Urteil des OLG Dresden vom 29.08.2006

OLG Dresden: kündigungsfrist, fälligkeit, angemessenheit, dispositionen, darlehen, wiederaufbau, kreditanstalt, berufungskläger

Leitsatz:
§ 314 Abs. 3 BGB
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau kann ein Eigenkapitalhil-
fedarlehen wegen zwischenzeitlichen Wegfalls der Fördervor-
aussetzungen im Einzelfall auch dann noch außerordentlich
kündigen, wenn seit Bekanntwerden des Kündigungsgrundes
viereinhalb Monate verstrichen sind.
Oberlandesgericht Dresden
Beschluss vom 29.08.2006 - 8 U 1112/06
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 8 U 1112/06
9 O 2840/05 LG Dresden
Beschluss
des 8. Zivilsenats
vom 29.08.2006
In dem Rechtsstreit
K
vertreten durch den Vorstand,
,
Klägerin und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
,
,
gegen
,
,
Beklagter und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
,
,
wegen Darlehensrückerstattung
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hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,
Richter am Oberlandesgericht Bokern und
Richter am Landgericht Meyer
beschlossen:
1. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.09.2006 wird
aufgehoben.
2. Die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 9.
Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 03.04.2006 wird
auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
3. Der
Streitwert
des
Berufungsverfahrens
wird
auf
12.782,30 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Berufung ist aus im Hinweisbeschluss des Senates vom
09.08.2006 genannten Gründen aussichtslos und, da sich zu-
lassungsrelevante Rechtsfragen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
und Nr. 3, § 543 Abs. 2 ZPO) nicht stellen, durch einstimmig
gefassten Beschluss mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
1. Die Stellungnahme des Beklagten vom 24.08.2006 rechtfer-
tigt keine andere Beurteilung in der Frage, ob die Kläge-
rin die außerordentliche Kündigung in angemessener Frist
erklärt hat (§ 314 Abs. 3 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2
EGBGB).
Zwar trifft es zu, dass die mit dem Schuldrechtsmoderni-
sierungsgesetz geschaffene Regelung des § 314 Abs. 3 BGB
nach dem Willen des Gesetzgebers der Herbeiführung klarer
Verhältnisse in angemessener Zeit dient und der Vor-
schrift außerdem die Erwägung zugrunde liegt, dass nach
längerem Abwarten die Fortsetzung des Dauerschuldverhält-
nisses
nicht
unzumutbar
ist
(vgl.
BT-Drs.
14/6040,
S. 178). Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber ange-
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sichts der Vielgestaltigkeit von Dauerschuldverhältnissen
aber bewusst davon abgesehen, eine bestimmte Kündigungs-
frist - wie etwa in § 626 Abs. 2 BGB - vorzuschreiben
(a.a.O.). Vielmehr kommt es in erster Linie auf die Um-
stände des Einzelfalles und darauf an, ob infolge zöger-
lichen Verhaltens des Kündigenden schutzwürdige Belange
des Kündigungsgegners beeinträchtigt sein können.
Vorliegend ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass
der Beklagte, nachdem er der Klägerin selbst ausdrücklich
den Wegfall der Grundlage des Eigenkapitalhilfedarlehens
angezeigt hatte, im nachfolgenden Zeitraum bis zum Aus-
spruch der Kündigung Vertrauen darauf aufgebaut hat,
trotz der mitgeteilten Umstände werde das zweckgebundene
Darlehen unverändert fortbestehen. Noch weniger ist er-
kennbar, dass er im Hinblick auf solches Vertrauen wirt-
schaftliche Dispositionen getroffen hat, die durch die
Kündigung zunichte gemacht wurden oder zumindest beein-
trächtigt werden konnten. Bei Abwägung sämtlicher Umstän-
de, auch der im Schreiben des Beklagten vom 23.01.2004
geäußerten Bitte "um Entscheidung zur weiteren Verfah-
rensweise", hält der Senat den Zeitraum von 4½ Monaten
nach wie vor für (noch) angemessen. Dabei ist über die
bereits erörterten Gesichtspunkte hinaus auch berücksich-
tigt, dass der Beklagte seinerseits nicht erkennbar Wert
auf eine beschleunigte verbindliche Klärung legte. Er hat
nämlich nicht nur den Entfall der Fördervoraussetzungen
erst knapp drei Jahre später mitgeteilt, sondern seine
keineswegs drängend formulierte Bitte um Entscheidung zur
weiteren - von ihm selbst bereits vorhergesehenen - Ver-
fahrensweise mit dem Hinweis verbunden, seine Hausbank
werde sich diesbezüglich mit der Klägerin in Verbindung
setzen.
2. Ist damit die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom
10.06.2004 wirksam, kommt es auf die vom Senat im Hin-
weisbeschluss angestellten Hilfserwägungen zur Fälligkeit
des Klageanspruchs, denen der Beklagte entgegengetreten
ist, nicht mehr an. Entgegen der Einschätzung des Beklag-
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ten hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeu-
tung und erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Insbe-
sondere weicht der Senat mit seiner durch die Umstände
des vorliegenden Einzelfalles geprägten Bewertung der An-
gemessenheit der Kündigungsfrist nicht von obergerichtli-
cher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung oder von an-
erkannten festen Rechtsgrundsätzen ab.
Häfner
Meyer
Bokern