Urteil des OLG Dresden vom 02.01.2006

OLG Dresden: schutzwürdiges interesse, bedürftige partei, abgabe, verjährung, ratenzahlung, erlass, hauptsache, handschriftlich, anstalt, einzelrichter

Leitsätze:
1. Zu den Anforderungen an einen Streitantrag und eine Abga-
be im Sinne von § 696 Abs. 1 ZPO.
2. Begründet der Darlehensgeber (hier eine Anstalt des öf-
fentlichen Rechts), nachdem gegen einen zur Hemmung der
Verjährung des unstreitig bestehenden Rückzahlungsan-
spruchs erwirkten Mahnbescheid insgesamt Widerspruch ein-
gelegt wurde, im streitigen Verfahren aus Kostengründen
nur einen Teil des Anspruchs, kann das Ansinnen des sich
allein auf Verjährung berufenden Beklagten, mit einem ei-
genen Streitantrag hinsichtlich des Restes in die Offen-
sive zu gehen, mutwillig im Sinne von § 114 ZPO sein.
Oberlandesgericht Dresden
Beschluss vom 02.01.2006 - 8 W 1535/05
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 8 W 1535/05
7 O 611/05 LG Zwickau
Beschluss
des 8. Zivilsenats
vom 02.01.2006
In dem Rechtsstreit
K
vertreten durch den Vorstand,
,
Klägerin und Beschwerdegegnerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
,
gegen
,
,
-Beklagte/Beschwerdeführerin-
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
,
,
wegen Forderung;
hier: PKH
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hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Richter am Oberlandesgericht Bokern
als Einzelrichter
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Einzelrich-
ters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom
25.10.2005 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Nach der Beschwerdeentscheidung des erkennenden Richters vom
07.09.2005 beantragte die Beklagte mit Schriftsätzen vom
21.09.2005 an das Mahngericht wegen des bis dahin im Mahn-
verfahren verbliebenen Forderungsteiles (96.229,48 EUR) die
Durchführung des streitigen Verfahrens und die entsprechende
Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der das Prozesskosten-
hilfegesuch enthaltende Schriftsatz schließt wie folgt: "Der
beigefügte Antrag gilt nur als gestellt, wenn der Antrags-
gegnerin
Prozesskostenhilfe
bzgl.
der
Kosten
bewilligt
wird." Das Mahngericht leitete die beiden Schriftsätze an
das Landgericht weiter. Dieses hat den Prozesskostenhilfean-
trag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und der
dagegen rechtzeitig erhobenen sofortigen Beschwerde der Be-
klagten nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, hat aber im Ergebnis keinen
Erfolg.
1. Anders als das Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom
16.12.2005 ohne nähere Begründung angenommen hat, kann
nicht davon ausgegangen werden, dass Gegenstand des
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Rechtsstreites nunmehr - seit Eingang der Schriftsätze
der
Beklagten
vom
21.09.2005
beim
Landgericht
am
29.09.2005 -
auch
die
restliche
Forderung
von
96.229,48 EUR nebst Zinsen ist, § 696 Abs. 1 Sätze 1 und
4 ZPO.
a) Es spricht bereits einiges dafür, dass ein zur Begrün-
dung der Anhängigkeit zwingend erforderlicher Antrag
auf Durchführung des streitigen Verfahrens bislang
nicht vorliegt.
Zwar enthält der Streitantragsschriftsatz der Beklag-
ten an das Mahngericht bei isolierter Betrachtung kei-
nerlei Einschränkung. Dem gleichzeitig eingereichten
Schriftsatz, mit dem die Beklagte die Gewährung von
Prozesskostenhilfe zur Durchführung des streitigen
Verfahrens - hierzu rechnet bereits der einleitende
Streitantrag - beantragt hat, könnte aber der wenn
auch ungeschickt formulierte Wille der Beklagten ent-
nommen werden, das Streitverfahren wegen der restli-
chen Forderung nur dann in Gang zu bringen und zu füh-
ren, wenn ihr hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt
würde. Dies dürfte auch ihrem erkennbaren Interesse
entsprochen haben, nicht sogleich zusätzliche gericht-
liche und außergerichtliche Kosten entstehen zu las-
sen, für die sie im Falle gerichtlicher Verneinung von
Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverteidigung mutmaßlich
selbst würde aufkommen müssen. Allerdings mag im Hin-
blick auf die Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshand-
lungen und darauf, dass sich in der Streitantrags-
schrift selbst keinerlei "Vorbehalt" findet (etwa im
Sinne einer Kenntlichmachung als Entwurf oder eines
bloß beabsichtigten Streitantrages), zweifelhaft sein,
ob das angerufene Mahngericht eindeutig folgern muss-
te, der Streitantrag sei - noch - nicht gestellt (vgl.
zu ähnlichen Problemlagen BGH FamRZ 1996, 1142 unter
1; BGH NJW-RR 2000, 879 f.; BGH WM 2003, 1694 unter
II 1).
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b) Jedenfalls scheitert die Annahme, nunmehr sei auch die
Restforderung im streitigen Verfahren anhängig, daran,
dass eine Abgabe durch das Mahngericht fehlt.
Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, da-
mit von einer Abgabe i.S.v. § 696 Abs. 1 ZPO gespro-
chen werden kann, ist hier nicht zu erörtern. Die blo-
ße Weiterleitung der beiden - offenbar ursprünglich
zusammengehefteten und deshalb nur mit einem einzigen
Eingangsstempel versehenen - Schriftsätze der Beklag-
ten an das Landgericht mit dem nicht weiter erläuter-
ten Stempelaufdruck "Widerspruch ist eingelegt. Akten
wurden übersandt am 8.3.05" (Datum handschriftlich)
genügt keinesfalls. Sowohl eine übliche ausdrückliche
Abgabeverfügung oder ein entsprechender Vermerk als
auch eine Unterschrift oder auch nur eine Paraphe ei-
nes Bediensteten des Mahngerichtes fehlen. Den Akten
kann überdies nicht einmal entnommen werden, dass ein
- funktionell zuständiger (§ 20 Nr. 1 RPflG) - Rechts-
pfleger tätig geworden ist oder die Weiterleitung den
Parteien - wie für eine Abgabe vorgeschrieben (§ 696
Abs. 1 Satz 3 ZPO) - mitgeteilt wurde. Jedenfalls in
einem solchen Fall kann von einer die Anhängigkeit be-
gründenden Abgabe keine Rede sein. Dass eine prozessu-
ale und kostenmäßige Folgen nach sich ziehende Abgabe
tatsächlich auch gar nicht gewollt war, wird zudem be-
kräftigt durch den mit dem Streitantrag bedingungsähn-
lich verknüpften Prozesskostenhilfeantrag; über diesen
hatte nicht das Mahngericht, sondern das Prozessge-
richt zu entscheiden.
2. Ob die Rechtsverteidigung der Beklagten erfolgverspre-
chend wäre, namentlich ob ihre Verjährungseinrede gegen
eine zu erweiternde Klageforderung durchgreifen könnte,
bedarf keiner Entscheidung. Prozesskostenhilfe für die
beabsichtigte Durchführung des streitigen Verfahrens we-
gen des Restbetrages kann der Beklagten schon deshalb
nicht gewährt werden, weil ihr Hauptsachebegehren mutwil-
lig erscheint, § 114 ZPO.
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a) Eine Rechtsverfolgung ist im Allgemeinen mutwillig,
wenn eine verständige, nicht hilfsbedürfte Partei ihre
Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöl-
ler/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rn. 30 m.w.N.).
Mutwillen kann aber auch dann vorliegen, wenn die be-
dürftige Partei mit ihrem Hauptsacheanliegen bei zu-
sammenfassender
Würdigung
kein
nachvollziehbares,
schützenswertes Interesse verfolgt.
b) So verhält es sich hier. Die Klägerin hat im Wissen um
die sehr eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten
der Beklagten, wie auch in etlichen Parallelverfahren
praktiziert und ersichtlich um sinnlos hohe Kosten zu
vermeiden, lediglich einen Teil der im Mahnbescheid
titulierten Gesamtforderungen in das streitige Verfah-
ren
übergeleitet.
Mit
einer
Inanspruchnahme
über
50.000,00 EUR hinaus, sollte diese Erfolg haben, hat
die Beklagte gegewärtig und auf absehbare Zeit nicht
zu rechnen. Umgekehrt ist auch nicht zu erwarten, dass
die Klägerin, sollte ihre derzeitige Klage wegen Ver-
jährung rechtskräftig abgewiesen werden, den Restbe-
trag noch weiter verfolgen wird. Ferner hält die Be-
klagte den Kreditrückzahlungsforderungen der Klägerin
ausschließlich die Einrede der Verjährung entgegen.
Verjährungsrechtlich kann es ihr aber, wie sie bereits
aus der Begründung im Nichtabhilfebeschluss des Land-
gerichts folgern konnte, nur helfen, wenn das Verfah-
ren hinsichtlich der im Mahnverfahren verbliebenen
Restforderung nicht weiter betrieben wird. Ein schutz-
würdiges Interesse, mit einem eigenen Streitantrag in
die Offensive zu gehen, ist unter diesen Umständen
nicht erkennbar. Der Beklagten ist es zuzumuten, die
weitere Entwicklung abzuwarten. Sollte die Klägerin
wider Erwarten künftig auch die Restforderung anhängig
machen, mag die Beklagte einen neuen Prozesskostenhil-
feantrag stellen; verjährungsrechtlich werden ihre
Aussichten dann größer als heute sein.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Außer-
gerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Abschließend regt der erkennende Richter, auch wenn er
nicht mit der Hauptsache befasst ist, an, darüber nachzu-
denken, ob nicht eine Lösung in der Weise vorstellbar,
angemessen und vergleichsweise kostengünstig ist, dass
die Beklagte den Klageanspruch (50.000,00 EUR nebst Zin-
sen) anerkennt und die Klägerin im Gegenzug auf die wei-
tergehende (Mahnbescheids-)Forderung verzichtet und mit
der Beklagten eine tragbare Ratenzahlung, ggf. mit Erlass
nach Erreichen einer bestimmten Summe, vereinbart.
Bokern