Urteil des OLG Dresden vom 17.12.2009
OLG Dresden: treu und glauben, treuwidrige verhinderung, verkäuferin, kaufvertrag, eigentümer, nichtigkeit, sittenwidrigkeit, kaufpreis, verkehrswert, entstehung
Leitsätze:
1. Der
Erstkäufer
einer
vom
Bauträger
errichteten
Eigentumswohnung ist der werdenden und später rechtlich
entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft, sobald er
die Wohnung nutzt und eine Auflassungsvormerkung für ihn
eingetragen
ist,
nicht
stets
zu
Wohngeldzahlungen
verpflichtet. Zusätzliche Voraussetzung einer Haftung
entsprechend § 16 Abs. 2 WEG ist vielmehr die Wirksamkeit
des
Kaufvertrages,
der
den
Übereignungsanspruch
begründet.
2. Ist der Kaufvertrag wegen krass überhöhten Kaufpreises
sittenwidrig, kommt eine Wohngeldhaftung des Erstkäufers
allenfalls ganz ausnahmsweise nach Treu und Glauben unter
dem
Gesichtspunkt
widersprüchlichen
Verhaltens
(§ 242 BGB) in Betracht.
Oberlandesgericht Dresden, 3. Zivilsenat; Beschluss vom
17.12.2009 , Az.: 3 W 876/09
2
Oberlandesgericht
Dresden
3. Zivilsenat
Aktenzeichen: 3 W 0876/09
3 T 347/08 LG Chemnitz
Beschluss
des 3. Zivilsenats
vom 17.12.2009
In der Wohnungseigentumssache
&
M
Straße 172,
W
Antragstellerin und Beschwerdegegnerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
S
M
& Kollegen,
W
36,
C
gegen
1.
R
O -v –R -Straße 7,
K
2.
H
O -v -R -Straße 7,
K
Antragsgegner und Beschwerdeführer
Prozessbevollmächtigte zu 1) 2): Rechtsanwälte F,
F
& W
,
D –l –P -Straße 37,
M
wegen Wohngeldforderungen
3
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Niklas ,
Richter am Oberlandesgericht Bokern und
Richterin am Oberlandesgericht Enders
beschlossen:
1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner
wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Chemnitz vom 28.07.2009 aufgehoben. Die
Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen
weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Der
Gegenstandswert
des
Verfahrens
der
sofortigen
weiteren Beschwerde wird auf 9.085,15 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin, in Würzburg ansässige Verwalterin einer
Wohnungseigentumsanlage in C (41 Wohnungen und eine
Gewerbeeinheit), macht in dem Mitte 2005 eingeleiteten
Verfahren
kraft
entsprechender
Ermächtigung
der
Wohnungseigentümergemeinschaft
gegen
die
beiden
Antragsgegner
(Eheleute),
soweit
noch
von
Interesse,
Ansprüche auf restliche bzw. ganz ausstehende Wohngelder für
die Jahre 2001 bis 2005 geltend.
Die Antragsgegner hatten von der S S -I -
S & Bauträger GmbH Würzburg mit "Wohnungseigentumskauf-
vertrag mit Sanierungsverpflichtung" vom 31.08.1999 das zu
bildende
Teileigentum
an
der
knapp
70
m²
großen
Gewerbeeinheit Nr. 20 samt Sondernutzungsrechten für einen
Pkw-Stellplatz und eine 20 m² große Außenterrasse für
insgesamt 357.353,00 DM gekauft. Am 21.02.2000 wurde zu
ihren
Gunsten
eine
Auflassungsvormerkung
in
das
Teileigentumsgrundbuch eingetragen. Den Kaufpreis zahlten
sie mit Kreditmitteln d . Auflassung und Umschreibung im
Grundbuch sind bis heute nicht erfolgt. Vielmehr nahm der
Antragsgegner zu 1 aus eigenem und abgetretenem Recht seiner
4
Ehefrau die Verkäuferin mit Klageschrift vom 19.02.2004 vor
dem
Landgericht
Würzburg
auf
Rückabwicklung
und
Schadensersatz in Anspruch. Seine unter anderem aufgestellte
Behauptung, der Kaufpreis sei krass überhöht, stützte er auf
ein vorab eingeholtes Gutachten vom 30.07.2003; darin hatte
der Sachverständige M den Ertrags- und Verkehrswert mit
92.100,00 EUR und den Sachwert mit sogar nur 46.800,00 EUR
ermittelt. Der im Verlaufe des Rechtsstreits beauftragte
Gerichtssachverständige S veranschlagte in seinem
Gutachten vom 22.07.2005 den Verkehrswert des Teileigentums
zum Stichtag des Kaufs auf 74.000,00 EUR (= 144.731,42 DM).
Das
Landgericht
Würzburg
ging
deshalb
in
seiner
Terminierungsverfügung vom 10.11.2005 vorläufig von einer
Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages aus. Noch vor dem
anberaumten Verhandlungstermin, nämlich am 15.01.2006, wurde
über
das
Vermögen
der
verklagten
Verkäuferin
das
Insolvenzverfahren
eröffnet.
Seither
ist
der
dortige
Rechtsstreit unterbrochen.
In vorliegender Sache hat das Amtsgericht die Antragsgegner
am 04.04.2008 - unter Abweisung des weitergehenden Begehrens
der Antragstellerin - als Gesamtschuldner verpflichtet, an
die Antragstellerin als rückständiges Wohngeld 9.085,15 EUR
nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen gerichtete zulässige
sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht
mit Beschluss vom 28.07.2009 zurückgewiesen. Mit der form-
und fristgerecht eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde
verfolgen die Antragsgegner ihr Begehren auf vollständige
Abweisung des Antrags weiter. Die Antragstellerin beantragt
die Zurückweisung des Rechtsmittels und, im Wege der
innerhalb
der
gesetzten
Erwiderungsfrist
eingelegten
Anschlussbeschwerde,
die
Abänderung
der
Beschwerdeentscheidung
im
Kostenpunkt
dahin,
dass
die
Antragsgegner zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten
der
Antragstellerin
verpflichtet
werden.
Während
des
Rechtsbeschwerdeverfahrens
haben
die
Antragsgegner
ausdrücklich versichert, dass sie "nach wie vor von sich aus
nicht beabsichtigen, als Eigentümer der gegenständlichen
Immobilie eingetragen zu werden."
5
II.
Die sofortige weitere Beschwerde beurteilt sich gemäß § 62
Abs. 1 S. 1 WEG nach altem Verfahrensrecht. Danach ist sie
zulässig, §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG a.F., §§ 27, 29
FGG a.F..
III.
Das
Rechtsmittel
ist
begründet,
weil
die
Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Rechts
beruht, § 27 Abs. 1 FGG a.F., § 546 ZPO. Da es weiterer
tatrichterlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache unter
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zurückzuverweisen, §
27 Abs. 1 FGG a.F., § 546 ZPO. Dabei wird das Landgericht
über die Kosten, auch die des Verfahrens der sofortigen
weiteren Beschwerde, insgesamt neu zu befinden haben. Die
Anschlussbeschwerde
der
Antragstellerin
ist
damit
gegenstandslos.
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, wie in dem vom
Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall (Beschluss
vom 13.07.2005 – 8 W 170/05, ZMR 2005, 983) könne offen
bleiben, ob der Kaufvertrag wirksam sei. Auch im
Streitfall lägen Umstände vor, die es den Antragsgegnern
im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft nach
Treu und Glauben verwehrten, sich auf die etwaige
Nichtigkeit des Kaufvertrages zu berufen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Eine Haftung der Antragsgegner für die von der
Wohnungseigentümergemeinschaft - jeweils im Folgejahr
und jeweils unangefochten - beschlossenen Wohngelder
für die Jahre 2001 bis 2005 ergibt sich nicht
unmittelbar aus § 16 Abs. 2 WEG. Diese Vorschrift
verpflichtet
nach
ihrem
Wortlaut
nur
die
"Wohnungseigentümer" bzw., über die Verweisung in § 1
6
Abs. 6 WEG, die "Teileigentümer" zur Tragung von
Lasten des Gemeinschaftseigentums und weiterer damit
verbundener
Kosten.
Teileigentümer
sind
die
Antragsgegner
mangels
entsprechender
Grundbucheintragung bis heute nicht geworden, § 4 Abs.
1 WEG. Nicht einmal eine Auflassung ist erklärt.
b) Mangels gegenteiliger Feststellungen des Landgerichts
ist
im
Rechtsbeschwerdeverfahren
zugunsten
der
Antragsgegner
von
der
Sittenwidrigkeit
des
Kaufvertrages
auszugehen.
Dann
schulden
sie
die
verlangten Wohngelder auch nicht in entsprechender
Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG.
Seit
der
grundlegenden
Entscheidung
des
Bundesgerichtshofes vom 05.06.2008 – V ZB 85/07 (BGHZ
177, 53) ist in Abgrenzung zu den Zweiterwerbsfällen
abschließend geklärt, dass vor rechtlicher Entstehung
einer
Wohnungseigentümergemeinschaft
alle
(Erst-
)Erwerber,
für
die
eine
Auflassungvormerkung
im
Grundbuch eingetragen und denen der Besitz an der
gekauften Wohnung übergeben worden ist, eine werdende
Gemeinschaft bilden, gegenüber der sie entsprechend
§ 16 Abs. 2 WEG zur Tragung der Kosten und Lasten des
künftigen gemeinschaftlichen Eigentums verpflichtet
sein können; diese Verpflichtung entfällt nicht mit
anschließender
Entstehung
einer
Wohnungseigentümergemeinschaft
im
Rechtssinne.
Voraussetzung dieser vorverlagerten, einem dringenden
praktischen Bedürfnis Rechnung tragenden Anwendung des
Wohnungseigentumsgesetzes
ist
indes,
dass
ein
wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungs- bzw.
Teileigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt (BGH
a.a.O. unter III 2 b).
Das bedeutet für den Streitfall:
Wenn der mit der insolventen Verkäuferin im Jahre 1999
geschlossene Kaufvertrag nichtig ist, wie es die
7
Antragsgegner unter Bezugnahme auf das Vorbringen des
Antragsgegners zu 1 in dem vor dem Landgericht
Würzburg
geführten
Rechtsstreit
und
das
dort
eingeholte Verkehrswertgutachten im Einzelnen geltend
machen, schulden sie der - nach den Feststellungen des
Amtsgerichts
zeitlich
nach
Eintragung
der
Auflassungsvormerkung
rechtlich
entstandenen -
Wohnungseigentümergemeinschaft kein Wohngeld.
c) Ob von den vorstehenden Grundsätzen im Einzelfall eine
Ausnahme unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
gemacht werden kann, wie das Landgericht im Anschluss
an die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts
Stuttgart
(a.a.O.)
angenommen
hat,
muss
nicht
allgemein
entschieden
werden.
Denn
die
hier
vorliegenden Umstände rechtfertigen es entgegen der
Ansicht
des
Landgerichts
keinesfalls,
den
Antragsgegnern die Berufung auf die Nichtigkeit des
Kaufvertrages wegen widersprüchlichen Verhaltens zu
versagen.
aa) In bauträgerseits initiierten und umgesetzten
Kapitalanlagemodellen
der
vorliegenden
eindrucksvollen Art ist es in der Vergangenheit
nicht selten, sondern sogar recht häufig dazu
gekommen, dass der mit einer Vollfinanzierung,
einer Mietgarantie, einem treuhänderisch tätigen
Geschäftsbesorger und weiteren Bestandteilen eines
Komplettpaketes
"eingedeckte"
und
mit
Steuervorteilen geworbene Käufer von Wohnungs-
bzw. Teileigentum die entsprechenden Verträge eher
unkritisch abschließt, die Nachteiligkeit, ja
möglicherweise
gar
Sittenwidrigkeit
des
Kaufgeschäftes erst geraume Zeit später entdeckt
und selbst dann nur mehr oder weniger zielstrebig
gegen den Verkäufer vorgeht. Ebenso typisch ist
es, dass ein solcher Käufer zunächst glaubt,
Wohnungs- bzw. Teileigentümer zu sein und der
Gemeinschaft dementsprechend Wohngeld zu schulden,
8
und er jedenfalls zunächst Zahlungen auf das
Wohngeld leistet.
Vor diesem allgemeinen Hintergrund kann von einem
widersprüchlichen
Verhalten
gegenüber
der
Eigentümergemeinschaft nicht schon dann gesprochen
werden, wenn der übervorteilte Käufer, der für
einige Zeit die gekaufte Wohn- oder Gewerbeeinheit
zu Vermietungszwecken genutzt und anfänglich auch
Wohngeld an die Gemeinschaft entrichtet hat, die
ständige Unterdeckung - diese lag im Streitfall
offensichtlich rasch vor, nachdem allein die jeden
Monat zu zahlenden Kreditzinsen 1.711,50 DM bzw.
875,07 EUR betrugen und ausweislich der Anlage K 9
zur abschriftlich eingereichten Klageschrift vom
19.02.2004 (GA 148) die Mieteinnahmen bereits ab
Mitte 2001 beträchtlich dahinter zurückblieben und
ab März 2002 sogar ganz wegfielen - zum Anlass
nimmt, das Wohngeld nicht mehr zu zahlen und
stattdessen die Wirksamkeit des Kaufvertrages
prüfen zu lassen sowie anschließend gegen den
Bauträger vorzugehen. Wenn er sich in diesem
Stadium dazu entschließt, trotz vollständiger
Kaufpreiszahlung
nicht
die
bisher
fehlende
Auflassung
und
die
Eigentumsumschreibung
im
Grundbuch zu betreiben, kann ihm das auch im
Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft - entgegen
der
in
den
Tatsacheninstanzen
geäußerten
Auffassung der Antragstellerin - nicht ansatzweise
als
treuwidrige
Verhinderung
des
Bedingungseintritts (§ 162 Abs. 1 BGB) ausgelegt
werden.
Denn
mit
vollendetem
Eigentumserwerb
begäbe er sich in zusätzliche Verpflichtungen, die
einzugehen
in
der
misslichen
Gesamtsituation
seiner eigenen Entscheidung überlassen bleiben
muss.
bb) Von der ganz außergewöhnlichen Konstellation, die
das
Oberlandesgericht
Stuttgart
(a.a.O.)
zur
9
Prüfung
und
ausnahmsweisen
Bejahung
eines
treuwidrigen Verhaltens bewogen hat, unterscheidet
sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt in
den wesentlichen Punkten grundlegend:
(1) Dort war der auf Wohngeldzahlung für die
Jahre
2001
bis
2003
in
Anspruch
genommene
"Wohnungseigentümer" als solcher bereits seit
Anfang 1991 im Grundbuch eingetragen. Hier dagegen
ist schon keine Auflassung erklärt worden und erst
recht nicht die Eigentumsumschreibung erfolgt.
(2) In jenem Fall hatte der Antragsgegner die
Wohnung rund 13 Jahre lang besessen und durch
Vermietung für seine Zwecke genutzt, ehe er im
Dezember
2003
erstmals
gegenüber
der
Wohnungseigentümergemeinschaft
geltend
machte,
eine wirksame Übereignung an ihn habe nicht
stattgefunden. Immerhin mehr als 10 Jahre lang,
bis in das Jahr 2001 hinein, hatte er die
Wohngeldforderungen jeweils beglichen.
Ganz anders liegen die Dinge in zeitlicher und
auch
sonstiger
Hinsicht
hier:
Wie
der
Antragsschrift und der erwähnten Anlage K 9 zu der
beim
Landgericht
Würzburg
eingereichten
Klageschrift (GA 148) zu entnehmen ist, haben die
Antragsgegner nach Fertigstellung des Objektes
Anfang 2000 Wohngeldvorauszahlungen bis Februar
2002 - also nur für zwei Jahre - erbracht.
Mieteinnahmen
in
einem
diese
Wohngeldvorauszahlungen übersteigenden Umfang von
30.318,16 DM haben sie ebenfalls lediglich in
demselben überschaubaren Zeitraum von zwei Jahren
erzielt. Bei seiner anders lautenden Angabe zu den
Mieteinnahmen (30.318,16 EUR bis Oktober 2003) ist
das
Beschwerdegericht
zwei
offensichtlichen
Irrtümern
erlegen,
zum
einen
bei
der
Währungsangabe,
zum
anderen
beim
Zeitraum.
10
Ausweislich der besagten Anlage K 9, die es als
Beleg für die eigene Feststellung ausdrücklich
benannt hat, erhielten die Antragsteller seit März
2002 keine Mieten mehr. Dies deckt sich auch mit
dem sonstigen Akteninhalt. Danach erfolgte zwar im
Oktober 2002 eine Neuvermietung (K 27; GA 336).
Abgesehen davon aber, dass die darin vereinbarten
Konditionen
die
monatliche
Unterdeckung
der
Antragsgegner ohnehin nur verringert und nicht
beseitigt hätten, zog dieser Mieter nach dem
eigenen Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz
vom 30.05.2008 schon bald insolvenzbedingt aus,
entfiel auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten
Mietforderungen
keine
Quote
und
stand
die
Gewerbeeinheit ab März 2004 durchgehend leer, bis
sie
im
Februar
2007
auf
Drängen
der
Antragstellerin
vom
Insolvenzverwalter
der
Bauträgerin zu sehr bescheidenen Konditionen an
den Inhaber einer Pizzeria vermietet wurde (GA
333 f.).
(3) In dem vom Oberlandesgericht Stuttgart
entschiedenen Fall war allem Anschein nach weder
vorgebracht
noch
ersichtlich,
dass
die
Eigentumswohnung überteuert erworben worden war.
Der dortige Antragsgegner stützte seinen Einwand
der Unwirksamkeit von Kausal- und dinglichem
Geschäft "lediglich" auf einen Verstoß gegen das
Rechtsberatungsgesetz, weil den Erwerbsvertrag vom
26.03.1990
für
ihn
ein
zuvor
umfassend
bevollmächtigter, wohl nicht über eine Erlaubnis
nach
dem
Rechtsberatungsgesetz
verfügender
Vertreter abgeschlossen hatte.
Im Streitfall hätte ein solcher Verstoß mutmaßlich
vorgelegen, wenn der von den Antragsgegnern mit
notariellem "Angebot und Vollmacht" vom 27.08.1999
beauftragte
Treuhänder,
Geschäftsbesorger
und
Vollmachtnehmer, der dann für sie wenige Tage
11
später
den
Kaufvertrag
abschloss,
kein
Rechtsanwalt gewesen wäre. Entscheidend ist indes
etwas anderes. Nach ihrem Vorbringen wurden die
Antragsgegner beim Kauf regelrecht "über den Tisch
gezogen", war der Kaufpreis krass überteuert und
ist der Vertrag deshalb sittenwidrig. In einer
solchen Lage verdient ein Käufer (auch) gegenüber
der
Wohnungseigentümergemeinschaft
weit
mehr
Schutz als derjenige Anleger, der in den 80er oder
90er Jahren, vertreten durch einen umfassend
bevollmächtigten Geschäftsbesorger, erworben hat
und sich viele Jahre später auf die erst ab dem
Herbst
2000
gewandelte
Rechtsprechung
des
Bundesgerichtshofes
zur
Unwirksamkeit
derart
weitreichender
Vollmachten
bei
fehlender
Rechtsberatungserlaubnis
des
Geschäftsbesorgers
(beginnend mit BGHZ 145, 265) beruft, um sich
aller Verpflichtungen zu entledigen.
cc) Die übrigen vom Beschwerdegericht festgestellten
Umstände haben nur untergeordnete Bedeutung und
lassen
ein
widersprüchliches
oder
sonst
treuwidriges Verhalten der Antragsgegner nicht
erkennen.
Dass es die Antragsgegner über mehr als ein Jahr
hinweg
bis
zu
ihrem
Anwaltsschreiben
vom
19.04.2005 unterließen, die Antragstellerin über
die klageweise Inanspruchnahme der Verkäuferin zu
informieren, und sie ihr dabei auch nicht den
Inhalt des bereits im Sommer 2003 eingeholten
Wertgutachtens
des
Sachverständigen
M
zur
Kenntnis brachten, war zwar ungeschickt, begründet
jedoch keinen relevanten Treuepflichtverstoß. Das
Kommunikationsdefizit
im
Verhältnis
zur
Antragstellerin dürfte im Übrigen zum größten Teil
eigener
Unbedarftheit,
rechtlicher
Unkenntnis
und/oder gar zeitweiliger Resignation geschuldet
gewesen sein.
12
Umgekehrt
hatte
die
Antragstellerin,
die
ausweislich ihres Schriftsatzes vom 26.09.2005
spätestens seit September 2005 den Grundbuchstand
kannte, seit Erhalt der Antragserwiderung vom
04.11.2005 detaillierte Kenntnis über den genauen
Gegenstand
der
Klage
und
den
Stand
des
Rechtsstreits vor dem Landgericht Würzburg. Ab
diesem Zeitpunkt wusste sie um alle Tatsachen, die
- jedenfalls
nach
der
Darstellung
der
Antragsgegner - die alleinige Wohngeldhaftung der
nach
wie
vor
als
Eigentümerin
eingetragenen
Bauträgerin begründeten. Verjährt waren gegen die
Verkäuferin geltend zu machende Wohngeldansprüche
insgesamt nicht. Denn die Verjährung konnte erst
mit Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis
aller anspruchsbegründenden Umstände zu laufen
beginnen
(§ 199
Abs.
1
BGB).
Ob
den
Wohnungseigentümern
eine
Durchsetzung
der
Wohngeldansprüche gegen die insolvente Verkäuferin
bei
deutlich
früherer
Information
durch
die
Antragsgegner
gelungen
wäre,
ist
mehr
als
zweifelhaft. Überdies haben sie notfalls die
Möglichkeit, nach §§ 18, 19 WEG vorzugehen, und
können
Befriedigung
wegen
der
ausstehenden
Wohngelder möglicherweise sogar aus Zahlungen des
gegenwärtigen Mieters der Gewerbeeinheit erlangen.
Allemal trifft sie die Gesamtsituation nicht
annähernd so hart wie die Antragsgegner. Diese
geben,
indem
sie
sich
aus
immerhin
nachvollziehbaren Gründen nicht dazu durchringen
können, die Auflassung und die Umschreibung im
Grundbuch zu betreiben (der Insolvenzverwalter
würde zweifellos nicht im Wege stehen), sogar den
einzigen Gegenstand von gewissem Wert aus der
Hand.
So
oder
so
stellt
sich
das
Kapitalanlagegeschäft für sie aber als Fiasko dar.
13
Ob sich die Antragsgegner, wie die Antragstellerin
(auch) im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebracht
hat, steuerlich nach wie vor wie Käufer und
Eigentümer gerieren, fällt bei der Prüfung am
Maßstab von Treu und Glauben nicht erheblich ins
Gewicht. Dabei handelt es sich in der höchst
misslichen Situation der Antragsgegner um den auf
Dauer wohl untauglichen Versuch, den eigenen
Schaden auf Kosten der Allgemeinheit - nicht der
Wohnungseigentümergemeinschaft - gering zu halten.
dd) Sollten die Antragsgegner freilich anderen Sinnes
werden und ihre Eintragung als Eigentümer im
Grundbuch trotz im Raum stehender Nichtigkeit des
Kausalgeschäftes betreiben und erreichen, könnte
ihnen
drohen,
für
die
streitgegenständlichen
Ansprüche doch noch mit Erfolg haftbar gemacht
werden zu können.
d) Ist der Kaufvertrag nichtig, kann auch die dort in § 7
Abs. 6 übernommene Verpflichtung zur Zahlung des
Wohngeldes ab Übergabestichtag nicht wirksam sein,
also keinesfalls als Grundlage für die noch im Streit
stehenden Ansprüche dienen.
3. Da sich die angefochtene Entscheidung nicht mit anderer
Begründung halten lässt, die Sache umgekehrt auch nicht
im Sinne der Antragsgegner entscheidungsreif ist, muss
die
Sache
an
das
Beschwerdegericht
zurückverwiesen
werden. Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zur
(Un-)Wirksamkeit des Kaufvertrages nachzuholen haben.
Dr. Niklas
Enders
Bokern
Vorsitzender
Richterin am
Richter am
Richter am
Oberlandesgericht
Oberlandes-
Oberlandesgericht
gericht