Urteil des OLG Dresden vom 13.03.2017

OLG Dresden: firma, wirtschaftliches interesse, geschäftsführer, komplementär, subunternehmer, gespräch, bestandteil, installation, stundung, lieferung

Leitsatz:
1. Wer
als
Nachtrag
abgerechnete
Leistungen
seines
Subunternehmers
dem
eigenen
Auftraggeber
gegenüber
abrechnet, billigt den Nachtrag.
2. Gehen Hauptauftragnehmer und Subunternehmer davon aus,
der Hauptauftraggeber sei wirtschaftlich gesund und
vereinbaren,
dass
der
Hauptauftragnehmer
den
Subunternehmer erst bezahlen muss, wenn er seinerseits
vom Hauptauftraggeber bezahlt werde, dann fällt mit der
Insolvenz des Hauptauftraggebers die Geschäftsgrundlage
für die Stundung weg.
3. Die Abrede wird so angepasst, dass Hauptauftragnehmer und
Subunternehmer sich den Ausfall teilen.
Suchbegriffe: Wegfall der Geschäftsgrundlage
Schuldanerkenntnis
deklaratorisch
Stundung
Nachtragsauftrag
Werkvertrag
Vorschriften: § 781 BGB
§ 201 S. 2 BGB (alt)
§ 2 Ziff. 6 Abs. 1 VOB/B
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³ ³
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 11 U 608/01
11-O-3719/00 LG Dresden
Verkündet am 13.02.2002
Die Urkundsbeamtin:
Justizsekretärin z.A.
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
KG,
,
01109 Dresden
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
,
,
01097 Dresden
gegen
GmbH & Co. KG,
vertr. d. d. Komplementärin, die GmbH,
d. v. d. d. GF,
,
01728 Kauscha
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ,
,
01309 Dresden
wegen Forderung
3
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2002 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Landgericht und
Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 31.01.2001, Az.: 11 O 3719/00,
abgeändert:
Die
Beklagte
wird
verurteilt,
an
die
Klägerin
6.125,90 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 03.08.2000 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung wird im Übrigen zurückgewiesen.
III. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die
Klägerin und die Beklagte zu je 1/2.
IV. Beschwer beider Parteien: unter 20.000,00 EUR.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1
ZPO verzichtet.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise
Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
hälftigen Ausgleich der ihr abgetretenen Werklohnforderung
nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
1. Zwar teilt der Senat den rechtlichen Ansatz des
Landgerichts dahingehend, dass die seitens der Klägerin
behaupteten mündlichen Nachtragsaufträge nicht in der
vertraglich
vorgesehenen
Schriftform
127
BGB)
geschlossen wurden und somit gemäß § 125 BGB nichtig
sind.
4
Die vertraglich vereinbarte Schriftform wurde auch nicht
nachträglich zwischen der Firma und der Beklagten
abbedungen. Dagegen spricht, dass die Firma und
die Beklagte zunächst so verfahren sind. Am 29.01.1998
wurde die Firma schriftlich von der Beklagten mit
der Herstellung der Lüftungsanlage für das Bistro des
streitgegenständlichen Vorhabens beauftragt (Bl. 65/66 d.
A.). Eine weitere schriftliche Vereinbarung über einen
zusätzlichen Auftrag für die Lieferung und für den Einbau
einer
Schmutzwasserpumpe
erfolgte
am
06.02.1998/06.05.1998.
Dass bei dieser vertraglichen Übung im engen zeitlichen
Zusammenhang am 07.05.1998 nunmehr das vereinbarte
Schriftformerfordernis für Nachträge nicht mehr gelten
sollte, ist nicht plausibel und auch nicht mit Zeitnot zu
erklären, da unstreitig der Zeuge seine teilweise
in
der
Aufstellung
vom
07.05.1998
aufgeführten
Nachtragsarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits erbracht
hatte.
Auch teilt der Senat die Überlegung des Landgerichts,
dass der Zeuge in seiner Vernehmung am 07.12.2000
(Bl. 113 d. A.) selbst bekundet hat, dass es seiner
Erinnerung
nach
für
alle
in
Frage
stehenden
Zusatzleistungen auch schriftliche Zusatzaufträge gegeben
habe, die von Herrn für die Beklagte erstellt
wurden und dann auch von Herrn bzw. Herrn ,
dem Geschäftsführer der Beklagten, unterschrieben worden
seien. Dass der Zeuge die in der Anlage K 2
erstellte
Liste
mit
Nachtragsarbeiten
nicht
als
schriftlichen Auftrag in diesem Sinne verstanden hat,
ergibt sich daraus, dass er nach Vorlage dieser Liste
bekundete, sich nicht erklären zu können, warum diese
außerhalb der schriftlichen Aufträge gefertigt worden
sei.
2. Der
Senat
vermag
auch
dem
auf
der
Liste
der
Nachtragsarbeiten
enthaltenen
Vermerk
"Absprache
am
07.05.1998 mit H. , Zahlung erst bei Erhalt von
" ein konstitutives Schuldanerkenntnis gemäß § 781
BGB, d. h. eine neue selbständige Verpflichtung der
Beklagten unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund (BGH
NJW 1995, 960), nicht zu entnehmen.
Aus der zeitlichen Einschränkung im Text - so auch
zutreffend das Landgericht - ergibt sich gerade, dass die
Erklärung kein eigenständiger selbständiger Schuldgrund
sein soll.
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3. Auch vermag der Senat dem Gespräch des Zeugen mit
dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, Herrn ,
vom 07.05.1998 kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis
der Beklagten entnehmen. Das Landgericht hat unter
Berücksichtigung der Zeugenaussagen und ,
die
übereinstimmend
bekundeten,
die
Bezahlung
der
Nachträge sei gegenüber dem Zeugen durchgängig
davon abhängig gemacht worden, dass die Bauherrin
GmbH ihrerseits die entsprechenden Maßnahmen
anerkenne und bezahle, eine Erklärung des Herrn , in
jedem Fall die Nachträge bezahlen zu können, zutreffend
verneint.
Dass eine derartige Anerkennung der Maßnahmen durch die
Bauherrin nicht erfolgt ist, ist zwischen den Parteien
unstreitig.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend den Schluss
gezogen, dass auch die sonstigen Umstände dagegen
sprechen,
die
Erklärung
vom
07.05.1998
als
Stundungsabrede im Hinblick auf ein jedenfalls später
ausdrücklich vom Geschäftsführer der Komplementärin der
Beklagten erklärtes Anerkenntnis anzusehen.
Die streitigen Nachtragsarbeiten wurden gerade nicht von
der Beklagten an die Firma herangetragen, sondern
von der Bauleiterin der Bauherrin, der Firma (für
die Positionen 1, 2, 4, 7 ausdrücklich festgehalten durch
Benennung der beauftragenden Personen der Firma ).
Da die nunmehr vom Zeugen in Rechnung gestellten
Nachtragsarbeiten weder Bestandteil seines Auftrages mit
der Beklagten, noch Bestandteil des Vertrages der
Beklagten mit der Bauherrin waren, kam aus Sicht des
Zeugen nur ein unmittelbarer Zahlungsanspruch
gegen
die
Bauherrin
oder
-
bei
entsprechender
eigenständiger Verpflichtung der Beklagten - gegen die
Beklagte in Betracht.
Insoweit durfte der Zeuge , der nach eigener
Bekundung für die jeweiligen Nachträge schriftliche
Aufträge erhielt, grundsätzlich die Bereitschaft der
Beklagten, die entsprechenden Forderungen gegenüber der
Bauherrin
durchzusetzen,
nicht
als
eigenständige
Verpflichtung der Beklagten, für diese einzustehen,
verstehen.
4. Auch
liegt
kein
deklaratorisches
Schuldanerkenntnis
aufgrund eines Gesprächs zwischen den Parteien am
18.05.2000 vor. Zwar haben der Komplementär der Klägerin
sowie sein Mitarbeiter erstinstanzlich
übereinstimmend bekundet, bei dem Gespräch vom 07.05.1998
zwischen Herrn und dem Geschäftsführer der
Komplementärin
der
Beklagten,
Herrn
,
seien
lediglich Fragen der Zahlungsmodalitäten offen gewesen;
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Herr habe ausdrücklich erklärt, Herr werde
sein Geld bekommen. Dieses steht aber im Widerspruch zur
Schilderung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH
der Beklagten, der bekundet hat, auch an diesem Tag seien
alle Zahlungen davon abhängig gemacht worden, ob und in
welchem Umfang die Beklagte ihrerseits Zahlungen von der
Bauherrin erhalten würde. Auch wenn seitens der Parteien
im Zusammenhang mit der Zahlung auch über das seitens der
Beklagten gegen die Bauherrin erwirkte Versäumnisurteil
vor dem Landgericht Stuttgart gesprochen wurde und der
Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten
die vergleichsweise Beilegung des Streits gegen Zahlung
eines Betrages in Höhe von 15.000,00 DM zum damaligen
Zeitpunkt anregte, ist dieses kein hinreichendes Indiz
für
ein
zuvor
erfolgtes
Anerkenntnis
der
Nachtragsforderungen der Klägerin dem Grunde nach.
5. Der Senat ist der Auffassung, dass hinsichtlich der
geltend gemachten Nachtragsarbeiten im Vertragsverhältnis
zwischen der Firma und der Beklagten die
Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzuwenden
sind.
So
wird
nach
ständiger
Rechtsprechung
die
Geschäftsgrundlage eines Vertrages durch die nicht zum
Vertragsinhalt erhobenen, aber beim Vertragsschluss zu
Tage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und
nicht von ihm beanstandeten Vorstellungen des einen
Vertragsteils
oder
durch
entsprechende
gemeinsame
Vorstellungen beider Vertragspartner, auf denen der
Geschäftswille aufbaut (BGHZ 131, 209 (214)), gebildet.
Geschäftsgrundlage des Zeugen und der Beklagten
am 07.05.1998 war, dass die Bauherrin, die Firma
GmbH, über ihren Bauleiter, die Firma ,
die in der Aufstellung des Zeugen vom 07.05.1998
im
einzelnen
aufgeführten
Nachtragsarbeiten
würde
bezahlen können.
Die Nichtleistungsfähigkeit der Firma GmbH
haben beide Parteien sich bei Prüfung der Liste des
Zeugen vom 07.05.1998 durch den Bauleiter der
Beklagten nicht vorgestellt.
Dass nicht nur der Zeuge , dem es um die Vergütung
seiner Nachtragsarbeiten ging, sondern auch die Beklagte
bei ihrer Vereinbarung mit dem Zeugen von der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bauherrin, der
Firma GmbH, ausgegangen sind, ergibt sich
vor
allem
daraus,
dass
die
Beklagte
die
streitgegenständlichen Nachtragsrechnungen des Zeugen
nicht nur durchgereicht, sondern unter ihrem
Briefkopf der Bauherrin ihrerseits in Rechnung gestellt
7
und hierbei gegenüber den Rechnungsbeträgen des Zeugen
noch einen Zuschlag kalkuliert hat.
Dies
führt
hier
zu
einer
Anpassung
unter
dem
Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Nur
soweit man die Beklagte und den Zeugen , bezogen
auf die streitgegenständlichen Nachtragsarbeiten des
Zeugen , als Risikogemeinschaft begreift, ist ein
tragbares, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin
unvereinbarendes Ergebnis zu vermeiden. Dass die Beklagte
auch selbst vom Bestehen dieser "Risikogemeinschaft"
ausgegangen ist, zeigt sich nicht nur daran, dass sie
aufgrund
ihres
kalkulierten
Aufschlages
ein
eigenständiges
wirtschaftliches
Interesse
an
der
Forderung hatte bzw. sie ausdrücklich im eigenen Namen
geltend gemacht hat, sondern letztlich auch daraus, dass
ihr Geschäftsführer im Rahmen der Verhandlungen mit der
Firma für den Fall der Realisierung von
Forderungen
gegenüber
der
GmbH
einen
vergleichsweisen Betrag in Höhe von ca. 15.000,00 DM in
Aussicht gestellt hat.
Der Senat hält eine Vertragsanpassung dergestalt für
angemessen, dass die Beklagte 50 % der Nachtragsforderung
des Zeugen für das Bauvorhaben der
GmbH trägt. Diese errechnen sich wie folgt:
2.277,60 DM netto (Erbringung zusätzlicher Montagear-
beiten, Februar 1998)
1.538,00 DM netto (Installation einer Müllraumentlüftung
für das BV)
5.600,00 DM netto (Installation von Deckenbrandschutz)
5.415,00 DM netto (Änderung für die innenliegende Dach-
entwässerung)
3.091,55 DM netto (Anpassungsarbeiten KW, BB, sowie den
Abfluss im Bistro)
955,54 DM netto (Lieferung von 60 m Kabel und Verlegen
auf Rohfußboden einschließlich Be-
festigungsmaterial)
202,54 DM netto (Mehrkosten Planungsänderung,
Mai 1998)
1.577,04 DM netto (zusätzliche Installationsarbeiten
Dachstuhlmontage, Trockenbauarbeiten
u. a.)
20.657,27 DM netto = 23.962,43 DM brutto
(zuzüglich 16 % MWSt)
Davon 50 % sind 11.981,22 DM, entsprechend 6.125,90 EUR.
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6. Die Zinsforderung beruht auf den §§ 291 BGB, 352 Abs. 1
HGB.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.