Urteil des OLG Dresden vom 18.10.2001

OLG Dresden: wirtschaftliches interesse, gegen die guten sitten, bürgschaftserklärung, bürge, bürgschaftsvertrag, anfechtung, höchstbetrag, steuerberater, ehepartner, abgabe

Leitsatz
Die
Grundsätze
über
Bürgschaften
krass
überforderter
Ehepartner
bzw.
nichtehelicher
Lebenspartner
sind
nicht
anwendbar, wenn der Bürge im Betrieb des Hauptschuldners
eine mitunternehmerähnliche Stellung innehat und daher ein
eigenes wirtschaftliches Interesse vorliegt.
OLG Dresden, Urteil vom 18.10.2001 - 19 U 1064/01
2
³
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³
³
³
³
³
³
Oberlandesgericht
³
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Dresden
³
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³
Aktenzeichen: 19 U 1064/01
5-0-4476/00 LG Dresden
Verkündet am 18.10.2001
Die Urkundsbeamtin:
Justizobersekretärin
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
wegen Bürgschaft
3
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2001 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
,
Richterin am Oberlandesgericht
und
Richter am Landgericht
für Recht erkannt:
1.
Die
Berufung
der
Beklagten
gegen
das
Endurteil
des
Landgerichts Dresden vom 20.03.2001, Az. 5 O 4476/00,
wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3.
Das
Urteil
ist
für
die
Klägerin
vorläufig
vollstreckbar.
Die
Beklagte
kann
die
Vollstreckung
durch
Sicherheitsleistung
i.H.v.
250.000,00 DM
abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die
Beklagte
aus einer Bürgschaft
in
Anspruch.
Herr
(fortan: Hauptschuldner) machte sich Ende
1993 selbständig und eröffnete ein Goldschmiedeatelier mit
Werkstatt
und
Ladengeschäft
in
.
Unter
dem
19.09.1994 eröffnete der Hauptschuldner bei der Klägerin ein
Giro-Konto und erteilte gleichzeitig der Beklagten und deren
Mutter hierüber Verfügungsberechtigung (Bl. 98 ff. dA). Die
Beklagte lebte zu diesem Zeitpunkt mit dem Hauptschuldner in
nichtehelicher
Lebensgemeinschaft
und
absolvierte
bei
ihm
eine Goldschmiedelehre.
4
Ende
1994
beabsichtigte
der
Hauptschuldner
eine
Betriebsverlagerung
nebst
Neueinrichtung
eines
Ladengeschäftes nach
und stellte zur Gewährung eines
Kredits der Klägerin sein Unternehmenskonzept vor (Anlage
BB 2). Der Hauptschuldner vereinbarte mit der Klägerin am
15.12.1994 (Bl. 10 ff. dA) und am 30.03.1995 (Bl. 14 ff. dA)
auf
das
vorbezeichnete
Geschäftsgirokonto
valutierte
Darlehensverträge.
Die
Beklagte
gab
für
die
bestehenden
Verbindlichkeiten zu Gunsten der Klägerin am 28.01.1995 (Bl.
165 dA) und am 13.11.1995 (Bl. 166 dA) eine Bürgschaft über
200.000,00 DM
ab.
Mit
Datum
vom
03.09.1996
erteilte
die
Beklagte
der
Klägerin
eine
Selbstauskunft
über
ihre
Einkommens-
und
Vermögensverhältnisse
(Bl.
101
ff.
dA).
Unter
dem
24.10.1997
unterzeichnete
die
Beklagte
eine
Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 200.000,00 DM für
die
Verbindlichkeiten
des
Hauptschuldners
aus
dem
Kontokorrentkonto, einem Avalkredit und aus den vorgenannten
Darlehen (Bl. 167 dA).
Die
Beklagte
bezog
im
Zeitraum
vom
13.10.1997
bis
zum
31.12.1997
Arbeitslosengeld
(Bl.
60
dA).
Unter
dem
15.03.1999
schloss
der
Hauptschuldner
mit
der
Beklagten
einen Arbeitsvertrag (Bl. 124 ff. dA).
Im
September
1998
traten
Zahlungsrückstände
bei
den
Darlehensraten
auf.
Die
Beklagte
beabsichtigte,
das
Unternehmen des Hauptschuldners zu übernehmen und führte -
unter Vorlage eines Unternehmenskonzeptes (Bl. 22 ff. dA) -
ab Mai 1999 mit der Klägerin konkrete Verhandlungen, die
auch
die
Entlassung
aus
der
Bürgschaft
zum
Gegenstand
hatten.
Um
die
Verhandlungen
mit
der
Beklagten
uneingeschränkt
führen
zu
können,
befreite
der
Hauptschuldner die Klägerin am 01.06.1999 vom Bankgeheimnis
(Anlage BB 12). Der Hauptschuldner meldete sein Gewerbe im
November 1999 ab. Die Beklagte meldete am 22.11.1999 ihr
Gewerbe in
an (Bl. 130 dA). Die Verhandlungen mit
der Klägerin führten zu keinem Ergebnis.
5
Unter
dem
28.03.2000
stellte
die
Klägerin
ihre
- den
Höchstbetrag
der
Bürgschaft
übersteigende -
Forderung
gegenüber dem Hauptschuldner fällig (Bl. 32 ff.
dA) und
forderte
die
Beklagte
mit
Schreiben
vom
29.03.2000
zur
Zahlung von 200.000,00 DM auf (Bl. 8 ff. dA). Mit Schreiben
vom
26.05.2000
focht
die
Beklagte
die
Bürgschaft
vom
24.10.1997 wegen arglistiger Täuschung und Drohung an (Bl.
61 dA).
Die Klägerin hat in 1. Instanz vorgetragen:
Bei
Erteilung
der
Bürgschaft
sei
die
Beklagte
mit
dem
Verlust
des
Arbeitsplatzes
bei
dem
Hauptschuldner
nicht
bedroht worden. Im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung sei
die Frist zur Anfechtung abgelaufen gewesen. Die Beklagte
habe
im
Betrieb
des
Hauptschuldners
eine
mitunternehmerähnliche
Stellung
inne
gehabt
und
sei
die
eigentliche treibende Kraft des Unternehmens gewesen. Die
Bürgschaft überfordere sie nicht in wirtschaftlich krasser
Weise und sei daher nicht sittenwidrig. Im Übrigen sei die
Beklagte
bei
sämtlichen
zu
den
Bürgschaftserteilungen
geführten
Gesprächen
durch
ihren
Steuerberater
fachkundig
beraten worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die
Beklagte
zur
Zahlung
an
die
Klägerin
i.H.v.
200.000,00 DM zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über
dem
jeweiligen
Basiszinssatz
gemäß
DÜG
ab
dem
27.05.2000 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
6
Die Beklagte hat in 1. Instanz vorgetragen:
Während der Gespräche mit der Klägerin habe sie sich bei dem
Hauptschuldner
in
einem
weisungsabhängigen
Angestelltenverhältnis befunden. Die Klägerin habe mit der
Kündigung der Kredite und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes
gedroht. Bei den Gesprächen sei lediglich der Steuerberater
des
Hauptschuldners
anwesend
gewesen.
Die
übernommene
Bürgschaft
habe
sie
in
objektiver
und
für
die
Klägerin
erkennbar krasser Weise finanziell überfordert. Mit ihrem
gegenwärtigen
Bruttoeinkommen
von
ca.
2.000,00 DM/Monat
könne sie in den nächsten fünf Jahren nicht wenigstens ein
Viertel
der
Hauptschuld
ohne
Zinsen
abdecken.
Der
Bürgschaftsvertrag
vom
24.10.1997
entspreche
nicht
dem
Bestimmtheitsgebot.
Die
Bürgschaft
sei
sittenwidrig
bzw.
durch Anfechtung unwirksam geworden.
Das
Landgericht
hat
der
Klage
mit
- der
Beklagten
am
30.03.2001 zugestelltem - Urteil vom 20.03.2001 (Bl. 134 ff.
dA),
auf
welches
wegen
der
weiteren
Einzelheiten
Bezug
genommen wird, stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die am 30.04.2001 eingegangene und am
30.05.2001 begründete Berufung der Beklagten. Zur Begründung
trägt
sie
- unter
Vertiefung
ihres
erstinstanzlichen
Vorbringens - im Wesentlichen vor:
Die Bürgschaft vom 24.10.1997 habe lediglich die Bürgschaft
vom 13.11.1995 ersetzt. Sie sei daher zwei Bürgschaften vom
28.01.1995
und
24.10.1997
jeweils
i.H.v.
200.000,00 DM
ausgesetzt.
Zum
Zeitpunkt
der
Bürgschaftserklärung
am
24.10.1997
habe
sie
Arbeitslosengeld
i.H.v.
monatlich
1.287,00 DM
bezogen
und
über
kein
erheblich
verwertbares
Vermögen verfügt. Die Klägerin habe außer der Aufforderung
zur Abgabe einer Selbstauskunft keine Erkundigungen über die
Werthaltigkeit
eingezogen.
Der
Beweggrund
der
Bürgschaftserklärung sei die Angst um den Arbeitsplatz und
die emotionale Bindung zu dem Hauptschuldner gewesen. Die
Entscheidung
sei
wirtschaftlich
nicht
sinnvoll
gewesen,
7
insbesondere habe sie keine mitunternehmerähnliche Stellung
im
Betrieb
des
Hauptschuldners
gehabt.
Seit
ihrer
Arbeitslosigkeit habe sie kein eigenes - die Bürgschaft auch
nur
anteilig
abdeckendes -
Vermögen
aufbauen
können.
Die
Bürgschaften seien auch sittenwidrig, weil die Valutierung
eines der Kredite an den Hauptschuldner bereits 1994 erfolgt
sei. Insbesondere im Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung vom
24.10.1997 seien die abzusichernden Kreditverbindlichkeiten
insgesamt voll valutiert gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 20.03.2001 verkündeten Urteils
des Landgerichts Dresden, Az. 5 O 4476/00, die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise
als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt im Wesentlichen unter Wiederholung
und
Vertiefung
ihres
erstinstanzlichen
Vorbringens
die
angefochtene Entscheidung. Ergänzend trägt sie vor:
Die Beklagte hafte lediglich aus einer Bürgschaft i.H.v.
200.000,00 DM.
Unter
Berücksichtigung
der
beruflichen
Perspektiven sowie der Stellung der Beklagten im Betrieb des
Hauptschuldners habe sie davon
ausgehen dürfen, dass die
Beklagte
Zahlungen
auf
die
Bürgschaft
in
nennenswertem
Umfang leisten könne. Eine Pflicht zur Hinterfragung der
Selbstauskunft
der
Beklagten
habe
nicht
bestanden.
Die
Beklagte
habe
eine
mitunternehmerähnliche
Stellung
im
Betrieb
des
Hauptschuldners
inne
gehabt
sowie
eigene
unternehmerische
Ziele
bis
hin
zur
Unternehmensübernahme
verfolgt.
Eine
- auszunutzende -
geschäftliche
Unerfahrenheit habe bei der Beklagten nicht bestanden.
8
Wegen
der
näheren
Einzelheiten
des
Verfahrens
und
des
weitergehenden
Parteivorbringens
wird
auf
den
Akteninhalt
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Berufung der Beklagten vom 24.04.2001 ist form-
und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das
Endurteil des Landgerichts Dresden ist der Beklagten
am 30.03.2001 zugestellt worden. Die Berufung ist -
jeweils per Fax - am 30.04.2001 eingelegt und am
30.05.2001 begründet worden. Die Berufung ist damit
insgesamt zulässig.
2.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat
gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von
200.000,00 DM
auf
der
Grundlage
des
zwischen
den
Parteien
am
24.10.1997
geschlossenen
Bürgschaftsvertrages
(§ 765
Abs. 1
BGB).
Der
Bürgschaftsvertrag ist zwischen den Parteien wirksam
zustande
gekommen
(2.1),
durch
Anfechtung
der
Beklagten nicht unwirksam geworden (2.2) nicht nach
§ 138
Abs. 1
BGB
wegen
Verstoßes
gegen
die
guten
Sitten nichtig (2.3) und auch sonst nicht unwirksam
(2.4).
2.1
Der
Bürgschaftsvertrag
ist
zwischen
den
Parteien
wirksam
zustande
gekommen.
Insbesondere
wurde
die
Bürgschaftserklärung
gemäß
§ 766
BGB
schriftlich
erteilt.
Auch
wenn
die
Beklagte
in
der
Berufungsinstanz
insoweit nichts vorgetragen hat, ist von Amts wegen
die Frage der Bestimmtheit der Bürgschaftsurkunde zu
klären.
Bedenken
bestehen
insoweit
im
Ergebnis
9
jedenfalls nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs
ist
der
Schuldgrund
hinreichend
bestimmt,
wenn
auf
bestehende
und
künftige
Forderungen
verwiesen
wird,
die
aus
einem
festgelegten
Kreis
von
Rechtsbeziehungen
entstehen
können.
Dieser
ist
unter
Ziffer 1
der
Bürgschaftsabrede vom 24.10.1997 - unter Hinweis auf
die
zwischen
der
Klägerin
und
dem
Hauptschuldner
bestehenden
Kreditverträge
mit
ihren
jeweiligen
Kontonummern -
näher
erläutert
und
mithin
genügend
konkret
beschrieben.
Die
Höhe
der
verbürgten
Forderung mit dem Höchstbetrag von 200.000,00 DM ist
ebenso
genau
umgrenzt
wie
der
Hauptschuldner
namentlich bezeichnet.
2.2
Der
Bürgschaftsvertrag
ist
durch
die
von
der
Beklagten
erklärte
Anfechtung
nicht
unwirksam
geworden (§ 142 Abs. 1 BGB). In Übereinstimmung mit
dem
Landgericht
kann
dabei
offen
stehen,
ob
die
Beklagte zur Abgabe ihrer Bürgschaftserklärung durch
widerrechtliche Drohung bestimmt worden ist. Denn die
Anfechtung ist nicht innerhalb der Jahresfrist und
damit fristgemäß nach § 124 Abs. 1 und 2 BGB erklärt
worden.
Mit
zutreffender
Begründung,
der
sich
der
Senat anschließt und auf die er ausdrücklich Bezug
nimmt, hat das Landgericht die Anfechtungserklärung
am 26.05.2000 als verspätet erachtet und den geltend
gemachten Anfechtungsgrund verneint.
2.3
Die
von
der
Beklagten
am
24.10.1997
eingegangene
Bürgschaft ist nicht sittenwidrig. Gemäß § 138 Abs. 1
BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig,
wenn
der
aus
emotionaler
Verbundenheit
mit
dem
Hauptschuldner
handelnde
Bürge
finanziell
krass
überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus
Sicht
eines
vernünftig
denkenden
Gläubigers
als
wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist vorliegend
nicht auszugehen.
10
2.3.1
Nach
gefestigter
Rechtsprechung
des
Bundesgerichtshofs
ist
eine
krasse
finanzielle
Überforderung grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der
Bürge voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist,
die laufenden Zinsen mit seinen eigenen finanziellen
Mitteln auf Dauer aufzubringen (BGH, ZIP 2001, 189,
191; Horn, ZIP 2001, 93, 99; Tiedtke, NJW 2001, 1015,
1022).
In
einem
solchen
Falle
spricht
ohne
Hinzutreten
weiterer
Umstände
eine
widerlegliche
tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Bürge bei
der
Übernahme
der
Bürgschaft
nicht
von
seinen
Interessen und von einer rationalen Einschätzung des
wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und das
Kreditinsitut die emotionale Beziehung zwischen dem
Hauptschuldner und dem Bürgen in sittlich anstößiger
Weise ausgenutzt hat (vgl. BGH, ZIP 2001, 189, 191;
BGH, ZIP 2000, 351, 352; BGH, ZIP 1998, 1999, 2000).
a) Für
die
Ermittlung
der
wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit
der
Beklagten
ist
das
Leistungsvermögen ihres ehemaligen Lebenspartners
und
Hauptschuldners
nicht
zu
berücksichtigen,
sondern nur ihr eigenes pfändbares Einkommen und
Vermögen. Denn die Bürgschaft wird in aller Regel
gerade
für
den
Fall
der
Insolvenz
des
Hauptschuldners oder anderer Leistungshindernisse
vereinbart.
Nach
Rechtsprechung
des
Bundesgerichtshofs
ist
auf
diese
Situation
im
Rahmen der Prüfung der finanziellen Möglichkeiten
des
mitverpflichteten
Ehepartners
oder
nahen
Angehörigen abzustellen (vgl. BGH, ZIP 2001, 189,
191; BGH, ZIP 2000, 351, 353).
b) In diesem Zusammenhang kann die Beklagte nicht mit
dem
Einwand
gehört
werden,
sie
sei
zweier
Bürgschaften
i.H.v.
jeweils
200.000,00 DM
ausgesetzt
und
bereits
deswegen
krass
wirtschaftlich
überfordert.
Die
Klägerin
hat
-
unwidersprochen - vorgetragen, die Bürgschaft vom
11
28.01.1995 sei zur Absicherung des Darlehens vom
15.12.1994 erteilt worden. Mit der Bürgschaft vom
13.11.1995
sei
keine
nominelle
Ausweitung
der
Bürgschaftsforderung, sondern eine Ausweitung der
Bürgschaftszweckerklärung
verbunden
gewesen,
soweit
zwischenzeitlich
der
ERP-Darlehensvertrag
geschlossen
und
in
der
Bürgschaft
als
Zweckerklärung
benannt
worden
sei.
Der
Bürgschaftsvertrag vom 24.10.1997 habe lediglich
eine
Änderung
der
Bürgschaftszweckerklärung
insoweit gebracht, als die Haftung der Beklagten
sich
ausdrücklich
auch
auf
Kontokorrentprolongierungen erstrecken sollte. Die
Beklagte hafte daher nur einmal zum Höchstbetrag
von
200.000,00 DM
aus
der
Bürgschaft
vom
24.10.1997.
Dem
ist
die
Beklagte
nicht
entgegengetreten.
c) Es kann vorliegend offen bleiben, ob die Beklagte
bei
Abgabe
der
Bürgschaftserklärungen
voraussichtlich nicht einmal in der Lage gewesen
ist,
die
- nach
Berechnung
des
Landgerichts -
laufenden Zinsen i.H.v. 1.533,33 DM pro Monat mit
ihren
eigenen
finanziellen
Mitteln
auf
Dauer
aufzubringen.
Insbesondere
kann
dahinstehen,
welcher
Zeitraum
für
die
zukünftige
Wertentwicklung
von
Lebensversicherungen
oder
anderen
Sicherheiten
vernünftigerweise
prognostizierbar
ist,
welche
Werthaltigkeit
das
Vermögen der Beklagten nach ihrer Selbstauskunft
vom
03.09.1996
gehabt
hat
und
unter
welchen
Voraussetzungen bloße Erwerbsaussichten des Bürgen
zu berücksichtigen sind.
2.3.2
Denn
nach
Auffassung
des
Bundesgerichtshofs
reicht
allein
die
krasse
finanzielle
Überforderung
des
Bürgen nicht aus, um der Gläubigerbank sittenwidriges
Handeln
vorwerfen
zu
können.
Erforderlich
ist
vielmehr
ein
Handeln
des
Bürgen
aus
emotionaler
12
Verbundenheit. Die wegen der - hier zu Gunsten der
Beklagten
unterstellten -
krassen
finanziellen
Überforderung bestehende tatsächliche Vermutung, dass
sie sich bei der Übernahme der Bürgschaft nicht von
einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen
Risikos, sondern von ihrer emotionalen Bindung an den
Hauptschuldner
hat
leiten
lassen
und
die
Klägerin
dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, hat
die
darlegungs-
und
beweisbelastete
Klägerin
ausgeräumt.
Dem
ist
die
Beklagte
- zumindest
substantiiert - nicht entgegengetreten.
Handeln aus emotionaler Verbundenheit bedeutet, dass
sich der Bürge gerade nicht von einer realistischen,
rationalen Einschätzung des von ihm zu übernehmenden
Risikos
oder
gar
von
eigenen
Interessen,
sondern
allein
von
seiner
emotionalen
Bindung
an
den
eigentlichen Schuldner leiten lässt (BGH, ZIP 2001,
189, 192; BGH, ZIP 2000, 351, 353 ff.). Zwischen dem
Bürgen
und
dem
eigentlichen
Schuldner
muss
eine
gefühlsmäßige Bindung bestehen, die ihren Grund in
der Ehe (BGH, ZIP
2001, 189),
dem Bestehen einer
nichtehelichen
Lebensgemeinschaft
(BGH,
ZIP
2000,
351; Horn, ZIP 2001, 93, 100) oder einer sonstigen
Beziehung
(BGH,
ZIP
1998,
196)
haben
kann.
Diese
Verbundenheit
führt
zu
Entscheidungen,
die
nicht
selbstbestimmt,
eigenverantwortlich
oder
aus
autonomen Entschlüssen heraus erfolgen.
Nach
Rechtsprechung
des
Bundesgerichtshofs
ist
ein
auf einen freien Willensentschluss hindeutendes oder
ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit voll
ausgleichendes
Eigeninteresse
des
finanziell
krass
überforderten
Bürgen
an
der
Darlehensgewährung
allerdings grundsätzlich zu bejahen, wenn er zusammen
mit
dem
- gefühlsmäßig
verbundenen -
Partner
ein
gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder
ihm
aus
der
Verwendung
der
Darlehensvaluta
unmittelbare
und
ins
Gewicht
fallende
geldwerte
13
Vorteile
erwachsen
sind.
Bei
wirtschaftlicher
Betrachtung
besteht
dann
kein
wesentlicher
Unterschied zu den Fällen, in denen die Partner den
Kredit
als
gleichberechtigte
Vertragspartner
aufgenommen und verwandt haben (BGH, ZIP 2001, 189,
192).
Dann
verfolgt
der
Bürge
unmittelbare
eigene
wirtschaftliche
Ziele
(Tiedtke,
NJW
2001,
1015,
1023). Sein Handeln kann daher nicht fremdbestimmt
sein.
Vielmehr
erfolgt
die
Mithaftungsübernahme
in
solchen Fällen aus autonomen Motiven. Dann erscheint
es gerechtfertigt, die Mithaftungsübernahme nicht als
sittenwidrig anzusehen. Bei Prüfung des Ausschlusses
des Handelns aus emotionaler Verbundenheit ist zwar
nicht
die
- nach
Auffassung
des
Senats
aber
vorliegende - Geschäftsgewandtheit der Beklagten zu
berücksichtigen (BGH, ZIP 2000, 351, 354). Denn ein
Handeln
im
Privatbereich
kann
auch
bei
einer
geschäftsgewandten
Person
aus
rein
emotionaler
Verbundenheit
erfolgen,
so
dass
der
geschäftlich
Gewandte
in
seinem
Privatbereich
gleichwohl
eine
Verpflichtung eingehen kann, die er im geschäftlichen
Bereich
niemals
eingehen
würde
(Canaris,
AcP
200,
273, 345 ff.).
Die
Grundsätze
über
Bürgschaften
finanziell
krass
überforderter
Ehepartner
- und
nichts
anderes
kann
für nichteheliche Lebensgemeinschaften gelten - sind
aber
insbesondere
dann
nicht
anwendbar,
wenn
der
Bürge
im
Betrieb
des
Hauptschuldners
eine
mitunternehmerähnliche
Stellung
inne
hat
und
daher
ein
eigenes
wirtschaftliches
Interesse
und
die
Möglichkeit der geschäftlichen Einflussnahme auf den
Betrieb gegeben ist (BGH, Beschluss vom 11.05.2000,
Az.
IX ZR 396/99,
zitiert
nach:
DRsp-
ROM Nr. 2000/5072).
Unter
Berücksichtigung
dieser
Erwägungen ist der Senat davon überzeugt, dass die
Beklagte die Bürgschaft nicht allein aus emotionaler
Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen hat.
Hierfür sind folgende Umstände maßgeblich:
14
a) Ende
1994
legte
der
Hauptschuldner
sein
Unternehmenskonzept
zur
Erlangung
eines
Kreditengagements
bei
der
Klägerin
vor.
Hieraus
ist bei einer Gesamtbetrachtung ersichtlich, dass
die Beklagte im Betrieb des Hauptschuldners eine
mitunternehmerähnliche
Stellung
inne
hatte
und
sowohl eigenes wirtschaftliches Interesse als auch
die Möglichkeit der geschäftlichen Einflussnahme
auf den Betrieb gegeben waren. Die Beklagte war
vielmehr
ein
wesentlicher
und
wichtiger
Bestandteil der Betriebserweiterung.
Nach
dem
Unternehmenskonzept
wurde
das
Goldschmiedeatelier durch den Hauptschuldner und
die Beklagte allein betrieben. Der Hauptschuldner
und
die
Beklagte
konzentrierten
sich
auf
die
Anfertigung
von
Neuschmuck
entsprechend
ihrer
handwerklichen Fähigkeiten sowie Reparaturen. Die
Beklagte
übernahm
zusätzlich
den
"Außer-Haus-
Verkauf"
für
eine
gehobene
Kundschaft.
Die
Buchhaltung des Betriebes wurde mit einem hohen
Arbeitsaufwand
von
der
Beklagten
neben
dem
Steuerberater
mit
durchgeführt.
Innerhalb
"der
Familie"
übernahm
die
Mutter
der
Beklagten
als
versierte Buchhalterin die Buchführung.
Ausweislich
des
Unternehmenskonzeptes
wurde
die
Existenzerweiterung bereits mehrere Monate vor dem
Herantreten
des
Hauptschuldners
an
die
Klägerin
betrieben.
Das
Unternehmenskonzept
stellt
zudem
heraus,
dass
die
Beklagte
zwischenzeitlich
den
Beruf
der
Goldschmiedin
mit
sehr
gutem
Erfolg
abgeschlossen
habe
und
ihre
Qualifikation
hervorragend
sei.
Die
Kreditierung
sollte
der
Beschaffung des Grundmaterials (Gold und Steine)
dienen,
der
Hauptschuldner
und
die
Beklagte
sollten Eigenleistungen für die
Warenausstattung
in Form hochqualifizierter Handwerksarbeit mit zu
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kalkulierenden Stundensätzen von 60 bzw. 40,00 DM
je
Stunde
als
Hilfeleistung
u.a.
beim
Ladenbau
leisten.
Schließlich
ist
dem
Unternehmenskonzept
zu
entnehmen,
dass
der
Hauptschuldner
und
die
Beklagte an Weiterbildungsmaßnahmen (Kalkulation,
Verkaufsstrategie,
moderne
Handwerkstechnik)
teilgenommen
haben
und
im
Stammhaus
der
Firma
in
mehrtägig die Gesamtorganisation
der Produktion, der Kalkulation und des Verkaufs
studierten.
b) Die
Beklagte
kümmerte
sich
auch
nachfolgend
in
wichtigen
Dingen
eigenverantwortlich
um
die
Belange des Unternehmens des Hauptschuldners. Dies
betrifft
insbesondere
die
Buchhaltung
des
Unternehmens
und
die
Korrespondenz
mit
den
Kreditinstituten.
Hierbei
ist
zu
bedenken,
dass
die
Beklagte
während
der
gesamten
Dauer
ihrer
Tätigkeit
Verfügungsberechtigung
über
das
Geschäftsgirokonto hatte. Daneben hatte sie sich -
in
mitunternehmerähnlicher
Art
und
Weise -
um
Mietverträge und die Repräsentanz des Unternehmens
nach außen gekümmert. Die Tätigkeiten hatten einen
Umfang,
der
weit
über
den
lediglich
einer
Angestellten hinausging.
c) Innerhalb
des
Unternehmens
übte
die
Beklagte
gegenüber
den
sonstigen
Arbeitnehmern
das
Direktionsrecht des Arbeitgebers aus.
d) Das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten
an dem gewährten Kredit sowie die Möglichkeiten
der geschäftlichen Einflussnahme auf den Betrieb
des Hauptschuldners zeigen sich auch darin, dass
die Beklagte neben der Einsicht in die Buchhaltung
auch
Zugriff
auf
die
Steuerunterlagen
des
Hauptschuldners hatte. Die Beklagte nahm, als der
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Betrieb
in
wirtschaftliche
Schwierigkeiten
kam,
neben dem Hauptschuldner, den Steuerberatern sowie
Mitarbeitern der Klägerin und der Bürgschaftsbank
Sachsen
an
Gesprächen
über
die
Zukunft
des
Betriebs
teil
und
brachte
sich
für
den
Hauptschuldner inhaltlich ein.
e) Ob die Beklagte im Zeitpunkt der Bürgschaft am
24.10.1997
arbeitslos
gewesen
ist,
kann
offen
bleiben.
Jedenfalls
hat
die
Beklagte
diesen
Zeitraum
in
ihrem
der
Klägerin
im
Mai
1999
übermittelten
Unternehmenskonzept
mit
"Vorbereitung
auf
die
Vereidigung
als
Sachverständige" benannt. Ohnehin hat die Beklagte
keine
nachvollziehbare
Erklärung
abgegeben,
weshalb sie - am 13.10.1997 arbeitslos gemeldet -
am 24.10.1997 die Bürgschaftserklärung abgegeben
hat. Die Beklagte war - nach dem unwidersprochen
gebliebenen
Vortrag
der
Klägerin -
auch
in
der
Zeit vor März 1999 in vielfältiger Weise mit der
Organisation und Geschäftsführung sowie Produktion
und
Kundenpflege
im
Unternehmen
des
Hauptschuldners befasst. Nach dem beklagtenseits
vorgelegten Arbeitsvertrag vom 15.03.1999 war die
Beklagte
jedenfalls
als
Verkaufsleiterin
des
Ladengeschäfts
in
tätig.
Spätestens
im
Sommer
1999
äußerte
die
Beklagte
gegenüber
der
Klägerin die Absicht, den prognostisch rentablen
Teil
des
Unternehmens
des
Hauptschuldners
in
zu übernehmen. Der Geschäftsverkauf des
Hauptschuldners an die Beklagte erfolgte nach dem
- unwidersprochen
gebliebenen -
Vortrag
der
Klägerin mit Wirkung zum 30.11.1999.
f) In
Würdigung
der
Gesamtumstände
waren
nach
Überzeugung des Senats das eigene wirtschaftliche
Interesse der Beklagten an dem gewährten Kredit
sowie
die
Möglichkeiten
der
geschäftlichen
Einflussnahme auf den Betrieb des Hauptschuldners
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so
groß,
dass
von
einer
mitunternehmerähnlichen
Stellung der Beklagten auszugehen ist und daher
die Grundsätze über Bürgschaften finanziell krass
überforderter
Ehepartner
bzw.
nichtehelicher
Lebenspartner
auf
den
vorliegenden
Fall
nicht
anwendbar sind.
g) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24.08.2001
zur Frage der mitunternehmerähnlichen Stellung der
Beklagten
im
Unternehmen
des
Hauptschuldners
umfassend und substantiiert vorgetragen. Dem ist
die
Beklagte
weder
schriftsätzlich
noch
auf
Hinweis
im
Senatstermin
- substantiiert -
entgegengetreten.
Im
Hinblick
darauf
war
nach
Auffassung des Senats die Vernehmung des Zeugen
nicht geboten. Die Behauptung der Beklagten, sie
habe
im
Unternehmen
des
Hauptschuldners
keine
mitunternehmerähnliche
Stellung
inne
gehabt
und
die
Benennung
des
Hauptschuldners
als
Zeugen
erachtet
der
Senat
im
Hinblick
auf
den
-
unwidersprochen
gebliebenen
Vortrag
aus
dem
Schriftsatz
der
Klägerin
vom
24.08.2001 -
als
nicht
substantiiert
genug.
Hierauf
ist
die
Beklagte im Senatstermin am 24.09.2001 hingewiesen
worden.
2.4
Nachdem sich die Klägerin und der Hauptschuldner bei
Abschluss des Darlehensvertrages am 15.12.1994 einig
waren, dass die Bürgschaft der Beklagten demnächst
erteilt
werde,
wurde
das
Darlehen
i.H.v.
214.000,00 DM
am
31.12.1994,
also
vor
Bürgschaftserklärung
der
Beklagten
am
28.01.1995,
valutiert. Dies betrifft auch die Valutierung aus dem
Darlehensvertrag
vom
30.03.1995
am
21.04.1995.
Dem
kann
die
Beklagte
indes
nicht
entgegenhalten,
sie
habe
für
ausgereichte
Kredite
gebürgt
und
die
Bürgschaft
sei
daher
sittenwidrig.
Denn
die
vereinbarten
Darlehen
sahen
jeweils
die
Bürgschaft
der Beklagten ausdrücklich und von Beginn an vor. Der
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Hauptschuldner
war
mithin
verpflichtet,
die
Bürgschaft
der
Beklagten
als
Sicherungsmittel
beizubringen. Die Bürgschaftserteilungen erfolgten -
nach
dem
unwidersprochen
gebliebenen
Vortrag
der
Klägerin - im normalen Geschäftsgang und nicht unter
Androhung
der
Darlehenskündigungen.
Die
Bürgschaftserteilungen waren vielmehr einvernehmlich
zwischen
der
Klägerin,
dem
Hauptschuldner
und
der
Beklagten abgestimmt.
Sonstige
Umstände,
die
die
Beklagte
in
ihrer
Entscheidungsfreiheit
beeinträchtigt
haben
könnten,
sind
nicht
ersichtlich
und
auch
nicht
dargetan.
Ebenso
vermag
der
Senat
nicht
zu
erkennen,
dass
ungewöhnliche
und
schwerwiegende,
dem
Bürgen
ersichtlich
unbekannte
Haftungsrisiken
verschwiegen
oder in sonstiger Weise eine Geschäftsunerfahrenheit
ausgenützt worden wäre.
II.
Die
Nebenentscheidungen
beruhen
auf
§§ 97
Abs. 1,
708
Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
Der
Gegenstandswert
der
Berufung
und
die
Beschwer
der
Beklagten betragen jeweils 200.000,00 DM.