Urteil des OLG Dresden vom 08.12.2004

OLG Dresden: verbraucher, vertragsschluss, darlehensvertrag, widerrufsrecht, wohnung, anschrift, kreditvertrag, anhörung, immobilienfonds, verfügung

Leitsatz:
Das Deutlichkeitsgebot in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der vom
08.12.2004 bis zum 10.06.2010 gültigen Fassung stellt beson-
dere Anforderungen an den Inhalt der Widerrufsbelehrung,
wenn sie in einer Nachbelehrung enthalten ist, welche dem
Verbraucher mehrere Jahre nach dem Vertragsschluss zuge-
schickt wird.
OLG Dresden,5. Zivilsenat, Az.: 5 U 161/10,
Urteil vom 19.10.2010
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 5 U 161/10
9 O 1304/09 LG Dresden
Verkündet am 19.10.2010
Die Urkundsbeamtin:
i.V. Ruczynski,
JHSin
Schwarze
Justizhauptsekretärin
IM
NAMEN
URTEIL
In dem Rechtsstreit
……..-Bank AG
,
vertr.d.d. Vorstand ………
Klägerin/Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
G……. S………
D….. S………
Beklagte/Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigter zu 1) 2): Rechtsanwalt
wegen Darlehensrückforderung
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hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2010 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kazele,
Richter am Oberlandesgericht Alberts und
Richter am Amtsgericht Rosemeier
für Recht erkannt:
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landge-
richts
Dresden,
9.
Zivilkammer,
vom
04.01.2010
(9 O 1304/09) wird zurückgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicher-
heitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Be-
trages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Voll-
streckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4.
Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu
40.000,00 EUR festgesetzt.
4
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Bank, verlangt Rückzahlung eines Darle-
hens, welches sie den Beklagten zur Finanzierung des Bei-
trittes
zu
einem
geschlossenen
Immobilienfonds
("G………………………………… GbR") gewährt hat.
Wegen des Sachverhaltes und der in 1. Instanz gestellten An-
träge wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des
Landgerichtes.
Das Landgericht hat die Klage mit dem Urteil vom 04.01.2010
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten
seien nicht mehr an ihre auf den Abschluss des Darlehensver-
trags gerichteten Erklärungen vom 24.09.2001 gebunden, weil
sie diese wirksam mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmäch-
tigten vom 08.04.2009 (Anlage B 4) widerrufen hätten. Den
Beklagten stehe ein Widerrufsrecht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG
zu, weil die Beklagten ihr Angebot in einer Haustürsituation
abgegeben hätten. Die Beklagten seien nach ihren eigenen An-
gaben zweimal vom Vermittler H…. in ihrer damaligen Wohnung
in ……. aufgesucht worden, wobei es im Rahmen des zweiten Be-
suches am 24.09.2001 zur Unterzeichnung des Darlehensantra-
ges gekommen sei. Soweit die Klägerin behauptet habe, die
Gespräche hätten in den Geschäftsräumen des Arbeitsgebers
des Vermittlers, der B.. ……., stattgefunden, sei sie beweis-
fällig geblieben. Mangels Angabe einer ladungsfähigen An-
schrift habe das Gericht den Zeugen E… H…. nicht zu einer
Vernehmung laden können. Im Übrigen sei die Klägerin offen-
bar selbst von einem Haustürgeschäft ausgegangen. Anderen-
falls sei nicht erklärlich, wie es zu der Übermittlung einer
neuen Widerrufsbelehrung für die Erklärung der Beklagten vom
24.09.2001 im Rahmen des Prolongations-Angebotes der Kläge-
rin vom 12.09.2007 (Anlage K 2) gekommen sei.
Der Widerruf vom 08.04.2009 sei wirksam, weil die Widerrufs-
frist mangels ordnungsgemäßer Belehrung der Beklagten über
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das Widerrufsrecht nicht zu laufen begonnen habe. Die Be-
klagten seien weder über das Widerrufsrecht für das ur-
sprüngliche Darlehensangebot vom 24.09.2001 ordnungsgemäß
belehrt worden, noch habe im Zusammenhang mit dem Prolonga-
tions-Angebot vom 12.09.2007 eine ordnungsgemäße Nachbeleh-
rung stattgefunden. Aus der Gestaltung des Anschreibens vom
12.09.2007 und dem Inhalt der beigefügten Widerrufsbelehrung
für den ursprünglichen Vertragsschluss sei für die Beklagten
nicht hinreichend deutlich geworden, dass es sich um eine
vorsorgliche Nachbelehrung handeln sollte, welche nicht ne-
ben ein gesetzliches Widerrufsrecht treten, sondern dazu
dienen sollte, möglichen Unsicherheiten im Hinblick auf die
rechtliche Beurteilung der ursprünglichen Widerrufsbelehrung
Rechnung zu tragen.
Die Beklagten müssten die Darlehensvaluta nicht an die Klä-
gerin zurückzahlen, weil sich der Darlehensvertrag und der
Fondsbeitritt als verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1
VerbrKrG darstellten. Aus diesem Grunde sei auch der Hilfs-
antrag der Klägerin nicht begründet.
Gegen das ihr am 15.01.2010 zugestellte Urteil hat die Klä-
gerin am 03.02.2010 Berufung eingelegt und diese am
15.03.2010 begründet.
Die Klägerin trägt vor, das Urteil des Landgerichtes sei un-
ter zwei Gesichtspunkten unrichtig. Zum einen habe das Land-
gericht unzutreffend das Vorliegen einer Haustürsituation
und deren Kausalität für den Abschluss des Darlehensvertra-
ges angenommen. Für diese Umstände sei die Beklagtenseite
beweisbelastet. Dennoch habe das Landgericht ohne weiteres
den Sachvortrag der Beklagten als richtig unterstellt und
sei von ihm ohne Beweisaufnahme ausgegangen.
Darüber hinaus sei das Landgericht unzutreffend davon ausge-
gangen, dass der Widerruf der Beklagten im April 2009 noch
fristgerecht erfolgen konnte. Zwar sei die Widerrufsbeleh-
rung des Jahres 2001 falsch gewesen. Die Klägerin habe aber
die Beklagten mit der Widerrufsbelehrung wirksam nachbe-
lehrt, welche dem Schreiben vom 12.09.2007 beigefügt gewesen
sei. Aus dem Schreiben vom 12.09.2007 ergebe sich erkennbar
eine Nachbelehrung i.S.v. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB. Insbesonde-
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re die Verwendung des Wortes "losgelöst" mache für den
Verbraucher deutlich, dass sich die beigefügte Widerrufsbe-
lehrung auf die ursprüngliche Vertragserklärung beziehe. Zum
Zeitpunkt des Widerrufes vom 08.04.2009 sei deshalb die Wi-
derrufsfrist bereits abgelaufen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dresden zum Aktenzeichen
9 O 1304/09, verkündet am 04.01.2010, aufzuheben und
wie folgt abzuändern:
Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin
37.145,36 EUR nebst 5 % Zins über Basiszinssatz
hieraus sei dem 01.01.2007 zu bezahlen, hilfsweise
festzustellen, dass der zwischen den Parteien ge-
schlossene Darlehensvertrag Nr. ……… wirksam ist
und Schadensersatzansprüche der Beklagten aus dem
Vertragsverhältnis oder Ansprüche, die über § 9
VerbrKrG geltend gemacht werden, nicht bestehen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen im Wesentlichen das Urteil des Landgerichtes
mit der darin enthaltenen Begründung. So sei die Beweiserhe-
bung über die Frage des Bestehens einer Haustürsituation vom
Landgericht korrekt durchgeführt worden. Das Landgericht ha-
be sich aufgrund einer informatorischen Befragung der Be-
klagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2009
davon überzeugt, dass die jeweiligen Gespräche in der dama-
ligen Wohnung der Beklagten erfolgten. Für ihre gegenteilige
Behauptung habe die Klägerin kein ordnungsgemäßes Beweismit-
tel benennen können, in Bezug auf den Zeugen H…. habe sie
keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt.
Weiterhin habe das Landgericht auch zutreffend dahin er-
kannt, dass die Nachbelehrung der Klägerin nicht ordnungsge-
mäß erfolgt sei, weil den Beklagten nicht vor Augen geführt
worden sei, dass die ursprüngliche Widerrufsbelehrung feh-
lerhaft gewesen sei und sie nun erstmals über ihr Widerrufs-
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recht in Bezug auf den Vertragsschluss aus dem Jahre 2001
belehrt würden.
Der Senat hat die Beklagten angehört und Beweis erhoben zum
Zustandekommen der Kapitalanlage der Beklagten im Herbst
2001 durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen E… H….. We-
gen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird
Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 27.07.
und 07.09.2010.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn
die Klage ist sowohl mit ihrem Haupt- als auch mit ihrem
Hilfsantrag unbegründet.
Die Klägerin kann nicht mit ihrem Hauptantrag die Rückzah-
lung des aufgrund des Vertrages vom 24.09./21.11.2001 ausge-
zahlten Darlehens verlangen, weil die Beklagten den Darle-
hensvertrag mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten
vom 08.04.2009 gemäß §§ 361a Abs. 1 BGB a.F., 1 Abs. 1 HWiG
widerrufen haben (dazu 1.). Der Widerruf konnte durch die
Beklagten noch wirksam erfolgen, weil die Widerrufsfrist
mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung der Beklagten über
ihr Widerrufsrecht noch nicht zu laufen begonnen hatte (dazu
2.). Der Darlehensvertrag und der mit dem Darlehen finan-
zierte Beitritt der Beklagten zu einem geschlossenen Immobi-
lienfonds über eine Treuhänderin stellten ein verbundenes
Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1 VerbrKrG dar, mit der Folge, dass
die Rückabwicklung über § 361a Abs. 2 BGB a.F. im Verhältnis
zwischen der Klägerin als Bank und den Beklagten als Anleger
erfolgt. Die Beklagten müssen nicht die ausgezahlte Darle-
hensvaluta zurückgewähren, sondern der Klägerin nur ihren
Fondsanteil bzw. ihre Rechte aus dem Treuhandvertrag über-
tragen (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2004, II ZR 395/01, NJW
2004, 2731; Urteil vom 25.04.2006, XI ZR 193/04, NJW 2006,
1788). Die Voraussetzungen eines verbundenen Geschäftes
i.S.v. § 9 Abs. 1 VerbrKrG sind vom Landgericht mit zutref-
fenden Erwägungen auf S. 12, 13 des erstinstanzlichen Urtei-
les bejaht worden, auf welche der Senat Bezug nimmt. Erheb-
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liche Einwendungen dagegen hat die Klägerin im Rahmen des
Berufungsverfahrens nicht vorgebracht.
Danach ist auch der Hilfsantrag unbegründet, denn er hat das
Begehren auf Feststellung zum Gegenstand, dass ein wirksamer
Darlehensvertrag besteht, dem keine Einwendungen entgegenge-
setzt werden können, wie der Klägervertreter im Rahmen der
mündlichen Verhandlung vom 27.07.2010 bestätigt hat. Infolge
des wirksamen Widerrufes aber besteht kein wirksamer Darle-
hensvertrag mehr. Dieser ist vielmehr in ein Rückgewähr-
schuldverhältnis umgewandelt worden.
1.
Den Beklagten stand ein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1
S. 1 Nr. 1 HWiG zu, denn sie wurden durch mündliche
Verhandlungen im Bereich ihrer Privatwohnung, also
durch eine Haustürsituation, zur Abgabe ihres Darle-
hensangebotes vom 24.09.2001 bestimmt.
Der Senat konnte zwar nicht die entsprechenden Fest-
stellungen
des
Landgerichtes
seiner
Entscheidung
zugrunde legen, weil konkrete Anhaltspunkte Zweifel an
der Vollständigkeit dieser Feststellungen i.S.v. § 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründeten. Das Landgericht ist näm-
lich irrtümlich davon ausgegangen, dass die Klägerin
für ihren Vortrag beweisfällig geblieben sei, die Be-
klagten hätten ihr Darlehensangebot vom 24.09.2001 in
den Geschäftsräumen des Vermittlers E… H…. abgegeben.
Das Landgericht nahm an, die von den Klägervertretern
mit Schriftsatz vom 14.12.2009 mitgeteilte Adresse des
Zeugen H…. sei dieselbe, welche der Beklagtenvertreter
bereits mit seinem Schriftsatz vom 16.09.2009 mitge-
teilt habe und unter welcher eine Ladung des Zeugen
nicht erfolgen konnte. Tatsächlich unterschieden sich
beide Anschriften im Hinblick auf die Hausnummer der
genannten Straße, denn die vom Beklagtenvertreter mit-
geteilte Adresse war die ……..straße 3 in ……., während
die Klägervertreter im Schriftsatz vom 14.12.2009 als
Anschrift die ……..straße 12 in ……. mitteilten. Unter
letztgenannter Anschrift konnte der Zeuge vom Senat
auch geladen werden.
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Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist der
Senat davon überzeugt, dass am 24.09.2001 ein Bera-
tungsgespräch zwischen den Beklagten und dem Anlagebe-
rater, dem Zeugen E… H…., in der damaligen Privatwoh-
nung der Beklagten in der ……..straße . in ……. statt-
fand. Im Rahmen dieses Gespräches kam es zur Unter-
schrift der Beklagten unter dem Kreditvertrag, wie dies
aus der Anlage K 1 ersichtlich ist. Dementsprechend
wurden die Beklagten zu ihrer auf den Abschluss des
Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung i.S.v.
§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG im Bereich einer Privatwoh-
nung bestimmt. Der Senat gewinnt seine Überzeugung von
der Besprechung am 24.09.2001 in der Privatwohnung der
Beklagten aus einer Würdigung des Ergebnisses der Anhö-
rung der Beklagten einerseits und der Vernehmung des
Zeugen E… H…. andererseits im Rahmen von § 286 Abs. 1
ZPO.
Es ist zwar zunächst festzustellen, dass sich die Aus-
sagen der Beklagten zu 1) und 2) einerseits und des
Zeugen H…. andererseits inhaltlich widersprechen. Wäh-
rend die Beklagten übereinstimmend bekundet haben, das
zweite Beratungsgespräch, in welchem es zur Unter-
schrift unter den Kreditvertrag gekommen sei, habe in
ihrer Privatwohnung stattgefunden, erklärte der Zeuge
H…., solche Gespräche hätten grundsätzlich nicht in der
Wohnung der Kunden stattgefunden. Allerdings hat der
Zeuge H…. eingeräumt, keine konkrete Erinnerung mehr an
die Beratungsgespräche mit den Beklagten zu haben. Er
hat ausgeführt, Beratungen von seiner Seite seien prin-
zipiell in seinem Büro durchgeführt worden, nicht aber
in den Wohnungen der Kunden. Auch dies schränkte er da-
hin ein, es könne durchaus so gewesen sein, dass bei
engen Kundenkontakten mal in die Wohnung des Kunden ge-
fahren wurde, um dort eine Lebensversicherung abzu-
schließen. Er könne das nur in Bezug auf die Immobi-
lienfonds und auch auf den Abschluss der Darlehensver-
träge der ……..-Bank aufgrund der damaligen Abläufe aus-
schließen. Dem steht allerdings die Aussage der Beklag-
ten gegenüber, die nach dem Eindruck des Senates im
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Rahmen ihrer Anhörung eine echte Erinnerung an die da-
maligen Vorgänge hatten und sich übereinstimmend daran
erinnerten, dass der Zeuge vor Ort in ihrer Wohnung er-
schienen sei. Nach der glaubhaften Bekundung des Be-
klagten zu 2) konnte dieser sich noch daran erinnern,
in welcher Weise sie im damaligen Wohnzimmer zusammen-
gesessen hätten und wo der Zeuge H…. Platz genommen ha-
be. Auch zu den weiteren Abläufen im Vorfeld der dama-
ligen Unterschrift unter den Kreditvertrag hatte der
Beklagte zu 2) nach der Einschätzung des Senates eine
konkrete Erinnerung, was in einer plastischen, detail-
reichen Schilderung der damaligen Vorgänge seinen Nie-
derschlag fand. So erinnerte er sich, in welcher Situa-
tion bei ihm am Arbeitsplatz er ursprünglich vom Herrn
M……. angesprochen wurde, wodurch es zum ersten Bera-
tungsgespräch kam. Auch wenn der Senat keine konkreten
Anhaltspunkte dafür hat, dass der Zeuge H…. wider eine
bessere Erinnerung den Hausbesuch bei den Beklagten
leugnete, entstand bei dem Senat der Eindruck, dass er
zwar regelmäßig keine Hausbesuche durchführte, im Ein-
zelfall davon aber eine Ausnahme mache. In der Gesamt-
würdigung der Aussage sowohl der Beklagten zu 1) und 2)
als auch des Zeugen H…. nimmt der Senat deshalb an,
dass der Zeuge H…. im vorliegenden Fall ausnahmsweise
einen Hausbesuch bei den Beklagten gemacht hat, an den
er sich aber inzwischen nicht mehr erinnern kann, wofür
der Senat nach einem Zeitablauf von beinahe 9 Jahren
auch Verständnis hat.
2.
Die ursprüngliche Widerrufsbelehrung für die Beklagten
bei Abgabe des Darlehensangebotes vom 24.09.2001 war
inhaltlich fehlerhaft und konnte deshalb nicht die Wi-
derrufsfrist zum Laufen bringen. Dies hat nicht nur das
Landgericht zutreffend im erstinstanzlichen Urteil aus-
geführt. Auch die Klägerin hat dies selbst im Rahmen
der Berufungsbegründung vom 15.03.2010 eingeräumt. Der
Senat geht allerdings - wie das Landgericht - davon
aus, dass gemäß Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB die Belehrung
nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB auch für Altverträge nachge-
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holt werden kann, die vor Inkrafttreten des Schuld-
rechtsmodernisierungsgesetzes abgeschlossen wurden, wie
dies auf den streitgegenständlichen Darlehensvertrag
zutrifft. Die mit dem Schreiben der Klägerin vom
12.09.2007 (Anlage K 2) den Beklagten übersandte Wider-
rufsbelehrung für ihr Darlehensangebot vom 24.09.2001
entspricht aber nicht den zu dieser Zeit zu stellenden
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbeleh-
rung.
So verlangt § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der vom 08.12.2004
bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung eine Widerrufsbe-
lehrung, welche dem Verbraucher seine Rechte deutlich
macht. Dieses Deutlichkeitsgebot wurde aber durch die
Widerrufsbelehrung vom 12.09.2007 im vorliegenden Falle
dadurch verletzt, dass die Beklagten sie im Zusammen-
hang mit anderen Schriftstücken erhielten, die geeignet
waren, den Sinn und die Bedeutung der Widerrufsbeleh-
rung für einen durchschnittlichen Verbraucher, auf den
abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2009,
XI ZR 33/08, NJW 2009, 3572), zu verschleiern. Betrach-
tet man nämlich isoliert den Wortlaut von Abs. 3 S. 2
der 2. Seite des Anschreibens vom 12.09.2007, so kann
man aus diesem durchaus herleiten, dass sich die
streitgegenständliche Widerrufsbelehrung auf den ur-
sprünglichen Vertragsschluss vom Herbst 2001 bezieht.
Diese Widerrufsbelehrung wurde den Beklagten aber gera-
de nicht im Zusammenhang mit dem damaligen Vertrags-
schluss überreicht, sondern im Kontext des Anschreibens
vom 12.09.2007, mit welchem den Beklagten ein Angebot
zur Prolongation der Zinsbindung für den ursprünglichen
Vertrag gemacht wurde, und zwar in zwei verschiedenen
Varianten, die als Angebot 1 und Angebot 2 bezeichnet
werden. Dementsprechend ergibt sich aus der fett ge-
druckten Betreffzeile des Anschreibens vom 12.09.2007,
dass es um den ursprünglichen Darlehensvertrag und um
die Prolongation geht. Auf die Prolongationsangebote 1
und 2 und die dazu gehörende Widerrufsbelehrung wird
auch drucktechnisch besonders durch die Verwendung des
Fettdruckes hingewiesen. Nicht hervorgehoben ist aller-
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dings der Hinweis auf die mit dem Schreiben zusätzlich
überreichte Widerrufsbelehrung, welche sich auf den ur-
sprünglichen Vertragsschluss bezieht. Dementsprechend
fördert das Anschreiben vom 12.09.2007 nicht den mit
der Widerrufsbelehrung angestrebten Zweck, den Verbrau-
cher effektiv in die Lage zu versetzen, eine Entschei-
dung über das ihm zustehende Widerrufsrecht zu treffen,
sondern versetzt den Verbraucher vielmehr in die eher
komplizierte Situation, zwei übersandte Widerrufsbeleh-
rungen den Prolongationsangeboten einerseits und dem
ursprünglichen Vertragsschluss andererseits zuzuordnen.
Dem Senat ist bewusst, dass er mit diesen Überlegungen
nicht unerhebliche Anforderungen an das Deutlichkeits-
gebot stellt. Diese erscheinen jedoch aufgrund der be-
sonderen Umstände, in denen der Verbraucher bzw. Kunde
hier die Belehrung erhält, gerechtfertigt. So bedarf es
in der klassischen Situation, in welcher der Verbrau-
cher bei Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung erhält,
regelmäßig keiner besonderen Anstrengungen des Ver-
tragsgegners, um dem Verbraucher den Zusammenhang zwi-
schen der Widerrufsbelehrung und dem zugehörigen Ver-
trag deutlich zu machen. Anders ist dies aber, wenn der
Vertragsschluss schon lange zurückliegt und die Wider-
rufsbelehrung als ein Inhalt eines Schreibens über-
reicht wird, welches sich in der Hauptsache mit einer
neuen vertraglichen Regelung beschäftigt und für diese
sogar auch eine eigene Widerrufsbelehrung beinhaltet.
Dem Verbraucher muss dann hinreichend deutlich gemacht
werden, dass das entsprechende Schreiben zwei voneinan-
der zu unterscheidende Gegenstände hat und in welcher
Weise die beiden übersandten Widerrufsbelehrungen den
beiden Vertragsgegenständen zuzuordnen sind. Die erhöh-
ten Anforderungen an das Deutlichkeitsgebot entspringen
deshalb den tatsächlichen Umständen und nicht einer be-
sonderen Strenge des Senates bei der Gesetzesauslegung
zu Lasten der Klägerin.
Dieser Aspekt des besonderen Kontextes, in welchem der
Verbraucher die Widerrufsbelehrung erhält, ist es auch,
welcher vom OLG Brandenburg in seinem Urteil vom
13
09.12.2009 (3 U 44/09, BB 2010, 450), nach welchem eine
mit der hiesigen identische Widerrufsbelehrung dem
Deutlichkeitsgebot genügen soll, nicht erkennbar be-
rücksichtigt wird. Gleiches gilt für den von der Kläge-
rin in Ablichtung vorgelegten Beschluss des OLG Nürn-
berg vom 04.11.2009 (14 U 1238/09) und für das von der
Klägerin zitierte, dem Senat nicht im Volltext vorlie-
gende,
Urteil
des
OLG
Schleswig
vom
12.11.2009
(5 U 147/08). Der Senat kann sich deshalb der in diesen
Entscheidungen vertretenen Auffassung nicht anschlie-
ßen.
Ein weiterer Aspekt, der für einen Verstoß der Wider-
rufsbelehrung vom 12.09.2007 gegen das Deutlichkeitsge-
bot spricht, ergibt sich aus ihrem Inhalt in Bezug auf
den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist. Dort wird an-
geknüpft an den Zeitpunkt, zu welchem dem Verbraucher
bestimmte Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Da-
bei handelt es sich zum einen um eine Ausfertigung der
Widerrufsbelehrung und zum anderen um "die Vertragsur-
kunde, den schriftlichen Vertragsantrag oder eine Ab-
schrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages".
Abgesehen davon, dass damit verschiedene Zeitpunkte in
Bezug genommen werden, was der Notwendigkeit einer ein-
deutigen Belehrung in Bezug auf den Beginn der Wider-
rufsfrist entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Urteil vom
10.03.2009,
a.a.O.;
Urteil
vom
09.12.2009,
VI-
II ZR 219/08, NJW 2010, 989), kann durch die verwendete
Formulierung beim Verbraucher der Eindruck erweckt wer-
den, er werde noch Unterlagen erhalten, ab deren Zugang
dann die Frist zu laufen beginne. Tatsächlich ist aber
das einzige Schriftstück, welches der Verbraucher im
Zusammenhang mit dieser Widerrufsbelehrung erhält, die
Widerrufsbelehrung selbst, während bei der Vertragsur-
kunde bzw. dem schriftlichen Vertragsantrag davon aus-
gegangen wird, dass der Verbraucher diese - schon län-
ger - vorliegen hat. Die Einbeziehung dieser Urkunden
in die Formulierung der Widerrufsbelehrung führt des-
halb zu einer geringeren Deutlichkeit, als wenn im Text
lediglich auf den Zugang der Widerrufsbelehrung selbst
14
abgestellt worden wäre. Im Übrigen besteht auch eine
gewisse Verwechslungsgefahr auf Seiten des Verbrauchers
zwischen den Urkunden des ursprünglichen Vertrages und
denjenigen Urkunden, die er im Rahmen des Schreibens
für die Angebote 1 und 2 der Prolongation erhält. In
einer Gesamtschau dieser Umstände geht der Senat davon
aus, dass mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden
Widerrufsbelehrung vom 12.09.2007 die Anforderungen der
Nachbelehrung an das Deutlichkeitsgebot nicht eingehal-
ten wurden.
Die Klägerin kann auch keine ihre günstigen Rechtswir-
kungen aus der BGB-InfoV herleiten, weil die von ihr
verwendete Nachbelehrung nicht exakt dem Inhalt der An-
lage 2 zur BGB-InfoV entspricht, welchen diese in der
Zeit vom 08.12.2004 bis zum 31.03.2008 hatte (vgl. BGH,
Urteil vom 10.03.2009, a.a.O.; Urteil vom 23.06.2009,
XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020). So hieß es zur genannten
Zeit in der Anlage 2 zum Fristbeginn: "Die Frist be-
ginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung." In der
vorliegend zu beurteilenden Nachbelehrung heißt es da-
gegen: "Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt ei-
nen Tag nachdem Ihnen eine Ausfertigung dieser Wider-
rufsbelehrung und die Vertragsurkunde, der schriftliche
Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde
und des Vertragsantrages zur Verfügung gestellt wurde."
Angesichts des bereits festgestellten Verstoßes gegen
das Deutlichkeitsgebot kann es dahinstehen, ob einer
wirksamen Widerrufsbelehrung auch der Gesichtspunkt
entgegensteht, dass nach dem Inhalt der Belehrung beim
Verbraucher der Eindruck entstehen kann, er müsse die
Darlehensvaluta zurückzahlen, obwohl er wegen des ver-
bundenen Geschäftes lediglich seine Ansprüche aus der
Fondsbeteiligung abtreten muss.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Aus-
spruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10,
711, 709 S. 2 ZPO.
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Der Senat lässt gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO die Revi-
sion zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu,
denn er weicht hinsichtlich der Wirksamkeit der Nachbeleh-
rung der Klägerin in Bezug auf eine identische Klausel vom
Urteil des OLG Brandenburg vom 09.12.2009 (3 U 44/09,
BB 2010, 450) ab, und es besteht insbesondere deshalb ein
Bedürfnis für eine einheitliche Entscheidung, weil diese
Nachbelehrung von der Klägerin in einer Vielzahl von Fällen
verwendet worden ist.
Dr. Kazele
Alberts
Rosemeier