Urteil des OLG Dresden vom 25.01.2008

OLG Dresden: ende der frist, messung, freispruch, ausnahme, atemalkoholmessgerät, vetter, behörde, handbuch, form, grenzwert

Leitsatz:
Zur Berechnung der Eichgültigkeitsdauer bei Atemalkoholmessge-
räten
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Oberlandesgericht
Dresden
Senat für Bußgeldsachen
- Der Einzelrichter -
Aktenzeichen: Ss (OWi) 706/07
2 OWi 550 Js 8378/06 AG Stollberg
34 OWi Ss 706/07 GenStA Dresden
Beschluss
vom 25. Januar 2008
in der Bußgeldsache gegen
O
geboren am
wohnhaft
Verteidiger: Rechtsanwalt J L
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
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Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
wird der Beschluss des Amtsgerichts Stollberg
vom 27. Juni 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Ent-
scheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an das Amtsgericht Stollberg zurückverwie-
sen.
G r ü n d e :
I.
Durch
Beschluss
des
Amtsgerichts
Stollberg
vom
27. Juni 2007 wurde der Betroffene vom Vorwurf des fahrläs-
sigen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr, ob-
wohl er 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft hatte, freige-
sprochen. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am
09. September 2005 um 18.00 Uhr in Thalheim ein Kraftfahr-
zeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l ge-
führt zu haben. Die Messung des Atemalkohols wurde mit Hil-
fe des am 08. März 2005 geeichten Atemalkoholmessgerätes
Draeger Alcotest 7110 Evidential am 09. September 2005 vor-
genommen. Das Amtsgericht hat den Betroffenen freigespro-
chen, weil die sechsmonatige Eichgültigkeitsdauer des Mess-
gerätes am 09. September 2005 abgelaufen und die Messung
daher nicht mehr verwertbar sei.
Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz form- und
fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese rechtzei-
tig mit der Sachrüge begründet. Sie ist der Auffassung, die
Messung sei verwertbar, da die Eichgültigkeitsdauer des
Messgerätes noch bis Ende September 2005 angedauert habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf
die Rechtsbeschwerde den Beschluss des Amtsgerichts Stoll-
berg aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-
scheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Der Betroffene und sein Verteidiger hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme.
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II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt auf die Sachrüge hin
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Freispruch hat
keinen Bestand, da das im vorliegenden Fall verwandte Mess-
gerät zum Zeitpunkt der Messung am 09. September 2005 noch
gültig geeicht war, das Messergebnis somit verwertbar ist.
1. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass eine feh-
lende Eichung des Messgerätes grundsätzlich zur Unver-
wertbarkeit der Messung führt, also nicht durch Sicher-
heitsabschläge kompensiert werden kann (vgl. hierzu
Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 24 a StVG
Rdnr. 17 m.w.N.). Da vorliegend mit 0,25 mg/l Alkohol in
der Atemluft gerade der Grenzwert des § 24 a Abs. 1 StVG
erreicht ist, würde im Übrigen auch die Vornahme eines
Sicherheitsabschlages dazu führen, dass ein ordnungswid-
riges Verhalten des Betroffenen entfällt.
Zutreffend hat das Amtsgericht auch gesehen, dass die
Gültigkeitsdauer der Eichung des Atemalkoholmessgerätes
nach Anlage B Nr. 18.5 der Eichordnung ein halbes Jahr
beträgt. Entscheidungserheblich ist vorliegend, wie sich
Beginn und Ende dieser Halbjahresfrist berechnen.
2. Zur Frage des Beginns der Gültigkeitsdauer der Eichung
enthält die Eichordnung selbst lediglich in § 12 Abs. 3
eine Regelung. Danach beginnt die Gültigkeitsdauer der
Eichung, wenn diese nicht weniger als ein Jahr beträgt,
mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Messgerät zu-
letzt geeicht wurde. Erfolgte die Eichung eines Messge-
rätes also etwa im Januar, so beginnt die einjährige
Eichgültigkeit am 01.01. des darauffolgenden Jahres und
endet am 31.12. des entsprechenden Jahres. Die tatsäch-
liche Eichgültigkeitsdauer kann somit faktisch auch mehr
als ein Jahr betragen.
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Da bei Atemalkoholmessgeräten jedoch - wie ausgeführt -
die Eichgültigkeitsdauer lediglich ein halbes Jahr be-
trägt, ist die Regelung des § 12 Abs. 3 Eichordnung
hierauf nicht anwendbar. Die Eichgültigkeit beginnt in
diesen Fällen daher mit dem Tag der Eichung (vgl. inso-
weit auch Böttger in Burhoff [Hrsg.] Handbuch für das
straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rdnr. 558).
3. Es stellt sich im Weiteren die Frage, wonach sich der
Fristablauf der halbjährigen Eichgültigkeitsdauer be-
rechnet. In Betracht kommt, die Sechs-Monats-Frist tag-
genau zu berechnen oder man ist mit der Generalstaatsan-
waltschaft Dresden der Auffassung, die Sechs-Monats-
Frist laufe erst Ende des Monats September ab.
a) Würde man das Fristende entsprechend der in § 188
Abs. 2 BGB enthaltenen Auslegungsregel taggenau be-
rechnen,
so
wäre
die
Eichgültigkeit
des
am
08. März 2005 geeichten Messgerätes sechs Monate spä-
ter am 07. September 2005 abgelaufen. Dies würde bei
Verwendung des dann nicht mehr geeichten Messgerätes
am Tattag, dem 09. September 2005, somit zur Unver-
wertbarkeit des Messergebnisses und damit zum Frei-
spruch des Betroffenen führen.
b) Eine Berechnung des Fristendes entsprechend der Aus-
legungsregel nach § 188 Abs. 2 BGB wäre jedoch nur
dann zutreffend, wenn nicht die Eichordnung eine
hiervon abweichende Regelung getroffen hätte; so aber
liegt der Fall hier.
Nach § 29 Abs. 1 der Eichordnung besteht die Eichung
aus der eichtechnischen Prüfung und der Stempelung
eines eichfähigen Messgerätes durch die zuständige
Behörde. Gemäß § 35 Abs. 2 Eichordnung werden Messge-
räte mit befristeter Gültigkeitsdauer der Eichung -
mit Ausnahme vorliegend nicht in Betracht kommender
Messgeräte nach Absatz 4 - mit Stempelzeichen nach
Anhang D Nr. 3.1 und 3.3 als geeicht gekennzeichnet.
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Der Hauptstempel oder das Messgerät darf mit dem Zu-
satz "geeicht bis ..." in Verbindung mit der voll-
ständigen
Jahreszahl
versehen
sein.
In
Anhang D
Nr. 3.3 ist Folgendes geregelt:
"Das Jahreszeichen für die innerstaatliche Eichung
besteht aus den beiden letzten Ziffern des Jahres, in
dem die Gültigkeit der Eichung endet, in Schildumrah-
mung. Beträgt die Gültigkeitsdauer der Eichung weni-
ger als ein Jahr, besteht der Eichstempel aus einer
runden Klebemarke mit den Monatszahlen 1 bis 12 am
Rand sowie dem Eichzeichen und dem Jahreszeichen in
der Mitte. Der Monat des Ablaufs der Gültigkeitsdauer
der Eichung ist auf der Klebemarke kenntlich zu ma-
chen."
Dieser Regelung entnimmt der Senat den Willen des Ge-
setzgebers, dass bei einer unterjährigen Eichgültig-
keitsdauer das Ende der Frist nicht entsprechend
§ 188 Abs. 2 BGB taggenau berechnet werden soll. Da
lediglich der Monat des Ablaufs der Gültigkeitsdauer
der Eichung auf der Klebemarke kenntlich zu machen
ist, kann dies nur dahingehend ausgelegt werden, dass
die Eichgültigkeitsdauer erst mit Ablauf des sechs-
ten Monats, welcher auf den Monat der Eichung folgt,
endet. Eine solche Auslegung der angeführten Regelung
ist der Eichordnung auch nicht fremd, was ein Blick
in § 12 Abs. 3 Eichordnung zeigt.
4. Nach alledem war das verwendete Atemalkoholmessgerät zum
Zeitpunkt der Messung am 09. September 2005 noch gültig
(nämlich bis zum 30. September 2005) geeicht, so dass
die Messung - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts -
verwertbar ist. Das angefochtene Urteil war daher aufzu-
heben, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung
an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf
hin, dass seit dem Tattag am 09. September 2005 bereits
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weit mehr als zwei Jahre vergangen sind, so dass die
Verhängung eines Fahrverbotes vorliegend nicht mehr in
Betracht kommen dürfte (vgl. hierzu OLG Dresden, OLG-NL
2003, 167 m.w.N.).
Vetter