Urteil des OLG Dresden vom 16.08.2000

OLG Dresden: strafprozessordnung, zivilprozessordnung, strafverfahren, aufspaltung, verschlechterungsverbot, bedürfnis, beschwerdefrist, behandlung, pflichtverteidiger, verfahrenskosten

Leitsatz:
Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen
Kostenfestsetzungsbeschluss beträgt im Strafverfahren eine Woche, § 464 b, §
311 Abs. 2 StPO.
Oberlandesgericht
Dresden
3. Strafsenat
Aktenzeichen: 3 Ws 12/00
Beschluss
vom 16. August 2000
in der Strafsache gegen
S
geboren am in
wohnhaft
wegen besonders schwerer Brandstiftung
Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. D O
(bis 10.12.1999)
- Antragsteller -
Rechtsanwalt P W
Pflichtverteidiger: Rechtsanwalt R L
hier: Kostenfestsetzung
1. Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde
Erinnerung des Antragstellers vom 15.06.2000
wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 1 449,00 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Das Landgericht Chemnitz hat den Angeklagten am 12.04.2000
unter Überbürdung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse
freigesprochen.
Der bis zur Mandatsniederlegung am 10.12.1999 als
Wahlverteidiger des Angeklagten tätige Antragsteller hat
mit Schreiben vom 18.04.2000 die Festsetzung von
2 489,71 DM gegen die Landeskasse beantragt. Mit Beschluss
vom 02.06.2000 hat das Landgericht Chemnitz 1 089,22 DM
festgesetzt und den darüber hinaus gehenden Antrag als
unbegründet abgewiesen. Gegen diesen ihm am 08.06.2000
zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben
vom 15.06.2000, eingegangen beim Landgericht Chemnitz am
16.06.2000 Erinnerung eingelegt, mit der er die
Kostenfestsetzung in ursprünglich beantragter Höhe weiter
verfolgt.
Die Kostenbeamtin des Landgerichts Chemnitz hat der
Erinnerung nicht abgeholfen.
II.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Chemnitz ist als sofortige Beschwerde
statthaft (§§ 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3, 11 Abs. 1
RPflG, 311 Abs. 1 StPO).
Nach § 11 Abs. 1
RpflG
n.F. ist gegen einen
Kostenfestsetzungsbeschluss in Strafverfahren nurmehr die
sofortige Beschwerde statthaft. Eine Abhilfeentscheidung
des Rechtspflegers kann nicht mehr ergehen.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil sie
nicht innerhalb der mit Ablauf des 15.06.2000 endenden
Wochenfrist eingelegt worden ist (§§ 311 Abs. 2, 43 Abs. 1
Satz 1 StPO).
1. In Rechtsprechung und Lehre ist umstritten, ob für die
Einlegung des Rechtsmittels gegen einen
Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 464 b Satz 3 StPO
entsprechend den Vorschriften der Zivilprozessordnung
eine Frist von zwei Wochen oder entsprechend den
Vorschriften der
Strafprozessordnung die Frist von
einer Woche zur Anwendung kommt.
a) Die Befürworter einer zweiwöchigen Frist gemäß § 577
Abs. 2 Satz 1 ZPO stützen sich darauf, dass das
Beschwerdeverfahren Teil des gesamten
Kostenfestsetzungsverfahrens ist und die Verweisung
in § 464 b Satz 3 StPO auf die Vorschriften der
Zivilprozessordnung daher auch dieses Verfahren und
damit die dort zur Anwendung kommende Frist mit
umfasst und der Gesetzgeber eine einheitliche
Behandlung der gleichen Materie im Interesse der
Rechtssicherheit im Zivil- und Strafprozess bezweckte
(Löwe/Rosenberg-Hilger, StPO, 24. Aufl., Rdnr. 10 zu
§ 464 b m.w.N., Karlsruher Kommentar/Franke, StPO,
4. Aufl.,
Rdnr. 4 zu § 464 b; OLG Koblenz,
Rechtspfleger 2000, 126).
b) Die Gegenmeinung gründet sich darauf, dass die nach
§ 464 b Satz 3 StPO zu erfolgende entsprechende
Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung
nur in Betracht kommt, soweit die Strafprozessordnung
eine Lücke aufweist; eine derartige Lücke ist jedoch
nicht vorhanden, weil § 311 Abs. 2 StPO die Frist für
die Einlegung der sofortigen Beschwerde abschließend
regelt. Darüber hinaus wird zur Vermeidung von
Rechtsunsicherheit die einheitliche Anwendung von
Fristen im Bereich der
Strafprozessordnung
befürwortet (BayObLG, JZ 1954, 568 f
m.w.N.;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 464 b
Rdnr. 7).
Durch die Neufassung des § 11 RpflG durch das
3. RpflÄndG vom 06.08.1998 (BGBl I, 2030) ist das
Argument der Gegenansicht, bei Anwendung der Frist
des § 311 Abs. 2 StPO komme es zu einer Aufspaltung
der Anfechtungsfristen insoweit, als für die
Einlegung der Erinnerung die Zweiwochen-Frist gelte,
während für die sofortige Beschwerde die Wochen-Frist
Anwendung finde, überholt (OLG Karlsruhe, NStZ-RR
2000, 254 f).
Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ist nunmehr
dasjenige Rechtsmittel gegeben, das nach allgemeinen
Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RpflG). Die
Frist zur
Geltendmachung im
Kostenfestsetzungsverfahren in Strafsachen beträgt
eine Woche (a.a.O.; KG,
Rpfl 2000, 38; OLG
Düsseldorf, Rpfl 2000, 126).
2. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung
an. Die
zivilprozessualen Vorschriften, auf deren
lediglich entsprechende Anwendung verwiesen wird, können
nur insoweit Geltung beanspruchen, als die
Strafprozessordnung eine Regelungslücke aufweist. Diese
ist wegen § 311 StPO aber nicht gegeben. Darüber hinaus
ist zu beachten, dass im Kostenfestsetzungsverfahren das
Verschlechterungsverbot gemäß § 536 ZPO nicht gilt. Im
Gegensatz zum
Kostenfestsetzungsverfahren in der
Zivilprozessordnung besteht im Verfahren nach der
Strafprozessordnung vor dem Landgericht auch ein
Anwaltszwang nicht. Schließlich wird aufgrund der
gegensätzlichen - gleichrangigen - Stellung der
Beteiligten im
zivilprozessualen
Kostenfestsetzungsverfahren der Bezirksrevisor nicht -
wie im strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren -
beteiligt (OLG Karlsruhe, a.a.O. m.w.N.).
Für eine Verlängerung der sofortigen Beschwerdefrist von
einer Woche besteht gerade im Hinblick auf die
Neufassung von § 11 Abs. 1 RPflG kein Bedürfnis. Im
Interesse der Einheitlichkeit der Fristen für die
sofortige Beschwerde im Strafverfahren gilt auch im
Kostenfestsetzungsverfahren der Strafprozessordnung die
Wochenfrist gemäß § 311 Abs. 2 StPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 473 Abs. 1
Satz 1 StPO. Die Notwendigkeit der Festsetzung des
Beschwerdewertes ergibt sich aus Nr. 6702 KVGKG
(Kleinknecht-Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 10).
(Spriegel) (Schüddekopf) (Meng)
Spriegel Schüddekopf Meng
Vorsitzender Richter Richter Richterin
am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht am Landgericht