Urteil des OLG Dresden vom 26.06.2003

OLG Dresden: zustandekommen des vertrages, heilung des formmangels, empfänger des antrags, angemessene frist, rückzahlung, erwerb, eigentumswohnung, unangemessenheit, beurkundung, agb

Leitsatz
1.
Die einseitig gesetzte Annahmefrist unterfällt der In-
haltskontrolle nach § 10 Nr. 1 AGBG.
2.
Die in einem formularmäßigen notariellen Angebot zum
Kauf einer Eigentumswohnung bestimmte Bindungsfrist von
10 Wochen verstößt gegen § 10 Nr. 1 AGBG.
3.
Für die Frage der Angemessenheit der Bindungsfrist ist
auf die Üblichkeit und Angemessenheit der Frist abzu-
stellen.
Urteil des OLG Dresden vom 26.06.2003, Az. 19 U 512/03
2
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 19 U 512/03
11 O 6642/01 Landgericht Leipzig
Verkündet am 26.06.2003
Die Urkundsbeamtin:
D
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
A
Str. ,
B
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ,
,
B
gegen
T
vertr.d.d. GF ,
,
L
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ,
,
,
B
wegen Forderung
3
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2003 durch
Richter am Oberlandesgericht H ,
Richterin am Landgericht A und
Richterin am Amtsgericht M
für Recht erkannt:
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des
Landgerichts Leipzig vom 13.02.2003, Az. 11-O-6642/01,
wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v.
90.000,00 Euro abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages
über den Erwerb einer Eigentumswohnung und die Rückzahlung
des i.H.v. 79.355,75 Euro geleisteten Teilkaufpreises.
Durch das der Beklagten am 18.02.2003 zugestellte Urteil vom
13.02.2003, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genom-
men wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), hat das Landge-
richt Leipzig der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die der Beklagten eingeräumte
Annahmefrist von 10 Wochen sei eine vorformulierte Vertrags-
bedingung und unangemessen lang gem. § 10 Nr. 1 AGBG. An die
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Stelle dieser unwirksamen Klausel trete nach § 6 Abs. 2 AGBG
die gesetzliche Bestimmung nach § 147 Abs. 2 BGB. Angemessen
sei eine Annahmefrist von maximal 6 Wochen, weshalb die An-
nahme der Beklagten rund 8 Wochen nach Beurkundung des Ange-
bots der Klägerin verspätet erfolgt sei. Die als neues Ange-
bot zu wertende verspätete Annahme habe die Klägerin -
zumindest formwirksam - nicht angenommen. Im Übrigen sei
der Vertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten
worden. Die Beklagte habe die Klägerin über den Bautenstand
getäuscht und über die mit dem Wohnungskauf und der Vollfi-
nanzierung verbundenen finanziellen Auswirkungen weder voll-
ständig noch richtig aufgeklärt. Die Rückzahlung des Kauf-
preises könne nur Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungs-
vormerkung und auch Lastenfreistellung erfolgen.
Hiergegen richtet sich die am 18.03.2003 eingelegte und -
nach entsprechender Fristverlängerung - am 25.04.2003 be-
gründete Berufung der Beklagten. Sie rügt - unter Wiederho-
lung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens -
eine Rechtsverletzung und unzureichende sowie fehlerhafte
Tatsachenfeststellung. Die Interessenabwägung unter Berück-
sichtigung der wechselseitigen Interessen der Vertragspart-
ner führe zu einer Angemessenheit der streitigen Annahme-
frist. Das Landgericht habe das Beweisangebot hierfür über-
gangen. Der Vertrag sei auch nicht wirksam angefochten wor-
den, weil eine Täuschungsabsicht der Beklagten weder behaup-
tet noch vom Gericht festgestellt worden sei. Die Klägerin
sei auch vollständig und richtig aufgeklärt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 13.02.2003, Az.
11-O-6642/01, abzuändern und die Klage insgesamt abzu-
weisen. Hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2
ZPO zur neuen Entscheidung an das Landgericht Leipzig
zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens - die angefochtene Entschei-
dung und rügt den Vortrag der Beklagten teilweise als ver-
spätet.
Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Proto-
koll der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2003 Bezug genom-
men.
II.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1.
Die Berufung ist - insbesondere unter Berücksichtigung
der Zulässigkeitsvoraussetzung nach dem Zivilprozessre-
formgesetz - zulässig. Die Beklagte rügt eine Rechts-
verletzung und eine unzureichende Tatsachenfeststellung
unter Bezeichnung der Umstände und der konkreten An-
haltspunkte (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3
ZPO).
2.
Die Berufung ist indes unbegründet. Nach Auffassung des
Senats ist zwischen den Parteien kein wirksamer Vertrag
zustande gekommen.
2.1 Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetz-
buch und das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen in der bis zum 31.12.2001
geltenden
Fassung
Anwendung
(Art. 229
§ 5
Satz 1
EGBGB).
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2.2 Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Rückzahlung des ohne Rechtsgrund als Kaufpreis an die
Beklagte
gezahlten
Betrages
i.H.v.
79.355,75
Euro
(§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB).
Zwischen den Parteien ist kein wirksamer Kaufvertrag
zustande gekommen, weil die Beklagte das Angebot der
Klägerin vom 06.07.2000 nicht innerhalb der Frist des
§ 147 Abs. 2 BGB angenommen hat. Die Klägerin hat sich
in dem streitgegenständlichen Angebot in Teil A für die
Dauer von 10 Wochen an ihr Angebot gebunden, indem ein
Widerruf des Angebots nicht vor Ablauf von 10 Wochen
zulässig sein sollte. Danach wäre der Vertrag -
ausgehend von dem notariellen Kaufvertragsangebot vom
06.07.2000 - durch notariell beurkundete Annahmeerklä-
rung der Beklagten am 29.08.2000 zustande gekommen. Die
zitierte Klausel verstößt jedoch gegen § 10 Nr. 1 AGBG
und ist daher unwirksam. Diese Bestimmung, der im neuen
Recht § 308 Nr. 1 BGB entspricht, findet auf das
Schuldverhältnis der Parteien Anwendung (Art. 229 § 5
Satz 1 EGBGB).
a)
Bei den Vertragsbedingungen der Beklagten handelt
es sich - zwischen den Parteien unstreitig - um
für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Be-
dingungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG.
Die Vorschrift des § 10 Nr. 1 AGBG verbietet unan-
gemessene Annahmefristen, die sich der Verwender
in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehält.
Der Kunde soll nicht in seiner Dispositionsfrei-
heit beschränkt werden; er soll über das Zustande-
kommen des Vertrages nicht im Unklaren bleiben
(vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, Großkom-
mentar zum AGB-Gesetz, Bd. II, 2. Aufl., § 10
Nr. 1 Rdn. 2; MünchKommBGB-Basedow, 4. Aufl., § 10
Nr. 1 Rdn. 1; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl.,
§ 10 Nr. 1 Rdn. 1). Als Schutzvorschrift zugunsten
des Kunden erfasst § 10 Nr. 1 AGBG deshalb nur
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solche Fristen, die der Verwender als Empfänger
des Antrags dem Kunden als Antragenden setzt. So
liegt hier der Fall. Denn die Beklagte hat sich -
zwischen den Parteien unstreitig - als Verwender
die Annahmefrist gegenüber dem Angebot der Kläge-
rin gewähren lassen.
Die Geltung der AGB setzt grundsätzlich das Zu-
standekommen des Vertrages voraus. Das ist bei
Klauseln, die - wie vorliegend - die Frist zur An-
nahme regeln, noch nicht der Fall. Eine "Unterwer-
fung" des Kunden unter eine solche Klausel durch
Abschluss eines Vertrags mit dem Verwender liegt
deshalb
nicht
vor.
"Vertragsabschlussklauseln"
werden indes den Vertragsbedingungen gleichge-
stellt, weil es sich gleichfalls um vom Verwender
vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Solche
Klauseln sind - wie die Regelung des § 10 Nr. 1
AGBG zeigt - den Vertragsbedingungen gleichge-
stellt, denn anderenfalls hätte die Vorschrift
keinen Sinn. § 10 Nr. 1 AGBG erweitert somit den
Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AGBG (herrschende
Meinung: vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner,
a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 9; Wolf/Horn/Lindacher,
a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 6; Ulmer/Brandner/Hensen,
AGBG, 9. Aufl., § 10 Nr. 1 Rdn. 2; MünchKommBGB-
Basedow,
a.a.O.,
§ 10
Nr. 1
Rdn. 3;
Erman-
Hefermehl/Werner,
BGB,
10.
Aufl.,
§ 10
Nr. 1
Rdn. 2; Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1042).
Es wurden vorliegend auch die für die Anwendbar-
keit der Vertragsabschlussklausel besonderen Ein-
beziehungsvoraussetzungen des § 2 AGBG gewahrt.
Bei den Vertragsbedingungen der Beklagten handelt
es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen
vorformulierte
Bedingung
i.S.d.
§§ 1
Abs. 1
Satz 1, 24 a Nr. 2 AGBG. Da die Klägerin mit dem
Kauf private Zwecke verfolgte und die Ausnahmevor-
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schrift des § 24 Satz 1 AGBG demzufolge keine An-
wendung findet, ist die streitige Klausel an § 10
Nr. 1 AGBG zu messen.
b)
Für die Angemessenheit einer Fristbestimmung für
die Annahme eines Angebotes sind weder allein
§ 147 Abs. 2 BGB mit dem Erwartungshorizont des
Antragenden noch allein die Bedürfnisse des Anneh-
menden maßgebend. Die Unangemessenheit ist viel-
mehr durch Abwägung der beiderseitigen Interessen
nach denselben Kriterien zu ermitteln, die im Rah-
men des § 9 AGBG für die Beurteilung der unange-
messenen Benachteiligung des Vertragspartners An-
wendung finden (Soergel-Stein, BGB, 12. Aufl.,
§ 10 AGBG Rdn. 3; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O.,
§ 10 Nr. 1 Rdn. 10). Die Entscheidung erfordert
vielmehr eine wertende Abwägung der Interessen
beider Verhandlungspartner unter Berücksichtigung
der für den Vertragsgegenstand typischen Umstände
(vgl. BGH, NJW 2001, 303; BGH, NJW 1988, 2106;
BGH, NJW 1986, 1807). Unangemessenheit ist deshalb
anzunehmen, wenn die Interessen des Verwenders den
Wert der Interessen des Vertragspartners mehr als
nur geringfügig unterschreiten oder wenn die Dauer
der Frist erheblich länger ist als nach § 147
Abs. 2 BGB erforderlich und dafür keine anerken-
nenswerten
Interessen
des
Verwenders
sprechen
(vgl.
Wolf/Horn/Lindacher,
a.a.O.,
§ 10
Nr. 1
Rdn. 10; MünchKommBGB-Basedow, a.a.O., § 10 Nr. 1
AGBG Rdn. 5; BGH, NJW 1986, 1807). Dabei ist stets
den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angemes-
sen Rechnung zu tragen, zumal § 10 Nr. 1 AGBG als
typische Klausel mit Wertungsmöglichkeit verankert
wurde (vgl. Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner,
a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 11).
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c)
Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze
und in Übereinstimmung mit dem Landgericht ist die
vorliegende Annahmefrist von 10 Wochen nach Über-
zeugung des Senats unangemessen lang i.S.v. § 10
Nr. 1 AGBG. Bei dem Kauf einer Eigentumswohnung
verstößt eine Bindungsfrist von mehr als 4 Wochen
regelmäßig gegen § 10 Nr. 1 AGBG (vgl. Erman-
Hefermehl/Werner, a.a.O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdn. 5;
Löwe/Graf von Westphalen/Trinkner, a.a.O., § 10
Nr. 1
Rdn. 13;
Schlosser/Coester-Waltjen,
AGBG,
§ 10 Nr. 1 Rdn. 10; Walchshöfer, WM 1986, 1041;
Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 15).
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Beklagte
vorliegend die Finanzierung der Klägerin vermit-
teln sollte.
Ohne Erfolg macht die Beklagte einen Zeitraum von
insgesamt 4 Wochen geltend, in denen eine Prüfung,
Zusammenstellung und Aufbereitung der im Rahmen
der Verkaufsgespräche übergebenen Erklärungen und
Bescheinigungen sowie Vorabsprachen mit den in
Frage
kommenden
finanzierenden
Kreditinstituten
notwendig gewesen sein sollen. Denn nach den eige-
nen Einlassungen der Beklagten und ausweislich der
Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen
H und N ist die Finanzierung bereits
Gegenstand des ersten Verkaufsgespräches gewesen.
Es wurde anhand der Unterlagen der Klägerin und
insbesondere einer Selbstauskunft eine Berechnung
erstellt. Auf der Grundlage einer EDV-Berechnung
wurde der Finanzierungsverlauf über 10 Jahre im
Rahmen eines Zweitgesprächs dargelegt. Diese Be-
rechnung hat gerade dazu gedient, das Kaufinteres-
se der Klägerin zu wecken. Umstände, die - über
den Normalfall hinausgehend - eine nochmalige Prü-
fung, Zusammenstellung und Aufbereitung der über-
gebenen Unterlagen für den Zeitraum von zwei Wo-
chen erfordert hätten, sind für den Senat nicht
ersichtlich und von der Beklagten auch nicht zwin-
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gend dargetan. Der Senat hält lediglich Vorabspra-
chen mit den in Frage kommenden finanzierenden
Kreditinstituten für notwendig, wobei freilich ei-
ne Frist von einer Woche notwendig und auch ange-
messen ist.
Eine bankinterne Prüffrist von vier Wochen für die
Annahme eines Darlehensantrages ist nach Auffas-
sung des Senats zulässig, weil sachbedingt eine
gewisse Überlegungs- und Bearbeitungszeit, insbe-
sondere zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des An-
tragstellers, erforderlich ist (vgl. BGH, NJW
1988, 2106; BGH, NJW 1986, 1807; Löwe/Graf von
Westphalen/Trinkner, a.a.O., § 10 Nr. 1 Rdn. 13;
Erman-Hefermehl/Werner, a.a.O., § 10 Nr. 1 AGBG
Rdn. 5).
Nicht gefolgt werden kann hingegen dem Vortrag der
Beklagten, dass nach Rücklauf der Unterlagen und
Finanzierungszusage Verhandlungen und Koordinie-
rungen mit den bauausführenden Unternehmen wegen
der zu erbringenden Sanierungsleistungen notwendig
gewesen seien und diese Prüfung einen weiteren
Zeitraum von mindestens zwei Wochen in Anspruch
genommen habe. Für den Senat ist nicht ersicht-
lich, weshalb eine Abstimmung mit den bauausfüh-
renden Unternehmen während der - immerhin vier Wo-
chen dauernden - Prüffrist der Kreditinstitute
nicht möglich gewesen sein soll. Daneben ist zu
berücksichtigen, dass nach der eigenen Behauptung
der Beklagten zum 21.02.2000 bereits ein Fertig-
stellungsgrad von 75,3 % erreicht gewesen sein
soll und die Beklagte unter Ziffer 3 des Bauver-
trages einen Beginn der Ausführungsleistungen zum
01.08.2000 - mithin vor Ablauf der bankinternen
Prüffrist - zugesagt hat. Mag der Vortrag der Be-
klagten insoweit auch widersprüchlich sein, ist
gleichwohl davon auszugehen, dass Bauarbeiten be-
reits im Gange waren. Im Hinblick darauf ist eine
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angemessene Frist - insbesondere von zwei Wochen -
nicht zu begründen.
Einer Vernehmung des beklagtenseits benannten Zeu-
gen G zum Beweis dafür, dass ein Zeitraum
von 10 Wochen tatsächlich benötigt worden ist, hat
es nicht bedurft. Denn entscheidend ist allein, ob
die Frist von 10 Wochen üblich und angemessen ist
und nicht, ob die Beklagte diesen Zeitraum tat-
sächlich in Anspruch genommen hat.
d)
In Würdigung der Gesamtumstände hätte zur Überzeu-
gung des Senats eine kürzere Annahmefrist von ma-
ximal 6 Wochen bestimmt werden müssen. Die tat-
sächlich vorgesehene Annahmefrist von 10 Wochen
ist nach Auffassung des Senats unangemessen, weil
die Interessen der Beklagten den Wert der Interes-
sen der Klägerin mehr als nur geringfügig über-
schreiten und die Dauer der Frist erheblich länger
ist als nach § 147 Abs. 2 BGB erforderlich und da-
für keine anerkennenswerten Interessen des Verwen-
ders sprechen. In diesem Zusammenhang ist insbe-
sondere das Interesse des Käufers zu berücksichti-
gen, nach angemessener Zeit Klarheit über die An-
nahme seines Angebotes zu bekommen. Dies gilt etwa
auch für den Erwerb von Fertighäusern und Eigen-
tumswohnungen (vgl. Walchshöfer, WM 1986, 1044).
Dem Verwender ist insbesondere dann eine rasche
und zügige Bearbeitung zuzumuten, wenn er selbst -
wie vorliegend - einen raschen Geschäftsabschluss
erstrebt.
e)
An die Stelle der unwirksamen Annahmefristklausel
tritt gem. § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzliche Rege-
lung des § 147 BGB (vgl. Wolf/Horn/Lindacher,
a.a.O.,
§ 10
Nr. 1
Rdn. 23;
Erman-
Hefermehl/Werner, a.a.O., § 10 Nr. 1 AGBG Rdn. 4;
MünchKommBGB-Basedow,
a.a.O.,
§ 10
Nr. 1
AGBG
Rdn. 10; BGH, NJW 1986, 1807). Die Annahme des An-
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gebots durch die Beklagte am 29.08.2000 ist vor-
liegend verspätet erfolgt. Nach § 150 Abs. 1 BGB
gilt zwar die verspätete Annahme eines Antrags als
neuer Antrag. Das Landgericht führt indes zutref-
fend aus, dass eine Annahme - zumindest wirksam -
nicht erfolgt ist. Denn eine etwaige konkludente
Annahme der Klägerin durch Zahlung des Kaufpreises
hätte der - vorliegend unterbliebenen - notariel-
len Beurkundung bedurft. Die Verpflichtung zur
Veräußerung bzw. zum Erwerb von Wohnungs- und
Teileigentum ist unmittelbar gem. § 313 BGB beur-
kundungspflichtig. Daneben ist kraft der Sonder-
norm des § 4 Abs. 3 WEG auch eine Verpflichtung
zur Einräumung, zum Erwerb und zur Aufhebung von
Sondereigentum gem. § 313 BGB formbedürftig. Der
Vertrag wäre mithin gem. §§ 125, 128 BGB nichtig,
weil auch eine Heilung des Formmangels nach § 313
Satz 2 BGB nicht vorliegt.
2.3 Dahinstehen kann, ob die Klägerin den Vertrag - das
wirksame Zustandekommen unterstellt - wegen arglistiger
Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB wirksam angefochten
hat. Gleichwohl liegen nach Auffassung des Senats kon-
krete Anhaltspunkte vor, dass die Klägerin unrichtig
oder jedenfalls nicht vollständig aufgeklärt worden
ist. Denn ausweislich des Exposés ist die Beklagte ge-
genüber der Klägerin von einem Sanierungsbeginn zum
01.08.2000 und zu einem Sanierungsende am 30.12.2001
ausgegangen. Demgegenüber wird der voraussichtliche
Fertigstellungszeitpunkt nach § 3 Abs. 3 des Bauvertra-
ges auf den 30.07.2002 datiert. Hinzu kommt, dass im
Zeitpunkt
des
notariell
beurkundeten
Angebots
am
06.07.2000 ein einen Fertigstellungsgrad der Baumaßnah-
men von 75,3 % bestätigender Bautenstandsbericht vom
21.02.2000 vorgelegen hat, der der Klägerin im Zeit-
punkt der Angebotsabgabe offensichtlich noch nicht zu-
gänglich gemacht worden war. Für den Senat ist nicht
erkennbar, dass die Klägerin über die unterschiedlichen
Angaben
aufgeklärt
oder
unterrichtet
worden
ist.
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Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin - in
die Finanzierung einbezogene - Mieteinnahmen aus dem
gewerblichen Zwischenmietvertrag erst bei Zahlung des
gesamten Kaufpreises zugeflossen wären. Eine Berück-
sichtigung von Mieteinnahmen ab dem 01.08.2000 hätte
daher eine vollständige Kaufpreiszahlung durch die Klä-
gerin ohne entsprechende Gegenleistung der Beklagten
vorausgesetzt. Hierüber hätte eine Aufklärungspflicht
vor allem deshalb bestanden, weil es sich hierbei um
Umstände handelt, die für die Willensbildung der Kläge-
rin offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung ge-
wesen sind. Denn die steuerlichen Vergünstigungen sowie
die Mieteinnahmen sind wesentliches Motiv der Kaufent-
scheidung der Klägerin gewesen.
2.4 Die Klägerin kann daher Rückzahlung des Kaufpreises Zug
um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und
Lastenfreistellung der Beklagten im Hinblick auf die im
vorgenannten
Grundbuch
eingetragenen
Finanzierungs-
grundschulden verlangen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Ent-
scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens und die Beschwer
der Beklagten betragen jeweils 79.355,75 Euro.
IV.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543
Abs. 2 ZPO).