Urteil des OLG Dresden vom 21.12.2001

OLG Dresden: Vertragsrecht, Schlechterfüllung * Leistungsstörung, freier mitarbeiter, positive vertragsverletzung, strafbare handlung, verfügung, name, inhaber, abtretung, kaufpreis

Aktenzeichen: 11 U 2765/00
Vertragsrecht
- Schlechterfüllung
* Leistungsstörung
Leitsatz:
1.
Eine Scheinsozietät liegt vor, wenn der Briefkopf die
beschäftigten
Anwälte
ohne
einschränkenden
Zusatz
aufführt,
das
Kanzleischild
mehrere
Anwaltsnamen
aufführt, auch wenn ein Name besonders hervorgehoben
ist.
2.
Der
Scheinsozius
haftet
auch
für
vorsätzliche
Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages durch einen
anderen Scheinsozius, auch wenn dieses Verhalten
gleichzeitig eine Straftat ist.
Vorschriften:
§ 611 BGB
Suchbegriffe:
Anwaltshaftung
Scheinsozietät
Delikt
2
³ ³
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 11 U 2765/00
13-O-2332/00 LG Dresden
Verkündet am 21.12.2001
Die Urkundsbeamtin:
Justizsekretärin z.A.
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
1.
R.K. ,
,
01465 Liegau-Augustusbad
2.
A.K. ,
,
01465 Liegau-Augustusbad
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter zu 1) 2): Rechtsanwalt
,
,
09599 Freiberg
gegen
RA J.O. ,
,
01189 Dresden
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte & Part
ner,
,
01157 Dresden
3
Rechtsanwältin I.K. ,
,
01109 Dresden
- Streitverkündete, beizutreten auf Beklagtenseite -
Rechtsanwältin Dr. M.P. ,
,
01109 Dresden
- Streitverkündete, beizutreten auf Beklagtenseite -
Rechtsanwalt J.K. ,
,
01189 Dresden
- Streitverkündeter, beizutreten auf Beklagtenseite -
Rechtsanwalt J.K. ,
,
34414 Wartburg
- Streitverkündeter, beizutreten auf Beklagtenseite -
Rechtsanwalt M.E. ,
,
01099 Dresden
- Streitverkündeter, beizutreten auf Beklagtenseite -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte & Partner
,
01099 Dresden
Rechtsanwalt H.S. ,
,
01277 Dresden
- Streitverkündeter, beizutreten auf Beklagtenseite -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. jur. ,
,
01277 Dresden
S. AG,
vertr. d. d. Vorstand, die Herren u.a.,
,
70376 Stuttgart
- Streitverkündete, beizutreten auf Beklagtenseite -
wegen Forderung
4
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2001 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Landgericht und
Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
1. Das
Versäumnisurteil
vom
05.09.2001
wird
aufrechterhalten.
2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der
Beklagte
kann
die
Vollstreckung
durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 168.000,00 DM abwenden,
wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit
leisten.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung
auch durch eine selbstschuldnerische, unbefristete und
unbedingte Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank
oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
4. Die Beschwer des Beklagten, zugleich der Streitwert des
Berufungsverfahrens, ist 135.000,00 DM.
T a t b e s t a n d :
Die
Kläger
machen
gegen
den
Beklagten
einen
Schadensersatzanspruch
in
Höhe
von
135.000,00 DM
aus
anwaltlicher Pflichtverletzung geltend.
Die Kläger erteilten nach einem Gespräch mit Rechtsanwalt
W.M.
im
Mai
1996
der
"Rechtsanwaltskanzlei
M. " den Auftrag, sie in einem Restitutionsverfahren
über ein Grundstück sowie bei einem damit zusammenhängenden
Grundstückskauf
zu
vertreten.
Der
Kläger
zu
1)
unterzeichnete
am
13.05.1996
ein
standardisiertes
Vollmachtsformular, in dessen Kopf "Rechtsanwaltskanzlei
5
W.M. " steht (Anlage K 6). Ob die Klägerin zu 2)
eine gleichlautende Vollmacht unterschrieben hat, ist
umstritten.
Rechtsanwalt M. bedankte sich mit Schreiben vom
17.05.1996 (Anlage K 1) für die Erteilung des Mandates. Der
Briefkopf
ist
überschrieben
mit
"Rechtsanwaltskanzlei
M. "
und
nennt
darunterstehend
Rechtsanwalt
W.M. und weitere drei Rechtsanwälte, u. a. auch
den Beklagten. Rechtsanwalt W.M. steht voran.
Drucktechnisch
sind
alle
Rechtsanwälte
in
gleicher
Schriftgröße, ohne weitere Zusätze, aufgeführt.
Nach erfolgreichen Verhandlungen über den Grundstückskauf
überwiesen die Kläger im Jahre 1996 den Kaufpreis von
insgesamt 135.000,00 DM in Teilbeträgen auf das Konto,
welches auf den Briefköpfen der Rechtsanwaltskanzlei M.
angegeben gewesen ist. 135.000,00 DM wurden dem betreffenden
Konto gutgeschrieben. Der Kaufpreis wurde aber nicht
weitergeleitet. Dessen Verbleib ist bislang nicht geklärt.
In diesem Zusammenhang ist derzeit gegen W.M. vor
dem Amtsgericht Dresden ein Strafverfahren anhängig.
Am 20.10.1999 ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
über das Vermögen von W.M. mangels Masse abgelehnt
worden.
Die Kläger haben vorgetragen:
Der
Beklagte
sei
von
Beginn
an
Sozius
der
Rechtsanwaltskanzlei M. gewesen. Selbst wenn dies nicht
zutreffen würde, hafte er nach den Grundsätzen der
Rechtsscheinsozietät, weshalb er sich so behandeln lassen
müsse, als ob er selbst Sozius gewesen wäre. Haftungsgrund
sei
eine
Verletzung
des
Treuhandauftrages
durch
W.M. .
Unzutreffend sei, dass der Beklagte auf den Zahlungsverkehr
keinen Einfluss gehabt habe.
Rechtsanwalt M. habe nicht rein deliktisch gehandelt,
sondern vielmehr beruhe die Schädigung der Kläger auf der
Verletzung
des
mit
der
Sozietät
abgeschlossenen
6
Treuhandauftrages,
demzufolge
auf
einer
Verletzung
vertraglicher Pflichten.
Ein Einzelauftrag an Rechtsanwalt M. sei nicht erteilt
worden. Schließlich hätten auch andere Rechtsanwälte der
Kanzlei Schriftsätze unterzeichnet und an Terminen bei
Gericht teilgenommen.
Der Beklagte hat vorgetragen, er sei nicht Sozius der
Kanzlei, sondern sei in der Zeit von Mai 1995 bis August
1998 als freier Mitarbeiter für die Rechtsanwaltskanzlei
M. tätig gewesen. Rechtsanwalt M. sei alleiniger
Inhaber der Kanzlei gewesen. Er und andere Anwälte hätten
keinen Einfluss auf die Führung der Kanzlei und den
Zahlungsverkehr gehabt. Die Kläger hätten Herrn M.
offenbar persönlich beauftragt. Auch fehle im Briefkopf
jeglicher Zusatz, der auf eine Partnerschaft hindeute.
Der Beklagte hat im weiteren die Aktivlegitimation der
Kläger bestritten. Auch deren Tochter habe einen bestimmten
Betrag zum Kaufpreis von 135.000,00 DM beigesteuert. Die
Kläger und deren Tochter seien daher in einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts verbunden. Schließlich hätten sie selbst
dargetan, dass eine Mandatierung ihrerseits und durch die
Tochter erfolgt sei.
Das Landgericht hat die Klage mangels Aktivlegitimation der
Kläger abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Entscheidungsgründe des Urteils vom 26.09.2000 (Bl. 86-88 d.
A.) verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie
vortragen,
ihre
Tochter
stehe
nicht
in
Forderungsgemeinschaft
zu
ihnen.
Zur
Erfüllung
der
Kaufpreisverpflichtung von 135.000,00 DM habe diese ihnen
15.000,00 DM schenkungsweise zur Verfügung gestellt. Die
Einzahlung sei für die Kläger erfolgt, ohne selbst eine
Treuhandabrede mit Rechtsanwalt M. getroffen zu haben.
Zudem habe sie durch Abtretungsvereinbarung vom 17.11.2000
(Bl. 124 d. A.) denkbare Ansprüche gegen W.M. oder
7
den Beklagten an die Kläger abgetreten, hilfsweise diese
ermächtigt, den gesamten Rückzahlungsanspruch im eigenen
Namen geltend zu machen.
Im Übrigen haben die Kläger auf ihr erstinstanzliches
Vorbringen Bezug genommen.
Die Kläger haben zunächst beantragt,
unter Aufhebung des vorgerichtlichen Urteils zu
erkennen:
Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die
Berufungskläger als Gesamtgläubiger 135.000,00 DM
nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
Zug um Zug gegen Abtretung der von den Berufungs-
klägern gegen Herrn W.M. zustehenden An-
sprüche wegen des abhandengekommenen Fremdgeldes.
Der Beklagte hatte zunächst beantragt,
die Berufung zu verwerfen,
hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Berufung sei unzulässig, da die
Berufungsbegründung nicht ausreichend sei. Die Kläger hätten
sich nicht im erforderlichen Umfang mit dem Urteil
auseinandergesetzt.
Im Übrigen habe ausweislich der vorgelegten Vollmacht allein
der Kläger zu 1) das Mandat erteilt.
Im Übrigen wird das erstinstanzliche Vorbringen vertieft.
Im Senatstermin vom 05.09.2001 erging gegen den Beklagten,
entsprechend dem Antrag der Kläger, ein Versäumnisurteil.
8
Hiergegen richtet sich der Einspruch des Beklagten, mit dem
er beantragt:
Das Versäumnisurteil vom 05.09.2001 wird aufgehoben,
die Klage sowie die Berufung werden zurückgewiesen.
Der Beklagte wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Er
bestreitet im Übrigen, dass es ein gemeinsames Kanzleischild
gegeben habe. Auch sei die Kanzleiorganisation nicht so
ausgestaltet gewesen, dass sich für einen Außenstehenden ein
Anhaltspunkt
dafür
ergeben
habe,
die
juristischen
Mitarbeiter
seien
Partner
bzw.
Kanzleimitinhaber
von
Rechtsanwalt M. .
Rechtsanwalt M. sei von dem Kläger mit dem Erwerb eines
Grundstücks
beauftragt
gewesen,
worin
keine
typische
Anwaltstätigkeit zu sehen sei. Behauptet werde zudem, dass
zwischen
den
Klägern
und
Rechtsanwalt
M.
bei
Vertragsabschluss klar gewesen sei, dass ein Vertrag nur
zwischen ihnen geschlossen werde.
Die Kläger haben beantragt,
das Versäumnisurteil vom 05.09.2001 im vollen Umfang
aufrechtzuerhalten.
Sie behaupten, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor
dem Eingang der Kanzlei in der -Straße 13 in
Dresden
eine
Schrifttafel
mit
der
Aufschrift
"Rechtsanwaltskanzlei M. " sowie darunter der Name von
Rechtsanwalt M. und noch mindestens die Namen von
weiteren
drei
Rechtsanwälten
bzw.
Rechtsanwältinnen
verzeichnet gewesen seien.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen
W.M. . Wegen dessen Zeugenaussage wird auf das
Sitzungsprotokoll vom 28.11.2001 (Bl. 185-195 d. A.) Bezug
genommen.
9
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Der Einspruch ist form- und fristgerecht eingelegt und damit
zulässig.
Auch die Berufung ist zulässig gewesen. Insbesondere ist die
Begründung gemäß § 519 III Nr. 2 ZPO ausreichend. Die Kläger
haben das erstinstanzliche Urteil angegriffen. Sie haben
gerügt, dass keine Forderungsgemeinschaft zwischen ihnen und
ihrer Tochter bestand, vielmehr diese ihnen lediglich
15.000,00 DM zur Verfügung gestellt habe. Sie haben weiter
ausgeführt,
dass
eine
Abtretung
in
der
mündlichen
Verhandlung vorsorglich vorgelegt werde. Damit wurden neue
Tatsachen vorgetragen, die eine abweichende Bewertung
zulassen.
Die Berufungsbegründung ist zwar knapp gehalten, jedoch
ausreichend. Die Begründung muss nur erkennen lassen, aus
welchen Gründen das Ersturteil in rechtlicher und/oder
tatsächlicher
Hinsicht
unrichtig
sein
soll.
Weder
Schlüssigkeit noch auch nur Vertretbarkeit der Begründung
sind Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. Zöller, 21. Aufl., §
519 Rdn. 33, 34).
II.
Die Berufung ist auch begründet.
1. Die Kläger sind aktivlegitimiert. Unstreitig hat die
Tochter
der
Kläger
diesen
einen
Geldbetrag
von
15.000,00 DM
zur
Zahlung
des
Kaufpreises
von
135.000,00 DM für den Grundstückskauf zur Verfügung
gestellt. Dies geschah schenkungsweise, wenn man der
Vereinbarung vom 17.11.2000 glauben soll.
Letztlich kann aber dahinstehen, aus welchem Grund die
Tochter den Klägern mit 15.000,00 DM aushalf (Darlehen,
Schenkung, eigene Beteiligung am Grundstückskauf), denn
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nach der vorgelegten Vereinbarung vom 17.11.2000 hat Frau
M. alle denkbaren Ansprüche, insbesondere diejenigen
auf Rückzahlung der 15.000,00 DM oder Schadensersatz
gegen
Rechtsanwalt
W.M.
oder
gegen
den
Beklagten an die Kläger wirksam abgetreten. Hilfsweise
wurden die Kläger darüber hinaus zur Prozessführung im
eigenen Namen ermächtigt und Einziehungsbefugnis erteilt.
2. Der Beklagte haftet aus positiver Vertragsverletzung des
Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß den §§ 675, 421 BGB.
a) Unstreitig hat Rechtsanwalt M. einen Betrag von
135.000,00 DM, den ihm die Kläger auf das im Briefkopf
der Anwaltskanzlei bezeichnete Konto überwiesen haben,
nicht an den Gläubiger (Verkäufer) weitergeleitet.
Dieser befindet sich auch nicht mehr zur freien
Verfügung auf dem Kanzleikonto. Eine Rückzahlung an
die Kläger ist gleichfalls nicht erfolgt.
Damit liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens
des Rechtsanwalts M. bei der treuhänderischen
Verwaltung von Mandantengeldern vor. Darüber, ob er
sich auch den Vorwurf der Untreue gefallen lassen
muss, befindet derzeit das AG Dresden.
b) Der Beklagte haftet für die von Rechtsanwalt M.
begangene Pflichtverletzung.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist anerkannt,
dass beim Gesamtmandat sämtliche Mitglieder einer
Sozietät
als
Gesamtschuldner
auf
Schadensersatz
haften, wenn ein Sozietätsmitglied dem Mandanten
gegenüber eine zum Schadensersatz verpflichtende
Handlung
begangen
hat
(vgl.
auch
Vollkommer,
Anwaltshaftungsrecht, S. 30).
Wer
einen
einer
Anwaltssozietät
angehörenden
Rechtsanwalt
beauftragt,
der
schließt
den
Anwaltsvertrag
im
Zweifel
nicht
nur
mit
dem
Rechtsanwalt ab, der seine Sache bearbeitet, sondern
mit allen der Sozietät angehörenden Anwälten (BGHZ
11
56, 355 ff.; BGH, VersR 1971, 1119 f.; VersR 1973,
231 ff.).
Im vorliegenden Fall war der Beklagte zwar nicht
Sozius der Kanzlei M. , sondern lediglich freier
Mitarbeiter. Dies hat er bewiesen durch Vorlage des
Mitarbeitervertrages vom 02.05.1995. Ob er freier
Mitarbeiter oder angestellter Rechtsanwalt war, kann
dahinstehen. Jedenfalls lässt sich dem Vertrag nicht
entnehmen, dass der Beklagte Sozius gewesen ist.
bb) Dennoch haftet der Beklagte nach den Grundsätzen der
Scheinsozietät.
Die für die Haftung eines einer Anwaltssozietät
angehörenden Rechtsanwalts geltenden Rechtsgrundsätze
sind auch dann anzuwenden, wenn die Anwälte nur nach
außen hin den Anschein erweckt haben, zwischen ihnen
bestehe eine Sozietät (BGHZ 70, 247 ff.; BGH NJW
1999, 3040 ff.).
Eine Haftung tritt insbesondere dann ein, wenn die
Anwälte
nach
außen
durch
ein
gemeinsames
Praxisschild, Briefbögen, Stempel o. ä. den Anschein
einer Sozietät erwecken, in Wirklichkeit sich aber
nur zu einer Bürogemeinschaft verbunden haben oder
ein Anstellungsverhältnis besteht. In einem solchen
Fall erscheinen alle Anwälte als Mitglieder der
Sozietät. Sie erzeugen gegenüber dem Rechtsverkehr
den Anschein, dass der handelnde Anwalt sie sämtlich
vertritt. An diesem von ihnen gesetzten Rechtsschein
müssen sich deshalb alle Anwälte festhalten lassen.
Das ergibt sich aus den Grundsätzen zur Duldungs- und
Anscheinsvollmacht (BGHZ 70, 247 ff.).
Nach außen wurde vorliegend der Anschein einer
Sozietät erweckt.
Im vorliegenden Fall trug die Kanzlei den Namen
"Rechtsanwaltskanzlei M. ". Dieser Name war auf
ein gemeinsames Praxisschild geprägt, das sich am
Hauseingang des Bürohauses befand. Das ist bewiesen
durch die von den Klägern vorgelegten Lichtbilder des
12
Kanzleischildes,
welche
noch
als
Umrisse
die
inzwischen gelöschten Namen erkennen lassen, als auch
durch das Schreiben der Firma K. nebst Druckmuster
vom 15.02.1995. Auch der Zeuge M. hat das
Vorhandensein eines solchen Kanzleischildes glaubhaft
bestätigt. Danach steht auch fest, dass auf dem
Kanzleischild nicht nur Rechtsanwalt M. , sondern
auch die übrigen beschäftigten Rechtsanwälte - so
auch der Beklagte - mit ihren Namen vermerkt waren.
Die Briefköpfe der Kanzlei vom Mai 1996 waren
gleichfalls so gestaltet. Jedenfalls enthielten sie
unter der Überschrift "Rechtsanwaltskanzlei M. "
in
gleicher
Schriftgröße
und
ohne
weiterer
Hervorhebung
des
voranstehenden
Rechtsanwalts
W.M. drei weitere Anwälte, so auch den
Beklagten. Sowohl das Kanzleischild als auch der
Briefkopf enthalten keinen Hinweis darauf, ob es sich
um Sozien gehandelt hat oder nicht.
Auch der Name "Rechtsanwaltskanzlei W.M. "
lässt nach außen eher den Schluss zu, dass es sich um
eine Sozietät handelt. Aus dem Fehlen des Zusatzes "&
Kollegen" oder einem ähnlichen Hinweis auf das
Bestehen
einer
Gesellschaft
bürgerlichen
Rechts
können Dritte oder der Mandant nicht schließen, dass
es sich insoweit nur um einen Inhaber der Kanzlei
handelt, während die anderen Rechtsanwälte lediglich
angestellt sind. Dass die Kläger auch durch den
Begriff "Kanzlei" zu dem Eindruck gelangten, hier
seien mehrere gleichberechtigte Anwälte tätig, hat
der Kläger zu 1) anlässlich seiner persönlichen
Anhörung
im
Senatstermin
nachvollziehbar
wiedergegeben. Diesen Eindruck haben offensichtlich
auch andere Rechtsanwälte gewonnen. So adressierten
die Rechtsanwälte F. ihr Schreiben vom
14.07.1997
an
die
Rechtsanwälte
M. ,
O. K. .
13
Es ist auch nicht unüblich, beim Bestehen einer
Sozietät lediglich einen oder mehrere Namen in der
Kanzleibezeichnung aufzuführen, ohne dass damit zum
Ausdruck
gebracht
wird,
dass
lediglich
der
Namensgeber der Kanzleisozius bzw. Inhaber der
Kanzlei ist.
cc) Grundsätzlich ist anzunehmen, dass der Mandant, der
eine Anwaltssozietät (auch Scheinsozietät) aufsucht
und einen Auftrag erteilt, das Mandat allen ihm als
Mitglieder dieser Sozietät erscheinenden Anwälte
übertragen will, weil er in der Regel die Vorteile
eines Vertrages mit allen Sozietätsanwälten auch dann
nutzen will, wenn er weiß oder Wert darauf legt, dass
nur ein bestimmtes Mitglied der Sozietät seine Sache
bearbeitet (vgl. BGH NJW 1999, 3040 ff.). Der
Beklagte muss deshalb die von ihm behauptete
Einzelmandatierung beweisen.
Diesen Beweis hat er nicht geführt.
Der Kläger zu 1) hat bei seiner persönlichen
Befragung
glaubhaft
wiedergegeben,
dass
ihn
Rechtsanwalt
W.M.
im
ersten
Mandantengespräch darauf hingewiesen hatte, dass
möglicherweise den Auftrag auch andere Anwälte der
Kanzlei bearbeiten würden. Der Zeuge M. hat das
bestätigt. Er gab an, dass das ganze Mandat,
betreffend das Grundstück, ein Kanzleimandat gewesen
sei. Dies habe den Restitutionsanspruch und dann
später auch den Kauf desselben betroffen.
Auch die tatsächliche Übung beweist in der Sache das
Tätigwerden
mehrerer
Anwälte.
Zumindestens
im
Restitutionsverfahren
vor
dem
Verwaltungsgericht
wurde neben Rechtsanwalt M. auch Rechtsanwalt
S. tätig.
Aus der vorgelegten Vollmacht des Klägers zu 1) vom
13.05.1996
lässt
sich
eine
Einzelmandatierung
gleichfalls
nicht
ableiten.
Die
Vollmacht
ist
14
überschrieben mit dem Namen "Rechtsanwaltskanzlei
W.M. " und damit nicht nur Rechtsanwalt
W.M. persönlich erteilt.
Ferner kann aus dem Inhalt einer Vollmacht, auch wenn
diese einem Anwalt einer Sozietät allein erteilt ist,
nicht
zwingend
auf
eine
Einzelmandatierung
geschlossen werden. In erster Linie dient die
Erteilung
der
Vollmacht
an
den
Anwalt
der
Legitimation nach außen.
Auch aus den übrigen Umständen kann nicht auf die
Erteilung eines Einzelmandates geschlossen werden.
Indizien für ein Einzelmandat sind die Beauftragung
in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
oder bei reinen Beratungsaufträgen. So kann ein
Einzelmandat vorliegen, wenn der Anwalt als Notanwalt
beigeordnet ist oder wenn überhaupt nur ein Anwalt
bei dem Gericht zugelassen ist, vor dem die Sache zu
verhandeln war (BGHZ 56, 355 ff.).
Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Kanzlei war
mit der Vertretung in dem Restitutionsverfahren sowie
mit einem damit zusammenhängenden Grundstückskauf
beauftragt.
Auch
ist
darin
keine
untypische
Anwaltstätigkeit zu sehen.
Ferner lassen sich aus dem Umstand, dass die Kanzlei
treuhänderisch den Grundstückskaufpreis verwaltete,
keine anderweitigen Schlussfolgerungen ziehen. Ein
Anwaltsvertrag kann auch anwaltsfremde Maßnahmen
umfassen, falls diese in einem engen inneren
Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht
stehen und auch Rechtsfragen aufwerfen können. Etwas
anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsbetreuung
völlig in den Hintergrund tritt und deswegen als
unwesentlich erscheint.
Lässt
die
Gesamtwürdigung
aller
Umstände
des
Einzelfalls nicht die Feststellung zu, ob ein
Anwaltsvertrag vorliegt oder nicht, so ist im Zweifel
anzunehmen, dass derjenige, der die Dienste eines
Rechtsanwalts in Anspruch nimmt, ihn auch in dieser
15
Eigenschaft beauftragen will, weil er erwartet, dass
der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit auch die
rechtlichen Interessen des Auftraggebers wahrnehmen
werde (BGH NJW 1999, 3040 ff.).
Bei
der
treuhänderischen
Verwaltung
des
Grundstückskaufpreises handelt es sich nicht um eine
anwaltsfremde Tätigkeit. Sie steht zum einen im
Zusammenhang mit der Rückübertragungsangelegenheit
und umfasst zum anderen auch anwaltliche Tätigkeiten.
In der Regel wird nämlich der Mandant ein Interesse
daran haben, dass ein Anwalt den Geldbetrag nur dann
weiterleitet, wenn die Voraussetzungen der Fälligkeit
des Grundstückskaufvertrages eingetreten sind. Diese
Überprüfung ist anwaltliche Tätigkeit, bei der der
Mandant davon ausgeht, dass ein Anwalt seine
rechtlichen Interessen vertreten wird.
dd) Für eine rein deliktische Tätigkeit würde der
Beklagte als Scheinsozius nicht haften. Jeder von
mehreren Rechtsanwälten, der Vertragspartner eines
Anwaltsvertrages
ist,
haftet
aber
auch
für
vorsätzliche Verletzungen des Anwaltsvertrages, die
der Sozius begeht, wenn die Vertragsverletzung
zugleich eine strafbare Handlung ist (BGHZ 70, 247
ff.). Bei der Pflichtverletzung von Rechtsanwalt
M. handelt es sich nicht um eine rein
deliktische Tätigkeit. Im vorliegenden Fall hat er
zwar möglicherweise das ihm treuhänderisch übergebene
Geld veruntreut (Delikt), aber dieses Delikt wäre
zugleich
auch
eine
vorsätzliche
positive
Vertragsverletzung des zugrunde liegenden Anwalts-
und Treuhandvertrages. In einem solchen Fall ist die
Haftung des Beklagten nicht ausgeschlossen. Der
Bundesgerichtshof
hat
entschieden,
dass
die
vertragliche Mithaftung aufgrund einer tatsächlichen
oder scheinbaren Sozietät sich auch darauf erstreckt,
dass
ein
Sozietätsanwalt
durch
vorsätzliche
16
Verletzung seiner Vertragspflichten Mandantengelder
beeinträchtigt (BGH NJW 1999, 3040 ff.).
Nach alledem haftet der Beklagte auf Schadensersatz in Höhe
von 135.000,00 DM nebst Zinsen. Der Zahlungsanspruch ist
entsprechend dem klägerischen Antrag Zug um Zug gegen
Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen Rechtsanwalt
M.
an
den
Beklagten
zu
beschränken.
Das
Versäumnisurteil
vom
05.09.2001
ist
deshalb
aufrechtzuerhalten.
III.
Der geltend gemachte Verzugszins in Höhe von 4 % ab Eintritt
der Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) ist begründet.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt gemäß § 91 ZPO
der unterliegende Beklagte.
Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO.