Urteil des OLG Dresden vom 12.01.2010
OLG Dresden: wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechtsmittelbelehrung, entlassung, zustellung, verfügung, verfahrensrecht, beschwerderecht, beschwerdefrist, familie, anhörung
Leitsätze
1 Der nach altem Verfahrensrecht gegen seinen Willen ent-
lassene Betreuer ist über das Rechtsmittel der sofortigen
Beschwerde (§ 69 g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGG a.F.) trotz
Fehlens einer ausdrücklichen Regelung zu belehren.
2. Das Gericht der sofortigen weiteren Beschwerde hat nach-
zuprüfen, ob die Vorinstanz dem entlassenen Betreuer im
von diesem angegriffenen Zurückweisungsbeschluss zu Recht
Wiedereinsetzung in die versäumte Erstbeschwerdefrist ge-
währt hat.
3. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 22 Abs. 2 FGG a.F. scheidet
aus, wenn der Belehrungsmangel für die Fristversäumung
nicht kausal geworden ist.
§ 69 g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGG a.F., § 22 Abs. 2 FGG a.F.
OLG Dresden, 3. Zivilsenat, Beschluss vom 12.01.2010;
Az.: 3 W 1331/09
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Oberlandesgericht
Dresden
3. Zivilsenat
Aktenzeichen: 3 W 1331/09
3 T 713/09 LG Chemnitz
Beschluss
des 3. Zivilsenats
vom 12.01.2010
In dem Betreuungsverfahren
E
geb. am 23.04.1 ,
R 8,
Z
Betroffene
Weitere Beteiligte:
1. M G ,
R -W -Straße 42,
C
frühere Betreuerin, Beschwerdeführerin und
Führerin der weiteren Beschwerde
2. S S ,
E Straße 181,
C
Betreuer
3. U L ,
Rechtsanwalt,
An der M 8,
C
Verfahrenspfleger
4. L E ,
Abt. 3, R S H ,
P 6,
M
Betreuungsbehörde
wegen Betreuerwechsel
3
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Niklas,
Richter am Oberlandesgericht Bokern und
Richterin am Oberlandesgericht Enders
beschlossen:
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Be-
schluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landge-
richts Chemnitz vom 16.11.2009 wird verworfen, soweit es
das Begehren auf Bestellung eines anderen Betreuers als des
Beteiligten zu 2 betrifft, und im Übrigen mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde der Beteilig-
ten zu 1 gegen den ihre Entlassung als Betreuerin anordnen-
den Beschluss des Amtsgerichts Marienberg - Vormundschafts-
gericht - vom 20.05.2009 verworfen wird.
Gründe:
A.
Für die 86 Jahre alte, an einer ausgeprägten Demenz leiden-
de und in einem Seniorenzentrum lebende Betroffene ist seit
August 2001 eine Betreuung eingerichtet. Betreuerin war zu-
nächst die Beteiligte zu 1, zuletzt mit dem Aufgabenkreis
der Gesundheitsfürsorge und der Einwilligung in die ärztli-
che Heilbehandlung, der Vermögenssorge, der Aufenthaltsbe-
stimmung einschließlich der Entscheidung über unterbrin-
gungsähnliche Maßnahmen, der Vertretung der Betroffenen im
Rechtsverkehr vor Behörden und Institutionen sowie der Ent-
gegennahme, dem Öffnen und dem Bearbeiten der amtlichen
Post. Die Großmutter der Beteiligten zu 1 ist eine Cousine
der Betroffenen, die selbst kinderlos ist und keine näheren
Verwandten hat.
Mit ihr am 06.06.2009 zugestelltem Beschluss vom 20.05.2009
hat das Amtsgericht die Beteiligte zu 1 entlassen und statt
ihrer den Beteiligten zu 2 zum neuen Berufsbetreuer be-
stellt. Den gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom
11.09.2009 (Eingang: 15.09.2009) eingelegten, mit weiterem
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Schreiben vom 19.10.2009 (Eingang: 26.10.2009) ergänzten
"Widerspruch" der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht
teils als sofortige und im Übrigen als unbefristete Be-
schwerde behandelt und "beide Rechtsmittel", hinsichtlich
der Entlassungsanordnung unter gleichzeitiger Gewährung von
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der
sofortigen Beschwerde, am 16.11.2009 in der Sache zurückge-
wiesen. Gegen die ihr am 02.12.2009 zugestellte Beschwerde-
entscheidung richtet sich die am 14.12.2009 zu Protokoll
der Geschäftsstelle des Landgerichts eingelegte "weitere
sofortige Beschwerde" der Beteiligten zu 1. Mit der Rüge
einer unrichtigen Anwendung des § 1908b BGB erstrebt sie
die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen, mit de-
nen sie als Betreuerin entlassen wurde. Für den Fall, dass
sie nicht selbst wieder als Betreuerin eingesetzt werde,
beantragt sie, statt des Beteiligten zu 2 einen anderen eh-
renamtlichen Betreuer zu bestellen. Ihre Eltern seien zur
Übernahme der Betreuung bereit.
B.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 hat keinen Erfolg.
I.
Das vorliegende Rechtsmittelverfahren beurteilt sich gemäß
Art. 111 FGG-RG ebenso wie schon das wenn auch ebenfalls
erst nach dem 31.08.2009 in Gang gekommene Verfahren der
Erstbeschwerde noch nach altem Verfahrensrecht, also den
mit Wirkung vom 01.09.2009 außer Kraft getretenen Vor-
schriften des FGG (Senat, Beschluss vom 20.10.2009 -
3 W 1077/09, juris).
II.
Das hiernach gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthafte Rechtsmittel
stellt sich in Bezug auf die vom Landgericht bestätigte
Entlassung der Beteiligten zu 1 als sofortige weitere Be-
schwerde und hinsichtlich der Auswahl und Bestellung des
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Beteiligten zu 2 zum neuen Betreuer als (einfache) weitere
Beschwerde dar. Nur im ersten Punkt ist es zulässig.
1. Soweit ihre Entlassung als Betreuerin in Rede steht, hat
die Beteiligte zu 1 die sofortige weitere Beschwerde
formgerecht (§§ 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 21 Abs. 2 S. 1
Alt. 2 FGG) und auch rechtzeitig innerhalb der Frist von
zwei Wochen ab Zustellung der Beschwerdeentscheidung
(§§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3, 22 Abs. 1, 29 Abs. 2, 16
Abs. 2 FGG) eingelegt. Ihre Beschwerdeberechtigung folgt
bereits aus der Zurückweisung der gegen die Entlassungs-
anordnung erhobenen sofortigen Beschwerde.
2. Dagegen ist die weitere Beschwerde im Übrigen unzuläs-
sig.
a) In diesem Umfang fehlt es an einer durch den ange-
griffenen Beschluss begründeten Beschwer der Betei-
ligten zu 1. Diese hatte entgegen der nicht näher be-
gründeten Annahme des Landgerichts gegen die Auswahl
und Bestellung des Beteiligten zu 2 zum neuen Betreu-
er (§ 1908c BGB) gar nicht Beschwerde eingelegt.
Dem
Widerspruchsschreiben
vom
11.09.2009
und
19.10.2009 war und ist lediglich das Begehren zu ent-
nehmen, die Entlassungsverfügung anzugreifen und aus
der Welt zu schaffen. Gegen die gesonderte Auswahl-
entscheidung zum neu bestellten Betreuer als solche
hat sich die Beteiligte zu 1 dagegen im Beschwerde-
verfahren nicht gewandt. Insbesondere hat sie keiner-
lei Bedenken gegen die Eignung des Beteiligten zu 2
vorgebracht oder, wie erst jetzt im Rahmen der weite-
ren Beschwerde geschehen, den Vorrang der Bestellung
eines ehrenamtlichen Betreuers geltend gemacht und
dabei eine außer ihr selbst zur Verfügung stehende
betreuungsbereite Person benannt. Solches ist auch im
ausführlichen Anhörungstermin vor der Einzelrichterin
des Landgerichts vom 13.11.2009 nicht andeutungsweise
zur Sprache gekommen, obwohl das Amtsgericht in sei-
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nem Beschluss vom 20.05.2009 ausdrücklich hervorgeho-
ben hatte, dass der neu bestellte Berufsbetreuer un-
eingeschränkt geeignet sei und übernahmebereite Ange-
hörige nicht zur Verfügung stünden. Unter diesen Um-
ständen lag in dem zweitinstanzlichen Begehren und
Vorbringen der Beteiligten zu 1 keine zugleich erho-
bene Beschwerde gegen die Auswahl des neuen Betreu-
ers, sondern ausschließlich eine sofortige Beschwer-
de, um die Entlassungsverfügung zu korrigieren und
von neuem selbst als Betreuerin fungieren zu können.
Eine solche Beschränkung des Angriffsziels war aus
der Sicht der Beteiligten zu 1 auch nicht unvernünf-
tig. Bei einem Erfolg ihres Rechtsmittels wäre die
Bestellung des Beteiligten zu 2 fraglos aus tatsäch-
lichen Gründen obsolet geworden und dieser vom Vor-
mundschaftsgericht aus wichtigem Grund abberufen wor-
den; würde die sofortige Beschwerde gegen die Entlas-
sungsanordnung erfolglos bleiben, stünde der betreu-
ungsbedürftigen Betroffenen dauerhaft der Beteiligte
zu 2 zur Verfügung.
Lag damit in Wahrheit keine Beschwerde der Beteilig-
ten zu 1 gegen die Auswahlentscheidung zur Person des
neuen Betreuers vor, schafft die angegriffene Be-
schwerdeentscheidung mit der Zurückweisung eines in-
soweit gar nicht eingelegten Rechtsmittels lediglich
den Anschein einer Beschwer. Tatsächlich liegt eine
solche hingegen nicht vor.
b) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen
ein vom Rechtsbeschwerdeführer erstmals im Verfahren
der weiteren Beschwerde und nicht bereits im zweiten
Rechtszug verfolgtes Begehren, die erstinstanzliche
Entscheidung zu ändern, überhaupt zulässig sein kann,
muss an dieser Stelle nicht vertieft werden. Voraus-
setzung wäre in jedem Falle die Beschwerdeberechti-
gung des Rechtsbeschwerdeführers. Daran fehlt es.
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Die Beteiligte zu 1 hat in Bezug auf die neue Betreu-
erauswahlentscheidung des Amtsgerichts kein Beschwer-
derecht. Sie ist als Enkelin einer Cousine der Be-
troffenen mit dieser in der Seitenlinie lediglich im
sechsten Grad verwandt, § 1589 S. 2 und 3 BGB. Damit
rechnet sie noch weniger als ihre Großmutter, die als
Cousine der Betroffenen eine Verwandte vierten Grades
ist, zu demjenigen Verwandtenkreis, dem § 69g Abs. 1
i.V.m. § 69i Abs. 8 FGG ein Beschwerderecht gegen die
Bestellung eines neuen Betreuers nach § 1908c BGB
gibt (Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten
Grad). Aus eben diesem Grund hatte die Vorsitzende
der Beschwerdekammer unter dem 14.08.2009 die Groß-
mutter der Beteiligten zu 1, die beim Amtsgericht am
15.06.2009 "Widerspruch zum Betreuerwechsel" einge-
legt hatte, zutreffend auf das - in ihrer Person ins-
gesamt - fehlende Beschwerderecht hingewiesen.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts beruht, soweit
rechtlicher Nachprüfung unterworfen, im Ergebnis (nämlich
dass es bei der vom Amtsgericht angeordneten Entlassung der
Beteiligten zu 1 bleibt) nicht auf einer Verletzung des
Rechts, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG. Allerdings war die sofortige
Beschwerde der Beteiligten zu 1, wie das Rechtsbeschwerde-
gericht von Amts wegen zu überprüfen hat, bereits unzuläs-
sig und hätte deshalb vom Landgericht ohne Sachprüfung ver-
worfen werden müssen. Dies holt der Senat nach und weist
mit dieser Maßgabe die sofortige weitere Beschwerde zurück.
1. Die im Widerspruchsschreiben vom 11.09.2009 liegende, am
15.09.2009 eingegangene sofortige Beschwerde hat die Be-
teiligte zu 1 zu spät eingelegt.
Die gemäß §§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3, 22 Abs. 1 FGG einzu-
haltende 2-Wochen-Frist ab Zustellung der Ausgangsent-
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scheidung an die Beteiligte zu 1 am 06.06.2009 war be-
reits mit Ablauf des 20.06.2009 verstrichen. Die Zustel-
lung hatte den Fristenlauf in Gang gesetzt, obwohl die
vom Amtsgericht erteilte Rechtsmittelbelehrung insofern
fehlerhaft war, als sie keinen Hinweis auf die Fristge-
bundenheit der Beschwerde enthielt.
a) Nach bisheriger obergerichtlicher Rechtsprechung be-
durfte es in Fällen der Entlassung eines Betreuers
aus wichtigem Grund gemäß § 1908b BGB schon keiner
Rechtsmittelbelehrung (z.B. OLG Stuttgart FamRZ 1996,
1342; BayObLG FamRZ 2000, 493).
Aus den Vorschriften des FGG ließ und lässt sich eine
solche Belehrungspflicht in der Tat nicht entnehmen.
§ 69 Abs. 1 Nr. 6 FGG schreibt dem Gericht eine
Rechtsmittelbelehrung unmittelbar nur für die Bestel-
lung eines Betreuers und die Anordnung eines Einwil-
ligungsvorbehaltes vor. Eine allgemeine, umfassende
Pflicht zur Erteilung von Rechtsmittelbelehrungen in
Betreuungssachen begründet die Vorschrift nicht. Das
ergibt sich schon aus § 69 Abs. 2 FGG, da dort für
die Ablehnung der in Absatz 1 genannten Maßnahmen
zwar eine Begründung, aber keine Rechtsmittelbeleh-
rung vorgeschrieben ist. Für anderweitige (Folge-
)Entscheidungen in Betreuungssachen ist teilweise die
entsprechende Anwendung des § 69 Abs. 1 FGG mit der
Folge einer Belehrungsnotwendigkeit ausdrücklich im
Gesetz angeordnet. Dabei geht es durchweg um Anord-
nungen, die den in § 69 Abs. 1 FGG genannten ver-
gleichbar sind, so die Erweiterung des Aufgabenkrei-
ses des Betreuers (§ 69i Abs. 1 S. 1 FGG) oder die
des Einwilligungsvorbehaltes (§ 69i Abs. 2 FGG), die
mit einer Erweiterung des Aufgabenkreises verbundene
Bestellung eines weiteren Betreuers (§ 69i Abs. 5
FGG) und die Verlängerung der Betreuung bzw. des Ein-
willigungsvorbehaltes (§ 69i Abs. 6 FGG). Für die
Entscheidung über die Entlassung des Betreuers, die
nach § 1908c BGB zugleich die Bestellung eines neuen
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Betreuers erforderlich macht, enthält das Gesetz hin-
gegen keine derartige Verweisung, obwohl § 69i Abs. 7
FGG das Verfahren bei der Entlassung eines Betreuers
ausdrücklich anspricht.
b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich
für die gemäß § 45 Abs. 1 WEG a.F. befristeten
Rechtsmittel in Wohnungseigentumssachen, anknüpfend
an
Rechtsprechung
des
Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 93, 99, 108; BVerfG NJW 1995, 2095, 2096),
unmittelbar aus dem Grundgesetz das Erfordernis einer
Rechtsmittelbelehrung hergeleitet und dies eingehend
begründet (BGHZ 150, 390, 393 ff.).
Es liegt nahe, diese Rechtsprechung auf dem alten FGG
unterliegende Betreuungssachen zu übertragen. Hier
wie dort ist das Rechtsmittelsystem dadurch gekenn-
zeichnet, dass es für den Rechtsuchenden nur schwer
zu überschauen ist und außerdem keinem Anwaltszwang
unterliegt. Jedenfalls aber sind die in BGHZ 150, 390
entwickelten Grundsätze ohne Weiteres auf Betreuungs-
angelegenheiten zu übertragen, soweit das Rechtsmit-
tel als befristetes ausgestaltet ist. Dementsprechend
bestand im Streitfall eine Pflicht des Amtsgerichts,
in schriftlicher Form zu belehren "über das Rechts-
mittel selbst, über einzuhaltende Form- und Frister-
fordernisse sowie über die Gerichte, bei denen das
Rechtsmittel einzulegen ist" (BGHZ 150, 390, 396).
Dieser Verpflichtung ist das Amtsgericht nicht voll-
ständig gerecht geworden, da die erteilte Rechtsmit-
telbelehrung nicht über die einzuhaltende 2-Wochen-
Frist aufklärte.
c) Unterbleibt die verfassungsrechtlich gebotene Rechts-
mittelbelehrung ganz oder ist sie unvollständig oder
sonst fehlerhaft, steht dies dem Beginn des Laufs der
Rechtsmittelfrist aber nicht ohne weiteres entgegen.
Die Frist ist vielmehr jedenfalls dann mit Zustellung
der Entscheidung in Lauf gesetzt, wenn das geschrie-
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bene Verfahrensrecht selbst hinsichtlich des eröffne-
ten Rechtsmittels - wie hier (vgl. oben 1 a) - keine
Belehrungspflicht vorsieht (BGHZ 150, 390, 397 ff.).
Nur bei seinem solchen Verständnis gelingt es, sowohl
Rechtssicherheit und Rechtsfrieden herzustellen als
auch den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in un-
zumutbarer Weise zu erschweren. Dem Rechtsuchenden
bleibt bei Ablauf der Anfechtungsfrist immer noch ein
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
(§ 22 Abs. 2 FGG), um sich den Weg in die Beschwerde-
instanzen zu bahnen. Dabei kommen ihm - gleichsam zur
Kompensation des verfassungswidrigen Belehrungsman-
gels - gewisse Erleichterungen zugute.
2. In die mithin versäumte Beschwerdefrist kann der Betei-
ligten zu 1 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gewährt werden.
a) Die positive Wiedereinsetzungsentscheidung des Land-
gerichts ist für das Rechtsbeschwerdegericht nicht
bindend. Dies folgt aus § 22 Abs. 2 FGG als maßgebli-
cher Wiedereinsetzungsregelung für das vorliegende
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Die Vorschrift kennt, anders als etwa § 238 Abs. 3
ZPO für den Zivilprozess, keine unanfechtbare Wieder-
einsetzung. Vielmehr findet nach § 22 Abs. 2 S. 3 FGG
gegen die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsan-
trag - gleichviel, ob stattgebend oder ablehnend -
die sofortige weitere Beschwerde statt. Dass eine
solche hier von den anderen Beteiligten, namentlich
dem Beteiligten zu 2, bislang nicht eingelegt worden
ist, steht der Nachprüfbarkeit der Wiedereinsetzungs-
entscheidung nicht entgegen. Zum einen hat das Land-
gericht die Wiedereinsetzung gleichzeitig mit der
Hauptsacheentscheidung gewährt. Da letztere zum Nach-
teil der Beteiligten zu 1 ausgefallen ist, lag und
liegt es aus der Sicht des Beteiligten zu 2 und gege-
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benenfalls auch der Betroffenen und ihres im Be-
schwerdeverfahren bestellten Verfahrenspflegers man-
gels effektiver Beschwer fern, isoliert die Bewilli-
gung von Wiedereinsetzung anzugreifen. Zum anderen
hat das Beschwerdegericht die Wiedereinsetzung entge-
gen § 22 Abs. 2 S. 1 FGG ohne Antrag gewährt. Auf ei-
nen solchen Antrag kann, auch wenn keine hohen Anfor-
derungen an ihn zu stellen sind, im Allgemeinen nicht
verzichtet werden. Anders als es zum Beispiel in
§ 236 Abs. 2 letzter Hs. ZPO geregelt ist, sieht § 22
Abs. 2 FGG eine Wiedereinsetzung ohne Antrag, also
von Amts wegen, nämlich gerade nicht vor. In ihrer
Verfügung an die Beteiligte zu 1 vom 29.09.2009 hatte
die Einzelrichterin, der die Zivilkammer das Be-
schwerdeverfahren am selben Tag zur Entscheidung
übertrug, noch auf die Verfristung des Rechtsmittels
und ihre Verwerfungsabsicht hingewiesen. Dem hierauf
am 26.10.2009 eingegangenen Schreiben der Beteiligten
zu 1 vom 19.10.2009 war und ist ein Wiedereinset-
zungsantrag selbst bei wohlwollender Auslegung ebenso
wenig zu entnehmen wie dem ersten Widerspruchsschrei-
ben vom 11.09.2009.
Als die Einzelrichterin dann am 26.10.2009 ohne jede
weitere Äußerung zu den ursprünglich verlautbarten
Zulässigkeitsbedenken Termin zur Anhörung "hinsicht-
lich der Beschwerde der früheren Betreuerin vom
11.09.2009" anberaumte und gleichzeitig einen Verfah-
renspfleger für die zur Anhörung nicht geladene Be-
troffene bestellte, durfte die Beteiligte zu 1 zwar
davon ausgehen, das Beschwerdegericht sei von seiner
ursprünglichen Annahme einer Verfristung des Rechts-
mittels abgerückt. Umgekehrt konnte aber auch der Be-
teiligte zu 2, dem lediglich die Schreiben der Erst-
beteiligten vom 11.09.2009 und 19.10.2009 übersandt
wurden, schwerlich mit einer anstehenden Wiederein-
setzungsentscheidung rechnen. Überdies ist ihm die
abschließende
Beschwerdeentscheidung
nur
formlos
übermittelt worden. In seiner Person hat also, wäre
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er in gegebenenfalls entsprechender Anwendung des
§ 22 Abs. 2 S. 3 FGG zur Anfechtung der antragslos
bewilligten Wiedereinsetzung berechtigt, die Frist
zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde man-
gels förmlicher Zustellung bislang noch gar nicht zu
laufen begonnen, § 16 Abs. 2 S. 1 FGG.
Zumindest in einer Konstellation wie der von den vor-
stehend geschilderten Besonderheiten geprägten ist es
dem Rechtsbeschwerdegericht nicht verwehrt, die zu-
sammen mit der Hauptsache getroffene Wiedereinset-
zungsentscheidung des Beschwerdegerichts rechtlicher
Nachprüfung zu unterziehen und die Wiedereinsetzungs-
frage selbst zu beurteilen und gegebenenfalls ab-
schließend zu entscheiden.
b) Diese Prüfung ergibt, dass der Beteiligten zu 1 keine
Wiedereinsetzung gewährt werden kann.
Dabei mag auf sich beruhen, ob einem Beteiligten aus-
nahmsweise von Amts wegen Wiedereinsetzung gemäß § 22
Abs. 2 FGG zu gewähren ist, wenn bei tatsächlicher
Rechtsmitteleinlegung bereits sämtliche anderen Wie-
dereinsetzungsvoraussetzungen auf der Hand liegen und
deshalb das Erfordernis eines gesonderten Antrages
vom Gericht und den Beteiligten als überzogene Förme-
lei empfunden werden könnte. Denn ein derartiger Fall
liegt hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes kommt dem Beteiligten eines Ver-
fahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der trotz
verfassungsrechtlich gebotener Rechtsmittelbelehrung
nicht (ordnungsgemäß) belehrt worden ist, zwar die
unwiderlegliche Vermutung fehlenden Verschuldens an
der Versäumung der Frist zur (formgerechten) Rechts-
mitteleinlegung zugute; diese Vermutung greift aber
erst ein, wenn der Belehrungsmangel für das Versäumen
der Rechtsmittelfrist im Einzelfall auch ursächlich
geworden ist (BGHZ 150, 390, 397 f.).
13
An dieser Kausalität des Belehrungsmangels fehlt es
hier. Das ergibt sich aus dem insoweit unstreitigen
Sachverhalt und den aktenkundigen eigenen Erklärungen
der Beteiligten zu 1, ohne dass weitere tatsächliche
Feststellungen zu erwarten sind. Danach hat die Be-
teiligte zu 1 die ab dem 06.06.2009 laufende Frist
von 14 Tagen nicht etwa aufgrund insoweit unzurei-
chender Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts ver-
säumt, sondern weil sie und ihre Familie, wie den in
den beiden Verfahren der jeweiligen Erstbeschwerde
eingesandten Schreiben zu entnehmen ist, der unzu-
treffenden und keineswegs durch die erteilte Beleh-
rung heraufbeschworenen Meinung waren, die Beschwerde
könne von der Großmutter als der nächsten Angehörigen
der Betroffenen eingelegt werden. Dies ist am
15.06.2009 und damit noch innerhalb der für die Be-
teiligte zu 1 bis zum 20.06.2009 laufenden Beschwer-
defrist geschehen. Nichts spricht dafür, dass sich
die Beteiligte zu 1 im Falle zutreffender (Frist-
)Belehrung anders verhalten und innerhalb der besag-
ten Frist statt oder neben der Großmutter selbst so-
fortige Beschwerde eingelegt hätte. Nur zusätzlich
bekräftigt wird das in der Familie offenbar eng abge-
stimmte Verhalten nach Zustellung der Entlassungsver-
fügung des Amtsgerichts noch dadurch, dass die
Schreiben der Großmutter vom 11.06.2009 (Widerspruch)
und 27.08.2009 (Rücknahme) sowie der Beteiligten zu 1
vom 11.09.2009 und 19.10.2009 allem Anschein nach auf
demselben Computer gefertigt wurden.
C.
Kosten- und Wertentscheide sind entbehrlich, da außerge-
richtliche, zumal erstattungsfähige Kosten anderer Betei-
ligter nicht angefallen sind und die vorliegende Entschei-
dung nach § 131 Abs. 3 KostO a.F. gebührenfrei ergeht.
Dr. Niklas
Enders
Bokern