch
danach möglich gewesen. Denn die Rechtspflegerin hat das
Abänderungsverfahren am 21.01.2000 durch eine Anfrage bei
der Antragstellerin nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO rechtzeitig
eingeleitet. Sie hätte bei unverzüglicher vollständiger
Auskunft der Antragstellerin das Abänderungsverfahren noch
vor Fristablauf abschließen können. Die Rechtspflegerin
musste jedoch bei der Antragstellerin noch zwei Mal,
insbesondere wegen fehlender Belege zu den Wohnkosten,
nachfragen. In derartigen Fällen ist eine Abänderung auch
noch nach Fristablauf möglich, denn sonst hätte es die
Partei in der Hand, die Abänderung durch verzögerliche oder
unvollständige Antwort auf die Nachfrage zu verhindern (vgl.
MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 120, Rdnr. 21 a.E.;
Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 120, Rdnr. 26).
4.
Nicht zu beanstanden ist entgegen der Auffassung der
Antragstellerin die Anordnung der Rechtspflegerin, die
offenen Kosten des Rechtsstreites in einem einmaligen Betrag
zu begleichen. Richtig ist zwar, dass die
Prozesskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden darf,
wenn die Partei nach der Bewilligung erhebliches Vermögen
erwirbt, der Rechtspfleger kann aber eine einmalige Zahlung
auf die Prozesskosten aus dem Vermögen oder die sofortige
8
volle Zahlung aller bereits fällig gewordenen Kosten des
Rechtsstreites anordnen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22.
Aufl., § 120, Rdnr. 24; MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 120,
Rdnr. 17; OLG Brandenburg, FamRZ 1997, 1543, 1544; OLG Köln,
Rpfleger 1999, 30). Denn § 120 Abs. 4 ZPO sieht nach seinem
Wortlaut vor, dass das Gericht die Entscheidung über die von
der bedürftigen Partei "zu leistenden Zahlungen ändern"
kann. Aus dem mit der Anfügung des Absatzes 4 an § 120 ZPO
verfolgten Zweck, die Staatskasse vor unberechtigten
Zahlungen zu schützen (vgl. OLG Nürnberg, MDR 1991, 159),
ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, bestehende
Ratenzahlungsverpflichtungen zu erhöhen oder Zahlungen
erstmals anzuordnen, sondern auch die sofortige volle
Zahlung aller bereits fälligen Kosten anzuordnen (vgl. OLG
Nürnberg, Rpfleger 1994, 421, 422). Eine derartige
Einmalzahlung kommt entgegen der Ansicht der Antragstellerin
auch nicht einer Aufhebung des ursprünglichen
Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschlusses gleich, da gerade
die sonstigen Wirkungen der Prozesskostenhilfe-Gewährung
nach § 122 ZPO, so z.B. die Regelung, dass der beigeordnete
Prozessbevollmächtigte seine Gebührenansprüche nicht gegen
die vertretene Partei, sondern nur gegen die Staatskasse
geltend machen kann (§ 122 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO), nicht
entfallen.
5.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da gemäß § 127
Abs. 4 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht
erstattet werden und die Gebühr für das Beschwerdeverfahren
sich aus § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. KV Nr. 1952 ergibt.
xxxxxx
xxxxxxxxx
xxxxxxxxxx