Urteil des OLG Dresden vom 13.03.2017
OLG Dresden: wiedereinsetzung in den vorigen stand, verlängerung der frist, fax, erstellung, versendung, verschulden, fristverlängerung, gerät, original, mobiltelefon
Leitsätze:
1. Für die formgerechte Übermittlung eines bestimmenden
Schriftsatzes per Telefax genügt als Fernkopievorlage eine
Ablichtung des vom Prozessbevollmächtigten unterzeichneten
Originals, wenn sich der gesamte Beförderungsvorgang bis zur
Versendung innerhalb der - auch überörtlichen - Kanzlei des
Prozessbevollmächtigten vollzieht. Daher kann Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, wenn ein bei
dem Prozessgericht nicht zugelassenes Mitglied der Kanzlei
es bei Unerreichbarkeit des postulationsfähigen Prozessbe-
vollmächtigten unterlässt, den von diesem mit der Versendung
eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax beauftragten
Büroangestellten anzuweisen, die die Unterschrift des abwe-
senden Prozessbevollmächtigten tragende, beim Übermittlungs-
versuch zerrissene letzte Seite des Originals (etwa mit Hil-
fe eines durchsichtigen Klebebandes) zusammenzufügen, die
auf solche Weise wiederhergestellte Urkunde zu fotokopieren
und die Ablichtung als Fernkopievorlage für einen erneuten
Übermittlungsversuch zu verwenden.
2. Ein Rechtsanwalt, der allein tätig ist oder in einer So-
zietät als einziger über eine spezielle Zulassung verfügt,
hat durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen
oder andere ihm zumutbare Maßnahmen generell sicher zu stel-
len, dass im Falle einer Erkrankung, eines Unfalls oder ei-
nes anderen plötzlichen und unerwarteten Hinderungsgrund
während der üblichen Bürozeit unaufschiebbare Prozesshand-
lungen vorgenommen werden können (Anschluss BGH, VersR 1994,
1207).
2
Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 13 U 764/05
15 O 2540/02 LG Leipzig
Verkündet am 01.09.2005
Die Urkundsbeamtin:
........
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
GmbH
vertreten durch den Geschäftsführer .............,
..........,
.............
- Klägerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ................
......... ............,
.............
gegen
...........,
Steuerberater,
.......................,
.............
- Beklagter, Berufungskläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..................,
..............
............
wegen Schadensersatzes
3
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 01.09.2005 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ............,
Richterin am Oberlandesgericht .... und
Richter am Oberlandesgericht .........
für Recht erkannt:
I.
Der Antrag des Beklagten, ihm wegen der Versäumung der
Frist zur Begründung der Berufung Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Leipzig - Az.: 15 O 2540/02 - vom 24.03.2005
wird als unzulässig verworfen.
III. Die Klägerin ist der von ihr gegen das vorbezeichnete
Urteil eingelegten Berufung verlustig gegangen.
IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klä-
gerin 1/8 und der Beklagte 7/8.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hö-
he von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn
nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
- Gegenstandswert des Berufungsverfahrens:
207.502,18 EUR -
G r ü n d e :
I.
Der Kläger macht gegen den beklagten Steuerberater Ansprüche
auf
Schadensersatz
wegen
schuldhafter
Verletzung
von
vertraglichen
Beratungspflichten
geltend
und
begehrt
insoweit Zahlung an die Finanzverwaltung, der er die
Ansprüche
zwischenzeitlich
abgetreten
hat.
Auf
die
tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird
Bezug genommen.
Das
Landgericht
hat
von
der
Hauptforderung
über
207.502,18 EUR einen Teilbetrag in Höhe von 180.544,83 EUR
nebst einem Teil der darauf beanspruchten Zinsen zuerkannt
4
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Urteil ist dem in
...... residierenden und beim Kammergericht zugelassenen
Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 31.03.2005 zuge-
stellt worden. Am 02.05.2005, einem Montag, hat er Berufung
eingelegt. Mit Schriftsatz vom 31.05.2005, beim Berufungsge-
richt per Telefax eingegangen am 01.06.2005, hat der Beklag-
te beantragt, die Frist zur Erstellung der Berufungsbegrün-
dung um einen Monat zu verlängern. Mit einem weiteren
Schriftsatz, datierend auf und beim Berufungsgericht eben-
falls per Telefax eingegangen am 01.06.2005, hat der Beklag-
te zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er ausge-
führt, sein Prozessbevollmächtigter habe den das Verlänge-
rungsgesuch beinhaltenden Schriftsatz vom 31.05.2005 an die-
sem Tage gegen 17:00 Uhr unterzeichnet und der Büroange-
stellten ................. mit der Weisung übergeben, den
Schriftsatz noch vor Beendigung ihrer Arbeit per Telefax an
das Oberlandesgericht Dresden zu versenden. Die üblichen Bü-
rozeiten der Kanzlei endeten um 18:00 Uhr. Nachdem die Büro-
angestellte ihm bestätigt habe, die Weisung verstanden zu
haben, habe der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die
Kanzlei verlassen, um sich mit einem Mandanten zu einer aus-
wärtigen Besprechung zu treffen. Die Büroangestellte habe
gegen 17:25 Uhr den Schriftsatz in den automatischen Papier-
einzug des Fax-Gerätes eingelegt. Während die erste Seite
des Schriftsatzes problemlos eingezogen worden sei, sei die
die Unterschrift tragende zweite Seite im Fax-Gerät hängen
geblieben. Beim Versuch, das Blatt heraus zu ziehen, sei
dieses in drei Teile zerrissen. Da die zweite Seite in die-
sem Zustand nicht mehr habe gefaxt werden können, habe die
Büroangestellte daraufhin vergeblich versucht, den Prozess-
bevollmächtigten des Beklagten über dessen Mobiltelefon zu
erreichen, welches jedoch ausgeschaltet gewesen sei. Sodann,
etwa zwischen 17:45 Uhr und 18:00 Uhr, habe die Büroange-
stellte die in ..................... residierende und nicht
bei einem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwältin ....
...., die mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten in
überörtlicher Sozietät verbunden ist, fernmündlich von den
5
Umständen unterrichtet, die der Versendung des fristwahren-
den Schriftsatzes per Telefax entgegengestanden hätten. Bei-
de hätten daraufhin mehrfach vergeblich versucht, den Pro-
zessbevollmächtigten des Beklagten über dessen Mobiltelefon
zu erreichen, zuletzt gegen 22:00 Uhr. Mit dem Fax-Gerät ha-
be es zuvor noch nie technische Probleme gegeben.
Am 30.06.2005 hat der Beklagte seine Berufung begründet. Mit
dem Rechtsmittel verfolgt er seinen erstinstanzlichen Antrag
auf vollständige Klageabweisung weiter.
Der Beklagte beantragt,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäu-
mung der Frist zur Erstellung der Berufungsbegründung
bzw. zur rechtzeitigen Einreichung des Fristverlänge-
rungsgesuchs zur Erstellung der Berufungsbegründung zu
gewähren;
das
Urteil
des
Landgerichts
Leipzig
-
Az.: 15 O 2540/02 - vom 24.03.2005 dahin abzuändern,
dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zunächst hat die Klägerin ihrerseits Berufung eingelegt mit
dem Ziel, eine Verurteilung des Beklagten auch bezüglich des
vom Landgericht aberkannten Teils der Hauptforderung in Höhe
von 26.957,35 EUR sowie weiterer Zinsen aus der gesamten
Hauptforderung zu erwirken. In der mündlichen Verhandlung
hat sie ihre Berufung zurückgenommen. Zuletzt verteidigt die
Klägerin nur noch das Urteil des Landgerichts, soweit es vom
Beklagten angefochten ist.
6
II.
Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, da die Berufungs-
begründung nicht innerhalb der zweimonatigen Frist nach
§ 520 Abs. 2 ZPO eingereicht worden ist. Der insoweit ge-
stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
ist unbegründet.
1.
Das angefochtene Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten
des Beklagten am 31.03.2005 zugestellt worden. Dement-
sprechend hat die zweimonatige Frist zur Berufungsbe-
gründung am 31.05.2005 geendet (§§ 221, 222 Abs. 1, 520
Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2
BGB). Indessen ist die Berufungsbegründung erst am
30.06.2005 per Telefax beim Berufungsgericht einge-
reicht worden.
2.
Der am 01.06.2005 eingereichte, mit einem Antrag auf
Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung um einen
Monat verbundene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbe-
gründung ist zulässig; das Vorbringen des Beklagten
rechtfertigt eine Wiedereinsetzung jedoch nicht.
a)
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten ist gem.
§ 233 ZPO statthaft sowie gem. §§ 234, 236 ZPO
form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden.
Zwar gibt es wegen Versäumung der Frist zur Bean-
tragung einer Verlängerung der Berufungsbegrün-
dungsfrist - im Gegensatz zur Versäumung der Beru-
fungsbegründungsfrist selbst - keine Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand (vgl. BGH, VersR 1987,
308; VersR 2000, 647 m.w.N.). Indessen hat hier
der Beklagte am 30.06.2005 und damit innerhalb der
Monatsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2
ZPO (auch) die Wiedereinsetzung wegen der Versäu-
mung der Berufungsbegründungsfrist selbst bean-
7
tragt und die versäumte Prozesshandlung, mithin
die Begründung der Berufung, nachgeholt (§ 236
Abs. 2 Satz 2 ZPO).
b)
Bei der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
trifft jedoch die anwaltlichen Vertreter des Be-
klagten ein Verschulden, das diesem gem. § 85
Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
aa) Das gilt freilich nicht, soweit der Prozessbe-
vollmächtigte des Beklagten beabsichtigt hatte,
innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung nicht
diese selbst, sondern einen Antrag auf Fristver-
längerung
einzureichen.
Ein
Rechtsanwalt
darf
grundsätzlich darauf vertrauen, dass seinem Antrag
auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegrün-
dungsfrist stattgegeben wird, sofern er erhebliche
Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dar-
legt (vgl. BGH, NJW 1999, 430 m.w.N.). Diese Vor-
aussetzungen sind hier insoweit gegeben, als der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Schrift-
satz vom 31.05.2005 zur Begründung des Antrags auf
Fristverlängerung anführt, infolge der Betreuung
seines erkrankten Vaters und seiner Tätigkeit für
das Justizprüfungsamt habe sich ein "ungeplanter
Arbeitsstau" eingestellt.
bb) Indessen ist schuldhaft versäumt worden, den
vorbezeichneten
Schriftsatz
innerhalb
der
am
31.05.2005 endenden Frist zur Berufungsbegründung
beim Berufungsgericht einzureichen.
(1) Insoweit muss sich der Beklagte zum einen das
Verschulden der in .................... residie-
renden und nicht bei einem Oberlandesgericht zuge-
lassenen Rechtsanwältin .... .... zurechnen las-
sen.
8
Bei einer bestehenden Anwaltssozietät nimmt der
Rechtsanwalt das ihm angetragene Mandat in der Re-
gel sowohl in seinem als auch im Namen der mit ihm
zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Kolle-
gen an (vgl. BGHZ 124, 47, 48 f. m.w.N.). Das gilt
auch in Bezug auf die nicht am Sitz des Prozessge-
richts residierenden Mitglieder einer überörtli-
chen Sozietät und unabhängig von deren Postulati-
onsfähigkeit vor dem Prozessgericht (vgl. BGHZ
153, 210, 212 f. m.w.N.). Dementsprechend wird der
Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden eines
tätig gewordenen Sozietätsmitglieds selbst dann
zugerechnet, wenn dieses bei dem für die Sache zu-
ständigen Gericht nicht zugelassen ist (vgl. BGHZ
124, 47, 51 m.w.N.).
Im Streitfall ist nach Darstellung des Beklagten
die mit seinem Prozessbevollmächtigten in überört-
licher Sozietät verbundene Rechtsanwältin ....
.... von der Büroangestellten des Prozessbevoll-
mächtigten am 31.05.2005 vor 18:00 Uhr fernmünd-
lich von der an diesem Tage in Sachen des Beklag-
ten ablaufenden Berufungsfrist sowie den Umständen
unterrichtet worden, die der rechtzeitigen Über-
mittlung des fertigen Antrags auf Fristverlänge-
rung aus Sicht der Büroangestellten entgegenstan-
den. Aufgrund dieser Informationen hatte Rechtsan-
wältin .... nach dem Mandatsverhältnis mit dem Be-
klagten dafür Sorge zu tragen, dass noch am selben
Tage ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbe-
gründungsfrist
beim
Oberlandesgericht
gestellt
würde. Das war ihr in tatsächlicher und rechtli-
cher Hinsicht auch möglich.
So hätte Rechtsanwältin Gies der Büroangestellten
fernmündlich die Anweisung erteilen können, die
drei
Teile
der
zerissenen
letzten
Seite
des
Schriftsatzes mit Hilfe eines durchsichtigen Kle-
bebandes wieder zusammenzufügen und die so wieder
9
hergestellte Urkunde zu fotokopieren. Diese Foto-
kopie wäre als Vorlage für eine Übermittlung per
Telefax an das Berufungsgericht in technischer
Hinsicht geeignet gewesen, zumal die Unterschrift
auf dem Original unbeschädigt war.
Auch
hätten
prozessrechtliche
Formanforderungen
einer solchen Art der Übermittlung nicht entgegen
gestanden. Denn solange der gesamte Beförderungs-
vorgang innerhalb der Kanzlei des Prozessbevoll-
mächtigten abläuft, ist auch bei Verwendung einer
Kopie als Fernkopievorlage gewährleistet, dass es
sich bei der übermittelten Erklärung nicht um ei-
nen bloßen Entwurf, sondern um eine für das Ge-
richt bestimmte, diesem mit dem Willen des unter-
zeichnenden Rechtsanwalts und unter seiner vollen
Verantwortung zugehende prozessuale Erklärung han-
delt (vgl. BGH, VersR 1998, 1261, 1262). Die vom
Beklagten zuletzt behauptete Praxis des Landge-
richts Berlin, wonach dieses bei Übermittlung per
Telefax
entgegen
höchstrichterlicher
Rechtspre-
chung das Nachreichen des als Fernkopievorlage
dienenden
Originals
als
Wirksamkeitserfordernis
ansehe, hätte das Einschlagen der vorbezeichneten
Verfahrensweise nicht gehindert; schon gar nicht
wäre damit, wie der Beklagte meint, ein Abweichen
vom "sichersten Weg" verbunden gewesen. Stattdes-
sen wäre der Prozessbevollmächtigte mit Rücksicht
auf diese angebliche lokale Gerichtspraxis aus
Gründen anwaltlicher Vorsorge gehalten gewesen,
nach Kenntniserlangung von der geringfügigen Ab-
weichung in der vorgegebenen Art der Übermittlung
zusätzlich einen Hilfsantrag auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand für den Fall zu stellen, dass
das Berufungsgericht die Verwendung einer Kopie
als Fernkopievorlage für formwidrig halten sollte.
Da es somit Rechtsanwältin .... mit geringem Auf-
wand möglich gewesen wäre, den rechtzeitigen Ein-
10
gang des Fristverlängerungsantrags unter nochmali-
gem Einsatz des Fax-Gerätes sicher zu stellen,
kann schließlich dahinstehen, ob von ihr anderen-
falls hätte verlangt werden können, die Büroange-
stellte in dem noch vor 18:00 Uhr geführten Tele-
fongespräch anzuweisen, das (nach Zusammenfügen
der zerissenen zweiten Seite wiederhergestellte)
Original des Schriftsatzes per Boten von ......
nach ....... zum Nachtbriefkasten des dortigen O-
berlandesgericht bringen zu lassen. Die Entfernung
und die Verkehrsverbindungen zwischen den beiden
Städten
hätten
es
zumindest
zugelassen,
das
Schriftstück noch vor 24:00 Uhr desselben Tages
dort einzuwerfen.
(2) Neben dem Versäumnis der Rechtsanwältin ....
fällt dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten
selbst ein Organisationsverschulden zu Last.
Ein Rechtsanwalt, der allein tätig ist oder in
seiner Sozietät als einziger über eine spezielle
Zulassung verfügt, hat durch Absprache mit einem
vertretungsbereiten Kollegen oder andere ihm zu-
mutbare Maßnahmen generell sicherzustellen, dass
im Falle einer Erkrankung, eines Unfalls oder ei-
nes anderen plötzlichen und unerwarteten Hinde-
rungsgrundes während der üblichen Bürozeiten u-
naufschiebare Prozesshandlungen vorgenommen werden
können (vgl. BGH, VersR 1994, 1207, 1208 m.w.N.).
Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten für eine sol-
che Notfallvertretung in Bezug auf die in seiner
Sozietät einmalige Zulassung bei einem Oberlandes-
gericht gesorgt hätte. Wäre dies geschehen, so
hätte das von der Büroangestellten noch vor Ende
der üblichen Bürozeiten der Kanzlei eingeschaltete
auswärtige Sozietätsmitglied .... .... den Not-
fallvertreter anrufen und bitten können, einen
Schriftsatz zu verfassen und per Telefax beim O-
11
berlandesgericht Dresden einzureichen. Dass es dem
Notfallvertreter binnen weniger Stunden weder mög-
lich noch zumutbar gewesen wäre, sich in die Beru-
fungssache des Beklagten einzuarbeiten, steht dem
nicht entgegen. Zur Vornahme der gebotenen Pro-
zesshandlung, namentlich eines Antrags auf Verlän-
gerung der Berufungsbegründungsfrist, genügte eine
kurze Information über die im Schriftsatz des Pro-
zessbevollmächtigten vom 31.05.2005 niedergelegten
Gründe, welche diesen an der fristgerechten Anfer-
tigung der Berufungsbegründung gehindert hatten.
Die vom Beklagten zuletzt gegen die Annahme einer
Pflicht zur Einrichtung einer Notfallvertretung im
vorbezeichneten Sinne angeführten wirtschaftlichen
Gründe überzeugen schon deshalb nicht, weil ein
Notfall eben in der Regel nur selten eintritt.
Darüber hinaus dürfte eine Notfallvertretung, so-
fern sie gegenseitig erfolgt, für die beteiligten
Kanzleien zumindest langfristig weitgehend kosten-
neutral bleiben.
3.
Da der wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
gestellte Wiedereinsetzungsantrag in der Sache keinen
Erfolg hat, ist die Berufung des Beklagten im Ergebnis
als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III.
Der Ausspruch über den Verlust der zurückgenommenen Berufung
der Klägerin beruht auf § 516 Abs. 3 ZPO. Die Kostenent-
scheidung folgt aus §§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat
ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Da die Vor-
aussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind,
sieht der Senat keinen Anlass für eine Zulassung der Revisi-
on.
............
.....
.........