Urteil des OLG Dresden vom 19.12.2001

OLG Dresden: internationale zuständigkeit, gerichtsstand des erfüllungsortes, besonderer gerichtsstand, gerichtliche zuständigkeit, name, lieferung, advokatur, depot, vertragsschluss, auszahlung

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BGB § 661a
EuGVÜ Art 13 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1, 5 Nr. 1 und 3
Leitsatz
Für Klagen eines Verbrauchers aus einer Gewinnzusage gemäß
§ 661a BGB ist der Gerichtsstand für Verbrauchersachen gemäß
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ gegeben.
Urteil des OLG Dresden vom 19.12.2001, Az: 8 U 2256/01
- nicht rechtskräftig -
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 8 U 2256/01
10 O 5954/00 LG Chemnitz
Verkündet am 19.12.2001
Die Urkundsbeamtin:
Schwarze
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte & Partner,
gegen
S
vertr. d.d. Geschäftsführer Herrn
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
wegen Forderung aus Gewinnzusage
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hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2001 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,
Richterin am Landgericht Haller und
Richter am Landgericht Odenkirchen
für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10.
Zivilkammer des Landgerichtes Chemnitz vom 27.07.2001,
Az: 10-O-954/00, wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
DM 27.000,00 abwenden, falls nicht die Klägerin vorher
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem in
Alkmaar/Niederlande ansässigen Unternehmen, die Einlösung
einer sog. Gewinnzusage gemäß § 661a BGB.
Die Klägerin erhielt auf dem Briefkopf einer "General-
Advokatur H , M & Partner", deren Anschrift
nicht genannt ist, im August 2000 ein Schreiben, in dem es
u.a. wie folgt heißt:
"Hiermit ergeht folgende letztmalige Aufforderung an (Name der
Klägerin) zur Vergabe der Gewinnsumme im Gesamtwert von
20.000,00 DM.
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Sehr geehrte Frau (Name der Klägerin),
hiermit zeigen wir die Vertretung der Firma S & G B.V. an. Am
17. Juli 2000 wurden Ihnen die offiziellen Auszahlungsdokumente für
den bei uns deponierten 20.000,- DM-Gewinn aus der Ziehung vom
gleichen Tage, 10.30 Uhr, zugestellt, mit der Aufforderung, diese
innerhalb von 10 Tagen zum Zwecke der Auszahlung
zurückzuschicken.
Bis heute, 09.08.2000, konnten wir keinen Posteingang Ihrerseits zu
diesem Vorgang verzeichnen.
Wir fordern Sie daher letztmalig auf, Ihrer Anforderungspflicht
nachzukommen!
Hierzu setzen wir Frist bis zum 25.08.2000.
Anderenfalls muss der Gewinnbetrag i.H.v. 20.000,- DM laut Satzung
vom 27.10.1999 einer neuen Verwendung zugeführt werden.
Gleichzeitig möchten wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die
entstandenen Depotkosten von der angeschriebenen Partei zu tragen
sind. Wir teilen daher fristgerecht mit, dass die Depot-Gebühren in
Höhe von 41,76 DM (2,5 % p.a.) vom Gewinnbetrag in Abzug
gebracht werden.
Der Auszahlungsbetrag reduziert sich demnach auf 19.958,24 DM.
Die Kosten-Note haben wir Ihnen beigefügt. Wir bitten Sie, diese zu
unterzeichnen, damit die Auszahlung erfolgen kann.
Eventuell notwendige weitere Mitteilungen unsererseits sind gemäß
der getroffenen Mandatsvereinbarung gebührenpflichtig und werden
entsprechend in Abzug gebracht. Durch fristgerechte Einsendung Ihrer
Unterlagen verhindern Sie weitere Kosten.
Weisungsgemäß übersenden wir Ihnen auch das aktuelle
Produktangebot von Eurox. Bestellungen und Gewinnabruf sind mittels
des beigefügten Anwortkuverts direkt an die Firma S & G zu
richten. Die Auszahlung des Gewinns erfolgt nach Vorlage der
vollständigen Unterlagen.
Hochachtungsvoll
(Unterschrift)
Anlagen: Kosten-Note,
Notitz der Firma S & G ,
Produktangebot"
Ein vorausgegangenes Schreiben hat die Klägerin nicht
erhalten; die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass es
dieses Schreiben tatsächlich gegeben habe.
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Dem o.g. Schreiben beigefügt war eine "Kosten-Note Nr.
873/00", die folgenden zur Unterschrift durch die Klägerin
vorgesehenen Text enthält:
"Ich, (Name der Klägerin), weiß, dass die inzwischen angefallenen
Depot-Gebühren für den 20.000,- DM-Gewinn in Höhe von 41,76 DM
(2,5 % p.a.) von der Gesamtsumme in Abzug gebracht werden. Der
Auszahlungsbetrag beläuft sich demnach auf 19.958,24 DM. Die
Auszahlungsbedingungen habe ich verstanden und erkenne diese an.
Bitte senden Sie den mir zustehenden Gewinn-Betrag an meine o.g.
Adresse."
Weiter beigefügt war eine "Kurznotiz" mit dem Logo der
Beklagten (S & G ) und der Nennung einer "Eurox".
Darin heißt es u.a.:
"Sehr geehrte (Name der Klägerin),
wie Sie dem beiliegenden Schreiben unserer General-Advokatur
entnehmen können, werden die anfallenden Depot-Gebühren
grundsätzlich von der Nutznießerseite erhoben. Dies ist eine Grundlage
der Mandats-Erteilung, die wir leider nicht ändern können.
Aber: Wir wollen Ihren Gewinn deshalb nicht schmälern und daher
habe ich meinen Chef gebeten, ob ich Ihnen nicht als kleinen
Ausgleich heute ein ganz besonders schönes Geschenk zukommen
lassen darf. Und wissen Sie was? Er hat ohne zu zögern sofort
zugestimmt!
Und daher erhalten Sie heute das bezaubernde
Kleben Sie einfach Ihre Geschenkmarke in das entsprechende Feld
auf Ihrer Test-Anforderung und schicken Sie diese zusammen mit der
unterschriebenen Kosten-Note wieder an uns zurück. Dann erhalten
Sie umgehend Ihren Bargeld-Gewinn und zusammen mit Ihrer Test-
Anforderung das Collier 'Mosaik' absolut gratis."
Der Sendung weiter beigefügt war ein Produktkatalog und ein
Bestellformular der Beklagten mit Angabe einer
Postfachanschrift in Lahr/D.
Die Klägerin strich den oben zitierten Text der Kosten-Note
bis auf den letzten Satz durch, so dass es dort nur noch
lautete: "Bitte senden Sie den mir zustehenden Gewinnbetrag
an meine o.g. Adresse". Sie ergänzte handschriftlich "Ich
erwarte die vollen 20.000 DM" und übersandte die
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unterschriebene Kosten-Note an die Postfachanschrift der
Beklagten in Lahr/Deutschland. Waren hat sie nicht bestellt.
Auf eine Mahnung der Beklagten durch den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter der vorgenannten
Postfachadresse reagierte diese mit Schreiben vom 20.10.2000
und forderte zur Bearbeitung der Angelegenheit die
"entsprechenden
Gewinnspielunterlagen" an. Die Klägerin
übersandte hierauf das eingangs zitierte Schreiben der
General-Advokatur. Eine weitere Reaktion der Beklagten
erfolgte nicht. Die Klägerin verlangt daher im Klagewege den
versprochenen Gewinn von 20.000,00 DM.
Die Beklagte beruft sich darauf, die internationale
Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei nicht begründet.
Vielmehr sei das Gericht am Sitz der Beklagten in Holland
zuständig. Der Klägerin stehe der Gewinn auch nicht zu. Nach
den Auszahlungsbedingungen würden von dem Gewinnbetrag die
angefallenen Depotgebühren der General-Advokatur in Abzug
gebracht. Weiter heißt es dort:
"Der verbleibende Betrag wird zu gleichen Teilen unter allen
Einsendern gültiger Kosten-Noten aufgeteilt. Die Höhe der einzelnen
Gewinne richtet sich nach der Anzahl der eingehenden gültigen
Kosten-Noten. Gewinne unter 3,00 DM werden aus Kostengründen
nicht ausgezahlt, sondern gehen als Jackpot in die nächste Ziehung
ein."
Die Beklagte behauptet, diese von ihr vorgelegten
Auszahlungsbedingungen seien der Sendung an die Klägerin
beigefügt gewesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, 20.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit 26.03.2001 an
die Klägerin zu zahlen. Es hat seine internationale
Zuständigkeit gestützt auf Art. 5 Nr. 3 des
Brüssler
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen (EuGVÜ) unter Berufung auf Lorenz, NJW 2000,
3305 bejaht, da der Anspruch gemäß § 661a BGB als
deliktischer oder quasi
deliktischer Anspruch zu
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qualifizieren sei. Auch der Gerichtsstand des
Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ sei gegeben, weil
es um die Verletzung vorvertraglicher Verhaltenspflichten
gehe. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 661a BGB
lägen vor.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie
rügt erneut die internationale Zuständigkeit des
Landgerichtes und macht geltend, unter Berücksichtigung der
Selbstverantwortung des mündigen Verbrauchers könne nicht
davon ausgegangen werden, dass durch die fragliche Sendung
der Eindruck erweckt werde, die Klägerin habe schon
gewonnen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und
beantragt Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Zu Recht hat
das Landgericht seine Zuständigkeit bejaht und der Klägerin
einen Anspruch auf Gewinnauszahlung gemäß § 661a BGB
zuerkannt.
1. Internationale Zuständigkeit
Beide Parteien haben ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz in einem
Vertragsstaat des EuGVÜ, so dass sich die Zuständigkeit nach
diesem richtet. Nach Auffassung des Senates ist im
vorliegenden Fall der Gerichtsstand für Verbrauchersachen
gemäß Art. 13 EuGVÜ gegeben. Hilfsweise käme auch der
Gerichtsstand des Deliktsortes gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ in
Betracht.
a) Der Gerichtsstand für Verbrauchersachen gemäß Art. 13
EuGVÜ liegt vor.
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Zwar bereitet die dogmatische Einordnung des Anspruches
aus § 661a BGB unter die Normen des
EuGVÜ
Schwierigkeiten, zumal es diesen Anspruch zum Zeitpunkt
der Abfassung des EuGVÜ noch nicht gab. Dies gilt
insbesondere dann, wenn es zu einem Vertragsschluss
(Bestellung und Lieferung von Waren) nicht gekommen ist.
Unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit § 661a BGB
und Art. 13 EuGVÜ verfolgten Zweckes ist dieser Anspruch
jedoch unter Art. 13 EuGVÜ zu subsumieren.
aa) § 661a BGB wurde im Rahmen des Fernabsatzgesetzes mit
Wirkung zum 01.07.2000 eingeführt. Damit sollte die
Praxis unterbunden werden,
dass Unternehmer
Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne
zusenden, sie den Verbrauchern aber auf Nachfrage
nicht aushändigen (Begründung des Gesetzentwurfes,
BT-Drs. 14/2658, S. 48). Diese verbreitete Praxis war
zwar bereits zuvor wettbewerbsrechtlich unzulässig,
begründete aber keinen Anspruch auf den angeblichen
Gewinn (Lorenz, Gewinnmitteilungen aus dem Ausland:
Kollisionsrechtliche und
international-zivil-
prozessuale Aspekte von § 661a BGB, NJW 2000, 3305,
3306 m.w.N. auf die einschlägige Rechtsprechung).
Durch die Einführung eines vom einzelnen Verbraucher
einklagbaren Anspruches sollte die trotz
Wettbewerbswidrigkeit praktizierte Verfahrensweise
wirkungsvoller sanktioniert werden. Einen
europarechtlichen Hintergrund hat die Regelung nicht.
Dennoch dient sie verbraucherschützenden Intentionen
(Rauscher/Schülke: Grenzüberschreitende
Gewinnmit-
teilung: Anknüpfung und internationale Zuständigkeit,
The Europeau Legal Forum 2000/01, S. 334, 335). So
hat auch Österreich bereits mit Wirkung zum
01.10.1999 mit § 5j des Konsumentenschutzgesetzes
eine entsprechende Regelung eingeführt.
bb) Die Klägerin ist Verbraucherin. Nach Auffassung des
Senates ist der Anspruch aus § 661a BGB auch als ein
Anspruch aus einem Vertrag anzusehen, der die
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Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat
(Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ). Zwar ist es hier gerade
nicht zu einem Vertragsschluss über die Lieferung
einer beweglichen Sache gekommen. Dies war jedoch das
Motiv des Handelns der Beklagten, der es nicht darum
ging, der Klägerin einen Geldbetrag zuzuwenden,
sondern die mit ihrer Gewinnzusage den Zweck
verfolgte, der Klägerin Warenangebote aufzudrängen,
mit denen sie sich nicht befassen möchte (vgl. BT-
Drs. 14/2658, S. 49). Wenn der Gesetzgeber im Falle
des Einsatzes derartiger Praktiken im Rahmen der
Vertragsanbahnung dem Verbraucher einen Anspruch auf
den zugesagten Gewinn einräumt, wie dies mit § 661a
BGB geschehen ist, so ist die darauf gestützte Klage
nach Auffassung des Senates unabhängig davon, ob es
zu der vom Unternehmer angestrebten Bestellung von
Waren gekommen ist, als "Klage aus einem Vertrag"
i.S.d. Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ anzusehen.
In einem ähnlich, aber nicht gleich gelagerten Fall
hat der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich
durch Beschluss vom 15.02.2000 dem Europäischen
Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Anspruch auf
Erfüllung der Gewinnzusage gemäß § 5j des
österreichischen
Konsumentenschutzgesetzes als
vertraglicher Anspruch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3
EuGVÜ anzusehen ist. Die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofes in dem dort unter dem
Aktenzeichen C-96/00 geführten Verfahren liegt zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Senates noch nicht
vor. In seinen Schlussanträgen vom 13. Dezember 2001
kommt der Generalanwalt des EuGH J. jedoch zu
folgendem Ergebnis (Erwägungsgrund 59; zitiert nach
der homepage des EuGH):
"Wenn I) Verbraucher, denen Gewinnzusagen oder andere
vergleichbare Mitteilungen zugesandt worden sind,
deren Gestaltung den Eindruck erweckt, dass sie einen
bestimmten Preis gewonnen haben, diesen Preis nach
nationalem
Verbraucherschutzrecht gerichtlich
einfordern können, II) ein Versandhandelsunternehmen
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in einer persönlich adressierten Zuschrift den
Eindruck erweckt, ein Verbraucher habe einen Preis
gewonnen, der bei Eingang einer Warenbestellung eines
bestimmten Wertes ausgezahlt werde, III) der
Verbraucher eine solche Bestellung tätigt und IV) die
bestellten Waren geliefert werden, stellt die Klage
eines Verbrauchers nach diesem Gesetz eine Klage aus
einem Verbrauchervertrag i.S.d. Art. 13 des Brüssler
Übereinkommens ... dar."
In dem der österreichischen Vorlageentscheidung
zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger tatsächlich
Waren bestellt, die auch geliefert wurden. Auch wenn
im vorliegenden Fall weder eine Bestellung noch eine
Lieferung von Waren tatsächlich erfolgte, ist der
Senat der Auffassung,
dass auch in dieser
Konstellation der Verbrauchergerichtsstand des
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ gegeben ist. Zwar handelt
es sich, wie auch die deutsche Regierung im Rahmen
des dem EuGH zur Entscheidung vorliegenden Falles
geltend gemacht hat (vgl. Erwägungsgrund 33 der
genannten Schlussanträge des Generalanwaltes) nicht
um die Klage aus einem bereits abgeschlossenen
Vertrag. Trotz der in der genannten Stellungnahme
aufgeführten Bedenken hält es der Senat jedoch für
angemessen, die Vorschrift auch auf den durch Gesetz
eingeräumten Anspruch gemäß § 661a BGB zu erstrecken.
Dies entspricht dem verbraucherschützenden Ziel der
Vorschrift, die darauf abzielt, bei Gewinnzusagen zum
Zwecke der
Erlangung von Bestellungen ein
Schuldverhältnis anzunehmen. Das korrespondiert auch
mit dem durch Art. 13 EuGVÜ verfolgten Ziel, nämlich
dem Schutz des schwächeren Vertragspartners, dem der
Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner
Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, dass er
bei den Gerichten des Staates klagen muss, in dessen
Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine
Niederlassung hat (Erwägungsgrund 19 der
Schlussanträge des Generalanwaltes in der Sache C-
96/00). Macht man die Anwendbarkeit des Art. 13 davon
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abhängig, ob es bereits dadurch zu einem
Vertragsschluss gekommen ist, dass der Verbraucher
die bezweckte Warenbestellung aufgegeben und die
Waren erhalten hat, so hätte dies zur Folge, dass die
gerichtliche Zuständigkeit für die Einklagung eines
Gewinnversprechens davon abhängt, wie weit der
Verbraucher in die "Falle" getappt ist. Dies wäre
weder
verbraucherschutzrechtlich
hinnehmbar, noch
wäre es im Sinne einer klaren Abgrenzbarkeit der
Zuständigkeit vertretbar. Eine enge Auslegung des
Art. 13 ist daher nicht angebracht (so auch
Erwägungsgrund 46 der
Schlussanträge des
Generalanwaltes in der Rechtssache C-96/00).
Zutreffend weist Generalanwalt J. auch darauf hin,
dass im Falle der Verneinung der Anwendbarkeit des
Art. 13 die Gefahr bestünde, dass Unternehmen "durch
bloßes
Hinmanipulieren der Aufmachung ihrer
Zuschriften sicherstellen (könnten),
dass der
Verbraucher in seinem Wohnsitzstaat keine auf die
Vorschriften des Übereinkommens gestützte Klage nach
nationalem
Verbraucherschutzrecht erheben könne.
Dieses Ergebnis würde dem Ziel des
Verbraucherschutzrechtes
krass entgegenstehen"
(a.a.O., Erwägungsgrund 48). Das gilt auch für die
hiesige Konstellation, in der es noch nicht zu einer
Bestellung gekommen ist. Da es sich um eine
Verbrauchersache im Sinn des Art. 13 EuGVÜ handelt,
kann die Klägerin gemäß Art. 14 EuGVÜ an ihrem
Wohnsitzgericht, dem Landgericht Chemnitz, klagen.
b) Besonderer Gerichtsstand des Deliktsortes (Art. 5 Nr. 3
EuGVÜ)
Soweit man die Voraussetzungen der gegenüber den
allgemeinen und besonderen Gerichtsständen vorrangigen
Sondervorschrift des Art. 13 EuGVÜ (Lorenz, a.a.O., 3309;
Rauscher, a.a.O., S. 335) nicht bejaht, weil es noch
nicht zu einer Bestellung gekommen ist, wäre nach
Auffassung des Senates hier der besondere Gerichtsstand
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des Deliktsortes (Art. 5 Abs. 3 EuGVÜ) im Bezirk des
erstinstanzlich entscheidenden Landgerichtes gegeben.
Wie dargelegt, war die Intention des Gesetzgebers bei der
Schaffung des § 661a BGB, die Sanktion des
wettbewerbswidrigen Verhaltens in das Schuldrecht zu
verlagern. Wegen der somit gegebenen Nähe zum
Wettbewerbsrecht spricht Rauscher (a.a.O., S. 337) von
einer Verlagerung der Bestrafung des Marktstörers auf
einen privaten Kläger. Der Senat schließt sich dieser
Argumentation an und verweist ergänzend auf die
diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichtes.
c) Besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1
EuGVÜ)
Ob, wie das Landgericht unter Berufung auf
Lorenz
(a.a.O.) meint, wegen des rechtscheinähnlichen Charakters
der Haftung nach § 661a BGB auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zur
Anwendung kommt, kann somit dahinstehen.
d) Von der Möglichkeit, die Sache dem Europäischen
Gerichtshof zur Vorabentscheidung über die Auslegung des
EuGVÜ gemäß Art. 234 des EG-Vertrages i.V.m. Art. 3
Abs. 2 und Art. 2 Nr. 2 des Luxemburger
Auslegungsprotokolls vom 03. Juni 1971 vorzulegen, macht
der Senat keinen Gebrauch. Angesichts der dargestellten
Argumente zur Auslegung hält der Senat eine
Vorabentscheidung nicht für erforderlich, da er
berechtigte Zweifel an der internationalen Zuständigkeit
des angerufenen Landgerichtes nicht hegt.
2. Anspruch aus § 661a BGB
Der Klägerin steht auch ein Anspruch aus § 661a BGB zu.
a) Die Anwendung des § 661a BGB und damit des deutschen
Rechtes hat das Landgericht zu Recht bejaht. Da beide
Parteien übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen
Rechtes ausgehen, bedarf dies keiner näheren Darlegung
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insbesondere zur Frage der Anwendbarkeit des Art. 40
Abs. 1 EGBGB auf den vorliegenden Fall.
b) Die Voraussetzungen des § 661a BGB liegen vor. Danach hat
der Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare
Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die
Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass
der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher
diesen Preis zu leisten.
Die Klägerin ist Verbraucherin und die Beklagte
Unternehmerin. Die Mitteilung hat bei der Klägerin auch
den Eindruck erweckt, dass sie bereits einen Preis
gewonnen hat. Dies kann nach dem oben wiedergegebenen
Wortlaut der Schriftstücke keinen ernsthaften Zweifeln
begegnen. Mit der Formulierung des Gesetzes sollte
bewusst bereits das Erwecken des Eindruckes genügen.
Versteckte Hinweise etwa auf der Rückseite solcher
Mitteilungen,
dass es sich um ein "unverbindliches
Gewinnspiel" handelt oder Ähnliches, vermögen die
abstrakte Eignung solcher Mitteilungen, den Eindruck
eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken, in keiner
Weise zu mildern (Lorenz, a.a.O., S. 3306). Auf die
Frage, ob die von der Beklagten vorgelegten
Auszahlungsbedingungen dem Schreiben an die Klägerin
beigelegen haben, kommt es daher entscheidungserheblich
nicht an. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte,
wurde nach Auffassung des Senates dennoch der Eindruck
erweckt, die Klägerin habe bereits gewonnen. Im Übrigen
hat die Beklagte weder schlüssig vorgetragen, dass die
Bedingungen beigefügt gewesen seien, noch dafür Beweis
angeboten. Soweit sie schreibt, wer die Unterlagen lese,
komme "zwangsläufig zu den Spielregeln" (Bl. 59 dA), ist
dieser Vortrag nicht hinreichend klar.
c) Rechtsfolge ist, dass der Klägerin der versprochene Preis
zusteht.
Dass sie hierfür keinerlei Gegenleistung
erbracht hat, ist für den Anspruch unerheblich.
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3. Zulassung der Revision
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der
internationalen Zuständigkeit für Ansprüche gemäß § 661a BGB
lässt der Senat die Revision zum BGH gemäß § 546 Abs. 1
Nr. 1 ZPO zu. Die Frage, ob Verbraucher im Falle derartiger
Gewinnzusagen, die häufig aus den Benelux-Staaten kommen
(vgl. Lorenz, a.a.O., S. 3307), an ihrem inländischen
Wohnsitzgericht oder nur am Sitz des Unternehmens klagen
können, hat auch im Sinne der Verwirklichung der mit der
Einführung des § 661a BGB verfolgten gesetzgeberischen Ziele
große praktische Bedeutung. Dies belegen auch die von der
Beklagten im vorliegenden Verfahren vorgelegten
unveröffentlichten Entscheidungen verschiedener Amts- und
Landgerichte, in denen das Problem teilweise nicht,
teilweise mit unterschiedlichen Ergebnissen behandelt wird.
Ähnliches gilt für die veröffentlichte Rechtsprechung
(soweit ersichtlich bisher nur: AG Heinsberg, NJW-RR 2001,
1274; AG Cloppenburg, NJW-RR 2001, 1274 und LG Wuppertal,
NJW-RR 2001, 1275 = VuR 2001, 387).
4. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Häfner
Haller
zugleich für den nach
Beratung ausgeschiedenen
RiLG Odenkirchen