Urteil des OLG Dresden vom 29.04.2008
OLG Dresden: billige entschädigung, gemeinnützige arbeit, auflage, genugtuung, schmerzensgeld, freiheit, entziehung, bestimmtheitsgebot, verfassung, konkretisierung
Leitsatz
Bewährungsauflagen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar
sein. Ihre inhaltliche Ausgestaltung ist ausschließlich dem Gericht übertra-
gen. Diese ihm allein obliegende Befugnis darf das Gericht nicht auf andere
Institutionen delegieren. 2. Bewährungsauflagen dienen der Genugtuung für
begangenes Unrecht; sie sind daher in sinnvollem Zusammenhang zu dem began-
genen Unrecht zu wählen.
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Aktenzeichen: 2 Ss 40/08 und 2 Ws 81/08
5 Ns 110 Js 17357/06 LG Zwickau
32 Ss 40/08 GenStA Dresden
Beschluss
vom 29. April 2008
in der Strafsache gegen
geboren
wohnhaft:
Verteidiger: Rechtsanwalt
Nebenklägerin:
Nebenklägervertreterin: Rechtsanwältin
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Oberlandesgericht
Dresden
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Zwickau vom 06. Dezember 2007 wird als
unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten der erfolglosen
Revision zu tragen.
2. Auf die Beschwerde des Angeklagten werden die Zif-
fern 4. und 5. des Bewährungsbeschlusses des Land-
gerichts Zwickau vom 05. September 2007 in der Ges-
talt
des
Nichtabhilfebeschlusses
vom
06. Dezember 2007 aufgehoben.
3. Dem Verurteilten wird auferlegt, nach Kräften den
durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzuma-
chen und hierfür an die Nebenklägerin als Schmer-
zensgeld 500,00 EUR in monatlichen Raten zu je
25,00 EUR, beginnend mit dem auf die Rechtskraft
folgenden Monat auf das Konto der Nebenkläger-
vertreterin bei der Bank, Kto.-Nr.: ; Bankleit-
zahl: zu zahlen.
4. Zur Entscheidung über die Auferlegung einer gemein-
nützigen Leistung und über die Kosten des Beschwer-
deverfahrens wird die Sache an das Landgericht Zwi-
ckau zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
1. Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegrün-
det im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2. Die zulässige Beschwerde des Angeklagten gegen den Be-
währungsbeschluss des Landgerichts Zwickau in der Form
des Nichtabhilfebeschlusses erweist sich jedoch als be-
gründet, soweit das Landgericht dem Angeklagten aufer-
legt hat, Schmerzensgeld an die Nebenklägerin zu zahlen
und gemeinnützige Arbeit zu erbringen.
a) Bei der Auflage, den durch die Tat verursachten Scha-
den wiedergutzumachen (§ 56 b Abs. 2 Nr. 1 StGB) hat
das Landgericht eine monatliche Rate von 30,00 EUR
bestimmt. Eine Frist, innerhalb derer die angeordnete
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Auflage zu erfüllen ist, wurde in dem Beschluss nach
§ 268 a Abs. 1 StPO nicht angeordnet. Damit gilt als
Erfüllungsfrist die Dauer der Bewährungszeit (im vor-
liegenden Fall von fünf Jahren). Dies führt zu einem
zu leistenden Gesamtbetrag in Höhe von 1.800,00 EUR.
Mit Blick auf die Tathandlung und die geringe Tatin-
tensität handelt es sich damit nicht mehr um eine
billige Entschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB.
Der Senat hat deshalb die in der Beschlussformel ge-
nannte Entschädigung in Geld für angemessen erachtet.
b) Die angeordnete Arbeitsauflage von wöchentlich 20
Stunden für die Dauer von sechs Monaten war aufzuhe-
ben, weil sie nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz ge-
recht wird.
Bewährungsauflagen müssen klar, bestimmt und in ihrer
Einhaltung überprüfbar sein. Nur so können Verstöße
einwandfrei festgestellt werden und der Verurteilte
weiß unmissverständlich, wann ihm der Widerruf der
Bewährung droht. Die Tatsache, dass die Verfassung
die Entziehung der Freiheit dem Richter vorbehält
(Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG), haben den Gesetzgeber
veranlasst, die inhaltliche, dem Bestimmtheitsgebot
entsprechende Ausgestaltung von Auflagen und Weisun-
gen ausschließlich dem Gericht zu übertragen. Deshalb
darf sich das Gericht nicht darauf beschränken, nur
den Umfang der gemeinnützigen Leistungen festzulegen.
Vielmehr muss in der Auflage auch die Zeit, innerhalb
derer die Arbeitsleistung zu erfüllen ist, die Art
und nach Möglichkeit auch der Ort dieser Arbeitsleis-
tung und die Institution, bei der sie abzuleisten
ist, niedergelegt werden. Da eine Auflage der Genug-
tuung für das begangene Unrecht zu dienen hat
(§ 56 b Abs. 1 Satz 1 StGB), ist es deshalb notwen-
dig, die gemeinnützige Leistung so auszuwählen, dass
sie in einem sinnvollen Zusammenhang mit dem vom Ver-
urteilten begangenen Unrecht steht. Diese ihm allein
obliegende Befugnis zur inhaltlichen Ausgestaltung
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der Arbeitsauflage darf das Gericht nicht an Dritte
delegieren
(Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesge-
richt SchlHA 1990; OLG Hamm StV 2004, 657 m.w.N.).
Eine nachträgliche Konkretisierung durch den Senat
kommt bei dieser inhaltlichen Unbestimmtheit der Auf-
lage nicht in Betracht.
Bei der neuen Entscheidung des Landgerichts über die
Erteilung der Auflage wird es auch zu beachten haben,
dass die Anordnung keinen einschneidenden unzumutba-
ren Eingriff in die Lebensführung des Angeklagten
darstellen darf (BGH StV 1998, 658; Fischer, StGB,
55. Aufl., § 56 b Rdnr. 8 a).
II.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens
beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
(Schüddekopf) (Gorial) (Gunter-Gröne)
Richter am Richter am Richterin am
Oberlandesgericht Oberlandesgericht Amtsgericht