Urteil des OLG Dresden vom 01.07.1990

OLG Dresden: rückstellung, eigenkapital, unternehmen, umwandlung, auflösung, rücklage, aufwand, altlasten, treu und glauben, anhörung

Leitsätze:
1.
Eine auf der Grundlage der Umwandlungsbilanz nach einem
Beschluss der Mitgliederversammlung abgeschlossene Ab-
findungsvereinbarung zwischen einem Nachfolgeunternehmen
einer ehemaligen LPG und dem im Zuge der Umwandlung aus-
geschiedenen Mitglied verstößt dann gegen die guten Sit-
ten und ist nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn die
bilanzierten Rückstellungen das ausgewiesene Eigenkapi-
tal wesentlich übersteigen, den Rückstellungen jedoch
weder ungewisse Verbindlichkeiten noch eine im Umwand-
lungszeitpunkt begründete Aufwandserwartung zugrunde
lag, sondern die Rückstellungen im Wesentlichen der Fi-
nanzierung künftiger betrieblicher Ausgaben durch ver-
deckte Bildung einer Rücklage gedient haben.
2.
Auch ehemalige LPGn hatten bei den nach dem 01.07.1990
erstellten Abschlüssen die Vorschriften des HGB (§§ 249
ff.) über die Aufstellung von Jahresabschlüssen, die An-
sätze in der Bilanz und die Bewertung der Wirtschaftsgü-
ter einzuhalten.
3.
Rückstellungen für einen innerbetrieblichen Aufwand nach
§ 249 Abs. 2 HGB setzen voraus, dass der ausgewiesene
Aufwand abgrenzbar und nachprüfbar ist. Hierzu bedarf es
grundsätzlich einer Bezeichnung des betroffenen Wirt-
schaftsguts sowie von Art, Umfang und voraussichtlichen
Zeitpunkten der den Aufwand verursachenden Maßnahmen.
4.
Bei Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nach
§ 249 Abs. 1 Satz 1 1. Fall HGB, die in der Bilanz un-
ter den Posten sonstige Rückstellungen nicht gesondert
ausgewiesen worden sind, sind im Anhang zur Bilanz zu-
mindest Angaben zum Zweck und zum Inhalt des Rückstel-
lungspostens zu machen.
5.
Verstöße gegen die vorgenannten Bestimmungen des HGB
zur Bildung und Auflösung von Rückstellungen schließen
in einem Rechtsstreit über Abfindungsansprüche nach
§ 44 LwAnpG ihre Berücksichtigung zwar nicht grundsätz-
lich aus, weil es insoweit auf den wahren Wert des ab-
findungsrelevanten Eigenkapitals im Zeitpunkt des nach
§ 44 Abs. 6 Satz 1 LwAnpG maßgeblichen Abschlusses an-
kommt. Insoweit wäre bei der Ermittlung des wahren Wer-
tes auch eine Korrektur oder Ergänzung des Jahresab-
schlusses zu Gunsten des Unternehmens möglich. - Die
vorstehenden Fehler begründen aber eine Vermutung da-
für, dass die Grundlagen für die Bildung der Rückstell-
lung nicht vorgelegen haben. Vermag das Unternehmen
solche Verbindlichkeiten nicht zu benennen oder eine
innerbetriebliche Aufwandserwartung zum Bilanzstichtag
nicht darzustellen, sind solche Rückstellungen wie
freie Rücklagen dem abfindungsrelevanten Eigenkapital
zuzurechnen.
2
6.
Bei den nach § 17 Abs. 1 DMBilG in der Eröffnungsbilanz
gebildeten Rückstellungen für Aufwendungen zur Beseiti-
gung ökologischer Altlasten ist wegen der am 01.07.1990
bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf künftige ge-
setzliche Verpflichtungen ein Verstoß gegen die Grund-
sätze ordnungsgemäßer Bilanzierung auch dann zu vernei-
nen, wenn das Unternehmen privatrechtliche oder öffent-
lich-rechtliche Verpflichtungen oder behördliche Anord-
nungen zur Beseitigung der Altlast nach § 17 Abs. 2a
Satz 1 DMBilG nicht zu benennen vermag.
7.
Wird der in einer solchen Rückstellung nach § 17 DMBilG
ausgewiesene Betrag in den Folgejahren nicht bestim-
mungsgemäß verbraucht, sondern wird die Rückstellung
unter Ausweisung eines außerordentlichen Ertrages auf-
gelöst, so ist die in der Eröffnungsbilanz gebildete
Rückstellung wie eine freie Rücklage zu behandeln und
dem abfindungsrelevanten Eigenkapital zuzurechnen.
OLG Dresden, Beschluss vom 19.01.2004, Az. WLw 1226/00
3
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: WLw 1226/00
XV 0007/00 AG Oschatz
Beschluss
des Landwirtschaftssenats
vom 19.01.2004
In der Landwirtschaftssache
S.L.
,
04860 Großwig
Antragsteller und Beschwerdeführer
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
& Partner,
,
09366 Stollberg
gegen
A. GmbH
v.d.d. GF ,
,
04860 Großwig
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin
Verfahrensbevollmächtigte: 1. Rechtsanwalt
Dr.jur. ,
,
37327 Leinefelde
2. Rechtsanwälte
,
,
01069 Dresden
wegen
einer
Forderung
aus
dem
Landwirtschaftsanpas-
sungsgesetz
4
hat der Landwirtschaftssenat des Oberlandesgerichts Dresden
ohne mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Amtsgericht
beschlossen:
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird
der Beschluss des Amtsgerichts Oschatz vom 06.07.2000
in der Hauptsache und im Kostenpunkt wie folgt abgeän-
dert:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den An-
tragsteller 9.880,32 EUR (= 19.324,24 DM) nebst 4 %
Zinsen aus diesem Betrag seit dem 07. März 2000 zu zah-
len.
Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.
Der Antragsteller hat 1/3 und die Antragsgegnerin hat
2/3 der in erster Instanz entstandenen Gerichtskosten
zu tragen. Eine Erstattung der in 1. Instanz entstande-
nen außergerichtlichen Kosten wird nicht angeordnet.
2.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - mit
Ausnahme der durch die Beauftragung und Anhörung der
Sachverständigen entstandenen Kosten - hat zu 9/28 der
Antragsteller und zu 19/28 die Antragsgegnerin zu tra-
gen. Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gutachter-
kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen. Der An-
tragsteller hat 9/28 und die Antragsgegnerin 19/28 der
der Gegenseite im Beschwerdeverfahren entstandenen au-
ßergerichtlichen Kosten zu tragen.
3.
Die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof wird zu-
gelassen.
5
Gründe:
I.
Der am 10.12.1994 verstorbene Vater des Antragstellers trat
1960 in eine LPG ein. Anlässlich des Übergangs in die LPG
Typ III "L. " in Großwig wurde mit Datum vom
01.07.1967 ein Übernahmeprotokoll aufgenommen (Bl. 16 d.A.).
Danach brachte der Vater des Antragstellers 8,73 ha land-
wirtschaftliche Fläche und einen Inventarbeitrag von 6.633
Mark/DDR (= 4.365 Mark Pflichtinventar und 2.268 Mark zu-
sätzlicher Inventarbeitrag) ein.
Die Eltern setzten am 28.10.1986 ein gemeinschaftliches Tes-
tament auf (Bl. 38), in dem sie sich gegenseitig zu Allein-
erben einsetzten.
Die LPG wurde nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Be-
teiligten nach Zusammenschluss mit einer anderen LPG auf
Grund eines Beschlusses der Mitgliederversammlung vom
10.12.1991 in die Rechtsform einer GmbH & Co KG umgewandelt.
Die Mitgliedschaft des Vaters des Antragstellers wurde mit
der Umwandlung beendet. Die Umwandlung der Antragsgegnerin
in eine Kommanditgesellschaft mit einer haftenden Komplemen-
tär GmbH ist am 25.08.1992 in das Handelsregister des AG
Leipzig eingetragen worden (HRA 11302 - Registerauszug in
Beiakte AG Oschatz XV 106/96 Bl. 143).
Die Eltern des Antragstellers wurden nicht Kommanditisten
der Antragsgegnerin. Diese schloss mit ihnen am 20. 10.1992
eine vorgedruckte Barabfindungsvereinbarung (Bl. 32 d.A.).
In dieser war u.a. folgendes vereinbart:
"1. Als Mitglied der bisherigen LPG erkläre ich, (Name,
Vorname) ... , daß ich im Zusammenhang mit der Umwand-
lung in eine A. -GmbH & Co KG meine Mitgliedschaft am
(eingefügt) 10.12.1991 beende und das Angebot einer
Barabfindung annehme.
2. Die in Gründung befindliche A. -GmbH & Co KG ver-
pflichtet sich, dem ausscheidenden Mitglied als ange-
messene Barabfindung entspr. § 36 des novellierten
Landwirtschaftsanpassungsgesetzes für seine bisherigen
6
Mitgliedschaftsrechte auf der Grundlage des Umwand-
lungsbeschlusses vom 10.12.1991
einen Betrag von 2.207,50 DM zu zahlen.
....
3. Mit der Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen durch die
A. -GmbH & Co KG sind alle Forderungen des ausschei-
denden Mitglieds an die A. -GmbH & Co KG bzw. deren
Rechtsvorgänger abgegolten."
Dieser Betrag wurde an die Eltern des Antragstellers mit Ü-
berweisungsauftrag vom 25.03.1992 (Bl. 33 d.A.) ausgezahlt.
Die Höhe des Abfindungsanspruchs war auf Basis der Umwand-
lungsbilanz zum 31.08.1991 berechnet worden, nach der das
Eigenkapital nur eine Auszahlung von 50,57 % der eingebrach-
ten Inventarbeiträge (sog. Personifizierungsquote) zuließ.
Aus
der
von
der
Antragsgegnerin
vorgelegten
DM-
Eröffnungsbilanz, der Bilanz der LPG zum 31.12.1990, der Um-
wandlungsbilanz zum 31.08.1991 und den Jahresabschlüssen der
Antragsgegnerin vom 30.06.1992 bis zum 30.06.1995 mit den
Berichten ergeben sich folgende Ausweise:
-
In der DM-Eröffnungsbilanz wurden die Gebäude und die
baulichen Anlagen des Unternehmens mit 8.984.377 DM be-
wertet. In dem Bericht zur Bilanz ist angegeben, dass
bei den Gebäuden und Anlagen Abschläge von 35 % des
Wertes für unterlassene Grundinstandsetzungen vorgenom-
men worden seien. - Auf der Passivseite der Eröffnungs-
bilanz wurden u.a. Rückstellungen für Altlasten von
596.475 DM, Urlaubsrückstellungen von 28.691,17 DM und
Rückstellungen für Prüfungs- und Beratungskosten im Zu-
sammenhang mit der Aufstellung der Eröffnungsbilanz von
20.000 DM ausgewiesen. Diese wurden in eine gesetzliche
Rücklage nach § 17 Abs. 4 DMBilG eingestellt und auf
der Aktivseite der Bilanz ein entsprechendes Sonderver-
lustkonto gebildet. Im Erläuterungsbericht ist ausge-
führt, dass es sich bei den Altlasten um Rückstellungen
für Asbestdächer handele, die mit 50 DM pro m² bewertet
worden seien.
7
-
In dem Jahresabschluss der LPG vom 31.12.1990 wurde das
Sonderverlustkonto nach § 17 Abs. 4 DMBilG wegen der
Auflösung der Rückstellung für Urlaubsansprüche um
28.691,17 DM gekürzt. Zugleich wurde eine zusätzliche
Rückstellung mit dem Titel "für Sanierungsmaßnahmen"
von 2.000.000 DM gebildet.
-
Die Umwandlungsbilanz wies auf der Passivseite ein Ei-
genkapital von 1.213.671,16 DM (davon 501.496,02 DM ge-
zeichnetes Kapital und eine gesetzliche Rücklage von
706.475 DM), sonstige Rückstellungen von 3.554.377,82
DM sowie Verbindlichkeiten von 5.980.214,67 DM aus.
In dieser Schlussbilanz der LPG von 31.08.1991 wurden
weitere Rückstellungen in einem Betrag von 681.000 DM
gebildet. Im Einzelnen wurde die gesetzliche Rücklage
aus § 17 Abs. 4 DMBilG wegen der Verschmelzung der An-
tragsgegnerin mit der LPG (P) Z. um einen Betrag von
110.000 DM erhöht. Eine weitere Rückstellung von
500.000 DM wurde wegen drohender Verluste aus der Be-
teiligung an der G. GmbH Neiden ge-
bildet. In dem Schlussvermerk der die Bilanz erstellen-
den Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde dazu ver-
merkt, dass der Abschluss unter dem Vorbehalt ein den
tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage entsprechendes Bild vermittle, dass die
Rechtswirksamkeit der Vereinbarung zum Übergang des
Vermögens
und
der
Schulden
auf
die
G. GmbH festgestellt werde.
-
Im Jahresabschluss der Antragsgegnerin zum 30.06.1993
wurde das Sonderverlustkonto für Altlasten um 90.310 DM
und für Sanierung um 529.710,00 DM aufgelöst und in der
Gewinn- und Verlustrechnung ein sonstiger Ertrag aus
der Auflösung der Rückstellungen in Höhe von 608.503 DM
ausgewiesen.
8
-
Im Jahresabschluss zum 30.06.1994 erfolgte eine weitere
Auflösung des Sonderverlustkontos für Altlasten um
500.000 DM und für Sanierung um 709.873,57 DM. Auch
diese Auflösungen wurden ausweislich der dem Abschluss
beigefügten Gewinn- und Verlustrechnung als sonstige
bzw. außerordentliche Erträge aus der Auflösung von
Rückstellungen gebucht. Ebenfalls als außerordentlicher
Ertrag wurde die Auflösung der Rückstellung für die Be-
teiligung an der Fa. G. GmbH Neiden
ausgewiesen.
-
Im Jahresabschluss vom 30.06.1995 wurden die restliche
Sonderrücklage von 110.000 DM und die Rücklage für Sa-
nierung in Höhe von weiteren 146.325,43 DM aufgelöst.
Auch diese Auflösungen wurden in der Gewinn- und Ver-
lustrechnung als außerordentliche Erträge ausgewiesen.
Eine zusammenfassende Darstellung der Auflösungen der Rück-
stellungen von 1993 bis 1995 findet sich in dem vom Senat
eingeholten
Gutachten
des
Sachverständigen
V.
vom
07.02.2003 auf Seite 23 (= Bl. 192 d.A.). Die Jahresab-
schlüsse nebst Erläuterungen wurden von einer Wirtschafts-
prüfergesellschaft aus Karlsruhe erstellt. Sie tragen – mit
der bereits dargestellten Einschränkung bzgl. der Rechts-
wirksamkeit der Vereinbarung über den Übergang von Vermögen
und Schulden auf die G. GmbH Neiden - den
im Wesentlichen gleich lautenden Schlussvermerk des Wirt-
schaftsprüfers:
"Die Buchführung und der Abschluß entsprechen nach un-
serer pflichtgemäßen Prüfung den gesetzlichen Vor-
schriften. Der Abschluss vermittelt unter Beachtung der
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsäch-
lichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-
, Finanz- und Ertragslage der LPG (nach 1992 der Ge-
sellschaft)."
Im Mai 1997 stellte der Antragsteller beim Amtsgericht O-
schatz einen Antrag, die Antragsgegnerin zur Zahlung von
31.727,70 DM zu verpflichten (beigezogene Akte: AG Oschatz
XV 107/97).
9
Er begründete seinen Antrag damit, dass die Vereinbarung vom
20.10.1992 wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB sittenwid-
rig und damit nichtig gewesen sei. Bei Anwendung der Vor-
schriften in § 44 LwAnpG hätte den Eltern des Antragstellers
ein Anspruch in Höhe von 33.935,20 DM zugestanden.
Die Antragsgegnerin trat dem mit der Argumentation entgegen,
aus der geprüften Bilanz zum 31.08.1991 ginge hervor, dass
nach dem verfügbaren Eigenkapital max. 50,75 % der Inventar-
beiträge den ausgeschiedenen Mitgliedern als Barabfindung
hätten ausgezahlt werden können.
In jenem Verfahren zog das AG ein in einer Parallelsache
(beigezogene Akte AG Oschatz XV 106/97) eingeholtes Gutach-
ten des Sachverständigen Dr. H.B. vom 15.08.1998 über
die Richtigkeit des Jahresabschlusses vom 15.06.1991 bei.
Der Antragsteller nahm den Antrag in der mdl. Verhandlung
vom 06.08.1998 zurück, nachdem er vom Amtsgericht darauf
hingewiesen worden war, dass nach dem vorgelegten Testament
seine Mutter als Alleinerbin auch allein Inhaberin etwaiger
Ansprüche gegen die Antragsgegnerin wäre.
Mit Schriftsatz vom 29.02.2000 hat der Antragsteller erneut
einen Zahlungsantrag beim Amtsgericht Oschatz anhängig ge-
macht. Er hat sich auf den Anspruch auf bare Zuzahlung nach
§ 28 Abs. 2 LwAnpG gestützt und zur Begründung seiner An-
spruchsberechtigung eine Vereinbarung mit seiner Mutter über
die Abtretung der Ansprüche aus dem LwAnpG gegen die An-
tragsgegnerin (Bl. 15 d.A.) vorgelegt.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob die
Barabfindungsvereinbarung bindend ist und die Umwandlungsbi-
lanz (Abschlussbilanz der "LPG " Großwig) vom
31.08.1991 die Vermögensverhältnisse des Unternehmens (ins-
besondere das Eigenkapital) richtig wiedergab.
10
Der Antragsteller hat vorgetragen:
-
Das Vermögens das Unternehmens sei in der Umwandlungs-
bilanz zu niedrig ausgewiesen worden.
-
Die Antragsgegnerin habe insbesondere die Rückstellun-
gen nicht begründet.
Der Antragsteller hat vor dem Amtsgericht nach Rücknahme ei-
nes Betrages in Höhe der an seine Eltern geleisteten Zahlung
zuletzt beantragt:
Die Antragstellerin ist verpflichtet, an den An-
tragsteller bare Zuzahlung in Höhe von 27.727,80 DM
nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zah-
len.
Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung des Antrags beantragt.
Sie hat unter Berufung auf § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 4
LwAnpG geltend gemacht, dass sie wegen des unzureichenden
Eigenkapitals die Pflichtinventarbeiträge, die sich auf ins-
gesamt 902.192,08 DM belaufen hätten, nur zu 55,6 % habe
auszahlen können.
Das Amtsgericht Oschatz hat mit Beschluss vom 07.07.2000 den
Antrag abgewiesen. Ein Anspruch auf bare Zuzahlung bestehe
nicht, weil der Erblasser nach unstreitigem Vortrag seine
Mitgliedschaft bereits vor dem Wirksamwerden der Umwandlung
am 10.12.1991 gekündigt habe. Dem Gericht erscheine es auch
zweifelhaft, ob angesichts der Abfindungsvereinbarung noch
weitere Ansprüche bestünden. Zwar entspreche die geleistete
Abfindung nur einem Bruchteil des Betrages, den der An-
tragsteller nach den Bestimmungen in § 44 LwAnpG errechnet
habe. Für die Feststellung der Sittenwidrigkeit nach § 138
BGB müsse jedoch weiterhin ein subjektives Verschulden hin-
zukommen. Es müsse erkennbar sein, dass eine Vertragspartei
die andere "über den Tisch gezogen" oder dies zumindest be-
absichtigt habe.
11
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen
Beschwerde. In dieser stützt er sein Begehren auf den Abfin-
dungsanspruch aus Vermögensauseinandersetzung nach dem Aus-
scheiden aus der LPG nach § 44 Abs. 1 LwAnpG, hilfsweise
auch auf den Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2
LwAnpG.
Die Abfindungsvereinbarung sei nach § 138 Abs. 1 BGB unwirk-
sam gewesen, weil sie nur einen Bruchteil der tatsächlichen
Anspruchshöhe ausgemacht habe und der Vater des Antragstel-
lers über die tatsächliche Höhe der gesetzlichen Ansprüche
nicht aufgeklärt worden sei. Im Übrigen habe der Abfindungs-
vereinbarung die Geschäftsgrundlage gefehlt, weil der Be-
schluss der Mitgliederversammlung über die Höhe einer den
ausscheidenden Mitgliedern anzubietenden Barabfindung un-
wirksam und die Vereinbarung auf der Grundlage dieses un-
wirksamen Beschlusses abgeschlossen worden sei.
Der Antragsteller beantragt:
1.
Der Beschluss des Amtsgerichts Oschatz, Landwirt-
schaftsgericht, AZ XV Lw 07/00, vom 06.07.2000 wird ab-
geändert.
2.
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, an den An-
tragsteller 27.727,70 DM nebst 4 % Zinsen hieraus ab
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie meint, dass ein Wechsel des Antrages vorläge, der in der
Beschwerdeinstanz unzulässig sei. Im Übrigen verteidigt sie
den erstinstanzlichen Beschluss.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verlauf des Beschwerdever-
fahrens aus einer Kommanditgesellschaft in eine GmbH umge-
wandelt.
12
Der Senat hat nach Anhörung des Geschäftsführers der An-
tragsgegnerin zum Zustandekommen der Abfindungsvereinbarun-
gen mit den Mitgliedern am 23.03.2001 (Prot. Seite 4 = Bl.
100 d.A.) Beweis erhoben zur Höhe des abfindungsrelevanten
Eigenkapitals, insbesondere zu den in der Umwandlungsbilanz
ausgewiesenen Rückstellungen und ihrer Auflösung durch Anhö-
rung des Sachverständigen Dr. H.B. im Termin vom
14.09.2001 (Bl. 119 ff. d.A.), durch Einholung eines
schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen V. vom
07.02.2003 (Bl. 168 ff. d.A.) und dessen Anhörung im Termin
vom 10.04.2003 (Bl. 298 ff. d.A.) sowie nach den Beweisein-
reden der Antragsgegnerin durch Einholung einer ergänzenden
schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen V. vom
07.10.2003 (Bl. 321 ff. d.A.) und durch dessen Anhörung im
Termin vom 11.12.2003 (Bl. 340 ff. d.A.).
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands sowie zu
den Beweiseinreden der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte
sowie die beigezogenen Akten des AG Oschatz (XV 106/97 und
XV 197/97) Bezug genommen.
II.
Dem Antragsteller steht aus einem von seiner Mutter mit der
Vereinbarung vom 08.08.1998 (Bl. 89 d.A.) abgetretenen Recht
gegen die Antragsgegnerin aus § 44 LwAnpG noch ein Anspruch
auf Zahlung von weiteren 9.880,32 EUR (= 19.324,24 DM) zzgl.
der ab Rechtshängigkeit geforderten Zinsen zu.
Dem Antragsteller ist ein Rückgriff auf den gesetzlichen Ab-
findungsanspruch aus § 44 Abs. 1 LwAnpG möglich. Die zwi-
schen seinen Eltern und der Rechtsvorgängerin der Antrags-
gegnerin
geschlossene
Barabfindungsvereinbarung
vom
20.10.1992 (Bl. 32 d.A.) zur Erledigung der Ansprüche auf
Vermögensauseinandersetzung nach dem LwAnpG mit der in Zif-
fer 4 enthaltenen Abgeltungsklausel verstieß gegen die guten
Sitten und war damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Sit-
tenwidrigkeit der Abfindungsvereinbarung ergab sich daraus,
dass die Antragsgegnerin nach fehlerhafter, das Vermögen des
13
Unternehmens nicht richtig darstellender Bilanzierung unter
Berufung auf einen Beschluss der Mitgliederversammlung den
ausgeschiedenen Mitgliedern Abfindungen angeboten hat, die
weit hinter dem gesetzlichen Anspruch zurück blieben. Diese
waren infolge der falschen Ausweise in der Bilanz außerstan-
de, den Umfang des mit dem geforderten Ausschluss von Nach-
forderungen verbundenen weitreichenden Verzichts zu erkennen
(dazu unten C.).
Hilfsweise zu den Erwägungen zur Sittenwidrigkeit ist auszu-
führen, dass der Zahlungsanspruch auch dann begründet wäre,
wenn man die Abfindungsvereinbarung nicht aus dem Rechts-
grund des § 138 BGB für unwirksam erachtete. Unter dieser
Prämisse könnte der Antragsteller nach den Grundsätzen über
das Fehlen der Geschäftsgrundlage nach § 242 BGB eine Anpas-
sung der Vereinbarung bis zu dem Betrag verlangen, der sich
bei einem den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und
Bilanzierung entsprechenden Ausweis des abfindungsrelevanten
Eigenkapitals nach § 44 Abs. 6 LwAnpG ergeben hätte (dazu
unten D).
Das abfindungsrelevante Eigenkapital ist ferner um die nach
§ 17 DMBilG gebildete Rückstellung zu erhöhen, die in den
Bilanzen zum 30.06.1993, 30.06.1994 und 30.06.1995 nicht zu
dem vorgesehenen Zweck, sondern zum Ausgleich von Verlusten
aus laufender Geschäftsführung aufgelöst wurde (unten E).
Nach einer Neuberechnung des Anspruchs des Antragstellers
auf der Grundlage des § 44 LwAnpG ergibt sich nach den Daten
aus der Mitgliedschaft seines Vaters, dem durch Hinzurech-
nung des Betrages der Rückstellungen erhöhten Eigenkapital
der Antragsgegnerin und unter Auswertung der von dieser vor-
gelegten Aufstellung über die Summe aller Ansprüche der Mit-
glieder (berechnet nach § 44 LwAnpG) ein restlicher Zah-
lungsanspruch in der vom Senat zuerkannten Höhe (dazu unten
F) einschließlich der begehrten Zinsen (G.).
Der von der Antragsgegnerin erhobene Einwand der Verwirkung
greift nicht durch (H.).
14
Im Einzelnen:
A.
Der Antrag ist zulässig. Der geltend gemachte Zahlungsan-
spruch nach der Vermögensauseinandersetzung der Eltern des
Antragstellers mit der Antragsgegnerin ist unter allen
rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Die Beschränkung auf
eine Anspruchsgrundlage - wie im Beschluss des AG Oschatz -
erschöpft den Streitstoff nicht. Die dagegen von der An-
tragsgegnerin unter Bezug auf § 570 ZPO a.F. erhobenen Ein-
wände in der Beschwerdebegründung vom 03.01.2001 (Bl. 94
d.A.) greifen nicht durch.
Soweit die Antragsgegnerin meint, es läge ein neuer Sachan-
trag vor, weil der Antragsteller in erster Instanz sein Be-
gehren allein auf den Anspruch auf sog. bare Zuzahlung nach
§ 28 Abs. 2 LwAnpG gestützt hat und in der Beschwerdeinstanz
sich vorrangig auf den Anspruch aus § 44 Abs. 1 LwAnpG
stützt, trifft dies nicht zu. Das Vorbringen des Antragstel-
lers in der Beschwerdeinstanz enthält keinen neuen Sachan-
trag, sondern allein ein Auswechseln der rechtlichen An-
spruchsbegründung. Doch selbst wenn man anderes annähme, wä-
re in einem Beschwerdeverfahren nach § 22 LwVGG in einer
sog. Streitsache nach dem FGG eine Änderung des Sachantrags
– im vorliegenden Fall auch ohne Zustimmung des Gegners -
zulässig, weil dieser zur sachgemäßen Regelung der streiti-
gen Angelegenheit sachdienlich wäre (vgl. dazu allgemein:
Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Auflage (2001), § 22, Rn. 72).
Die Sachdienlichkeit ist deshalb zu bejahen, weil mit der
Behandlung aller denkbaren Anspruchsgründe der gesamte
Streitstoff zwischen den Beteiligten in Bezug auf die Vermö-
gensauseinandersetzung anlässlich des Ausscheidens der El-
tern aus der Antragsgegnerin erledigt wird und auch kein
neuer Tatsachenstoff zu berücksichtigen ist.
15
B.
1.
Die Aktivlegitimation des Antragstellers für den gel-
tend gemachten Anspruch ergibt sich aus
a)
der die gesetzlichen Ansprüche aus dem LwAnpG be-
gründenden Mitgliedschaft seines Vaters in der LPG
und der Einbringung des Inventars gemäß dem Über-
nahmeprotokoll vom 31.12.1967 (Bl. 16 d.A.) durch
den Vater des Antragstellers,
b)
der Erbfolge der Mutter des Antragstellers auf
Grund des Testamentes vom 28.10.1986 (Bl. 38 d.A.)
nach dem Tode seines Vaters am 10.12.1994 und
c)
der Abtretungsvereinbarung mit seiner Mutter vom
08.08.1998 (Bl. 15 d.A.).
2.
Die Passivlegitimation der Antragsgegnerin beruht auf:
a)
Der Eintragung der A. -GmbH & Co KG H. ,
Großwig, in das Handesregister des Landgerichts
Leipzig-Stadt (HRA 11302) am 25.08.1992 mit der
Beifügung eines Umwandlungsvermerks am 29.09.1992
mit dem Inhalt, dass die GmbH & Co KG durch Um-
wandlung und Formwechsel der LPG "
Großwig" entstanden sei (Registerauszug in Beiakte
AG Oschatz XV 106/96 Bl. 143). Die Eintragungen
begründen einen Beweis des ersten Anscheins für
deren
Richtigkeit
(vgl.
BGH
Urteil
vom
31.07.1997 – V ZR 23/96 – VIZ 1997, 304 f.). Die
Richtigkeit des Beweisanscheins erschütternde Tat-
sachen sind weder von einem der Beteiligten vorge-
tragen worden noch aus dem unstreitigen Vorbringen
und dem Inhalt der beigezogenen Akten ersichtlich.
16
b)
Der unstreitigen Umwandlung der KG in die GmbH,
die ebenfalls in das Handelsregister eingetragen
wurde (Prot. vom 10.04.2003, Seite 3, = Bl. 297
d.A.).
C.
Der Antragsteller kann aus abgetretenem Recht die gesetzli-
chen Ansprüche seines Vaters aus dessen Mitgliedschaft und
Inventareinbringung nach dem LwAnpG geltend machen. Die sol-
che
Nachforderungen
ausschließende
Vereinbarung
vom
20.10.1992 (Bl. 32 d.A.) verstieß gegen die guten Sitten und
ist deswegen nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
1.
Eine Abfindungsvereinbarung, wie sie die Eltern des An-
tragstellers mit der Antragsgegnerin abgeschlossen ha-
ben, schließt allerdings den Rückgriff auf die gesetz-
lichen Ansprüche aus dem LwAnpG grundsätzlich aus (vgl.
BGH – Beschluss vom 22.02.1994 – BLw 71/93 – NL-BzAR
1997, 277 f.). Ein entsprechender Wille zu einer ab-
schließenden Regelung, die auch Nachforderungen aus-
schließen sollte, ist in der Nummer 4 zudem ausdrück-
lich erklärt worden. Mit der Erfüllung der Zahlungs-
pflichten sollten danach alle Forderungen unwiderruf-
lich abgegolten sein.
Eine solche Vereinbarung, die den Rückgriff auf gesetz-
liche Ansprüche ausschließt, kommt dann zustande, wenn
das Mitglied ein Angebot des Unternehmens über eine Ab-
findung für sein Ausscheiden im Zuge der Umwandlung an-
nimmt. Nach dem Abschluss der Vereinbarung ist es auch
nicht mehr erheblich, welche gesetzlichen Ansprüche dem
Mitglied nach dem LwAnpG im Falle der Nichtannahme des
Abfindungsangebots zugestanden hätten. Dies ist eine
Folge davon, dass die Beteiligten über alle gesetzli-
chen Ansprüche disponieren können, die das LwAnpG ehe-
maligen LPG-Mitglieder bereit stellt. (vgl. BGH – Be-
schluss vom 22.02.1994 – BLw 71/93 – a.a.O.).
17
2.
Die den Rückgriff auf gesetzliche Ansprüche ausschlie-
ßende Vereinbarung muss allerdings wirksam sein, was
hier nicht der Fall ist.
a)
Die Nummer 4 der Vereinbarung, nach der alle (auch
unbekannte) weitergehende Forderungen unwiderruf-
lich abgegolten sein sollten, enthält insoweit ei-
nen Verzicht sowohl auf eine Anpassung der ver-
traglichen Forderung als auch auf die durch die
Vereinbarung verdrängten gesetzlichen Ansprüche.
Solche Abreden sind nicht schon dann unwirksam,
wenn der Anspruch aus der Vereinbarung weit unter
der Hälfte dessen liegt, was dem ehemaligen Mit-
glied nach dem Gesetz als Abfindung zugestanden
hätte. Auch in solchen Fällen muss sich der Ver-
zicht bei einer Würdigung von Inhalt, Beweggrund
und Zweck als ein in seinem Gesamtcharakter mit
den guten Sitten nicht zu vereinbarendes Geschäft
darstellen (vgl. BGH - Beschlüsse vom 05.03.1999 -
BLw 52/98 - AgrarR 1999, 248, 249, vom 16.06.2000
- BLw 19/99 - WM 2000, 1762, 1763 und vom
26.04.2002 – BLw 29/01 – VIZ 2002, 529 f.)
b)
Welche Umstände hierfür entscheidend sind, wird in
den o.g. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
nicht näher ausgeführt und ist im Einzelfall durch
den Tatrichter festzustellen. Der erkennende Senat
hat dies u.a. angenommen, wenn
-
das Mitglied bei der Vereinbarung unter an-
stößigen Druck gesetzt wurde, um es zur Un-
terschrift zu bewegen, oder
-
das durch den Verzicht begünstigte Unterneh-
men die infolge Unerfahrenheit oder Willens-
schwäche ungünstige Lage des ehemaligen Mit-
glieds bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt
oder sich leichtfertig der Erkenntnis ver-
schlossen hat, dass das Mitglied sich nur we-
gen seiner Unerfahrenheit oder Willensschwä-
che auf eine sehr nachteilige Vereinbarung
eingelassen
hat
(Senatsbeschluss
vom
11.02.2002 – WLw 1394/00 – unveröffentlicht)
oder
18
-
das abfindungsrelevante Eigenkapital unter
offensichtlichem Verstoß gegen allgemeine Bi-
lanzierungsgrundsätze oder entgegen einer im
Zeitpunkt der Berechnung bestehenden höchst-
richterlichen Rechtsprechung zu Vorschriften
des LwAnpG (Senatsbeschluss vom 12.02.2002 –
W XV 2023/01 – unveröffentlicht) falsch aus-
gewiesen wurde, so dass das Mitglied den Um-
fang seines Verzichts gar nicht ermessen
konnte.
c)
Für die beiden erstgenannten Gesichtspunkte fehlt
es in diesem Fall an jeden Anhaltspunkten. Ein-
schlägig ist allerdings der dritte Grund, aus dem
sich eine Vereinbarung als sittenwidrig darstellen
kann. Die Abfindungsvereinbarung wurde auf der
Grundlage der Schlussbilanz der LPG zum 31.08.1991
abgeschlossen. Nach dem Ergebnis der vom Senat
durchgeführten Beweisaufnahme entsprach die Bil-
dung und die Auflösung der Rückstellungen weder
den Vorschriften des DMBilG noch denen des § 249
HGB. Die in der Bilanz zum 31.12.1990 gebildete
Rückstellung von 2,0 Mio DM mit der Begründung
"unterlassene Instandhaltungen" ist weder als
Rückstellung für einen innerbetrieblichen Aufwand
noch als solche für ungewisse Verbindlichkeiten
des Unternehmens belegt worden. Die Verstöße gegen
die Bilanzierungsvorschriften sowie der Umstand,
dass auch im gerichtlichen Verfahren bereits zum
Bilanzstichtag
bestehende
Aufwandserwartungen
nicht belegt worden sind, führen dazu, dass die
Abfindungsvereinbarung als sittenwidrig anzusehen
ist. Diese Bilanzierung bei der Antragsgegnerin
führte im Ergebnis zu einer durch den Ausweis von
Rückstellungen verdeckten Bildung von Rücklagen
und so zur Eigenfinanzierung eines danach entstan-
denen betrieblichen Aufwands der Antragsgegnerin
zu Lasten der Ansprüche der mit der Umwandlung
ausgeschiedenen Mitglieder. Die unter Zuziehung
einer Sachverständigen durchgeführte gerichtliche
Prüfung der Rückstellungen führt hier im Ergebnis
dazu, dass das abfindungsrelevante Eigenkapital in
19
der Umwandlungsbilanz um rd. 2,7 Mio. DM erhöht
werden muss.
Die in 1992 abgeschlossenen Abfindungsvereinbarun-
gen, auch die mit den Eltern des Antragstellers,
beruhten auf der Umwandlungsbilanz und einem auf
dieser Grundlage gefassten Beschluss der Mitglie-
derversammlung über die Bemessung der Abfindungs-
ansprüche. Dies ergibt sich aus dem unstreitigen
eigenen Vorbringen der Antragsgegnerin nach der
Anhörung ihres Geschäftsführers im Termin des Se-
nats vom 23.03.2001. Die Antragsgegnerin hat in
diesem – wie in den Verfahren, deren Akten der Se-
nat beigezogen hat – stets vorgetragen, dass die
angebotenen Abfindungen einer Personifizierungs-
quote von 50,57 % des eingebrachten Inventarbei-
trags entsprochen hätten, die auf der Grundlage
der Schlussbilanz der LPG vom 31.08.1991 errechnet
worden sei (Schriftsatz vom 28.03.2000, Seite 4, =
Bl. 30 d.A.). Der Geschäftsführer der Antragsgeg-
nerin hat bei seiner Anhörung am 23.03.2001 eben-
falls erklärt, dass die Abfindungsquote auf der
Basis des vorhandenen Eigenkapitals errechnet und
den Mitgliedern angeboten worden sei. Auch sei ein
dahingehender Beschluss der Mitgliederversammlung
gefasst worden (Prot. Seite 4 = Bl. 100 d.A.).
In solch einem Fall ist die Abfindungsvereinbarung
mit dem vom Mitglied erbetenen, vorformulierten
Verzicht auf Nachforderungen nach einem Abfin-
dungsangebot des Unternehmens auf der Basis einer
Bilanz, die infolge gesetzlich nicht zulässiger
Rückstellungen ein viel zu geringes Eigenkapital
auswies, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dies gilt
nicht nur dann, wenn der (zu niedrige) Ausweis des
Eigenkapitals auf eine Verschleierung der tatsäch-
lichen Vermögenslage durch den LPG-Vorstand zu-
rückzuführen ist, wie sie in den § 331 HGB und
§ 147 Abs. 2 GenG für die dort genannten Unterneh-
20
men unter Strafe gestellt worden ist (aa). Eine
auf der Grundlage der Bilanz geschlossene Abfin-
dungsvereinbarung ist bereits dann nach § 138 Abs.
1 BGB unwirksam, wenn infolge der Nichtbeachtung
der Vorschriften über die Bildung und die Auflö-
sung von Rückstellungen davon auszugehen ist, dass
dem in diesen Rückstellungen ausgewiesenen Kapital
am Bilanzstichtag weder ungewisse Verbindlichkei-
ten noch künftige Aufwendungen für in der Vergan-
genheit unterlassene Instandhaltungen zugrunde la-
gen, sondern dieses im Wesentlichen der Finanzie-
rung eines künftigen betrieblichen Aufwands durch
Bildung einer nur als Rückstellung bezeichneten
Rücklage gedient hat (bb).
aa) Bei Verletzungen der Vorschriften des Bilanzrechts
sind die auf dieser Grundlage geschlossenen Abfin-
dungsvereinbarungen dann wegen Verstoßes gegen die
guten Sitten unwirksam, wenn mit der Ausweisung
dieser Rückstellungen zugleich die Vermögenslage
des Unternehmens bewusst falsch wiedergegeben wor-
den ist, und somit ein Sachverhalt vorliegt, den
die § 331 HGB, § 147 Abs. 2 GenG für die den dort
bezeichneten Unternehmensformen unter Strafe stel-
len. Diese Tatbestände können auch durch eine zu
pessimistische Darstellung des Eigenkapitals er-
füllt werden (vgl. Hense in Beckscher Bilanz Kom-
mentar, § 331 HGB, Rn. 13).
Eine auf der Grundlage einer solchen Bilanz abge-
schlossene Abfindungsvereinbarung unter Verzicht
des Mitglieds auf weitere Ansprüche stellt sich
nach Inhalt und Zweck als sittenwidrig dar. In ei-
nem derartig gelagerten Fall kommen die durch die
fehlerhaften Bilanzansätze herbeigeführte Irrefüh-
rung der Mitglieder über das Eigenkapital des Un-
ternehmens und den Wert ihrer gesetzlichen Ansprü-
che sowie daraus folgend die Unangemessenheit des
Verzichts im Vergleich zu der gesetzlichen Rege-
21
lung zusammen. Bei einer solchen Verbindung von
Irreführung und Inäquivalenz ist auch der Verzicht
sittenwidrig und sind die Rechte des Mitglieds
nicht nur auf die Anfechtung wegen Täuschung oder
Drohung nach § 123 BGB beschränkt (dazu BGH – Ur-
teil vom 04.07.2002 – IX ZR 153/01 – NJW 2002,
2774).
Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für die zivil-
rechtliche Beurteilung der zwischen den LPGn und
ihren Mitgliedern abgeschlossenen Vereinbarungen.
Die Einwände der Antragsgegnerin in ihrem Schrift-
satz vom 09.05.2003 (Seite 4 = Bl. 300 d.A.) sind
insoweit nicht durchschlagend. Die Frage, ob sit-
tenwidriges Verhalten durch die LPG-Vorstände vor-
gelegen hat, hängt allein davon ab, ob die in den
zitierten Tatbeständen beschriebenen Handlungen
(Vorsätzlich unrichtige Wiedergabe der Vermögens-
lage des Unternehmens) vorgelegen hat; sittenwid-
riges Handeln setzt nicht voraus, dass das Handeln
der LPG-Vorstände in gleicher Weise wie bei den
Kapitalgesellschaften unter Strafe gestellt war.
Der bewusst unrichtige Ausweis eines zu niedrigen
Eigenkapitals in der für die Berechnung der Abfin-
dung maßgeblichen Bilanz offenbart eine verwerfli-
che Gesinnung gegenüber den ausscheidenden Mit-
gliedern, die auch dann zur Sittenwidrigkeit der
auf der Grundlage solcher Bilanzen abgeschlossenen
Vereinbarungen führt, wenn dieses Handeln nicht
unter Strafe gestellt worden ist.
Da die Bewertungsvorschriften und die Grundsätze
ordnungsgemäßer Buchführung allerdings Spielräume
einräumen, wird ein Ausweis in der Bilanz erst
dann unrichtig im Sinne der zitierten Bestimmun-
gen, wenn dieser nach der einhelligen Meinung der
Fachleute schlechthin unvertretbar ist (vgl. (Que-
denfeld in MüKo zum HGB (2001), § 331, Rn. 34).
Eine zu pessimistische Darstellung ist daher nicht
22
unrichtig, wenn sie durch das Vorsichtsprinzip des
§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB veranlasst und noch getra-
gen worden ist.
Insoweit beruft sich die Antragsgegnerin darauf,
dass unstreitig alle Jahresabschlüsse der LPG, der
Komplementär-GmbH und der Antragsgegnerin selbst
von einem Wirtschaftsprüfer geprüft, die Rückstel-
lungen in den Berichten erwähnt und kommentiert
worden seien und der Prüfer diese nicht beanstan-
det hat. In den Berichten hat der beauftragte
Wirtschaftsprüfer vielmehr die Ordnungsmäßigkeit
der Buchführung und den Vermögensverhältnissen und
der Ertragslage der Unternehmen entsprechende Ab-
schlüsse testiert.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Be-
weisausnahme waren diese Testate falsch. Die für
die Bildung der Rückstellungen und für deren Auf-
lösung erforderlichen Voraussetzungen nach DMBilG
und HGB waren nicht erfüllt. Die Buchführung der
LPG wie der Antragsgegnerin und die Ausweisung des
Zwecks der Rückstellung von 2,0 Mio. DM waren
nicht ordnungsgemäß.
Eine bewusst unrichtige Darstellung der Vermögens-
lage durch den Vorstand der LPG kann allerdings
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festge-
stellt werden. In den der Umwandlungsbilanz nach-
folgenden Wirtschaftsjahren bis Ende 1998 der An-
tragsgegnerin sind für die Beräumung von Abfällen,
die Instandhaltung von Gebäuden Aufwendungen in
Höhe von etwas über 1,98 Mio. DM entstanden, die
der Sachverständige B. denn auch als einen Nach-
weis für die Richtigkeit der Rückstellungen bewer-
tet hat (vgl. die in der Parallelsache vom Amtsge-
richt eingeholten gutachterliche Stellungnahme des
Sachverständigen B. vom 08.02.1999, Seiten 3 bis
7 = Akte AG Oschatz XV 106/97 – Bl. 233 bis 237).
23
Dieser Sachverständige hat allerdings in seiner
Anhörung durch den Senat am 14.09.2001 (Prot. Sei-
ten 3,4 = Bl. 121, 122 d.A.) eingeräumt, dass die
von ihm dort festgestellte Verwendung der zurück-
gestellten Beträge nicht mit den in den Prüfbe-
richten der Wirtschaftsjahre nach 1991 dokumen-
tierten gewinnerhöhenden Auflösungen der Rückstel-
lungen übereinstimmen könne. Der vom Senat darauf
mit der Prüfung der Rückstellungen beauftragte
Sachverständige V. hat bei der Anhörung durch
den Senat dazu ausgeführt, dass er zwar davon aus-
gehe, dass das Unternehmen in den Folgejahren sol-
che Aufwendungen gehabt habe, es sich bei den im
Gutachten B. aufgelisteten Positionen aber nicht
allein um Instandhaltungsaufwand gehandelt habe
und er vor allem nicht feststellen könne, ob es
sich insoweit bei den Positionen nicht um innerbe-
trieblichen Aufwand aus der Wirtschaftstätigkeit
der Antragsgegnerin in den Folgejahren nach der
Umwandlung gehandelt habe (Prot. vom 10.04.2003,
Seiten 7 und 8, = Bl. 300, 301 d.A. und vom
11.12.2003, Seite 5, = Bl. 343 d.A.).
Angesichts der Testate in den Prüfberichten zu den
Bilanzen sowie der (wenn auch im Nachhinein einge-
schränkten) Bekundung des Sachverständigen B.
zur Nachweis eines Aufwands und dessen Zuordnung
zu der Rückstellung in Höhe von 2 Mio. DM in der
Bilanz der LPG zum 31.12.1990 vermag der Senat
nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass ein be-
wusst falscher Ausweis eines zu niedrigen Eigenka-
pitals in der Umwandlungsbilanz durch den Vorstand
der LPG vorgelegen hat.
bb) Die Abfindungsvereinbarung mit dem Verzicht auf
weitere Ansprüche ist jedoch auch dann als sitten-
widrig anzusehen, wenn – wie hier – in der Umwand-
lungsbilanz erhebliche Rückstellungen unter massi-
vem Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer
24
Buchführung und Bilanzierung ausgewiesen worden
sind, die auf Grund der Bilanz vom Unternehmen
nach dem bilanzierten Eigenkapital errechneten Ab-
findungsansprüche so um ein Vielfaches hinter dem
gesetzlichen Anspruch zurückblieben und dem Mit-
glied durch die fehlerhafte Bilanzierung die Mög-
lichkeit einer Erkenntnis des Umfangs des Ver-
zichts auf Nachforderungen (nach der Nummer 4 der
Vereinbarung) ferngehalten wurde.
Die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung ergibt sich
bereits daraus, dass der Umfang des Verzichts für
das Mitglied infolge der in die Sphäre des Unter-
nehmens fallenden Fehlern bei der Bilanzierung
nicht erkennbar war und das Unternehmen aus einer
darauf beruhenden Vereinbarung für sich Vorteile
zu ziehen versucht. Dies gilt auch dann, wenn man
davon ausgeht, dass es für vereinbarte Abfindungen
zwischen den LPGn und ihren Mitgliedern (anders
als für Abfindungsklauseln in Gesellschaftverträ-
gen – dazu BGH – Urteil vom 09.01.1989 – II ZR
83/88 – NJW 1989, 2685) keinen nach dem Wert der
Beteiligung des ausscheidenden Mitglieds am Unter-
nehmen orientierten Mindeststandard gibt, bei des-
sen Unterschreitung eine vereinbarte Abfindung
stets als sittenwidrig anzusehen ist, sondern der
Verstoß gegen die guten Sitten im Einzelfall fest-
gestellt werden muss. Eine Vereinbarung mit einem
so weitreichenden Verzicht ist jedenfalls dann
nicht wirksam, wenn das abfindungsrelevante Eigen-
kapital in der für die Bemessung der gesetzlichen
Ansprüche nach dem LwAnpG hier maßgeblichen
Schlussbilanz der LPG unter Verstoß gegen Bilan-
zierungsvorschriften des DMBilG und des HGB in er-
heblichem Umfang zu niedrig ausgewiesen war und so
das Mitglied über die Höhe des gesetzlichen An-
spruchs und über die Bedeutung und den Umfang ei-
nes Verzichts auf Nachforderungen falsch infor-
miert wurde. Insoweit liegt auch keine Abweichung
25
von den vorstehend bereits zitierten Entscheidun-
gen des Bundesgerichtshofs vor (Beschlüsse vom
16.06.2000 - BLw 19/99 - WM 2000, 1762, 1763) und
vom 26.04.2002 – BLw 29/01 – VIZ 2002, 529 f.).
Dort hatten die Mitglieder in Vereinbarungen über
eine bare Abfindung beim Ausscheiden aus dem Un-
ternehmen zwar ebenfalls auf weit mehr als 50 vom
Hundert des ihnen nach dem Gesetz zustehenden An-
spruchs verzichtet; sie waren allerdings korrekt
darüber informiert worden, dass und in welchem
Ausmaß die angebotene Abfindung hinter dem Wert
der Beteiligung des Mitglieds am Eigenkapital der
LPG zurückblieb.
3.
Die in der Jahresbilanz der LPG zum 31.12.1990 vorge-
nommene Rückstellung für Sanierungsmaßnahmen in Höhe
von 2,0 Mio DM, die in der Umwandlungsbilanz zum
31.08.1991 ausgewiesen ist, ist nicht nach dem DMBilG,
sondern nach den in § 249 HGB bestimmten Voraussetzun-
gen zu beurteilen. Diese lagen nicht vor. Der Ausweis
der Rückstellung in der Bilanz entsprach danach nicht
den Vorschriften zur Aufstellung des Jahresabschlusses,
die den zutreffenden Ausweis des Vermögens und der
Schulden des Unternehmens bezwecken (a,aa). Das abfin-
dungsrelevante Eigenkapital ist auch um den Betrag der
nicht in gesetzlicher Weise gebildeten Rückstellung zu
erhöhen. Die Antragsgegnerin vermochte in dem gericht-
lichen Verfahren weder im Zeitpunkt der Umwandlung be-
stehende ungewisse Verbindlichkeiten als Grundlage für
eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB
noch eine vor der Umwandlung begründete Aufwandserwar-
tung für zurückgestaute Instandhaltungen als Grundlage
für eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1,
Satz 2 oder § 249 Abs. 2 HGB zu begründen (a,bb).
Die in der DM-Eröffnungsbilanz zum 01.07.1990 in Höhe
von 596.475 DM gebildete Rückstellung für Altlasten so-
wie die aus dem Zusammenschluss mit der LPG Z. in
der Umwandlungsbilanz übernommene Rückstellung von
26
110.000 DM aus deren Eröffnungsbilanz sind nach § 17
DMBilG zu beurteilen. Die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Bildung der Rückstellung sind insoweit zwar
ebenfalls nicht dargelegt, was aber nicht der Vorwurf
der Sittenwidrigkeit der auf solcher Unrichtigkeit ab-
geschlossenen Abfindungsvereinbarungen trägt (b). Die
nicht bestimmungsgemäße Auflösung führt aber dazu, dass
sich das abfindungsrelevante Eigenkapital auch insoweit
erhöht (dazu unten E.)
Die Wertabschläge in der Eröffnungsbilanz der Antrags-
gegnerin für unterlassene Grundinstandsetzungen an Ge-
bäuden
und
baulichen
Anlagen
von
in
Höhe
von
4.837.141,00 waren nach § 10 Abs. 1 Satz 2 DMBilG zu-
lässig (c).
Auch aus der anlässlich der Beteiligung der LPG an ei-
nem anderen Unternehmen, G. GmbH
Neiden, unter Übertragung von Vermögen und Verbindlich-
keiten gebildeten Rückstellung von 500.000 DM ergibt
sich kein Grund für eine Änderung des Bilanzansatzes
(d).
a)
Das abfindungsrelevante Eigenkapital ist um den
Betrag der in der Bilanz zum 31.12.2002 nach dem
Prüfbericht vom 15.09.1991 für unterlassene In-
standhaltung gebildeten Rückstellung von 2,0 Mio.
DM zu erhöhen.
aa) Da die Rückstellung nicht in der Eröffnungsbilanz
der LPG zum 01.07.1990 gebildet wurde, bestimmt
sich ihre Zulässigkeit nach den allgemeinen Vor-
schriften für den zulässigen Ausweis solcher Rück-
stellungen in einer Handelsbilanz in § 249 HGB.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann keiner
der in § 249 HGB für die Bildung solcher Rückstel-
lungen genannten Gründe festgestellt werden.
27
(1) Rückstellungen
für
unterlassene
Instandhaltung
dienen grundsätzlich der periodengerechten Erfas-
sung des betrieblichen Aufwands. Sie sind nach
§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB auszuweisen, wenn
der Aufwand in den ersten drei Monaten des Folge-
jahres nachgeholt wird. Sie können nach § 249 Abs.
1 Satz 3 HGB gebildet werden, wenn der Aufwand
nach Ablauf dieser Frist im folgenden Geschäfts-
jahr nachgeholt wird. Die Voraussetzungen für eine
Bildung von Rückstellungen nach diesen Bestimmun-
gen lagen offensichtlich nicht vor, da keine Maß-
nahmen zur Instandhaltung im Wirtschaftsjahr 1991
vorgenommen worden sind und die Rückstellung auch
nicht in diesem Jahr (sondern erst sukzessive nach
1993) aufgelöst worden ist.
Dies hat der Sachverständige V. in seinem Gut-
achten vom 07.02.2003 (auf den Seiten 10 und 11;
Bl. 179, 180 d.A.) ausgeführt. Einwendungen gegen
die Richtigkeit der Feststellungen in Bezug auf
das Nichtvorliegen der tatsächlichen Voraussetzun-
gen für die Bildung einer Rückstellung aus diesem
Rechtsgrund sind nicht erhoben worden. Daraus er-
gibt sich auch die vom Sachverständigen ausgeführ-
te rechtliche Schlussfolgerung.
(2) Auch die Voraussetzungen für einen Ausweis von
Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB lie-
gen nicht vor. Diese Vorschrift enthält ein sog.
Wahlrecht zur Passivierung in der Bilanz für sol-
che Aufwendungen, die am Abschlussstichtag wahr-
scheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer
Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbe-
stimmt waren.
Für die Bildung solcher Rückstellung ist es erfor-
derlich, dass die in die Rückstellung eingestell-
ten künftigen Aufwendungen dazu dienen, die Be-
triebsfähigkeit vorhandener Anlagen zu erhalten,
28
und dass wegen der Höhe der zu erwartenden Aufwen-
dungen eine Verteilung auf mehrere Jahre zweckmä-
ßig ist, weil andernfalls nur das Ergebnis eines
Geschäftsjahres belastet werden würde (Wöhe, Han-
dels- und Steuerbilanz, 4. Auflage, München 2001,
Seite 209 f.).
Strittig ist, ob auch Rückstellungen für Instand-
haltungen von Bauwerken und Anlagen des Unterneh-
mens über die durch § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und
Abs. 1 Satz 3 HGB gezogenen zeitlichen Grenzen als
sog. Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 2 HGB
ausgewiesen werden können. Ein Teil des Schrift-
tums geht vom Vorrang der erstgenannten Vorschrif-
ten mit den zeitlichen Begrenzungen aus, die sonst
mithilfe des § 249 Abs. 2 HGB unterlaufen werden
könnten (vgl. Ballwieser in MüKo zum HGB, § 249,
Rn. 88). Die andere Auffassung lässt die Bildung
solcher Rückstellungen für sog. Großreparaturen
zu, die anders als die in § 249 Abs. 1 HGB be-
zeichneten Rückstellungen zur Instandhaltung nicht
laufend anfallen und daher dem abgeschlossenen Ge-
schäftsjahr zugerechnet werden können, die aber in
regelmäßigen Abständen immer wieder vorzunehmen
sind (Berger/Ring in Beck'scher Bilanz Kommentar,
5. Auflage (München 2003), Rn. 316 und Großfeld,
Bilanzrecht, 3. Auflage, Heidelberg (1998), Rn.
379).
Es kann dahinstehen, welcher dieser Auffassungen
zu folgen ist, weil auch die weiteren in § 249
Abs. 2 HGB benannten Voraussetzungen für die Bil-
dung solcher Rückstellungen nicht vorgelegen ha-
ben. Die Vorschrift setzt die genaue Bezeichnung
des voraussichtlichen Aufwands (Aufwandsumschrei-
bung), die Zurechenbarkeit des Aufwands zu einer
Periode (Aufwandsverursachung) und die hohe Wahr-
scheinlichkeit des Eintritts des Aufwands (Auf-
wandserwartung) voraus, während die Höhe und der
29
Zeitpunkt des künftigen Aufwands (Aufwandsbe-
stimmtheit) nicht vorausgesetzt werden können. Die
Rückstellung muss eindeutig
sein. In der Bilanzanlage muss das betrof-
fene Wirtschaftsgut, Art, Umfang und voraussicht-
licher Zeitpunkt der Erhaltungsmaßnahme benannt
sein (vgl. Berger/Ring in Beck'scher Bilanz Kom-
mentar, 5. Auflage (München 2003), Rn. 318). Diese
Anforderungen sind deshalb zu stellen, weil gerade
bei den für eine längere Zukunft gebildeten Rück-
stellungen für einen künftigen Aufwand die Gefahr
des Aufbaus eines Finanzpolsters besteht, dass der
Selbstfinanzierung der Unternehmens an den Gesell-
schaftern vorbei dient (vgl. Großfeld, Bilanz-
recht, 3. Auflage, Heidelberg (1998), Rn. 379).
Für die Anerkennung solcher Aufwandsrückstellungen
wäre daher zunächst erforderlich, dass in der An-
lage zur Bilanz beschrieben wird, für welche künf-
tigen Erhaltungsmaßnahmen an welchen Wirtschafts-
gütern die Rückstellung gebildet worden ist und
dass diese Zuführungen in die Rückstellung für
künftige Aufwendungen der zeitanteiligen Nutzung
des Wirtschaftsguts in früheren Geschäftsjahren
zuzuordnen waren.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt worden.
Der Sachverständige V. hat bei seiner Anhörung
im Termin vom 10.04.2003 erklärt, dass alle diese
Voraussetzungen für solche Aufwandsrückstellungen
nach seinen Feststellungen nicht vorlägen und es
insbesondere an jeder Erläuterung einer Aufwands-
erwartung fehle (Prot. Seiten 5 und 8, Bl. 299,
302 d.A.).
Dem schließt sich der Senat an. Die Antragsgegne-
rin hat insoweit auch eingeräumt, dass insoweit
Fehler in ihrer Buchführung und ihren Abschlüssen
vorgelegen hätten, sie sich aber auf die Testate
30
ihres damaligen Wirtschaftsprüfers verlassen habe
(Schriftsatz vom 09.05.2003, Seite 2, Bl. 298
d.A.). Testate eines Wirtschaftsprüfers vermögen
jedoch nicht die Erfüllung der gesetzlichen Anfor-
derungen für den Ausweis von Aufwandsrückstellun-
gen nach § 249 Abs. 2 HGB durch das buchführungs-
und abschlusspflichtige Unternehmen zu ersetzen.
Da im vorliegenden Fall keine Aufwandsrückstellun-
gen entsprechend den in § 249 Abs. 2 HGB bestimm-
ten Anforderungen gebildet wurden, ist nicht zu
entscheiden, ob (ordnungsgemäß ausgewiesene und
begründete) Rückstellungen für einen innerbetrieb-
lichen Aufwand nach § 249 Abs. 2 HGB überhaupt ge-
eignet wären, um das abfindungsrelevante Eigenka-
pital nach § 44 Abs. 6 LwAnpG herabzusetzen oder
wie offene Rücklagen dem Eigenkapital zuzurechnen
sind.
(3) Die Rückstellung ist auch nicht aus § 249 Abs. 1
1. Alt. HGB begründet. Auch die Voraussetzungen
für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse
Verbindlichkeiten liegen nicht vor. Im dem zur Ak-
te gereichten Bericht zur Bilanz zum 31.12.1990
war die Rückstellung zwar nicht als eine solche
bezeichnet worden. Der Senat ist der unter Vorlage
des Schreibens des früheren Abschlussprüfers der
Antragsgegnerin vom 12.03.2003 (Bl. 301 d.A.) er-
hobenen Beweiseinrede, dass die im Abschluss zum
31.12.1990 gebildete Rückstellung für Sanierungs-
maßnahmen in Höhe von 2.000.000 DM eine solche für
ungewisse Verbindlichkeiten gewesen sei, nachge-
gangen und hat einen ergänzenden Beweisbeschluss
vom 05.06.2003 erlassen (Bl. 308 ff. d.A.).
(a) Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rück-
stellung liegen jedoch auch nach dieser Vorschrift
nicht vor. Die Rückstellungen nach § 249 Abs. 1
Satz 1 HGB erfassen nicht kompensierte, quantifi-
31
zierbare Verpflichtungen am Bilanzstichtag gegen-
über Dritten, deren Existenz unsicher, aber hin-
reichend wahrscheinlich ist (Ballwieser in Münche-
ner Komm. zum HGB (2001), § 249, Rn. 10).
-
Sie unterscheiden sich gegenüber den innerbe-
trieblichen Aufwandsrückstellungen vor allem
dadurch, dass eine Verpflichtung gegenüber
einem Dritten wahrscheinlich sein muss. Diese
kann auf einem zivilrechtlichen oder einem
öffentlichen Rechtsgrund oder auch nur in ei-
nem faktischen Zwang (wirtschaftlicher Grund)
bestehen.
-
Die ungewisse Verbindlichkeit darf im Bilanz-
stichtag noch nicht sicher sein (sonst wäre
sie als solche zu passivieren), ihr Entstehen
muss aber hinreichend wahrscheinlich sein.
-
Die ungewisse Verbindlichkeit muss in ihrem
Umfang quantifizierbar sein. Eine Rückstel-
lung in unbestimmter Höhe zum Abfangen allge-
meiner Unternehmerrisiken ist nicht zulässig.
-
Schließlich darf die Rückstellung nicht Auf-
wendungen für aktivierbare Herstellungs- oder
Anschaffungskosten von Gegenständen des Anla-
gevermögens des Unternehmens betreffen.
(b) Der Sachverständige V. hat dazu ausgeführt, ei-
ne solche Rückstellung setze voraus, dass die Ver-
pflichtungsgründe für die Rückstellung in den Er-
läuterungen zur Bilanz benannt werden. Jedenfalls
aber müsse das Unternehmen wenigstens im Nachhi-
nein die Verpflichtungsgründe zu bezeichnen vermö-
gen, damit eine sachverständige Feststellung und
Prüfung überhaupt möglich werde. Sei dies nicht
der Fall, könne keine Prüfung erfolgen. Der Sach-
verständige könne nicht ohne jeden Anhaltspunkt
alle Unterlagen des Unternehmens danach durchsu-
chen, ob denn solche Gründe vorgelegen haben könn-
ten (Ergänzungsgutachten vom 07.10.2003, Seite 7,8
= Bl. 327, 328 d.A. und Prot. der Anhörung des
Sachverständigen vom 11.12.2003, Seite 3, = Bl.
341 d.A.).
32
Da die Antragsgegnerin solche Verpflichtungen
nicht vorgetragen hat, ist dem Gutachter V.
darin zu folgen, dass die Voraussetzungen für ei-
nen Ausweis der Rückstellungen in der Bilanz nicht
vorgelegen haben.
(c) Die dazu von der Antragsgegnerin erhobenen Beweis-
einreden greifen nicht durch. In welchem Umfang
Inhalt und Zweck der Rückstellungen im Jahresab-
schluss dokumentiert sein müssen, ist eine Rechts-
frage. Eine Beweiserhebung zu dieser Frage durch
Vernehmung der von der Antragsgegnerin seinerzeit
beauftragten Wirtschaftsprüfers als (sachverstän-
digen) Zeugen, wie sie in den Schriftsätzen vom
31.03.2003 und vom 13.04.2004 beantragt worden
ist, scheidet daher aus. In der Sache entspricht
die Beurteilung des Sachverständigen V. der
Rechtslage.
Die LPGn waren nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 DMBilG zur
Buchführung nach dem Handelsrecht verpflichtet
worden. Durch die Einbeziehung der Genossenschaf-
ten jeder Art wurden auch die in der DDR entstan-
denen Genossenschaften erfasst, deren Kaufmannsei-
genschaft im Sinne des HBG hätte zweifelhaft sein
können. Diese Unternehmen (Wohnungsbaugenossen-
schaft, PGH und LPG) waren deshalb wie die nach
dem
GenG
gegründeten
Genossenschaften
vom
01.07.1990 an den Vorschriften über die Führung
von Büchern nach dem HGB unterstellt worden. Die
Pflichten der Antragsgegnerin vor ihrer Umwandlung
in der Rechtsform der LPG bestimmten sich daher
nach dem DMBilG, den für alle Kaufleute geltenden
Vorschriften über die Verpflichtung zur Buchfüh-
rung und zum Ausweis des Vermögens und der Schul-
den in einem Jahresabschluss (§§ 242 bis 236 HGB)
sowie den ergänzenden Vorschriften für die einge-
tragenen Genossenschaften (§§ 336 bis 339 HGB).
33
Die im Jahresabschluss der LPG zum 31.12.1990 aus-
gewiesene Rückstellung für Sanierungsmaßnahmen in
Höhe von 2 Mio. DM war offensichtlich keine solche
für Pensionslasten und ähnliche Verpflichtungen
nach § 266 Abs. 3 Buchstabe B Nr. 1 HGB und auch
keine Steuerrückstellung nach § 266 Abs. 3 Buch-
stabe B Nr. 2 HGB, sondern eine sonstige Rückstel-
lung nach § 266 Abs. 3 Buchstabe B Nr. 3 HGB. Für
diese gilt auf Grund der Verweisung in § 336 Abs.
2 Satz 1 HGB für die Genossenschaften die für die
Kapitalgesellschaften bestimmte Anordnung in § 285
Nr. 12 HGB, nach der die in der Bilanz unter dem
Posten "sonstige Rückstellungen" nicht gesondert
ausgewiesenen Rückstellungen im Anhang zu erläu-
tern sind, wenn sie einen nicht unerheblichen Um-
fang haben.
Dies war hier der Fall. In der Bilanz war nur der
Betrag genannt und eine Rückstellung von 2,0 Mio.
DM war unter Berücksichtigung eines in jener Bi-
lanz
noch
ausgewiesenen
Eigenkapitals
von
5.919.851,77 DM auch nicht unerheblich. Die Erläu-
terung im Anhang setzt bei einer Rückstellung nach
§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zumindest Angaben zum
Zweck und zum Inhalt des Rückstellungspostens vor-
aus (Vgl. Lange, MüKo, HGB, § 285, Rn. 238). Die
Angabe des anderen Zwecks (hier: "zurückgestaute
Instandhaltungen") genügte nicht, wenn es sich um
eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten
gehandelt hätte. Dies war auch der Grund dafür,
dass der gerichtliche Sachverständige (und auch
das Gericht) diese Rückstellung ihrer Beschreibung
gemäß zunächst allein als eine Rückstellung für
innerbetrieblichen Aufwand gewürdigt haben.
Für die Entscheidung über die Ansprüche der Mit-
glieder und eine mögliche sittenwidrige Verkürzung
durch den Ausweis nicht begründeter Rückstellungen
kommt es im Wesentlichen jedoch darauf an, ob denn
34
am Bilanzstichtag solche ungewissen Verbindlich-
keiten vorgelegen haben, die eine solche Rückstel-
lung begründet hätten. Die fehlende oder irrefüh-
rende Dokumentation über den Zweck der Rückstel-
lung ist allerdings ein Indiz dafür, dass dies
nicht der Fall war. Kommt dann noch – wie hier –
hinzu, dass das Unternehmen auch im gerichtlichen
Verfahren solche ungewissen Verbindlichkeiten für
die Bildung einer solchen Rückstellung nicht zu
benennen vermag (die wie bereits bemerkt nach dem
Bericht zur Bilanz auch nicht für diesen Zweck
ausgewiesen wurde) führt dies zu dem Schluss, dass
solche Gründe für die Rückstellung zum Bilanz-
stichtag auch nicht vorgelegen haben.
bb) Aus dem Umstand, dass die Rückstellung von 2 Mio.
DM nach den Vorschriften des HGB nicht hätte aus-
gewiesen werden dürfen, ergibt sich im vorliegen-
den Fall auch eine entsprechende Erhöhung des ab-
findungsrelevanten Eigenkapitals um diesen Betrag,
wie es der Sachverständige in der Anlage 1 zu sei-
nem ersten Gutachten vom 07.02.2003 (Bl. 196, 197
d.A.) dargestellt hat.
Das
abfindungsrelevante
Eigenkapital
zum
31.08.1991 ist auch nicht deshalb wie bei einer
ordnungsgemäßen Rückstellung und ihrem Verbrauch
zu vermindern, weil die Antragsgegnerin bis Ende
1997 rd. 1,98 Mio. DM für Aufwendungen zur Beräu-
mung von Grundstücken, Meliorationen von Bodenflä-
chen, den Umbau einer Milchviehanlage sowie zur
Sanierung einer ehemaligen Gärtnerei aufgewendet
hat (Gutachten B. vom 08.02.1999 in der Sache AG
Oschatz XV 106/97 – Seiten 3 bis 7 = Bl. 233 bis
237 d.A.).
Eine solche Korrektur einer fehlerhaften Bilanzie-
rung auch zu Gunsten des Unternehmens wäre grund-
sätzlich möglich. Das in der Bilanz ausgewiesene
35
Eigenkapital bildet nach § 44 Abs. 6 LwAnpG zwar
die Basis für die Berechnung der Abfindungsansprü-
che der ausgeschiedenen Mitglieder. Fehlerhafte
Ansätze in der Bilanz sind aber nicht zu überneh-
men, sondern es ist dann insoweit der tatsächliche
Wert am Markt zu ermitteln. Dies vermag auch eine
Berichtigung einer fehlerhaften Bilanz "nach un-
ten" zu Gunsten des Unternehmens (vgl. BGH – Be-
schluss vom 23.10.1998 – BLw 28/98 – VIZ 1999, 120
f.) zu begründen. Ebenso wäre die Übernahme einer
nicht ordnungsgemäß gebildeten Rückstellung mög-
lich, wenn denn das Bestehen entsprechender unge-
wisser Verbindlichkeiten oder einer innerbetrieb-
lichen Aufwandserwartung für unterlassene Instand-
setzungen vom Unternehmen dargestellt werden kann.
Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die im bereits
erwähnten Gutachten B. erwähnten Leistungsnach-
weise betreffen verschiedene Arbeiten, die sich
nicht bis zum Bilanzstichtag entstandenen Ver-
pflichtungsgründen oder einem innerbetrieblichen
Aufwand zuordnen lassen (Stellungnahmen V. bei
seinen Anhörungen am 10.04.2003, Prot. Seiten 7,8
= Bl. 301, 302 d.A., und am 11.12.2003, Prot. Sei-
te 5 = Bl. 343 d.A.). - Es kommt hinzu, dass nach
den Gewinn- und Verlustrechnungen der Antragsgeg-
nerin in den Jahren von 1990 bis 1995 lediglich
Aufwendungen für die Instandhaltung der Gebäude
und baulichen Anlagen in Höhe von 343.994,95 DM
ausgewiesen wurden, was nicht annähernd dem Betrag
von 1,97 Mio DM entspricht (Gutachten V. Seite
25 = Bl. 194 d.A.), die der Sachverständige V.
weder den Rückstellungen noch den vom Sachverstän-
digen B. bestätigten Aufwendungen von 1,97 Mio.
DM zuordnen konnte.
36
b)
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die in der
Eröffnungsbilanz der LPGn gebildeten Sonderrückla-
gen nach § 17 Abs. 4 DMBilG nach § 17 Abs. 1, Abs.
2a DMBilG lagen ebenfalls nicht vor.
An diese Rückstellungen waren besondere Rechtsfol-
gen geknüpft. Diese bestanden darin, dass für die
sog. gesetzlichen Rückstellungen in der DM-
Eröffnungsbilanz nach § 17 Abs. 4 DMBilG auf der
Aktivseite ein Sonderverlustkonto und auf der Pas-
sivseite eine Rücklage auszuweisen war. Dies führ-
te dazu, dass die nach Absatz 4 Satz 2 in den Fol-
gejahren in Höhe der Aufwendungen vorzunehmenden
Abschreibungen ergebniswirksam waren. Darin lag
eine Abweichung vom allgemeinen Handelsrecht zu
Gunsten der Unternehmen. Nach jenem führt die Auf-
lösung von Rückstellungen nicht (nochmals) zu ei-
nem ergebniswirksamen Aufwand. Mit der Bilanzhilfe
in § 17 Abs. 4 DMBilG sollte erreicht werden, dass
in der Eröffnungsbilanz Rückstellungen für künfti-
ge Verluste bei ihrer Inanspruchnahme als den Ge-
winn mindernder Aufwand berücksichtigt werden
konnten, die grundsätzlich nicht als abzugsfähiger
Aufwand berücksichtigt werden können (vgl. Biener
in Küting/ Weber, Der Übergang auf die DM-
Bilanzierung
(Stuttgart
1990),
S. 58;
Förs-
ter/Budde/Kropp, DMBilG (München 1991), § 17, Rn.
54).
Im Unterschied zu den Rückstellungen in der Bilanz
zum 31.12.1990 sind die Gründe dieser Rückstellun-
gen in den Eröffnungsbilanzen benannt worden. Sie
erfolgte nach der Begründung der Antragsgegnerin
für Altlasten zur Asbestsanierung (Bl. 130 d. BA).
Dies war auch der in dem Bericht zur Eröffnungsbi-
lanz angegebene Zweck. Bei der LPG (P) Z. dien-
te die Rückstellung den Kosten für die Entsorgung
von 3 Tankstellen. Danach hätten Rückstellungen
wegen sog. ökologischer Altlasten vorgelegen. In
37
der DM-Eröffnungsbilanz waren Rückstellungen für
diese Zwecke auszuweisen; jedoch sind auch bei
diesen Rückstellungen die in § 17 Abs. 2a DMBilG
benannten gesetzlichen Voraussetzungen für aus
diesem Grund ausgewiesene Rückstellungen nicht
vorhanden.
Die Bildung einer Rückstellung in der Eröffnungs-
bilanz nach § 17 Abs. 1 DMBilG war grundsätzlich
nur insoweit zulässig, als diese in Abweichung vom
bisherigen Recht wegen
. Die Rückstellung nach § 17 Abs. 4 DMBilG durf-
te danach nur für den in § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB
bezeichneten künftigen Aufwand, also für ungewisse
Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus
schwebenden Geschäften gebildet werden (vgl. Wyso-
cki pp., DM Eröffnungsbilanz 1990, S. 245). Eine
ges. Rücklage nach § 17 Abs. 4 DMBilG für unter-
lassene Aufwendungen (§ 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
HGB), für Gewährleistungen (§ 249 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 HGB) sowie für anderen Aufwand (§ 249 Abs. 2
HGB) war nach h.M. grundsätzlich unzulässig (vgl.
Biener in Küting/Weber, Der Übergang auf die DM-
Bilanzierung
(Stuttgart
1990),
S. 58;
Förs-
ter/Budde/Kropp, DMBilG (München 1991), § 17, Rn.
54). Ein großer Teil der Literatur zum DMBilG von
1990 ging dagegen davon aus, dass auch Aufwendun-
gen für ökologische Altlasten ungewisse Verbind-
lichkeiten im Sinne des § 17 Abs. 1 DMBilG waren
und somit nach § 17 Abs. 4 DMBilG aktiviert werden
konnten (vgl. Scherrer, DMBilG, Köln (1991), S.
95).
Diese Problematik wurde durch Novellierung des
DMBilG dahin entschieden, dass über den Absatz 1
hinaus in § 17 Abs. 2a DMBilG auch Rückstellungen
für ökologische Altlasten als ungewisse Verbind-
lichkeiten anerkannt (Geschwendtner, Agrarrecht
38
2001, Beilage 1/2001, S. 23) und zudem nach § 17
Abs. 2a Satz 3 DMBilG die Bildung solcher Rück-
stellungen für auch sofort abschreibbare Anschaf-
fungs- oder Herstellungskosten zugelassen wurde
(dazu Oser, DB 1994, 845, 849). Voraussetzung für
die Anerkennung eines eine derartige Rücklage be-
gründenden Sachverhalts blieb jedoch, dass nach
den Verhältnissen am 01.07.1990 eine vertragliche
oder gesetzliche Verpflichtung hierzu bestand.
Nicht erforderlich war dagegen, dass der Vertrags-
partner oder die Behörde die Verpflichtung kannte
oder gar ein die Beseitigung anordnender Verwal-
tungsakt vorlag oder angekündigt war (Oser, a.a.O.
unter Verweisung auf die Begründung BR-Drs 113/94,
S. 29). Nur dann war auch eine Aktivierung mit der
Folge einer ertragsmindernden Inanspruchnahme nach
§ 17 Abs. 4 DMBilG zugelassen.
An einem solchen Nachweis einer Verpflichtung zur
Asbestbeseitigung, zur Entsorgung der Tankstelle
fehlt es hier ebenfalls, womit denn auch die Vor-
aussetzungen für den Ausweis einer Rückstellung
nach § 17 Abs. 2a DMBilG nicht vorlagen (so auch
die Erklärung des Sachverständigen V. im Prot.
vom 10.04.2003, Seiten 6 und 7 = Bl. 300, 301
d.A.). Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung
auf den dem Senat aus zahlreichen anderen Verfah-
ren bekannten Sachverhalt hingewiesen, dass solche
Rückstellungen schon aus Gründen des Vorsichts-
prinzips in den Eröffnungsbilanzen in weitem Um-
fang gebildet worden seien.
Der erkennende Senat bewertet solche Fehler in der
Bilanzierung in der Eröffnungsbilanz, in den Fäl-
len, in den eine ökologische Altlast vorliegt und
der Grund der Rückstellung benannt werden kann,
unter Berücksichtigung der Unsicherheiten in Bezug
auf die Zulässigkeit der Bildung solcher Rückstel-
lungen nicht so schwer, wie bei der Ausweisung ei-
39
ner Rückstellung für zurückgestaute Instandhaltun-
gen in der Folgebilanz nach § 249 Abs. 1 HGB, für
die die Antragsgegnerin keinen die Rückstellung
tragende Verbindlichkeit zu benennen vermochte.
Welche gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf
die Beseitigung ökologischer Altlasten nach den
Vorschriften des Bundes und der Länder zum Boden-
schutz, zur Beseitigung von Abfällen und zur Ver-
minderung von Immissionen aus Anlagen zur Tierhal-
tung usw. auf die landwirtschaftlichen Unternehmen
in den Jahren nach dem 01.07.1990 zukommen würden,
war
im
Zeitpunkt
der
Erstellung
der
DM-
Eröffnungsbilanz nicht vorhersehbar. Soweit in den
Betrieben solche Altlasten (wie aus den Asbestbe-
lastungen der Gebäude, alten Tankstellen) vorhan-
den waren, war daraus auch eine Erwartung in Bezug
auf das Entstehen einer solchen Verpflichtung be-
gründet, woraus sich grundsätzlich ein die Rück-
stellung rechtfertigender Sachverhalt ergibt (vgl.
Crezelius, DB 1992, 1353, 1358).
Die Umstände, dass eine Verpflichtung zur Entsor-
gung der ökologischen Altlasten nicht aufgezeigt
worden ist und auch aus den unstreitigen Umständen
nicht ersichtlich wird und über den für die Auflö-
sung solcher Rückstellungen in § 17 Abs. 2a Satz 3
DMBilG bestimmten Termin (31.12.1997) hinaus auch
keine Anordnung dazu ergangen ist, sind aus den
vorstehenden Erwägungen als Anhaltspunkte für die
Feststellung einer unrichtigen, gegen die guten
Sitten verstoßenden Bilanzierung ungeeignet.
Die nicht bestimmungsgemäße Auflösung der Rück-
stellung in 1993 und 1994 ist allerdings eigenka-
pitalerhöhend zu berücksichtigen (dazu unten E).
40
c)
Die neben dieser Rückstellung in der Eröffnungsbi-
lanz ausgewiesenen Wertabschläge an Gebäuden und
Anlagen für unterlassene Instandhaltungen und
Großreparaturen in Höhe von 4.837.141,00 DM waren
nach § 10 Abs. 1 Satz 2 DMBilG zugelassen. Der
Sachverständige V. hat diese (wie die weiteren
Teilwertabschreibungen in den Folgejahren bei den
Gebäuden von rd. 5 Mio. DM) nicht beanstandet und
darin auch keine nach § 10 Abs. 2 Satz 2 DMBilG
unzulässige doppelte Erfassung desselben Sachver-
halts in einer Minderung des Wertansatzes nach §
10 Abs. 1 Satz 2 DMBilG und einem Ausweis einer
Rückstellung nach § 17 Abs. 5 Satz 3 DMBilG gese-
hen.
Die
Rückstellung
aus
der
Bilanz
vom
31.12.1990 habe damit nichts zu tun und sei zu-
sätzlich gebildet worden (Prot. vom 10.04.2003,
Seite 5, Bl. 299 d.A.)
Die Ausführungen des Sachverständigen sind inso-
weit von keiner Seite beanstandet worden; auch der
Senat verfügt über keine anderen Erkenntnisse.
d)
Die Rückstellung in 1991 von 500.000 DM aus einer
Beteiligung
an
der
Gründung
für
die
G. GmbH Neiden ist nicht zu
Lasten des Unternehmens der Antragsgegnerin be-
gründet worden und war daher für die Bemessung des
Abfindungsanspruchs ohne Auswirkungen. Es handelte
sich um eine Beteiligung der Antragsgegnerin an
einem anderen Unternehmen durch Übertragung von
Vermögen und Verbindlichkeiten. Da die Wirksamkeit
des Vorgangs zweifelhaft war, wurde die Rückstel-
lung gebildet. Wäre nicht so vorgegangen worden,
hätten bei der Antragsgegnerin Verbindlichkeiten
in dieser Höhe bilanziert werden müssen (Gutachten
V. vom 07.02.2003, Seiten 13 und 14 = Bl. 182,
183 d.A.). Gegen diese Feststellungen sind keine
Einwendungen von den Beteiligten erhoben worden.
41
Die aus der Beteiligung im Geschäftsjahr 1991 ein-
getretenen Verluste von insgesamt 71.229,44 DM
sind nach der Wertung des Gutachters auf Fehlmaß-
nahmen der Geschäftsleitung der Antragsgegnerin
zuzuordnen. Die bis zur Umwandlung entstandenen
Verluste hat (auch) der Antragsteller mit zu tra-
gen, da sei Vater in diesem Zeitraum noch Mitglied
der LPG war.
D.
Ergänzend zu den vorstehenden Ausführungen unter C. zur
Nichtigkeit der Abfindungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB
ist auszuführen, dass der Antragsteller auch dann eine Neu-
berechnung der Abfindung auf der Grundlage der gesetzlichen
Bestimmungen verlangen könnte, wenn man die Vereinbarung
nicht wegen der fehlerhaften Bilanzierung und der dadurch
bewirkten Unkenntnis des ausscheidenden Mitglieds über die
Tragweite des Verzichts für unwirksam erachtete. Unter die-
ser Prämisse wäre der Anspruch auf Neuberechnung und Nach-
zahlung aus den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäfts-
grundlage (§ 242 BGB, seit dem 01.01.2002 in § 313 BGB kodi-
fiziert) begründet, worauf der Senat die Beteiligten nach
der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten zu den Um-
ständen des Zustandekommens der Abfindungsvereinbarungen am
23.02.2001 hingewiesen hat (Prot. Seite 4 = Bl. 100 d.A.).
Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach ständiger
Rechtsprechung gebildet durch die bei dessen Abschluss zuta-
ge getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von
ihm nicht beanstandeten Vorstellungen von dem Vorhandensein
oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern sich
der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen
aufbaut (vgl. BGHZ 128, 230, 236 m.w.N.). Insoweit können
auch die in dem Beschluss zur Umwandlung einer LPG aufzuneh-
menden Angebote zur Barabfindung ausscheidender Mitglieder
(§ 26 Abs. 1 Nr. 6 LwAnpG 1991)Geschäftsgrundlage von Abfin-
dungsvereinbarungen sein, wenn der Wille zum Abschluss der
42
Vereinbarung nach den Vorstellungen beider Parteien darauf
beruhte (vgl. dazu Wenzel, AgrarR 1997, 33, 35).
So war es hier. Die Abfindungsvereinbarungen sind auf der
Basis einer festgelegten Personifizierungsquote von 50,57 %
der eingebrachten Inventarbeiträge abgeschlossen worden, die
nach der Darstellung des Geschäftsführers der Antragsgegne-
rin nach der Umwandlungsbilanz ermittelt und von der Mit-
gliederversammlung als Basis für die anzubietenden Abfindun-
gen beschlossen wurde. Eine Erläuterung der Berechnung der
Abfindung ist nicht erfolgt. Da die Abfindungsquote festge-
legt war, gab es nach der Vorstellung der Beteiligten sei-
nerzeit auch keine Unsicherheiten über deren Höhe, die durch
den Abschluss der Vereinbarungen hätten behoben werden sol-
len.
Wenn – wie hier – die Personifizierungsquote gemäß dem auf
der Grundlage des Eigenkapitalausweises in der Bilanz ge-
fassten Umwandlungsbeschluss zu einem Axiom der mit den Mit-
gliedern abgeschlossenen Abfindungsvereinbarungen erhoben
wurde, war diese auch deren Geschäftsgrundlage. Stellt sich
der Ausweis des Eigenkapitals im Nachhinein infolge der Ver-
letzung der Vorschriften des HGB bei der Bildung von Rückla-
gen als im wesentlichen Umfang zu niedrig dar und damit als
falsch heraus, ist dem Mitglied das Festhalten an einer un-
veränderten Abfindungsvereinbarung nicht mehr zumutbar. Der
Anspruch wäre unter Behebung der Fehler auf der Grundlage
der gesetzlichen Regelungen neu zu berechnen.
Das widerspräche auch nicht der von der Antragsgegnerin im
Schriftsatz vom 16.12.2003 (Seite 3 = Bl. 349 d.A.) zitier-
ten Entscheidung des BGH vom 23.10.1998 (BLw 19/98 – VIZ
1999, 123 f.). In jener Entscheidung wollte das Unternehmen
sich von einer Abfindungsvereinbarung, die es auf der Basis
der Bilanz abgeschlossen hatte, unter Hinweis auf eine nach-
folgende Neubewertung des Vermögens lösen, aus der sich ein
niedrigeres Eigenkapital ergab. In diesem Fall hat der BGH
darauf hingewiesen, dass die Richtigkeit der Bilanz ein der
Sphäre des Unternehmens zuzurechnender Umstand ist und inso-
43
weit das Unternehmen auch das Risiko eines unrichtigen Aus-
weises des Eigenkapitals zu tragen habe. Eine solche Risiko-
zuordnung zum Unternehmen schließt dessen Berufung auf das
Fehlen der Geschäftsgrundlage von Abfindungsvereinbarungen
wegen unrichtiger Bewertung grundsätzlich aus. Ein Rechts-
grundsatz dahin, dass auch das Mitglied an eine Abfindungs-
vereinbarung auf der Grundlage einer fehlerhaften Bilanz ge-
bunden sei, lässt sich der Entscheidung indessen nicht ent-
nehmen.
E.
Die in der Eröffnungsbilanzen der LPGn " Groß-
wig" und "Z. " gemäß § 17 DMBilG gebildeten gesetzlichen
Rücklagen von insgesamt 706.475 DM sind auf Grund ihrer Auf-
lösung ohne eine Inanspruchnahme für den Zweck der Rückstel-
lung bis zum 30.06.1995 wie eine in der Umwandlungsbilanz
ausgewiesene frei verfügbare Rücklage zu behandeln. Sie sind
damit bei der Berechnung der Höhe der gesetzlichen Ansprüche
der ausgeschiedenen Mitglieder dem abfindungsrelevanten Ei-
genkapital zuzurechnen. Der Senat schließt sich auch in die-
sem Punkt den Ausführungen des Sachverständigen V. in
seinem Gutachten vom 07.02.2003 an (Seiten 8 bis 10, 20 und
21 und in der Anlage 2 = Bl. 177 bis 179, 189 und 190 und
197 d.A.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass eine Auflö-
sung des aktivierten Betrags durch den Ausweis von Aufwen-
dungen nach § 17 Abs. 4 Satz 2 DMBilG nicht stattgefunden
hat. Es ist unstreitig keine Asbestsanierung durchgeführt
worden und auch die alte Tankstelle ist nach wie vor vorhan-
den. Die in den Eröffnungsbilanzen der LPGn gebildeten Son-
derrücklagen wurden vielmehr nach § 17 Abs. 4 Satz 3 DMBilG
zum Ausgleich von Verlusten aus der laufenden Geschäftstä-
tigkeit der Antragstellerin verwendet.
Ein solches Vorgehen war bilanziell zulässig. In diesem Fal-
le diente die so aufgelöste Sonderrücklage der Stärkung der
Eigenkapitalausstattung des Unternehmens für dessen Ge-
44
schäftstätigkeit in den Folgejahren nach der Umwandlungsbi-
lanz (vgl. Gelhausen, DB 1994, 2245) und nicht dem Zweck, zu
dem die Rücklage gebildet worden ist. Die Rücklage war da-
nach eigenbetrieblicher Natur und diente nicht mehr der Ab-
wehr der die Vermögenslage des Unternehmens nach dem Er-
kenntnisstand zum 01.07.1990 gefährdenden Risiken.
Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, wie solche Auflö-
sungen gesetzlicher Rücklagen für die Abfindungsansprüche
der Mitglieder zu behandeln sind. Dafür kommt es darauf an,
ob eine derartige Auflösung der Rücklage zum Ausgleich von
Verlusten aus laufendem Geschäft den Schluss trägt, dass sie
wie eine bereits im Umwandlungsbeschluss gebildete freie
Rücklage bewertet werden muss. Der Sachverständige V. ist
insoweit zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche Verwen-
dung der Mittel aus der gesetzlichen Rückstellung dahin zu
bewerten ist, dass die Prognose über den Rückstellungsbedarf
im Zeitpunkt der Erstellung der Eröffnungsbilanz falsch war
und der zurückgestellte Betrag damit wie eine frei verfügba-
re Rücklage zu behandeln ist (Gutachten Seite 21 = Bl. 190
d.A.).
Dem schließt sich der Senat an. Diese Bewertung der Auflö-
sung der Rückstellung entspricht dem in § 249 Abs. 3 Satz 2
HGB bestimmten Grundsatz, dass eine Rückstellung nur dann
aufgelöst werden darf, wenn der Grund hierfür entfallen ist.
Es gibt keinen Grund dafür, die zulässige ertragswirksame
Auflösung einer gemäß § 17 DMBilG gebildeten Rückstellung in
ihren Wirkungen anders zu bewerten. Im vorliegenden Fall
kommt hinzu, dass auch nach inzwischen mehr als zehn Jahren
nach der Umwandlung die Antragsgegnerin keine Aufwendungen
zu den Zwecken vorgenommen hat, für die einst die Rückstel-
lung begründet worden ist.
Diese Umstände tragen die Bewertung, dass die die Rückstel-
lung tragende Prognose über künftige Verpflichtungen zur Be-
seitigung ökologischer Altlasten sich in den Folgejahren
(bis 1995) als unrichtig herausgestellt hat, was zwar die
Auflösung der Rückstellungen rechtfertigte, aber damit auch
45
die Gleichstellung der Rückstellung mit einer freien Rückla-
ge bei der Berechnung der gesetzlichen Abfindungsansprüche
aus § 44 LwAnpG erforderlich macht.
F.
Die Ansprüche des Antragstellers sind danach auf der Grund-
lage eines um 2.706.475 DM höheren Eigenkapitals zu berech-
nen. Das in der Umwandlungsbilanz ausgewiesene Eigenkapital
von 1.213.613,16 DM ist für die Berechnung der Abfindungsan-
sprüche nicht um die gesetzliche Rückstellung von 706.475,00
DM zu vermindern. Weiter ist die in den Verlustvortrag ein-
gestellte Rückstellung aus dem Abschluss vom 31.12.1990 von
2,0 Mio DM dem Eigenkapital zuzurechnen. Insgesamt errechnet
sich
so
ein
abfindungsrelevantes
Eigenkapital
von
3.213.671,16 DM (Gutachten vom 07.02.2003, Anlage 1, Seite 2
= Bl. 197 der Akte).
1.
Der abgetretene gesetzliche Anspruch ist nach § 44
LwAnpG zu bestimmen. Diese Norm ist dann einschlägig,
wenn noch die Mitgliedschaft in der LPG durch Kündigung
gem. § 43 LwAnpG beendet worden ist. Dies ist der Fall,
wenn die Kündigung noch vor der Eintragung der Umwand-
lung der LPG wirksam wurde (vgl. BGH – Beschluss vom
24.11.2003 – BLw 19/93 – BGHZ 124, 192 ff. = VIZ 1994,
124 ff.)
Davon ist nach den – nicht angegriffenen - Feststellun-
gen des Amtsgericht auszugehen. Danach ist die Mit-
gliedschaft der Eltern durch Kündigung am 10.12.1991
(Urteil Seite 5 = Bl. 56 d.A.) beendet worden. Nach §
43 Abs. 2 Satz 2 LwAnpG wäre diese Kündigung drei Mona-
te nach ihrem Eingang beim Vorstand – also am
10.03.1992 wirksam geworden. Die Eintragung der Umwand-
lung in eine GmbH & Co KG in das Handesregister des
Landgerichts Leipzig-Stadt (HRA 11302) erfolgte am
25.08.1992(Registerauszug in Beiakte AG Oschatz XV
106/96 Bl. 143).
46
2.
Nach dem Übernahmeprotokoll vom 01.07.1967 (Bl. 16
d.A.), der Aussage des Zeugen B. im Vorverfahren
vor dem AG Oschatz (XV 0107/97) vom 21.08.1997 (Bl. 78
ff. der Beiakte) sowie der vom Antragsteller auf Auf-
forderung des Senats mit Schriftsatz vom 02.06.2003
vorgelegten Aufstellung einer Tabelle des Staatlichen
Vermessungsamts in Torgau (Bl. 303 ff. d.A.) ergeben
sich – ohne eine Kürzung auf Grund der Personifizierung
aller Ansprüche auf der Grundlage des im Umwandlungs-
zeitpunkt vorhandenen abfindungsrelevanten Eigenkapi-
tals - folgende Ansprüche auf Inventarrückgabe, Boden-
und Inventarverzinsung:
Inventarbeitrag
4.365,00 DM
Feldinventar 8,73 ha * 200 DM
1.746,00 DM
Inventarverzinsung (6.111*3/100*24,6)
4.509,92 DM
Bodenverzinsung (8,73*2*24,6*33)
14.174,03 DM
zusammen
24.749,95 DM
Die Zahl über die der Berechnung zu Grunde zu legende
Zahl der Bodenpunkte der eingebrachten Flächen (30 oder
34,37) ist durch die Vorlage der Tabelle nach einer
Auskunft des Staatlichen Vermessungsamts in Torgau be-
hoben. Hieraus ergibt sich eine durchschnittliche Bo-
denpunktzahl von 33,07. Da die Antragsgegnerin dagegen
keine Einwendungen erhoben hat, ist diese durch Urkun-
den belegte Zahl von 33 BP der Berechnung zugrunde zu
legen.
Der Wert des Feldinventars bei der ersten Einbringung
in einer LPG Typ I ist mit dem üblichen Schätzungsan-
satz von 200 DM/ha zu bewerten. Von einer Einbringung
im bestellten Zustand geht der Senat aus. Nach der Aus-
sage des Zeugen B. vor dem AG Oschatz, der bis
1984 Vorsitzender der LPG war, ist von einer Einbrin-
gung im bestellten Zustand auszugehen. Die Antragsgeg-
nerin hat im Übrigen nach dieser Aussage nicht mehr
bestritten, dass der Vater des Antragstellers die Flä-
chen – wie andere Mitglieder teilweise bestellt einge-
bracht hat – und im Übrigen das für die Bestellung er-
forderliche Saatgut auf eigene Kosten bereit gestellt
47
hatte (Schriftsatz vom 15.09.1997, Bl. 83 BA). Dies
entsprach auch den Verpflichtungen des Mitglieds nach
den Nummern 2 Abs. 1 und 14 Abs. 1 des Musterstatuts
für die LPG Typ I vom 30.04.1959.
Der Wert des Feldinventars ist mit dem üblichen Ansatz
von 200 DM/ha zu schätzen. Der Zeuge B. vermoch-
te zum Gegenstand und zur Qualität der Feldbestellung
keine Angaben mehr zu machen.
3.
Das abfindungsrelevante Eigenkapital beträgt – wie be-
reits ausgeführt – infolge der Zurechnung der Rückstel-
lungen zu den freien Rücklagen 3.213.671,16 DM. Es war
nunmehr Sache des Unternehmens, den seine Verpflichtung
begrenzenden Umstand darzulegen, dass das vorhandene
Eigenkapital eine Erfüllung der Ansprüche aus § 44 Abs.
1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 LwAnpG zu 100 % nicht zulässt
(vgl. BGH – Beschluss vom 06.09.1993 – BLw 44/92 –
AgrarR 1993, 1644 f.). Die Antragsgegnerin hat auf Auf-
forderung des Senats mit Schriftsatz vom 08.04.2003
schließlich eine Aufstellung ihres jetzigen Steuerbera-
ters K. über die Summe aller Ansprüche der Mitglie-
der auf Inventarrückerstattung, Vergütungen für Boden-
nutzung und Inventarverzinsung vorgelegt (Bl. 239 bis
290 d.A.).
Hieraus ergeben sich personifizierte Ansprüche auf
Rückgaben von Inventar und gleiche Leistungen nach § 44
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LwAnpG in Höhe von 606.744 DM. Der
weitere unter der Nummer 1 der Liste ausgewiesene Be-
trag von 295.444 DM für "N.N." kann keinem Anspruchsbe-
rechtigten zugeordnet werden. Der Senat kann ohne eine
solche Darlegung nicht davon ausgehen, dass eine solche
Verbindlichkeit gegenüber Mitgliedern der LPG bestanden
hat.
Bezüglich der Ansprüche auf Bodenvergütung in Höhe von
2.429.102,34 DM, auf Inventarverzinsung von 486.466,86
DM und zur Zahl der zu entschädigenden Arbeitsjahre von
48
5.185 geht der Senat von den Angaben in der von der An-
tragsgegnerin vorgelegten Aufstellung ihres Steuerbera-
ters aus.
Die unterschiedliche Anfangsdaten bei den ausgewiesenen
Arbeitsjahren, die auf der Verschmelzung mit einer an-
deren LPG Typ III in 1965 und dem schrittweisen Wechsel
der Mitglieder aus dem Typ I in den Typ III beruhen
könnte (Aussage des Zeugen B. zur Entstehung der
LPG, Beiakte AG Oschatz - XV0107/97 - Bl. 79 d.A.),
sind allerdings nicht näher begründet worden und waren
vom Antragsteller Grund dafür, an der Richtigkeit die-
ses Teils der Aufstellung zu zweifeln.
Dies wäre für den Senat Anlass gewesen, dem im Wege
seiner Pflicht zur Amtsermittlung nachzugehen (vgl. da-
zu BGH – Beschluss vom 12.04.1992 – BLw 23/92 – BGHZ
120, 361 ff.). Dazu wäre ggf. nochmals ein Buchprüfer
zur Antragsgegnerin zu schicken gewesen, um die Perso-
nifizierung insoweit zu überprüfen. Der Antragsteller
hat nach der Erörterung dieser Thematik in der Verhand-
lung des Senats vom 11.12.2003 (Prot. Seite 7 = Bl. 345
d.A.) darum gebeten, dass wegen des damit verbundenen
Aufwands Abstand davon genommen werden möge. Dem ist
der Senat gefolgt und hat die Aufstellung insoweit der
Berechnung des Anspruchs des Antragstellers zugrunde
gelegt.
Es war auch entsprechend der Bitte des Antragstellers
zu verfahren. Die Pflicht zur Amtsermittlung ist kein
Selbstzweck, sondern dient in den Verfahren nach dem
LwVG einer nicht an den Parteivortrag gebundenen Fest-
stellung der Grundlagen und des Umfangs der Ansprüche
nach dem LwVG. Der Senat erachtet es jedoch nicht für
geboten, in einem kontradiktorischen Verfahren nach dem
LwVG, FGG, in dem es um die Höhe von Ansprüchen nach
dem LwAnpG geht, die Richtigkeit der vom Unternehmen
mitgeteilten Berechnungsgrundlagen auch dann im Wege
der Amtsermittlung zu prüfen, wenn das anspruchsberech-
49
tigte Mitglied dies nicht will und das Gericht aus-
drücklich darum bittet, davon Abstand zu nehmen.
4.
Aus den vorstehenden Daten ergibt sich folgende Berech-
nung des Anspruchs aus § 44 LwAnpG:
Grunddaten für den Antragsteller
Inventarbeitrag
4.365,00 DM
Feldinventar
1.746,00 DM
Inventarverzinsung
4.509,92 DM
Bodenverzinsung
14.174,03 DM
Summe
24.794,95 DM
Arbeitsjahre
18
Grunddaten für das Unternehmen
Eigenkapital lt. Gutachten
3.213.617,16 DM
- Summe Inventarbeiträge
-606.744,00 DM
Verbleibendes Eigenkapital
2.606.927,16 DM
Kürzungsquote in %
Bodennutzungsvergütung
2.429.102,34 DM
Inventarverzinisung
488.466,86 DM
Summe der Anspr. nach Nr. 2
2.917.569,20 DM
Eigenkapital nach § 44 Nr. 2 Satz 3
2.334.055,36 DM
Quote in %
80
Kapital für Ansprüche nach Satz 3
136.435,90 DM
Arbeitsjahre
5185
Summe pro Jahr
26,31 DM
Berechnung des Anspruchs
Inventarbeitrag
6.111,00 DM
Inventarverzinsung
3.607,94 DM
Bodenverzinsung
11.339,22 DM
Vergütung für Arbeit
473,58 DM
Anspruch nach § 44 LwAnpG
21.531,74 DM
5.
Der Anspruch vermindert sich auf Grund geleisteter Zah-
lungen auf 19.324,24 DM (= 9.880,32 EUR).
a)
Von dem errechneten Abfindungsanspruch aus § 44 LwAnpG
ist die auf Grund der Abfindungsvereinbarung geleistete
Zahlung von 2.207,50 DM abzuziehen, die die Antragsgeg-
nerin unstreitig mit Überweisungsauftrag vom 25.03.1992
auf ein Konto des Vaters des Antragstellers gezahlt hat
(Bl. 33 d.A.).
b)
Die mit Anwaltsschriftsatz vom 16.12.1998 (Bl. 19 d.A.)
erklärte Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch
der Antragsgegnerin in Höhe von 3.396,90 DM aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Oschatz
vom 23.11.1998 nach der in Vorprozess erklärten An-
50
tragsrücknahme ging dagegen ins Leere. Sie hat nicht
die Folge des Erlöschens des Anspruchs nach § 389 BGB
ausgelöst.
Eine solche Aufrechnung mit der erneut eingeklagten
Forderungen gegen einen Anspruch auf Kostenerstattung
aus dem Vorprozess ist nach einer Klagerücknahme nicht
zulässig, weil der mit einer neuen Klage überzogene Be-
klagte die Einlassung bis zur Erstattung der ihm im
Vorprozess entstanden Kosten nach § 269 Abs. 6 ZPO ver-
weigern kann (vgl. LG Gera – Urteil vom 25.07.2001 –
MDR 2002, 54). Nach dem Schutzzweck der Vorschrift darf
die sachliche Berechtigung des erneut eingeklagten An-
spruchs vor Erstattung der Kosten des Vorprozesses
nicht gegen den Willen der Beklagten in einem neuen
Prozess geprüft werden (vgl. BGH – Urteil vom
24.03.1992 – XI ZR 223/91 – NJW 1992, 2034 f.), was ei-
ner Geltendmachung des Anspruchs unter Aufrechnung mit
dem Kostenerstattungsanspruch des Beklagten entgegen-
steht. Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze
auch auf kontradiktorische Verfahren nach dem LwVG an-
zuwenden.
Die Zuerkennung des Anspruchs ohne Berücksichtigung der
Gegenforderung auf Kostenerstattung führt im vorliegen-
den Fall auch zu einem interessengerechten Ergebnis,
weil der Antragsteller die Forderung durch Zahlung aus-
geglichen hat, nachdem er vom Amtsgericht darauf hinge-
wiesen worden war, dass auch die von ihm beantragte
Einstellung des Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfest-
setzungsbeschluss nicht möglich sei (Bl. 21, 25 d.A.).
G.
Prozesszinsen in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit
(07.03.2000) kann der Antragsgegner nach § 291 Satz 1 BGB
beanspruchen.
51
H.
Der Geltendmachung der Ansprüche durch den Antragsteller
steht auch nicht der Einwand der Verwirkung oder das Verbot
widersprüchlichen Verhaltens entgegen.
Der Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 18.12.2003
W XV 892/03) geht schon deshalb fehl, weil dort ein Unter-
nehmen, das nach dem Umwandlungsbeschluss nicht Schuldnerin
der gesetzlichen Abfindungsansprüche war und eine Jahre spä-
ter nachfolgende Verschmelzung davon abhängig machen wollte,
dass die Gläubiger (ehemalige LPG-Mitglieder) der übertra-
genden Rechtsträgerin einem Abfindungsangebot mit einer Be-
grenzung ihrer Ansprüche zustimmten. Insoweit verstieß es
gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn das Mit-
glied der LPG der Verschmelzung zustimmte und den angebote-
nen Betrag entgegennahm, danach jedoch die weitergehenden
gesetzlichen Ansprüche unter Berufung auf den durch die Ver-
schmelzung eingetretenen Übergang der Verbindlichkeiten der
Übertragenden Rechtsträgerin geltend machte. Im vorliegenden
Fall geht es um ein von der Schuldnerin (der früheren LPG)
nach Eintragung der Umwandlung unterbreitetes Abfindungsan-
gebot auf der Grundlage einer fehlerhaften Bilanz.
Auch die von der Antragsgegnerin zitierte Entscheidung des
Thüringer Oberlandesgerichts vom 24.04.2003 (LwU 1152/02 –
NLBzaR 2003, 311 ff.) hatte über eine Barabfindungsvereinba-
rung zu entscheiden, die nach einer Erörterung der Ansprüche
in einem Vermittlungsausschuss und nach Prüfung auch der
Möglichkeit zu einer gerichtlichen Feststellung der Angemes-
senheit der Barabfindung abgeschlossen wurde (a.a.O., S.
313). Aus dem Verzicht auf eine gerichtliche Prüfung und dem
Abschluss einer Barabfindungsvereinbarung hat des Thüringer
OLG dann einen Vertrauenstatbestand begründet. Ein solcher
Fall liegt - wie bereits ausgeführt (oben D) – hier nicht
vor.
Der erkennende Senat würde sich im Übrigen der Auffassung
des Thüringer Oberlandesgerichts für die Fälle nicht an-
52
schließen, in denen sich eine solche Abfindungsvereinbarung
auf Grund von der Antragsgegnerin zu verantwortender Umstän-
de als sittenwidrig darstellt. Es fehlt dann an jeder Grund-
lage dafür, die Geltendmachung der sich daraus ergebenden
Ansprüche durch das Mitglied als eine für die Antragsgegne-
rin mit Treu und Glauben unvereinbare Härte anzusehen,
selbst wenn der Anspruch erst mehrere Jahre nach dem Ab-
schluss der Vereinbarung erhoben wird.
III.
A.
Der Gegenstandswert ist nach § 65 Abs. 3 LwAnpG in Verb. mit
§ 35 LwVG nach dem in der Beschwerdeinstanz gestellten Zah-
lungsantrag auf 14.176,95 (= 27.727,70 DM) festzusetzen.
B.
Die Gerichtskosten sind (mit Ausnahme der Gutachterkosten)
entsprechend dem § 44 Abs. 1 LwVG nach dem Maß des Obsiegens
und Unterliegens zu quoteln. Dagegen entspricht es billigem
Ermessen, die Gutachterkosten dann allein dem Unternehmen
aufzuerlegen, wenn – wie hier - die eine Begutachtung erfor-
derlich machenden Angriffe gegen die Ausweise in der Bilanz
begründet waren. In diesem Fall hat das Unternehmen die Kos-
ten der Beweisaufnahme in einer ihm zu Last zu legenden Wei-
se veranlasst. Dies war hier – wie oben ausgeführt – der
Fall.
Für die Erstattung außergerichtlicher Kosten der erster In-
stanz entspricht es billigem Ermessen entsprechend dem für
diese Verfahren nach dem FGG geltenden Grundprinzip (dazu:
Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Auflage (2001), § 45, Rn. 17) –
wie im Ausgangsbeschluss - von einer Anordnung der Erstat-
tung abzusehen.
53
Für die Beschwerdeinstanz entspricht es nach der Rechtspre-
chung des Senats bei teilweisem Obsiegen und teilweisem Un-
terliegen in kontradiktorischen Verfahren dagegen billigem
Ermessen, in entspr. Anwendung des in § 92 Abs. 1 ZPO be-
stimmten Grundsatzes eine Erstattung der jeweiligen außerge-
richtlichen Kosten nach dem Ausgang des Verfahrens anzuord-
nen. Für unbegründete Rechtsmittel ist eine Anordnung zur
Erstattung der außergerichtlichen Kosten in § 45 Abs. 1 Satz
2 LwVG zwingend angeordnet. Es entspräche aber nicht billi-
gem Ermessen nur dem Antragsteller und Beschwerdeführer eine
solche Verpflichtung aufzuerlegen, obwohl er hier – in grö-
ßerem Umfang als die Gegenseite – mit seinem Begehren durch-
gedrungen ist. Die entsprechende Anwendung des § 92 ZPO ist
daher in solchen Fällen allein sachgerecht.
C.
Die Rechtsbeschwerde wird nach § 24 Abs. 1 Satz 2 LwVG zuge-
lassen.
Grundsätzliche Bedeutung haben die zu hier zu entscheidenden
nachstehenden Rechtsfragen.
-
Ob die Nichteinhaltung der Voraussetzungen für die Bil-
dung und den Ausweis von Rückstellungen nach DMBilG und
HGB in der Eröffnungsbilanz und in den folgenden Jah-
resabschlüssen ein Indiz dafür ist, dass entsprechende
ungewisse Verbindlichkeiten oder Aufwandserwartungen
(für Instandhaltung, Abraumbeseitigung) nicht vorgele-
gen haben und daher die in Rückstellungen eingestellten
Beträge wie freie Rücklagen dem abfindungsrelevanten
Eigenkapital zuzurechnen sind. Gilt dies jedenfalls
dann, wenn – wie hier – das Unternehmen ein Vorliegen
solcher Gründe für Rückstellungen nicht darzulegen ver-
mag, obwohl es in den der Umwandlung folgenden Wirt-
schaftsjahren Aufwendungen für Instandhaltung und Ab-
raumbeseitigung etc. gehabt hat?
54
-
Sind nach § 17 DMBilG gebildete gesetzliche Rücklagen
aus ökologischen Altlasten dann dem abfindungsrelevan-
ten Eigenkapital zuzurechnen, wenn sie in den der Um-
wandlung folgenden Wirtschaftsjahren zum Ausgleich von
Verlusten aus der laufenden Geschäftstätigkeit aufge-
löst werden? Gilt dies auch dann, wenn das Unternehmen
sich darauf beruft, dass die Zwecke, für die die Rück-
lage gebildet wurde (Asbestsanierung, Abriss und Ent-
sorgung einer alten Tankstelle) nach wie vor vorlägen
und nur aus finanziellen Gründen bisher vom Unternehmen
noch nicht in Angriff genommen worden seien?
Es sind noch zahlreiche Verfahren anhängig, in denen sich
diese Fragen in gleicher Weise stellen. Aus diesen Erwägun-
gen bejaht der Senat die grundsätzliche Bedeutung der Sache
und lässt die Rechtsbeschwerde zu.