Urteil des OLG Dresden vom 12.12.2008
OLG Dresden: schiedsrichter, fristlose kündigung, schiedsverfahren, befangenheit, schiedsgericht, ausschluss, prozess, verfahrenskosten, besitz, verdacht
Leitsatz:
Eine Schiedspartei, die für ein Dreier-Schiedsgericht als
„ihren“ Schiedsrichter eine Person benennt, die mit der an-
deren Partei einen Rechtsstreit in eigener Sache führt, muss
es hinnehmen, wenn die andere Schiedspartei diesen Schieds-
richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt
(§ 1037 ZPO, § 1036 II ZPO)
OLG Dresden, 11. Zivilsenat, Beschluss vom 12.12.2008,
11 SchH 0007/08
2
Oberlandesgericht
Dresden
11. Zivilsenat
Aktenzeichen: 11 SchH 0007/08
Beschluss
des 11. Zivilsenats
vom 12.12.2008
In dem Schiedsverfahren
H…… S…….
,
Schiedskläger / Antragsgegner
gegen
D………………………… e.V.
,
vertr.d.d. Vorstandsvorsitzenden,
Schiedsbeklagter / Antragsteller
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin
wegen Befangenheit eines Schiedsrichters
3
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. S…..,
Richterin am Oberlandesgericht A……. und
Richter am Amtsgericht E……….
beschlossen:
1.
Die Ablehnung des Schiedsrichter M…… S….. wegen Besorg-
nis der Befangenheit durch den Kreisverband ……………………..
e.V. des ………………….. wird für begründet erklärt.
2.
Der Antragsgegner hat die Kosten des vorliegenden Ver-
fahrens zu tragen.
3.
Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller ist ein Kreisverband des D……………….., der
Antragsgegner ist ein Mitglied dieses Kreisverbandes. Der
Kreisverband hat ihn ausgeschlossen. Der Antragsgegner hat
das Schiedsgericht des D…………………. angerufen um diesen Aus-
schluss zu bekämpfen und um zu erreichen, dass er einen
Ortsverband B…… gründen darf. Er hat als "seinen" Beisitzer
M…… S….. benannt. Der Kreisverband hatte M…… S….. im März
und ein zweites Mal im Juni 2008 fristlos als Kreisge-
schäftsführer gekündigt und ihn als Vorstandsvorsitzenden
abberufen, unter anderem deswegen, weil auf dem Dienstlaptop
von M…… S….. pornografisches Bildmaterial gefunden worden
war, das Jugendliche als Darsteller zeigte. Der Kreisverband
hatte den Verdacht, dass es sich um Kinderpornografie hande-
le. Das hat sich im Zuge des staatsanwaltlichen Ermittlungs-
verfahrens nicht bestätigt. Der Kreisverband sieht aber eine
Jugendarbeit von M…… S….. unvereinbar mit dem Besitz der ge-
nannten pornografischen Bilder. Der Rechtsstreit zwischen
dem Kreisverband und dem abberufenen Vorstandsvorsitzenden
ist noch nicht entschieden.
4
Auf die Ablehnung des Kreisverbandes im Schiedsverfahren er-
klärt er, er sei nicht befangen, weil die Angelegenheit des
ausgeschlossenen Mitglieds im Schiedsverfahren in keinem Zu-
sammenhang mit seinem eigenen Rechtsstreit mit dem Kreisver-
band stehe. Auch sei das Strafverfahren gegen ihn einge-
stellt worden.
Der Antrag des Kreisverbandes, den Schiedsrichter S….. wegen
Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist zulässig und be-
gründet.
Zulässig ist er, weil die Schiedsordnung des D…………………. ab-
weichend von § 1037 Abs. 2 ZPO vorsieht, dass eine Schieds-
partei das staatliche Gericht anrufen kann, wenn der von ihr
abgelehnte Schiedsrichter diese Ablehnung nicht für begrün-
det hält. Das ist hier geschehen.
Der Antrag ist auch rechtzeitig gestellt. § 3 der Schieds-
ordnung sieht vor, dass der Antrag innerhalb von zwei Wochen
nach Eingang der Erklärung des abgelehnten Schiedsrichters
beim Gericht geltend gemacht werden muss.
Die Frist ist gewahrt. Die Erklärung des Schiedsrichters
S….., er sei nicht befangen, ging am 19.09.2008 bei der Pro-
zessbevollmächtigten des Kreisverbandes ein, am 02.10.2008
ging der Antrag der Bevollmächtigten beim Oberlandesgericht
ein.
Der Antrag ist auch begründet. Es kommt nicht darauf an, ob
der Schiedsrichter tatsächlich befangen ist. Es reicht aus,
wenn eine Partei begründet besorgen darf, der Schiedsrichter
werde befangen sein.
So ist es hier. Angesichts des noch offenen Rechtsstreits
zwischen dem Kreisverband und M…… S….. darf auch eine ver-
ständige und zur objektiven Haltung fähige Partei befürch-
ten, der Schiedsrichter werde in einem Schiedsverfahren, in
dem es um den Ausschluss eines Mitglieds und die Zulässig-
keit der Gründung eines neuen Ortsvereins im Bezirk des an-
tragstellenden Kreisverbandes geht, dem Kreisverband gegen-
über voreingenommen sein. Nicht jeder Prozess würde eine
solche Besorgnis begründen. Hier aber geht es um eine frist-
lose Kündigung und den Vorwurf, der Schiedsrichter sei per-
sönlich ungeeignet, seine Funktion als Vorstandsvorsitzender
5
auszuüben. Ein Streit um so grundlegende Eigenschaften des
Schiedsrichters begründet beim Prozessgegner des Schieds-
richters immer die Besorgnis, der Schiedsrichter werde diese
Gegnerschaft in seine Tätigkeit als Schiedsrichter einflie-
ßen lassen.
Der Antrag war erfolgreich, deswegen hat der Antragsgegner
die Verfahrenskosten zu tragen, § 91 ZPO.
Der Gegenstandswert ist geschätzt und orientiert sich am
mutmaßlichen Geschäftswert des Schiedsverfahrens. Bei einem
Dreierschiedsgericht entspricht der Streit um einen der
Schiedsrichter üblicherweise 1/3 jenes Geschäftswerts.
Dr. S….. A……. E……….