Urteil des OLG Dresden vom 15.11.2001

OLG Dresden: rechtskräftig) -, ordentliche kündigung, treu und glauben, politische partei, geschäftsbeziehung, fristlose kündigung, kündigung zur unzeit, wichtiger grund, klage auf künftige leistung

Oberlandesgericht Dresden, 7. Zivilsenat, Urt. v. 15.11. 2001 - 7 U 1956/01 (nicht
rechtskräftig) - Leitsätze -
1. Die ordentliche Kündigung eines Girovertrages durch eine Sparkasse allein wegen einer
politischen Betätigung des Kunden stellt eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB)
dar und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
2. Dies gilt auch, wenn der Kunde eine politische Partei ist. Art. 21 GG kommt jedenfalls
dann, wenn politische Parteien auf Gewährleistungen der Daseinsvorsorge angewiesen
sind, um ihre Aufgaben effektiv wahrnehmen zu können, eine Aus-strahlungswirkung auf
die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB zu.
3. Die verfassungsfeindliche Zielrichtung einer politischen Partei rechtfertigt aufgrund des
Parteienprivilegs (Art. 21 Abs. 2 GG) keine andere Beurteilung.
Aktenzeichen: 7 U 1956/01
Oberlandesgericht
8 O 2437/01 LG Leipzig
Dresden
verkündet am 15.11. 2001
Die Urkundsbeamtin
Schwarze
Justizobersekretärin
Im Namen des Volkes!
U R T E I L
In dem Rechtsstreit
N Partei
- Klägerin und Berufungsbeklagte -,
Prozessbevollmächtigter:
g e g e n
Sparkasse
- Beklagte und Berufungsklägerin -,
Prozessbevollmächtigter:
hat das Oberlandesgericht Dresden - 7. Zivilsenat -
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.10. 2001
durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Werber,
Richter am Oberlandesgericht Dr. Kazele und
Richter am Amtsgericht Alberts
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig, 8. Zivil-kammer,
vom 05.07. 2001 (Az.: 08 O 2437/01) abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Giro-
vertrag (Konto-Nr.) durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.08. 2000 und vom
26.09. 2000 sowie vom 27.09. 2000 nicht beendet worden und die Auflösung des Girokon-
tos rechtswidrig ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitslei-
stung in Höhe von 13.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Si-
cherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 1.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit in Form einer unwiderruflichen, unbe-fristeten
und unbedingten selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuer-bürgen zugelas-
senen inländischen Kreditinstituts zu erbringen.
Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf unter 60.000 DM, jene der Beklagte auf über
60.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Fortführung eines Girokontos, hilfsweise die Fest-
stellung, dass die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen des Konto-vertrages un-
wirksam sind.
Der Kläger, der Landesverband der N Partei, eröffnete bei der Beklagten, einer sächsischen
Sparkasse, am 23.03. 1999 ein Girokonto. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allge-
meinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage AG 2 in dem Rechtsstreit 7 U 1790/01
= Bl. 64 - 68 dieser Akte) enthalten u. a. folgende Regelungen:
„Nr. 1 - Grundlagen der Geschäftsbeziehung
(1) Geschäftsbeziehung als Vertrauensverhältnis
Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kunden und der Sparkasse ist durch
die Besonderheiten des Bankgeschäfts und ein besonderes Vertrauensverhält-
nis geprägt. Der Kunde kann sich darauf verlassen, daß die Sparkasse seine
Aufträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ausführt und das
Bankgeheimnis wahrt (...).
Nr. 26 - Kündigungsrecht
(1) Ordentliche Kündigung
Sowohl der Kunde als auch die Sparkasse können die gesamte Geschäftsbe-
ziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kün-
digungsfrist kündigen, soweit keine abweichenden Vorschriften oder ander-
weitigen Vereinbarungen dem entgegenstehen. Kündigt die Sparkasse, so wird
sie den berechtigten Belangen des Kunden angemessen Rechnung tragen, ins-
besondere nicht zur Unzeit kündigen.
(2) Kündigung aus wichtigem Grund
Ungeachtet anderweitiger Vereinbarungen können sowohl der Kunde als auch
die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige
jederzeit fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen
dem Kündigenden die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht zugemutet
werden kann. Dabei sind die berechtigten Belange des anderen Vertragspart-
ners zu berücksichtigen (...)“.
Am 21.08. 2000 kam in der ARD das Politmagazin „Report“ unter dem Titel „Rechtsextreme
- Geschäfte mit der N Partei“ zur Ausstrahlung. In der Anmoderation wurde nach dem Hin-
weis auf die Diskussion über die Erfolgsaussichten eines Verbotsantrages gegen die N Partei
geäußert, Banken, Verlage und Druckereien machten währenddessen „seelenruhig weiter Ge-
schäfte mit der N Partei. Wenn’s ums Geld geht, haben Prinzipien keine Konjunktur (...) über
Banken, die nichts dabei finden, sich eine braune Nase zu verdienen“. Berichtet wurde dann
zunächst über den Verkauf eines Hauses in Riesa an den die N Partei-Parteizeitung „Deutsche
Stimme“ herausgebenden Verlag durch die Volksbank Riesa, die auch die Finanzierung gesi-
chert und so die Entstehung eines bundesweiten Propagandazentrums ermöglicht habe mit Mu-
sikproduktion, Verlag und Versandhandel, dessen Katalog „Tausende Artikel für den stram-
men Nationalisten“ biete, „mit im Sortiment das rechtsterroristische Buch WERWOLF, eine
Anleitung für den Kleinkrieg mit Tipps für militärische Jagdeinheiten“. Nach Darstellung der
Kauf- und Kreditverhandlungen durch Befragung des stellvertretenden Landesvorsitzenden
der N PARTEI Sachsen folgten Interviewbeiträge von Politikern zum „Geschäft mit dem
Rechtsextremisten“. Anschließend wurden Bankverbindungen von N Partei-Organisationen
dargestellt mit dem Hinweis, dass auf den Konten „ganz ungeniert die Gelder für Aufmärsche
gegen das System gesammelt würden, und die weiteren Banken benannt wurde, die „keine
Berührungsängste mit Rechtsextremisten“ hätten, bevor die Kündigung einer Bankverbindung
der Deutschen Bank mit dem N Partei-Kreisverband Lübeck erwähnt wurde, die erfolgt sei,
„um ein demokratisches Zeichen zu setzen“. Schließlich wird der Präsident des Verfassungs-
schutzes Sachsen zur Frage interviewt, was ein Boykott der N Partei durch alle Deutschen
bewirken könnte. In der Antwort wird ein Vergleich zu einem Unternehmen gezogen und die
Einschätzung abgegeben, dass dieses am nächsten Tag pleite wäre.
Mit Schreiben vom 22.08. 2000 (Bl. 12 der Akten 7 U 1790/01) kündigte die Beklagte die
Geschäftsbeziehung mit dem Kläger unter Hinweis auf lfd. Nr. 26 (1) ihrer Allge-meinen Ge-
schäftsbedingungen. Ferner forderte sie den Kläger auf, ihr bis zum 15.09. 2000 eine neue
Bankverbindung mitzuteilen, auf die etwaige Guthaben überwiesen wer-den könnten.
Der Kläger widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 24.08. 2000 (Anlage BK 2 = Bl.
5 der beigezogenen Akte 7 U 2625/00) und wandte sich im Hinblick auf die Kündi-gung in ei-
nem als „Offenen Brief“ bezeichneten Schreiben vom 29.08. 2000 (Bl. 13 der Akten 7 U
1790/01) an die Beklagte, in dem u. a. folgendes ausgeführt wurde:
N PARTEI
bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt um eine nach dem sog. „Grundgesetz für die brd“
zugelassene Partei, die zudem vom brd-Staat Wahlkampfkostenrückerstattung er-
hält, wie andere Parteien auch.
Im Zeitraum der Geschäftsverbindung mit ihrem Haus gab es von unserer Seite her
keinerlei Unregelmäßigkeiten oder Beanstandungen. Um so unverständlicher er-
scheint uns die Kündigung der Bankverbindung von ihrer Seite, die nur im Rahmen
einer unglaublichen staatlich-medialen Hetz- und Verleumdungskampagne gegen
unsere Bewegung erfolgt. Bei der Kontenführung für andere politische Parteien
und Vereine scheint Ihr Unternehmen weniger von Bedenken getrieben zu sein.
Seien Sie abschließend versichert, daß wir diese Handlungsweise weder
ver-gessen, noch akzeptieren und mit juristischen Mitteln dagegen vorge-
hen wer-den.“
Am 11.09. 2000 beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher
der Beklagten die Fortführung des streitgegenständlichen Kontos bis zum Ab-schluss eines
Hauptsacheverfahrens geboten werden sollte. In einem anwaltlichen Schriftsatz des Klägers
vom 22.09. 2000 (Bl. 39f. der beigezogenen Akte 7 U 2625/00) ist u. a. folgendes ausgeführt
worden:
„ (...)
2. Die Kündigung ist unwirksam, weil sie vom Makel der Sittenwidrigkeit behaftet
ist (§ 138 BGB); sie verstößt darüber hinaus gegen die Schutzgesetze der §§ 823
Abs. 1 und Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 130, 241a, 187, 188, 240, 266 StGB, § 134
BGB. Sollte eine Verbindung der Antragsgegnerin zu „der Presse“ bestehen, wäre
auch § 111 StGB zu prüfen - nicht nur durch den Generalbundesanwalt, der seitens
der N PARTEI einschlägig eingeschaltet wurde.
(...)
Es muß daher als im höchsten Grade dubios im Sinne eines Angriffs auf die
Rechtsstaatlichkeit empfunden werden, daß der einzige Weg zum Parteienverbot
durch unlautere Machenschaften ersetzt werden soll. Als ein solches rechts- und
verfassungswidriges Mittel ist die Kontokündigung und damit die Abdrosselung der
Parteiarbeit aufzufassen. Und gerade das ist unabstreitbar hier gewollt!.
(...)“.
Mit Schriftsatz vom 26.09. 2000 (Bl. 55 der beigezogenen Akte 7 U 2625/00) sprachen die
Prozessbevollmächtigten der Beklagten unter Bezugnahme auf diesen Schriftsatz die fristlose
Kündigung der Geschäftsbeziehung zum Kläger aus. Mit Schreiben vom 27.09. 2000 wieder-
holten sie dies unter Vorlage einer Vollmacht.
Das Landgericht Leipzig hat mit Urteil vom 06.10. 2000 in dem Verfahren 8 O 7375/00 (Bl.
93 - 108 d. A. der beigezogenen Akte 7 U 2625/00) der Beklagten im Wege einer einstweili-
gen Verfügung geboten, das bei ihr unterhaltene Konto des Klägers ununter-brochen in bishe-
riger Weise für einen Zeitraum von 6 Monaten, beginnend ab Erlass des Urteils, fortzuführen.
Im Übrigen hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die
hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde im Rahmen des Termins zur mündlichen
Verhandlung vor dem Senat (Az.: 7 U 2625/00) zurückgenommen.
Am 09.04. 2001 stellte die Beklagte die Fortführung des streitgegenständlichen Kontos ein.
Unter dem 12.04. 2001 beantragte der Kläger nochmals den Erlass einer einstweiligen Verfü-
gung, mit dem der Beklagte die Fortführung des Kontos bis zum Abschluss des Hauptsache-
verfahrens geboten werden sollte. Diesem Antrag gab das Landgericht Leip-zig mit Beschluss
vom 18.04. 2001 in dem Verfahren 8 O 2826/01 statt.
Der N Partei-Kreisverband Pirna unterhält gegenwärtig noch ein Konto bei der Kreissparkas-
se Freital-Pirna sowie ein weiterer N Partei-Kreisverband bei der Sparkasse Löbau-Zittau.
Hinsichtlich eines weiteren Kontos bei der Stadtsparkasse Dresden verständigte sich der Klä-
ger im Rahmen eines Vergleiches auf eine Beendigung der Geschäftsbeziehung zum 31.03.
2001.
Der Kläger hat vorgetragen, durch die Kündigungen auf Schwerste geschädigt worden zu sein.
Er sei auf das Bestehen einer Bankverbindung angewiesen, da nahezu der gesamte Geldfluss
bargeldlos abgewickelt werde. In diesem Zusammenhang müsse be-rücksichtigt werden, dass
Kreditinstitute bundesweit mehr als 120 Kündigungen ausge-sprochen hätten. Es handele sich
um ein Vorgehen auf breiter Front. Dies zeigten auch die zahlreichen Versuche neue Konten zu
eröffnen. Sie seien allesamt gescheitert. Unter Berücksichtigung dieses Gesamtzusammenhan-
ges seien die von der Beklagten ausge-sprochenen Kündigungen unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, das bei ihr unterhaltene Konto des Klägers Nr.
ununterbrochen in bisheriger Weise fortzuführen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den Standpunkt bezogen, dass die von ihr erklärten Kündigungen wirksam seien. Zu-
nächst trage die Einräumung einer vierwöchigen Kündigungsfrist im Schreiben vom 22.08.
2000 den berechtigten Belangen des Klägers Rechnung. Von einer Kündigung zur Unzeit
könne nicht gesprochen werden. Der Kläger habe die Möglichkeit bei der Bundeszentralbank
bzw. der ihr untergeordneten Landeszentralbanken einen Girover-trag abzuschliessen. Zudem
gebe es die Möglichkeit, bei einer Online-Bank ein Konto zu eröffnen. Vor diesem Hinter-
grund sei es ihr möglich, sich im Wege der ordentlichen Kündigung von der Geschäftsbezie-
hung mit dem Kläger zu lösen. Die in den Medien aber auch im Zusammenhang mit dem Ver-
botsverfahren vor dem Bundesverfassungsge-richt bekannt gewordenen Aktivitäten der N
PARTEI machten es im Übrigen für sie unzumutbar, die Vertragsbeziehung mit dem Kläger
fortzusetzen. Diese seien ihr bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen. Jedenfalls aber sei die
außerordentliche Kündigung wirksam. Der offene Brief des Klägers vom 29.08. 2000 enthalte
eine Drohung. Hinzu komme, dass der Kläger sie grundlos der Begehung von Straftaten be-
zichtigt habe. Ab-gesehen davon, dass dies geeignet sei, ihren Ruf in erheblicher Weise zu be-
einträch-tigen, habe der Kläger in nachhaltiger Weise das Vertrauensverhältnis zerstört.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass
die ordentliche Kündigung vom 22.09. 2001 ebenso wie die außerordentliche Kündigung vom
26. bzw. 29.09. 2001 unwirksam sei. Der Vorwurf der verfassungs-widrigen politischen Ziel-
richtung des Klägers rechtfertige die Kündigung nicht. Poli-tischen Parteien komme durch Art.
21 GG ein besonderer Status zu, der auch im Privat-rechtsverkehr zu beachten sei. Angesichts
des Stellenwertes der Parteien im Verfas-sungsgefüge und dem Gebot der Chancengleichheit
müssten erwerbswirtschaftliche und ideelle Interessen der Beklagten, die ohnehin nicht konkret
dargelegt worden seien, zurücktreten, zumal es sich bei dieser um eine Anstalt öffentlichen
Rechts handele. Eine Partei könne ihre Aufgaben nicht mehr sachgerecht erfüllen, wenn sie
über kein Girokonto verfüge. Eine zumutbare Ausweichmöglichkeit auf andere Kreditinstitute
sei nicht gegeben. Auch ein Grund zur außerordentlichen Kündigung liege nicht vor. Der offene
Brief sei nicht so klar, dass darin eine unverhüllte Drohung zu erblicken sei. Das schriftsätzliche
Vorbringen, bei welchem auf die Verwirklichung von Straftatbeständen verwiesen worden sei,
sei durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung scheide
aus.
Die Beklagte hat gegen das am 09.07. 2001 zugestellte Urteil am 07.08. 2001 Berufung ein-
gelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 21.09. 2001 begründet.
Die Beklagte rügt zunächst einer fehlerhafte und unzureichende Abwägung der betrof-fenen
Interessen durch das Landgericht im Zusammenhang mit der Prüfung der Wirk-samkeit der
ordentlichen Kündigung. Sie habe am Tag nach der Ausstrahlung der Report-Sendung gekün-
digt. An diesem Tag habe nur noch die Sparkasse in Frank-furt/Oder eine Kündigung ausge-
sprochen, wovon sie damals keine Kenntnis gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei für sie nicht
erkennbar gewesen, dass weitere Kün-digungen folgen würden. Selbst nach der Sendung
hätten sich hierfür keine Anhalts-punkte ergeben. Eine Absprache zwischen den Kreditinstitu-
ten bezüglich der Kündi-gungen sei nicht erfolgt. Sie habe vielmehr autonom entschieden, die
Geschäftsbezie-hung mit dem Kläger zu beenden. Sie wolle mit einer Partei, die verfassungs-
widrige Ziele verfolge - diesbezüglich verweist sie auf den Inhalt des Verbotantrages der Bun-
desregierung vom 29.01. 2001 (Anlage BK 2) - und u. a. die Abschaffung der „kapitalisti-
schen Zinswirtschaft“ und die Anprangerung der „Zinsknechtschaft“ fordere, nichts zu tun ha-
ben. Von einer willkürlichen Kündigung könne keine Rede sein. Ein Giroverhältnis könne
grundsätzlich jederzeit ohne Angabe und ohne Vorhandensein von Gründen gekündigt wer-
den. Auch habe sie den berechtigten Interessen des Klägers Rechnung getragen. Maßgebend
seien insoweit die ihr zum Zeitpunkt der Kündigung bekannten Belange. Eine spätere nicht
prognostizierbare Entwicklung bleibe außer Betracht. Eine Fortführungspflicht komme zudem
nur zum Tragen, wenn der Kunde auf das Konto angewiesen sei, für ihn keine gleichwertige
Alternative bestehe und kein sachlicher Grund für die Kündigung gegeben sei. Diese Voraus-
setzungen habe der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Aus der Report-Sendung habe sich
für sie ergeben, dass der Kläger über diverse Konten verfüge und er auf das ihre nicht ange-
wiesen sei. Seine Bestätigung finde dies auch darin, dass der Kläger seit der Konto-Auflösung
am 06.04. 2001 seit fast einem halben Jahr ohne das Giro-Konto auskomme. Dies lege die
Vermutung nahe, dass es noch andere Konten des Klägers gebe. Diesbezüglich habe sich der
Beklagte nicht erklärt. Es werde auch bestritten, dass mehr als 120 Kündigungen von Bank-
verträgen erfolgt seien und es dem Kläger nicht gelungen sei, ein Ersatzkonto zu finden. Über-
dies stehe dem Kläger die Alternative offen, ein Konto bei der Landeszentralbank oder der
Bundesbank zu eröffnen. Hinzu trete die Möglichkeit des Online-Banking und zwar auch bei
einem Kreditinstitut außerhalb Deutschlands. Das Landgericht sei hier ohne hinreichende Fest-
stellungen davon ausgegangen, dass es keine Ausweichalternative gebe. Zudem verkenne die-
ses auch die Reichweite des Art. 21 Abs. 2 GG. Von einem widersprüchlichen Verhalten ih-
rerseits könne auch keine Rede sein. Zum Zeitpunkt der Begründung der Geschäftsbeziehung
mit dem Kläger habe sie nicht um das Ausmaß seiner Aktivitäten gewusst. Ansonsten wäre es
auch nicht zum Abschluss des Vertrages gekommen. Insoweit sei die ordentliche Kündigung
als wirksam anzusehen. Jedenfalls aber sei die außerordentliche Kündigung angesichts des In-
halts des offenen Briefes und des schriftsätzlichen Vorbringens des Klägers berechtigt. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung (Bl. 63 - 110 d. A.)
und des Inhalts des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 26.10. 2001 (Bl. 123 -132 d. A.)
sowie dem Inhalt des damit vorgelegten Verfassungsschutzberichts mit Stand vom 31.12.
2000 (Anlage BK 3) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 05.07. 2001 (Az.: 08 O 2437/01) aufzu-
heben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise mit der Maßgabe,
festzustellen, dass der zwischen ihm und der Beklagten bestehende Girovertrag
(Konto-Nr.) durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.08. 2000
und vom 26.09. 2000 sowie vom 27.09. 2000 nicht beendet worden und die
Auflösung des Girokontos rechtswidrig ist.
Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vor-trages
das landgerichtliche Urteil. Die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigun-gen seien un-
wirksam, da sie sitten- und treuwidrig seien. Sie seien zur Unzeit erfolgt, da es ihm unmöglich
gewesen sei, ein anderweitiges Konto einzurichten, wie seine diesbe-züglichen intensiven Be-
mühungen belegten. Eine Verpflichtung der Bundesbank bzw. der Landeszentralbanken, eine
Kontoverbindung bereit zu stellen, bestehe nicht. Auch bei einer Online-Bank sei im Übrigen
der Abschluss eines Vertrages erforderlich. Der Verweis auf seine politische Zielsetzung
rechtfertige keine Kündigung. Diese habe sich seit seiner Gründung und Zulassung als politi-
sche Partei nicht geändert. Sie sei auch der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
bekannt gewesen. Neu sei nunmehr lediglich, dass Verbotsanträge beim Bundesverfassungs-
gericht anhängig seien. Dies rechtfertige jedoch keine andere Betrachtungsweise. Solange eine
Partei nicht verboten sei, stehe ihr das Recht zu, sich gegenüber ihren Wählern, Sympathisan-
ten und sonstigen Bürgern so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspreche. Der
durch Art. 21 GG gewährleistete Verfassungsauftrag beinhalte die Möglichkeit, in einem vom
Staat unabhängigen, offenen politischen Prozess im Wettbewerb mit anderen Parteien auf die
Willensbildung des Volkes einzuwirken. Dabei komme dem in § 5 PartG und Art. 3 Abs. 3
GG statuierten Grundsatz der Gleichbehandlung wesentliche Bedeutung zu. Auch die Beklagte
habe sie als eine Partei wie jede andere zu behandeln. Soweit er mit deutschlandweiten Ge-
walttaten in Verbindung gebracht werde, geschehe dies zu Unrecht. Hier fehle es an substanti-
iertem Vortrag und jeglichen Beweisen. Den mit der Beklagten bestehenden Vertrag habe sie
nicht verletzt. Auch lägen keine Gründe vor, die eine fristlose Kündigung des Girovertrages
rechtfertigten. In dem offenen Brief sei eine Drohung nicht enthalten. Auch sonst gebe es we-
der unberechtigte Vorwürfe noch Beleidigungen oder Drohungen gegenüber der Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung (Bl. 112 - 119
d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat nur in einem untergeordneten Umfang Erfolg.
Gemäß dem im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat formulierten Hilfsantrag
des Klägers war festzustellen, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende
Girovertrag (Konto-Nr. ) durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.08. 2000 und vom
26.09. 2000 sowie vom 27.09. 2000 nicht beendet worden und die zwischenzeitliche Auflö-
sung des Girokontos rechtswidrig ist.
I.
Soweit der Kläger mit der Klage die Verurteilung der Beklagten zur ununterbrochenen Fort-
führung des streitgegenständlichen Kontos in der bisherigen Weise begehrt, hat die Klage
demgegenüber keinen Erfolg.
1. Zwar ist die Weiterführung des Kontos Bestandteil der Leistungspflicht, die die Be-klagte
nach dem Inhalt des Girovertrages zu erbringen hat. Daher steht dem Kläger auch ein An-
spruch auf Erbringung der Dienstleistungen zu, die die Abwicklung des Zah-lungsverkehrs
über dieses Konto ermöglichen. Die prozessualen Voraussetzungen der klageweise Geltung-
machung zukünftiger Leistungen sind jedoch vorliegend nicht ge-geben.
a) Zunächst sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 257, 258 ZPO nicht erfüllt. Eine
Klage auf künftige Leistung ermöglicht § 257 ZPO bei einer nicht von einer Ge-genleistung
abhängigen Geldforderung. Um eine solche aber geht es hier nicht. Auch um eine wiederkeh-
rende Leistung i. S. des § 258 ZPO handelt es sich vorliegend nicht. Wiederkehrende Leistun-
gen sind solche einseitigen Verpflichtungen, die sich in ihrer Gesamtheit als Folge eines und
desselben Rechtsverhältnisses ergeben, so dass die ein-zelne Leistung nur noch vom Zeitablauf
abhängig ist, ohne dass aber der Umfang der Schuld von vornherein feststeht (BGH, NJW
1986, 3142f., 3142; Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 11. Aufl., § 258 Anm. I 1). Nach ganz
überwiegender Ansicht ist der Girovertrag als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag anzu-
sehen (Schwintowski/Schäfer, Bank-recht, 1997, § 4 Rn. 10f.; Claussen, Bank- und Börsen-
recht, 2. Aufl., § 7 Rn. 12). Auf seiner Grundlage ist das Kreditinsititut verpflichtet, Überwei-
sungsaufträge auszuführen - sofern Deckung - vorhanden ist und eingehende Überweisungen
gutzuschreiben. Wei-tere Leistungselemente sind die Bindung des Kreditinstituts an Weisungen
des Kunden, die Pflicht zu jederzeitigen Auskunftserteilung und das Handeln des Kreditinstituts
in fremden Interesse. Auf Seiten des Kunden tritt die Pflicht zur Zahlung des für die Leistungs-
erbringung vereinbarten Entgelts hinzu. Unter Berücksichtigung dieser Struktur des Girovertra-
ges ist die Erbringung der Leistung der Beklagten keineswegs lediglich vom Zeitablauf abhän-
gig.
b) Auch die Voraussetzungen des § 259 ZPO sind nicht gegeben. Danach kann eine Klage
über §§ 257f. ZPO hinausgehend auf Leistungen aller Art gerichtet sein, auch wenn sie von ei-
ner Gegenleistung abhängen. Erforderlich ist jedoch, dass die Besorgnis vorliegt, der Schuld-
ner werde bei Fälligkeit nicht leisten. Im vorliegenden Fall geht der Streit jedoch darum, ob
der Girovertrag durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.08. 2000 sowie vom 26. bzw.
27.09. 2000 beendet wurde. In dieser Hinsicht ist die Feststellungsklage das zutreffende pro-
zessuale Mittel, während von der Beklagten bei rechtskräftiger Klärung dieser streitigen Frage
die Besorgnis der Nicht-Erfüllung der aus dem Girovertrag folgenden Verpflichtungen nicht zu
erwarten steht.
2. Vor diesem Hintergrund ist das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für
den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag gegeben. Dies gilt nicht nur in Hin-blick auf die
Beendigung des Vertragsverhältnisses durch die streitgegenständlichen Kündigungen, sondern
auch in Bezug auf den begehrten Ausspruch der Rechtswidrig-keit der zwischenzeitlich erfolg-
ten Kontenauflösung. Letzteres ist für die Frage des Bestehens von Schadensersatzansprüchen
von Belang.
II.
Zunächst ist die von der Beklagten am 22.08. 2000 ausgesprochene ordentliche Kün-
digung des streitgegenständlichen Girovertrages unwirksam, da diese als unzulässige
Rechtsausübung i. S. des § 242 BGB anzusehen ist.
1. Im Grundsatz steht zwar einem Kreditinstitut das Recht zur ordentlichen Kündi-gung der
Geschäftsbeziehung mit dem Kunden zu.
a) Dieses Recht folgt bereits aus dem Grundsatz, dass bei einem unbefristeten Dauer-
schuldverhältnis jeder Vertragspartner nach Treu und Glauben berechtigt ist, den Vertrag
nach Ablauf eines gewissen Zeitraums mit Wirkung für die Zukunft zu beenden (BGH, WM
1985, 1059ff., 1061). Auch das Gesetz kennt eine fristlose Kündigung nicht nur bei Auf-
trägen, die wegen ihrer Unentgeltlichkeit eine Sonderstellung einnehmen, sondern auch bei
mit einer Vertrauensgewährung verbundenen Dienstverhältnissen (§ 627 BGB) sowie bei
Gesellschaften (§ 723 BGB). Vor diesem Hintergrund entspricht die in lfd. Nr. 26 Abs. 1
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene, formularmäßige Kündi-
gungsklausel dem gesetzlichen Leitbild (vgl. nur Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 24 Rn. 10; Gößmann, in: Hellner/ Steuer, Bankrecht
und Bankpraxis, 49. Erg.-Lief. 2001, 1/554f.).
b) Das Recht zur ordentlichen Kündigung unterliegt jedoch Schranken. Der Grund-satz von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) bildet einen allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen
immanente Inhaltsbegrenzung, die eine angemessene Berücksichti-gung der schutzwürdigen
Belange auch des Vertragspartners gebietet (vgl. nur BAGZ 77, 128ff., 133; BGH, NJW
1970, 855f.; BGH, NJW 1986, 1928ff., 1930; BGH, NZG 2000, 1167). Die Klausel lfd.
Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen der Beklagten trägt diesem allge-
meinen Grundsatz ebenso wie lfd. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken durch das Gebot der
Rücksichtnahme auf die angemessenen Belange des Kunden und durch eine Kündigungs-
frist mit dem Verbot der Kündigung zur Unzeit Rechnung (Baumbach/Hopt, HGB, 30.
Aufl., 19 AGB-Banken Rn. 2). Das Kreditinstitut ist damit sowohl aufgrund dieser Ge-
schäftsbedingungen wie auch allgemein nach § 242 BGB verpflichtet, vor Ausspruch einer
Kündigung der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden eine Angemessensheitsprüfung vorzu-
nehmen, innerhalb derer alle für die Interessenabwägung bedeutsamen Umstände im Ein-
zelfall gegeneinander abzuwägen und zu würdigen sind. Dabei sind die Anforderungen an
die Angemessenheitsprüfung des Kreditinstituts bei der ordentlichen Kündigung so hoch,
dass sie sich nur graduell von den Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung un-
terscheiden (Gößmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, 49. Erg.-Lief. 2001,
1/556). Der Kunde kann aufgrund der dargestellten Rücksicht-nahmepflichten erwarten,
dass das Kreditinstitut das ihm eingeräumte ordentliche Kündigungsrecht nicht ohne ernstli-
chen Anlass ausübt (st. Rspr., vgl. nur BGH, NJW 1986, 1928ff., 1930). Dies findet seine
Rechtfertigung auch in dem Gesichtspunkt, dass das Bestehen einer Bankverbindung unter
den heutigen Gegebenheiten ein Grundbedürfnis abdeckt. Eine Bankverbindung erst er-
möglicht eine den aktuellen Rahmenbedingungen entsprechende Abwicklung des Zahlungs-
verkehrs. Sie ist essentieller Bestandteil des modernen Wirtschafts- und Geschäftslebens
und wird daher auch als einer der sozialen Eckpfeiler i. S. eines Mindeststandards einer an-
ge-messenen Lebensführung betrachtet (Gößmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bank-
praxis, 49. Erg.-Lief. 2001, 1/558).
2. Die mit Schreiben vom 22.08. 2000 ausgesprochene ordentlichen Kündigung des mit
dem Kläger geschlossenen Girovertrages überschreitet die dem Kündigungsrecht gesetzten
Schranken und stellt sich als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar.
a) Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass die Beklagte die Geschäftsbeziehung mit
dem Kläger allein wegen dessen politischer Zielrichtung beendet hat. Ein derar-tiges Motiv
für den Ausspruch einer ordentlichen wie auch einer außerordentlichen Kündigung stellt
grundsätzlich per se bereits eine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB dar.
aa) Indem § 242 BGB ganz allgemein auf die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben ver-
weist, wird von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab der Wertvorstel-lungen
verlangt, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt
werden. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift sind die Grundrechte als
„Richtlinie“ zu beachten (BVerfGE 7, 198ff., 206; BAGZ 77, 128ff., 135). Da am Zivil-
rechtsverkehr gleichrangige Grundrechtsträger teilnehmen, die unterschiedliche Interessen
und vielfach gegenläufige Ziele verfolgen, sind die kolli-dierenden Grundrechtspositionen in
ihrer Wechselwirkung zu sehen und im Sinne einer praktischen Konkordanz so zu begren-
zen, dass sie für alle Beteiligten mög-lichst weitgehend wirksam werden (BVerfGE 89,
214ff., 232).
bb) Bei der danach gebotenen Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen ist auf
Seiten der Beklagten das verfassungsrechtlich durch die allgemeine Hand-lungsfreiheit des
Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht der Gestaltung der Rechtsver-hältnisse durch den ein-
zelnen nach seinem Willen zu berücksichtigen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privat-
autonomie als Selbstbestimmung des einzelnen im Rechtsleben (BVerfG, BB 1994, 16ff.,
20f.). Die Privatautonomie ist jedoch notwen-digerweise begrenzt. Ihrer Ausübung stehen
die Rechte gleichrangiger Grundrechts-träger gegenüber.
cc) Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Kreditinstitut eine Geschäftsbeziehung mit ei-
nem Kunden allein wegen dessen polititscher Anschauung kündigen kann, ge-winnt das
Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), dass auch einer politischen Partei zu-
steht (vgl. nur Maunz/Dürig/Herzog/Scholz-Herzog, GG, 38. Erg.-Lief. März 2001, Art. 5
I, II Rn. 5) und der Koalititonsfreit (Art. 9 Abs. 1 GG), welches durch Art. 21 GG bei po-
litischen Parteien eine spezielle Regelung erfährt (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz-Maunz, GG,
31. Erg.-Lief. 1994, Art. 21 Rn. 38), besondere Bedeutung. Der Zusammenschluss zu
Vereinigungen, insbesondere auch zu politischen Parteien, ist ein unentbehrliches Mittel,
Meinungen zu bilden, zu pflegen und zu verbreiten. Unter diesem Blickwinkel erweist sich
Art. 9 GG ebenso wie die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG als eine Komplementärga-
rantie zu Art. 5 GG. Die Vereinigungsfreitheit ist wesentliche Voraussetzung der Bildung ei-
ner öffentlichen Meinung, der Vorformung des politischen Willens, der gleichen Chance der
Minderheit und eines freien politischen Prozesses. Soweit diese Aufgaben im Wege des
Zusammenschlusses zu politischen Parteien verfolgt werden, greifen ferner die besonderen
Gewährleistungen des Art. 21 GG ein (Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bun-
desrepublik Deutschland, 20. Aufl., § 12 I 8 a).
dd) Der besondere Stellenwert der Freiheit der politischen Betätigung nach dem Grundge-
setz gebührt im Rahmen der Abwägung der vorliegend betroffenen Grund-rechtspositionen
grundsätzlich der Vorrang vor der Privatautonomie.
aaa) Dabei ist zunächst die Struktur der vorliegenden Geschäftsbeziehung zu berück-
sichtigen. Eine politische Betätigung eines Kunden eines Kreditinstituts vollzieht sich außer-
halb der hier streitgegenständlichen Vertragsbeziehung. Eine Bankverbin-dung dient aus-
schließlich der Abwicklung des Zahlungsverkehrs und damit einem völlig wertneutralen
Zweck. Auf einem Konto gehen öffentliche Zuwendungen, Bei-träge der Mitglieder, Spen-
den sowie sonstige Einnahmen ein. Von ihm werden Über-weisungen vorgenommen, die
der Begleichung von bestehenden Verpflichtungen dienen. Eine Bedeutung als Instrument
zum Zwecke der Werbung für politische Ziele kann einer Bankverbindung vor diesem
Hintergrund nicht zukommen. Insoweit verbleiben lediglich mittelbare Berührungspunkte, so
etwa, wenn zu Spenden aufge-rufen wird und dabei - notwendigerweise - die Bankverbin-
dung mitgeteilt wird oder diese auf Geschäftsbriefen, wie auch sonst bei Kunden üblich, er-
scheint. In rein objektiver Hinsicht vollzieht sich die politische Betätigung des Kunden je-
doch in einem von der Bankverbindung völlig losgelösten Bereich, den dieser nach eigener
Entscheidung frei gestalten kann.
bbb) Die Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung, in der vorliegend seit ihrem
Bestehen unstreitig keine Störungen aufgetreten sind, alleine mit Blick auf die politische
Zielrichtung des Kunden führt angesichts der großen Bedeutung einer Bankverbindung, auf
die bereits hingewiesen wurde, zu einer weitreichenden Beein-trächtigung seiner Sphäre.
Die damit verbundenen Nachteile, die hier durch die besondere Schwierigkeit der Begrün-
dung einer neuen Geschäftsbeziehung mit einem anderen Kreditinsitut verbunden sind, wor-
auf an späterer Stelle noch einzugehen sein wird, sind nicht durch überwiegende
schutzwürdige eigene Belange des be-klagten Kreditinstituts gerechtfertigt. Die Beklagte ist
eine Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe die Sicherstellung der Versorgung ihres
Geschäftsgebietes mit geld- und kreditwirtschaftlichen Mitteln ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 Sächs-
SparkG). Sie ist damit Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge (vgl. OLG Köln, WM 1993,
325ff., 327f.). Diese Aufgabenstellung der beklagten Sparkasse vollzieht sich damit aus-
schließlich auf dem Finanzsektor, so dass weltanschauliche ebenso wie etwa konfessionelle
Aspekte oder aber etwa die Staatsangehörigkeit des Kunden keine Leitlinien für deren Ge-
schäftsgebaren darstellen können. Dies bringt auch § 2 Abs. 3 SächsSparkG zum Aus-
druck, wonach Sparkassen ihre Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen unter Wah-
rung ihres öffentlichen Auftrages zu führen haben. Vor dem Hintergrund dieses Anstalts-
zweckes ist Sparkassen eine aktive unmittelbare Mitwirkung im Rahmen des politischen
Meinungsbildungsprozesses verschlossen. Dem in § 2 SächsSparkG umschriebenen öffent-
lichen Auftrag entspricht es daher, dass politischen Beweggründen bei der Begründung
ebenso wie bei der Beendigung von Geschäftsbeziehungen keine maßgebliche Rolle zu-
kommen kann. Dies ist unmittelbar einsichtig, wenn man sich vom vorliegenden Fall löst,
und einen Sachverhalt betrachtet, in welchem einen Kunden etwa wegen seiner führenden
Beteiligung an einer Bürgerinitiative an der Verhinderung eines bestimmten Bauvorhabens
die Geschäftsbeziehung gekündigt wird. Dem Kunden steht es nach den vorangegangenen
Darlegung gerade frei, ob und in welcher Weise er sich in dieser Hinsicht engagiert, wäh-
rend der Beklagten eine politische Einflussnahme in diesem Zusammenhang schon wegen
ihrer Aufgabenstellung schlicht verwehrt ist. Unabhängig von der Frage, ob dem Kunden
ein anderes Kreditinstitut als Ausweichmöglichkeit zur Verfügung steht, ist die Kündigung
hier wegen ihres Beweggrundes als unzulässige Rechtsausübung i. S. des § 242 BGB und
damit als unwirksam anzusehen (vgl. auch Boemke, JuS 2001, 444ff., 446). Dies gilt in
gleichem Maße, wenn der Kunde nicht eine natürliche Person, sondern die Bürgerinitiative
als solche ein Konto unterhält.
ccc) Erst recht greifen diese Grundsätze ein, wenn eine politische Partei Kunde ist, die sich
schon aufgrund ihrer Aufgabenstellung am politischen Meinungsbildungs-prozess beteiligt
und bezogen auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit Grundrechts-träger ist. Hinzu tritt die
spezifische institutionelle Gewährleistung der politischen Parteien und das aus Artt. 21 Abs.
1, 3 Abs. 1 GG folgende Recht auf Chancen-gleichheit. Diese Verfassungsnormen haben
entgegen der Ansicht der Beklagten sehr wohl im Rahmen der sog. mittelbaren Drittwir-
kung der Grundrechte Berücksich-tigung zu finden (OLG Hamburg, OLG-Report 2001, S.
85ff., 86; OLG Dresden, NJW 2001, 1433f., 1433; Boemke, NJW 2001, 43ff., 44f.).
Zwar ist zutreffend, dass Art. 21 GG kein Grundrecht darstellt. Daraus folgt jedoch noch
nicht, dass diese Verfassungsnorm im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklausel gänzlich
ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Gewährleistung politischer Parteien in Art. 21 GG als ein
fundamentaler Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundge-
setzes und damit auch als Ausdruck eines Werteverständnisses anzusehen, welches bei der
Auslegung von § 242 BGB Berücksichtigung finden muss. Insoweit ist durchaus anerkannt,
dass unter bestimmten Voraussetzungen Art. 21 GG eine Ausstrahlungswirkung innerhalb
der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB zukommen kann (so im Übrigen
auch Eicholdt, NJW 2001, 1400f., 1401 FN 6 m. w. Nw.). Streitig kann allein die Reich-
weite der Ausstrahlungswirkung sein. In dieser Hinsicht ist die Grenze jedenfalls dort zu
ziehen, wo politische Parteien auf Gewährleistungen der Daseinsvorsorge schlechterdings
angewiesen sind, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Eine funktionierende Demokratie
beinhaltet den Grundsatz, dass politischen Parteien die Teilhabe an elementaren Wirkungs-
bedin-gungen des täglichen Lebens zu gewähren ist. Andernfalls wäre es Privatrechtssub-
jekten möglich, durch einen Leistungsentzug einzelnen Parteien die Existenzgrund-lage zu
entziehen. Dies ist schlechterdings mit dem Grundverständnis der Ver-fassung nicht in Ein-
klang zu bringen, die gerade auf den Wettbewerb der Meinungen und die Fähigkeit, diese
artikulieren zu können, abstellt. Das Abschneiden der dazu benötigten Wirkungsgrundlagen
auf zivilrechtlichen Weg steht hierzu in einem evi-denten Gegensatz. Die Funktionsfähigkeit
des Demokratieprinzips bedingt, dass es allen Parteien - und zwar unabhängig von ihrer
politischen Ausrichtung - möglich sein muss, an elementaren Funktionsmechanismen des
modernen Wirtschaftslebens zu partizipieren. Ansonsten ist weder eine sachgemäße Aufga-
benwahrnehmung noch eine Teilnahme an dem politischen Wettbewerb denkbar. Der Ent-
zug derartiger ele-mentarer, für den Bestand einer Partei notwendiger Wirkungsbedingun-
gen ist bezo-gen auf den Bestand einer Bankverbindung in dem Gebiet des Wirkungskrei-
ses der politischen Partei gegeben. Daher gilt auch hier der Grundsatz, dass es der Be-
klagten als Kreditinstitut verwehrt ist, eine Kündigung einer Geschäftsbeziehung allein we-
gen des politischen Standorts der Partei vorzunehmen. Allein deren politische Ausrichtung
kann nach den vorangegangenen Ausführungen eine ordentliche Kündi-gung nicht rechtfer-
tigen. Auch die besonderen Umstände des hier zur Beurteilung stehenden Falls führen zu
keiner anderen Beurteilung.
ddd) Der Umstand, dass der Kläger verfassungsfeindlich ausgerichtet ist und gegen ihn
Parteiverbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG anhängig sind, führt zu keiner anderen
Betrachtung. Zutreffend weist das Landgericht hier auf das Parteien-privileg des Art. 21
Abs. 2 GG hin. Ob eine Partei die Voraussetzungen eines Partei-verbotes erfüllt, ist be-
langlos, solange sie nicht vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wor-
den ist. Nicht verbotene Parteien bleiben legal und partizipieren daher auch uneingeschränkt
am Grundsatz der Parteiengleichheit (vgl. nur Grimm, in Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch
des Verfassungsrechts, 2. Aufl., § 14 Rn. 45, S. 629). Das nach dem Grundgesetz be-
stehende Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts für die Feststellung der
Verfassungswidrigkeit einer Partei schliesst ein administratives Einschreiten gegen den Be-
stand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich der freiheitlich demokratischen
Grundordnung gegenüber noch so feindlich verhalten (BVerfGE 5, 85ff., 140). Zwar hin-
dert das Parteienprivileg nicht daran, von der Verfassungsfeindlichkeit einer politischen
Partei auszugehen. Dies gilt allerdings nur, soweit eine solche Bewertung lediglich zu einer
faktischen und nicht auch zu rechtlichen Nachteilen für die politische Partei führt (BVerfGE
40, 287ff., 293). Diese im Rahmen des Verhältnisses zur Exekutive geltenden Grundsätze
sind Ausdruck einer Grundentscheidung des Verfassungs-gebers. Sie kommen im Rahmen
des Zivilrechts jedenfalls dann zum Tragen, wenn Privatrechtssubjekte bei der Erbringung
für jedermann elementarer Dienste über die Privatautonomie in der Weise instrumentalisie-
ren, dass eine Teilhabe an der für den Bestand einer Partei notwendigen Dienstleistung al-
lein wegen deren politischen Ausrichtung erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht
werden soll. Der Hinweis der Beklagten auf den Aspekt der streitbaren Demokratie be-
rücksichtigt nicht in hinreichendem Maße die Wertentscheidung des Grundgesetzes, die
auch im Privat-rechtsverkehr Bedeutung erlangt. Die Auseinandersetzung mit radikalen
Parteien soll sich entsprechend dem demokratischen Prinzip im politischen Wettbewerb
voll-ziehen, an dessen Teilnahme die Beklagte aufgrund ihrer Aufgabenstellung kein Mandat
hat. Ihr kommt es nicht zu, über allein politisch motivierte Maßnahmen be-stimmte Perso-
nen oder Personengruppen von ihrem Dienstleistungsangebot auszu-schliessen, solange dies
nicht durch eigene schutzwürdige Belange gerechtfertigt ist. Ein Kreditinstitut hat den Be-
stand von Verträgen nicht daran auszurichten, ob eine politische Meinung opportun ist oder
nicht, zumal dem ein Element subjektiver Be-wertung anhaftet. Gleiches gilt in Bezug auf die
Frage der Verfassungsfeindlichkeit, die vorliegend zwar durch die gestellten Verbotsanträge
unterlegt ist, über die jedoch allein das Bundesverfassungsgericht zu befinden hat. Dessen
Urteil kommt eine nicht nur bloß feststellende, deklaratorische, sondern eine konstitutive
Wirkung zu (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz-Klein, GG, 38. Erg.-Lief. März 2001, Art. 21
Rn. 555f.). Gerade in dem Instrument des Parteiverbots drückt sich - neben den Möglich-
keiten, die das Strafrecht bei volksverhetzenden Äußerungen oder Gewalttaten bietet - das
Element wehrhafter Demokratie aus. Bis zu diesem Verbot aber ist eine verfas-
sungswidrige Partei ein vollwertiges Subjekt, dass am politischen Prozess ebenso teilneh-
men kann, wie am Privatrechtsverkehr und in beiden Bereichen in rechtlicher Hinsicht keine
Schlechterstellung allein wegen ihrer politischen Ausrichtung hin-nehmen muss.
eee) Schließlich rechtfertigt sich die Beendigung der Geschäftsbeziehung, die wie im vorlie-
genden Fall lediglich das Führen eines laufenden Kontos auf Guthabenbasis zum Gegen-
stand hat, auch nicht schon aus einem Imageschaden, den das beklagte Kreditinstitut wegen
der politischen Zielrichtung des Klägers hat.
a
) Zwar kann ein Imageschaden durchaus sogar die außerordentliche Kündigung einer
Geschäftsbeziehung rechtfertigen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Kontoinha-ber, der we-
gen seines eigenen Geschäftsgebarens in der Fachpresse für äußerst nega-tive Schlagzeilen
sorgt, über ein Girokonto diese Anlagegeschäfte abwickelt. Derar-tige Transaktionen sind
geeignet, den Ruf einer seriösen Bank zu beschädigen (OLG München, WM 1996, 1623f.;
Bunte, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 24 Rn. 42). Der
vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch in erheblichem Maße von derartigen
Fallkonstellationen.
b
) Während die Abwicklung zwielichtiger kaufmännischer Aktivitäten eines Ge-
schäftsmanns über ein Konto eines Kreditinstituts bei Dritten leicht den Verdacht aufkom-
men lässt, dass dieses in diese Geschäfte involviert ist, kann bei dem bloßen Bestehen einer
Bankverbindung zu einer politischen Partei eine vergleichbare Schlussfolgerung nicht ange-
stellt werden. Ein vernünftiger denkender Dritter wird aus dem bloßen Bestehen einer
Bankverbindung, zumal - wie hier - lediglich eines laufenden Kontos auf Guthabenbasis,
noch keineswegs den Schluss ziehen, dass sich das Kreditinstitut mit den politischen Zielen
des Kunden, auf welchen es keinerlei Einfluss hat, identifiziert oder diese gar fördert. Ban-
ken und Sparkassen stellen ihre Dienstleistungen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.
Speziell das Unter-halten von laufenden Konten stellt in dieser Hinsicht ein Massengeschäft
dar, auf die das moderne Wirtschaftsleben angewiesen ist. Schon unter Berücksichtigung
des Umfangs und der Vielfalt der bestehenden Geschäftsbeziehungen kann bei Anlegung
rein rationaler Kriterien nicht davon ausgegangen werden, dass die breite Öffent-lichkeit ei-
ne Identifikation des Kreditinstituts mit jedweden Zielen sämtlicher ihrer Kunden vornimmt.
Abgesehen davon, dass ein Kreditinstitut mit mehreren politi-schen Parteien Geschäftsbe-
ziehungen unterhalten kann, wird eine derartige Schluss-folgerung auch nicht bei der Füh-
rung von Konten gleich welcher Religionsgemein-schaften angestellt. Der Umstand, dass
eine Fernsehsendung hier einen - stark tendenziös gefärbten - Zusammenhang hergestellt
hat, vermag an der objektiven und rational zu beurteilenden Sachlage nichts zu ändern, zu-
mal eine Distanzierung von den politischen Zielen sich auch in anderen Formen als einer
Kündigung der Ge-schäftsbeziehung ausdrücken kann. Jedenfalls überwiegen die ange-
führten verfas-sungsrechtlichen Prinzipien angesichts ihres hohen Stellenwertes die Interes-
sen der Beklagten an der Beseitigung eines durch die öffentliche Berichterstattung erlittenen
Imageschadens.
b) Darüberhinaus ist die ordentliche Kündigung des Girovertrages auch deshalb un-
wirksam, weil dem Kläger der Abschluss eines neuen Girovertrages mit einem ande-ren
Kreditinsitut nicht möglich und der Beklagten die Aufrechterhaltung der Ge-
schäftsverbindung zumutbar ist.
aa) In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen des er-
sten Verfahrens, in welchem er den Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte (Az.: 7 U
2625/00), sechs Schreiben von Kreditinstituten (Bl. 60 - 65 der beigezoge-nen Akten 7 U
2625/00) im Zeitraum vom 18.09. bis 20.09. 2000 vorgelegt hat, die bezogen auf die
Neueröffnung eines Kontos eine klare und eindeutige Aussage haben. Im Rahmen des
zweiten Verfahrens, auf Erlass einer neuerlichen einstweiligen Verfügung hat der Kläger
weitere 23 ablehnende Schreiben von Kreditinstituten bezogen auf den Zeitraum vom
28.02. bis 09.04. 2001 (Bl. 89 - 107, 332 - 334, 336, 338 und 339der Akten 71790/01)
vorgelegt. Bezieht man weiterhin in die Be-trachtung den Umstand ein, dass es bundesweit
Kündigungen von N Partei-Konten gab, wie diverse veröffentlichte Entscheidungen (LG
Frankfurt/Oder, NJW 2001, 82f.; OLG Brandenburg, NJW 2001, 451f.; OLG Köln,
NJW 2001, 452) dokumentieren, so erschliesst sich unmittelbar, dass es dem Kläger un-
möglich sein dürfte, bei einem anderen Kreditinsitut einen neuen Girovertrag abzuschlie-
ssen. Dabei gewinnt auch der Inhalt der Report-Sendung vom 21.08. 2000 besondere Be-
deutung. Nach dem in der veröffentlichten Entscheidung des LG Mainz (NJW 2001,
761ff.) wieder-gegebenen Tatbestand, auf dessen Inhalt sich die Beklagte im Rahmen der
Be-rufungsbegründung bezieht, wurde auf eine schon erfolgte Kündigung einer Groß-bank
und die Konsequenzen von Kündigungen sämtlicher deutscher Kreditinstitute hingewiesen,
wie gerade dem Interviewbeitrag des Präsidenten des Verfassungs-schutzes Sachsen zu
entnehmen ist. Vor diesem Hintergrund sind die nach der Ausstrahlung der Sendung festzu-
stellenden Kündigungen zu betrachten, die sich im Übrigen auch nicht nur auf die N Partei,
sondern auch auf die D Partei (vgl. OLG Ham-burg, OLG-Report 2001, 85ff.; OLG
Dresden, NJW 2001, 1433f.) erstreckten. Unter Berücksichtigung gerade des Inhaltes
dieser Sendung kann sich die Beklagte daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie
als erste gekündigt habe und sie die Kündigung durch andere Kreditinstitute nicht in eine
Abwägung der Angemessenheit der Vertragsbeendigung habe einstellen müssen. Die Ten-
denz der ausgestrahlten Sendung und deren Zielsetzung waren überaus klar. Sie stellte eine
Initialzündung für die Kontokündigungen dar, ohne dass es noch einer zusätzlichen Ab-
sprache unter den Kreditinstituten bedurfte. Banken und Sparkassen wurden in einem Zu-
sammen-hang mit rechtsextremen Parteien gestellt, so dass es unter Berücksichtigung des
Vorpreschens einer deutschen Großbank und der Aussage bezüglich des Boykotts dieser
Parteien durch alle deutschen Banken, auch für die Beklagte mehr als nur nahe lag, die
Konsequenzen einer Kündigung auch unter diesem Blickwinkel zu prüfen.
bb) Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang ausführt, dass der Kläger seit nunmehr
über einem halben Jahr ohne das streitgegenständliche Konto auskomme, führt auch dies
zu keiner anderen Betrachtung. Aus diesem Aspekt folgt nicht zwin-gend, dass der Kläger
bei einem anderen Kreditinstitut noch über ein laufendes Konto verfügt. Vielmehr sind auch
offene oder verdeckte Treuhandkonten als vor-übergehende Lösungen denkbar. In diesem
Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass noch zwei Kreisverbände Bankverbindungen
unterhalten. Entscheidend ist vielmehr, dass es dem klagenden Landesverband als Privat-
rechtssubjekt möglich sein muss, selbst an oder in der Nähe seines Sitzes, zumindest aber
innerhalb des Frei-staates Sachsen als seinem Wirkungsgebiet eine Bankverbindung zu un-
terhalten, um eine sachgemäße Abwicklung seines Zahlungsverkehrs durchzuführen. Die
Auf-nahme eines raschen, auch persönlichen Kontaktes mit einem Kreditinsitut entspricht
den üblichen Gepflogenheiten des Bankverkehrs und definiert auch unter Berück-sichtigung
der zunehmenden Bedeutung des Online-Bankings einen Mindest-standard, den jeder
Kunde eines Kreditinstituts erwarten kann. Daher kann der Klä-ger auch nicht auf ein aus-
ländisches oder ein außerhalb des Freistaates Sachsen lie-gendes Kreditinstitut verwiesen
werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Landgericht zutreffend darauf verwie-
sen hat, dass die Geschäftsbeziehung zu einer Direktbank den Abschluss eines Vertrages
erfordert. Nach den obigen Ausführungen aber kann auch bei einer Direktbank nicht von
der Aufnahme einer entsprechenden Geschäftsbeziehung ausgegangen werden. Nach der
Vorlage des ablehnenden Schreibens der Landeszentralbank in Baden-Württemberg (Bl.
339 d. A.) stellen - unabhängig von dem Gesichtspunkt, ob sich der Kläger hierauf über-
haupt verweisen lassen muss - weder die Landeszentralbanken noch die Bundesbank Al-
ternativen dar. Zwar kann die Bundesbank nach §§ 22, 19 Abs. 1 Nrn. 4 - 9 BBankG un-
verzinsliche Giroeinlagen von jedermann annehmen und bestimmte Bankgeschäfte ausfüh-
ren. Eine Verpflichtung statuieren diese Vorschriften jedoch nicht. Vielmehr ergibt sich aus
der Stellungnahme der Landeszentralbank, dass eine diesbezügliche Bereitschaft nicht vor-
handen ist. Insoweit verbleiben unter Berücksichtigung des Gesamtzu-sammenhangs keine
vernünftigen Zweifel, dass dem Kläger eine Kontoeröffnung bei anderen Kreditinstituten
nicht möglich ist.
cc) Der Beklagten ist die weitere Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung auch zumutbar.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Gesichtspunkt von Be-deutung, dass die
Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien erst am 23.03. 1999, also zu einem Zeitpunkt
aufgenommen wurde, als die Diskussionen um die politische Ausrichtung des Klägers schon
im vollem Gange war. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die N Partei
stets als rechtsextrem eingestuft wurde und seit vielen Jahren bereits Gegenstand von Ver-
fassungsschutzberichten war. Dort wurde sie ausdrücklich als eine Partei mit verfassungs-
feindlicher Zielsetzung und Betätigung bezeichnet (vgl. BVerfGE 40, 287ff., 293). Auch die
in dem Verbotantrag der Bundesregierung (Anlage BK 2) enthaltenen Ausführungen neh-
men teilweise auf bereits seit Anfang der 90ziger Jahre vorliegende Publikationen Bezug.
Die verfas-sungsfeindliche Ausrichtung der N Partei ist entgegen der Ansicht der Beklagten
kein novum, vielmehr lagen Anhaltspunkte seit langem vor und waren auch jedermann zu-
gänglich. Überdies blieb sie auch der breiten Öffentlichkeit keineswegs verborgen. Sie war
stets Gegenstand öffentlicher Diskussionen im Zusammenhang mit Wahler-folgen rechtsex-
tremer Parteien und von Demonstrationen rechtsextremer Gruppen. Die Aussage, dass erst
seit Mitte des Jahres 2000 eine Änderung der Bewertung der N Partei festzustellen gewe-
sen und zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden sei, dass sich die N
PARTEI für gewaltbereite Neonazis eine Plattform biete (Eicholt, NJW 2001, 1400f.,
1401), entspricht einem Wunschdenken und verschliesst schlicht die Augen vor den zuvor
bereits in der Öffentlichkeit bekannten Umständen. Wenn vor diesem Hintergrund die Be-
klagte gleichwohl mit dem Kläger einen Girovertrag abgeschlossen hat, so ist ihr auch unter
Berücksichtigung der Medien-berichterstattung ein Fortbestand des Vertrages zuzumuten.
III.
Auch die außerordentlichen Kündigungen vom 26. bzw. 27.09. 2000 sind unwirk-sam, da
es an dem Vorliegen eines sie rechtfertigenden Grundes fehlt.
1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung der Geschäftsbeziehung ohne Einhaltung einer Kün-
digungsfrist ist gegeben, wenn es der Bank unter Berücksichtigung der Umstände des Ein-
zelfalls und nach einer Abwägung der Interessen der Bank und des Kunden unzumutbar ist,
die Geschäftsbeziehung bis zu deren vereinbarten Beendi-gung oder bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist fortzusetzen (Bunte in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-
Handbuch, 2. Aufl., § 24 Rn. 28; Gößmann, in Hellner/ Steuer, Bankrecht und Bankpraxis,
49. Erg.Lief. 5/2001, Rn. 1/575). Dies ist etwa der Fall bei einer schwerwiegenden Verlet-
zung von vertraglichen Haupt- und Neben-pflichten. Ebenso können unberechtigte Vor-
würfe und Beleidigungen einen wichti-gen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstel-
len (OLG Köln, WM 1993, 325ff., 327f.; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 24 Rn. 42).
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten rechtfertigt zunächst der Inhalt des als offener Brief
bezeichneten Schreibens des Klägers vom 29.08. 2000 nicht den Ausspruch einer außer-
ordenltichen Kündigung. Die darin in Fettdruck hervorgehobene Formu-lierung des Klä-
gers, er werde die Handlungsweise der Beklagten weder vergessen, noch akzeptieren und
mit juristischen Mitteln dagegen vorgehen, enthält keine ver-hüllte Drohung gegen die Be-
klagte, worauf das Landgericht mit Recht verwiesen hat. Zwar kann in bestimmten Situatio-
nen die Formulierung, man werde etwas nicht ver-gessen durchaus im Sinne einer Drohung
zu verstehen sein. Eine solche Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Weder verfügt der
Kläger über eine besondere Machtstel-lung gegenüber der Beklagten, die es etwa erlauben
würde, über wirtschaftliche Sanktionen Druck auf diese auszuüben, noch kann diese dahin
verstanden werden, dass diese mit gewalttätigen Mittel gegen die Beklagte vorgehen will.
Diesbezüglich fehlen jegliche greifbare Anhaltspunkte. Der Kläger hat vielmehr gerade dar-
auf hin-gewiesen, dass er sich mit juristischen Mitteln gegen die Kündigung zur Wehr setzen
wolle. Vor diesem Hintergrund kann die vom Kläger verwandte Formulierung, er werde
die Handlungsweise der Beklagten nicht vergessen, lediglich als eine Unter-streichung eines
seiner Ansicht nach rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten ver-standen werden, dass er
als besonders schwerwiegend erachtet und daher nicht verziehen werden könne.
3. Auch die im Schriftsatz vom 22.09. 2000 aufgelisteten Straftatbestände, gegen die die
Beklagte verstossen haben solle, sind nicht geeignet, einen wichtigen Grund zu tragen, der
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Abgesehen davon, dass sich der Kläger von
diesen Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten im weiteren Verlauf des Rechtsstreites
distanziert hat (Bl. 153 der beigezogenen Akte 7 U 2625/00), hat das Landgericht zu-
treffend darauf verwiesen, dass die Wahrnehmung der prozessualen Rechte innerhalb be-
rechtigter Interessen (§ 193 StGB) einer Partei die Annahme eines wichtigen Grundes nicht
rechtfertigen kann. Hierin liegt ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund, der zum Entfallen der
Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden Äußerung führt. Der Rechtfertigungsgrund der
Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB ist im Lichte des Art. 5 Abs. 1
GG in Verbindung mit dem Anspruch auf ein faires Verfahren auszulegen (vgl. nur BVerfG,
NJW 1991, 29f.; NJW 1991, 2074ff.; NJW 2000, 3196ff.). Art. 5 Abs. 1 GG gewährlei-
stet dabei jedem das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Dies erfasst auch Äußerungen im
Rahmen eines Rechtsstreits. Der Vortrag einer Partei muss zwar mit Blick auf die konkrete
Prozesssituation zur Rechtswahrung geeignet und erforderlich erscheinen sowie der Rechts-
güter- und Pflichtlage angemessen sein, wobei insbesondere auf die Ehre des Betroffenen
Rücksicht zu nehmen ist. Dabei dürfen allerdings keine zu enge Grenzen gezogen werden.
Wertende Äußerungen über Verhalten und Person des anderen Prozessbeteiligten stehen
auch im Prozess unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Der subjektive Charakter einer
gegenüber einem Gericht abgegebenen Stellungnahme bedingt, dass sich ein Verfahrens-
beteiligter zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt und insbesondere dem Verhalten
der Gegenseite unter Umständen auch mit drastischen Worten äußern darf. Im „Kampf um
das Recht“ darf ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfäl-
lige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen. Nicht entscheidend
ist dabei, ob er seine Kritik anders hätte formulieren können, da die Form der Meinungs-
äußerung grundsätzlich der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unter-
liegt (BVerfG, NJW 1991, 2074ff., 2075). Unter Berücksichtigung dieses Ausgangspunk-
tes stellen bloße Werturteile stets geschützte Meinungsäußerungen dar und zwar auch dann,
wenn Elemente des Wertens mit Elementen der Tatsachenmitteilung verbunden sind
(BVerfG, NJW 1991, 2074ff., 2075; NJW 2000, 3196ff., 3196, 3198). Im vorliegenden
Falle war der Sachverhalt zwischen den Parteien weitgehend unstreitig. Es lag eine Kündi-
gung der Beklagten vor, die der Kläger angesichts des Kontextes in eine gegen ihn gerich-
tete Kampagne einordnete. Durch die bloße Aufzählung von Normen des StGB, die nicht
mit einem Subsumtionsakt verbunden war, hat er diesen Sachverhalt mit Werturteilen be-
legt. Die Werturteile ergaben sich dabei auch lediglich mittelbar aus der Nennung der ein-
schlägigen Paragraphen und erschliessen sich nur einer rechtskundigen Person, die bei einer
Lektüre der Straftatbestände ohnehin sogleich erkennen kann, dass diese Beurteilung des
Klägers schlicht neben der Sache liegt. Die inkriminierte Darstellung des Klägers im Schrift-
satz vom 22.09. 2000 bewegt sich daher im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Inter-
essen nach § 193 StGB und rechtfertigt nicht die außerordentliche Kündigung des streitge-
genständlichen Giro-vertrages.
4. Auch die angeführte programmatische Aussage des Klägers zur „Abschaffung der Zins-
wirtschaft“ und der Anprangerung der „Zinsknechtschaft“ begründet keinen wichtigen
Grund, der eine außerordentliche Kündigung tragen würde. Diese Aus-sagen wenden sich
nicht in spezifischer Weise gegen die Beklagte, sondern sind all-gemeiner Natur und politi-
sche Aussagen des Klägers, die gleichfalls noch von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt sind.
5. Zutreffend hat schließlich das Landgericht auch darauf verwiesen, dass eine Um-deutung
(§ 140 BGB) der außerordentlichen Kündigungen vom 26. bzw. 27.09. 2000 in eine or-
dentliche Kündigung nicht in Betracht kommt, da eine solche nach den obigen Darlegungen
nur bei Vorliegen überwiegender eigener schutzwürdiger Belange der Beklagten zulässig
ist. Solche überwiegende eigene schutzwürdigen Belange der Beklagten sind jedoch nicht
gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711,
108 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.
Werber Alberts Dr. Kazele