Urteil des OLG Dresden vom 08.08.2002

OLG Dresden: verkehrswert, nettoeinkommen, wohnung, rechtskraft, abschätzung, rücklage, unkosten, eigentümer, verfügung, anteil

OLG Dresden, Beschluss vom 08. August 2002 – 10 WF 321/02
Leitsatz:
Lässt sich in einer Ehesache ein Verkehrswert eines
selbstgenutzten Hausgrundstückes der Ehegatten nicht
feststellen, so ist die mit dem Bewohnen des Eigenheimes
verbundene Mietersparnis für die Bemessung des Streitwertes
heranzuziehen.
Einer Abschätzung nach § 26 GKG bedarf es nicht.
GKG § 12 Abs. 2, GKG § 26
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 10 WF 0321/02
2 F 0277/00 Amtsgericht Marienberg
Beschluss
des 10. Zivilsenats - Familiensenat -
vom 8. August 2002
In der Familiensache
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin xxxxxxxxxxxxxxx
gegen
Antragsgegner und Beschwerdeführer
anwaltlich nicht vertreten
wegen Scheidung
hier: Streitwertfestsetzung
hat
der
10.
Zivilsenat
-
Familiensenat
-
des
Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung am 8.
August 2002 durch den Vorsitzenden Richter xxxxx und die
Richter xxxxxxxxxxxxxxxx und xxxxxxxx
beschlossen:
1. Auf die Beschwerden der Antragstellerin vom 23. Mai
2002
und des Antragsgegners vom 17. Dezember 2001 wird der
Beschluss des Amtsgerichts - Marienberg - vom 22. November
2001
abgeändert.
Der
Streitwert wird
auf
DM 11.611,59
festgesetzt.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
:
I.
Mit Beschluss vom 22. November 2001 hat das Amtsgericht -
Familiengericht
-
Marienberg
den
Streitwert
für
das
Ehescheidungsverfahren
der
Parteien
auf
DM
13.800
festgesetzt. Es hat sich hierbei an den Angaben der Parteien
in
der
mündlichen
Verhandlung
vom
20.
November
2001
orientiert,
wonach
das
monatliche
Nettoeinkommen
des
Ehegatten sich auf DM 2200,- und der Ehefrau auf DM 2400,-
beläuft.
Den
Grundbesitz
der
Parteien
berücksichtigte
es
nicht streitwerterhöhend. Hiergegen richtet sich die am 17.
Dezember 2001 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des
Antragsgegners
mit
dem
Ziel
der
Streitwertermäßigung.
Er
behauptet, abweichend von seinen Angaben in der mündlichen
Verhandlung im Jahre 2000 Nettoeinnahmen von lediglich DM
1094,17/Monat aus selbständiger Tätigkeit gehabt zu haben,
von
denen
noch
Krankenversicherungsbeiträge
in
Höhe
von
monatlich DM 469,58 abzusetzen seien. Über Vermögen habe er
zu diesem Zeitpunkt nicht verfügt; zwar hätten er und seine
damalige Ehefrau mietfrei im eigenen Haus gewohnt; dieses
stehe jedoch unter Denkmalschutz und weise einen erheblichen
Reparaturrückstau
auf.
Aus
diesem
Grund
seien
ihm
auch
Mieteinnahmen in Höhe von DM 335,-/Monat nicht zuzurechnen,
da
diese
für
dringend
notwendige
Reparaturen
benötigt
würden. Über weiteres Vermögen verfüge er nicht.
Mit am 23. Mai 2002 eingegangenem Schriftsatz hat auch die
Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie behauptet, im Juli
2000
nur
ein
monatliches
Nettoeinkommen
von
DM
1457,78
gehabt
zu
haben.
Die
Prozessbevollmächtigte
der
Antragstellerin behauptet demgegenüber, diese habe weitere
Einnahmen
aus
einer
Nebentätigkeit
in
Höhe
von
DM
250,-
/Monat erzielt. Ferner hätten beide Parteien aus der Anlage
von
Festgeldern
monatliche
Zinseinkünfte
von
DM
200,-
erwirtschaftet und hätten mietfrei eine Wohnung mit einer
Größe von ca. 75 qm bewohnt, was mit ca. DM 1000,-/Monat
einkommenserhöhend
zu
berücksichtigen
sei.
Insgesamt
habe
sich das Vermögen der Parteien auf ca. 300.000 DM belaufen,
so dass zumindest der vom Amtsgericht angesetzte Streitwert
gerechtfertigt sei.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 25 Abs. 3 GKG
zulässig.
Dies
gilt
auch
für
die
erst
am
23.
Mai
2002
eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Nach § 25 Abs.
3
S.
3
GKG
ist
die
Beschwerde
nur
zulässig,
wenn
sie
innerhalb
von
sechs
Monaten
nach
Rechtskraft
der
Hauptsacheentscheidung eingelegt wurde. Dies ist hier der
Fall.
Das
Urteil
des
Amtsgerichts
-
Familiengericht
-
Marienberg vom 20. November 2001 wurde der Antragstellerin
am 10. Dezember 2001 zugestellt, Rechtskraft trat mithin
dieser gegenüber erst am 10. Januar 2002 ein (§§ 516 ZPO
a.F., 705 ZPO, 26 Nr. 5 EGZPO). Die Beschwerde nach § 25
Abs.
3
GKG
konnte
folglich
noch
bis
zum
10.
Juli
2002
eingelegt werden.
Die
Beschwerde
ist
jedoch
nur
teilweise
begründet.
Zwar
liegt das Einkommen der Parteien, das nach § 12 Abs. 2 S. 2
GKG für die Streitwertbemessung in Ehesachen zugrunde gelegt
werden
muss,
unter
dem
vom
Amtsgericht
angesetzten
Wert
(1.). Daneben finden jedoch auch die Vermögensverhältnisse
der Parteien Beachtung (2.).
Nach
§
12
Abs.
2
S.
2
GKG
ist
in
Ehesachen
für
die
Einkommensverhältnisse
das
in
drei
Monaten
erzielte
Nettoeinkommen
der
Eheleute
maßgeblich,
für
die
Wertberechnung
ist
auf
den
Zeitpunkt
der
die
Instanz
einleitenden
Antragstellung
abzustellen.
Hierbei
kommt
es
auf
die
drei
Monate
an,
die
hintereinander
vor
der
Einreichung des Scheidungsantrages liegen (OLG Hamm, FamRZ
1997,
690;
OLG
München,
FamRZ
1997,
34;
Hartmann,
Kostengesetze, 29. Aufl., § 12 GKG Rn 37). Vorliegend wurde
die
Scheidung
am
13.
Juli
2000
anhängig
gemacht,
der
maßgebliche Zeitraum umfasst mithin die Monate April bis
Juni
2000.
In
diesem
Zeitraum
hat
die
Antragstellerin
ausweislich
der
vorgelegten
Verdienstbescheinigungen
DM
4373,34 netto verdient. Das Einkommen aus der bis zum April
2000 ausgeübten Nebenbeschäftigung von DM 250,- bleibt außer
Betracht,
weil
dieses
im
Zeitpunkt
der
Klageeinreichung
nicht mehr erzielt wurde, für die Verhältnisse zu diesem
Zeitpunkt
mithin
nicht
mehr
prägend
war
(vgl.
Hartmann,
aaO., Rn 37 m.w.N.).
Für
den
Antragsgegner
ist
ebenfalls
allein
auf
den
o.a.
Dreimonatszeitraum abzustellen. Auf einen Dreijahresschnitt
aus
den
Jahren
1998
bis
2000
kommt
es
entgegen
der
Auffassung der Rechtsanwältin xxxxxxx nicht an. Ein solcher
Mehrjahresschnitt
wird
zwar
im
Unterhaltsrecht
der
Einkommensberechnung von Selbständigen zugrundegelegt (vgl.
hierzu
BGH
FamRZ
1986,
48
(51);
Wendl/Staudigl,
Das
Unterhaltsrecht
in
der
familienrichtlicherlich
Praxis,
4.
Aufl., § 1 Rn 115 m.w.N.; Senat, Urteil vom 21. Juni 2002,
10
UF
724/01
-
st.
Rspr.);
dies
beruht
jedoch
auf
der
Erwägung, dass das Einkommen von Selbständigen naturgemäß
starken
Schwankungen
unterworfen
ist,
die
zugunsten
aber
auch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten nivelliert werden
müssen,
um
über
die
regelmäßig
länger
andauernden
Unterhaltszeiträume
zu
einer
Zahlungsverpflichtung
zu
gelangen,
die
den
tatsächlichen
wirtschaftlichen
Möglichkeiten
des
Verpflichteten
entspricht.
Bei
der
Festsetzung des Streitwerts in einer Ehesache, der allein
als Grundlage für die Kostenfestsetzung im Gerichtsverfahren
dient,
besteht
eine
solche
Interessenlage
indes
nicht;
vielmehr ist hier eine punktuelle Betrachtung geboten, die
sich an den Einkommensverhältnissen bei Antragseinreichung
orientiert.
Überdies
ist
hier
die
Heranziehung
eines
Mehrjahresschnittes nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12
Abs. 2 S. 3 GKG ausgeschlossen.
Ausweislich
des
vom
Antragsgegner
eingereichten
Steuerbescheides
erzielte
dieser
im
Jahre
2000
insgesamt
Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von DM 13.130,
auf
den
Monat
umgelegt
von
mithin
DM
1094,17.
Für
den
Dreimonatszeitraum ergibt dies einen Betrag von DM 3282,50,
der um die gezahlten Steuern von 47,91 Euro zu bereinigen
ist.
Die
Krankenversicherungsbeiträge
des
Antragsgegners,
die
im
Rahmen
der
Steuerveranlagung
bereits
als
Sonderausgaben
abgezogen
wurden,
sind
demgegenüber
nicht
erneut zu berücksichtigen.
Es
ergibt
sich
nach
alledem
ein
Nettoeinkommen
beider
Parteien im Zeitraum April bis Juni 2000 von DM 7562,13.
Diesem
hinzuzusetzen
sind
Einnahmen
aus
Vermietung
und
Verpachtung
nach
Abzug
der
Unkosten.
Diese
sind
dem
Steuerbescheid für 2000 mit DM 1620,- für beide Ehegatten zu
entnehmen; das Einkommen ist mithin um DM 405,- zu erhöhen.
Dass diese Beträge als Rücklage angespart werden, um für
Belange des Denkmalschutzes zur Verfügung zu stehen, hindert
ihre Berücksichtigung bei der Streitwertfestsetzung nicht;
maßgeblich
sind
vielmehr
nur
tatsächlich
entstandene
und
nachgewiesene Kosten (vgl. im einzelnen die Nachweise bei
Hartmann, aaO, Rn 39).
Schließlich
ist
das
Grundvermögen
der
Parteien,
die
bei
Einreichung des Scheidungsantrages gemeinsam Eigentümer des
mit mehreren Gebäuden bebauten Grundstückes xxxxxxxxxxxxxxx
xx
in
xxxxxxxxxx
waren,
bei
der
Streitwertbemessung
zu
berücksichtigen. Denn die Regelung in § 12 Abs. 2 S. 1 GKG
stellt neben dem Umfang und der Bedeutung der Sache auf die
Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien ab. Dies
bedeutet, dass gute wirtschaftliche Verhältnisse über das
Einkommen
der
Parteien
hinaus
zu
einer
Erhöhung
des
Streitwertes führen sollen (OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 1288;
Senat - Beschluss vom 20. Februar 2002 - 10 WF 49/02).
Dadurch, dass das Gesetz aber auf die Vermögensverhältnisse
und
nicht
auf
die
Vermögensbestandteile
selbst
abstellt,
wird für die Streitwertberechnung die Möglichkeit eröffnet,
nicht den vollen Wert des Vermögens einzubeziehen, sondern
einer angemessenen Berücksichtigung von Vermögensbelastungen
und Risiken Rechnung zu tragen. Haben die Parteien Nutzungen
aus einem Hausgrundstück in der Weise gezogen, dass sie es
gemeinsam bewohnt habe, so ist dieses in der Regel mit einem
Anteil
seines
Verkehrswert
in
die
Streitwertbemessung
einzubeziehen,
der
in
angemessener
Weise
auch
Vermögensbelastungen
oder
Risiken
wie
z.B.
Rücklagen
Rechnung trägt (vgl. OLG Karlsruhe aaO., OLG Köln, FamRZ
1997,
37;
OLG
Düsseldorf,
FamRZ
1994,
249;
OLG
München,
JurBüro 1992, 349; OLG Bamberg JurBüro 1987, 1694). Nach der
Rechtsprechung
des
Senats
werden
hierzu
von
dem
festgestellten Verkehrswert für jeden Ehegatten Freibeträge
in Höhe von DM 70.000 (35.790,43 Euro) abgesetzt; von dem
verbleibenden Vermögen werden dann je nach Umständen des
Einzelfalles 5% bis 10% dem aus dem Einkommen folgenden Wert
hinzugerechnet (Senat, aaO; Senat Beschluss vom 28. Januar
2002 - 10 WF 855/01; Beschluss vom 13. September 1999 - 10
WF 303/99; Beschluss vom 3. November 1997 - 10 WF 288/97).
Lässt
sich
nach
Aktenlage
jedoch
ein
unstreitiger
Verkehrswert des Grundstückes nicht feststellen und werden
auch
von
den
Parteien
hierzu
keine
verwertbaren
Angaben
gemacht,
so
begegnet
eine
solche
Festsetzung
praktischen
Schwierigkeiten.
Diese
könnten
zwar
im
Wege
einer
Abschätzung
durch
Sachverständige
nach
§
26
GKG
behoben
werden.
Angesichts
der
hierdurch
entstehenden
Zeitverzögerung und der Mehrkosten, die zudem infolge des
nur
mit
5%
bis
10%
in
die
Bemessung
einfließenden
Grundstückswertes regelmäßig dazu führen würden, dass die
sich für den Justizfiskus ergebenden Mehreinnahmen von den
Aufwendungen
für
Sachverständige
übertroffen
würden,
hält
der
Senat
in
einem
solchen
Fall
eine
Bewertung
für
angemessen, die auf die mit dem Bewohnen des Eigenheimes
verbundene Mietersparnis abstellt (so auch OLG Köln, FamRZ
1987, 183 = KostRspr GKG § 12 Nr. 110; Schneider/Herget,
Streitwertkommentar,
11.
Aufl.,
Stichwort
"Ehesachen"
Rn
1115f.). Nur eine solche Berechnung kann im übrigen die auch
im
vorliegenden
Fall
auftretende
Schwierigkeit
angemessen
bewältigen, dass das den Eheleuten gehörende Wohngrundstück
teilweise
an
die
Mutter
vermietet
und
nur
teilweise
selbstgenutzt wird. Bei einer Orientierung am Verkehrswert
des
Gebäudes
müsste
dieser
dann
nach
Wohnungen
getrennt
ermittelt oder eine "Mischquote" gebildet werden. Ein derart
kompliziertes
und
kostenträchtiges
Verfahren
wird
der
Bedeutung
der
Streitwertbemessung
im
Verhältnis
zur
Hauptsache
nicht
gerecht
(vgl.
auch
OLG
Bamberg
JurBüro
1976, 217). Die Streitwertberechnung soll vielmehr möglichst
einfach und ohne besondere Ermittlungen erfolgen können (OLG
Köln,
KostRspr
GKG
12
Nr.
110
mit
Anmerkung
Schneider).
Unter diesen Umständen ist die auf den Dreimonatszeitraum
des § 12 Abs. 2 S. 3 GKG entfallene Mietersparnis nicht als
Vermögen
sondern
als
weiteres
Einkommen
zugrundezulegen.
Vorliegend geht der Senat im Anschluss an die Ausführungen
der
Prozessbevollmächtigten
der
Antragstellerin
von
einer
Größe der selbstgenutzten Wohnung von 75 Quadratmeter aus;
bei einer geschätzten Kaltmiete von 8,- DM ergibt sich eine
Mietersparnis von DM 600,-. Zu bestehenden Belastungen hat
der
Antragsgegner
trotz
gerichtlichen
Hinweises
nichts
vorgetragen,
etwaige
Rückstellungen
für
erst
vorgesehene
Sanierungen können hiervon nicht in Abzug gebracht werden.
Der Streitwert erhöht sich mithin um DM 1800,- (3 x 600 DM).
Das
weitere
Vermögen
der
Parteien
aus
Kapitallebensversicherungen
in
Höhe
von
insgesamt
DM
36889,24 (Familienfürsorge = DM 9066 + 15.573,50 + 3970,40;
Deutscher Herold = DM 5922,12; DBV Winterthur = 2357,22),
das sich aus den Unterlagen über den Versorgungsausgleich
ergibt, rechnet der Senat mit 5%, mithin mit DM 1844,46 auf
den Streitwert an. Dieser beträgt nach alledem DM 11.611,59
(DM 7562,13 + 405 + 1800 + 1844,46); dies entspricht 5936,91
Euro. Aufgrund von § 73 Abs. 1 GKG ist der Streitwert jedoch
in DM anzugeben und sind die Gebühren nach der bis zum 31.
Dezember 2001 geltenden Tabelle zu berechnen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4
GKG).