Urteil des OLG Dresden vom 13.08.2001

OLG Dresden: vergütung, verhinderung, verfügung, ausführung, besuch, klinik, delegation, bevollmächtigung, beschwerdefrist, abrechnung

1. Aus dem Grundsatz der persönlichen Betreuung folgt, dass ein Betreuer seine
Aufgaben grundsätzlich nicht insgesamt auf einen Dritten übertragen darf.
Das gilt auch bei bloß vorübergehender Verhinderung des Betreuers.
2. Tätigkeiten eines "bevollmächtigten" Dritten können dennoch ausnahmsweise
vergütungsfähig sein, soweit dessen Einschaltung ihrem Inhalt und Zweck
nach darauf gerichtet ist, trotz zeitlich begrenzter Abwesenheit des
Betreuers die persönliche Betreuung durch diesen gerade
aufrechtzuerhalten.
³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Aktenzeichen: 15 W 0839/01
16 T 2699/01 LG Leipzig
Beschluss
des 15. Zivilsenats
vom 13.08.2001
In dem Betreuungsverfahren
Betroffener
Beteiligte:
1.
Beschwerdeführer
2.
Beschwerdegegner
Verfahrensbevollmächtigte zu 1):
wegen Betreuervergütung
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche
Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Landgericht
beschlossen:
1. Die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 07.06.2001 gegen
den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 24.04.2001 - 16 T 2699/01 -
wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert der weiteren Beschwerde wird auf 286,70 DM
festgesetzt.
I.
Der Beteiligte zu 1) rechnete für Betreuungstätigkeiten seiner Mitarbeiterin
zu Gunsten des Betroffenen in der Zeit vom 01.11.2000 bis zum
31.01.2001 1.432,03 DM an Vergütung und Aufwendungsersatz inklusive
Mehrwertsteuer ab. Das Amtsgericht hat davon 1.086,59 DM bewilligt und die
Differenz abgesetzt, weil diese Beträge auf Tätigkeiten entfielen, die in der Zeit
vom 16.11. bis 13.12.2000 nicht von der bestellten Vereinsbetreuerin selbst,
sondern - bedingt durch deren Abwesenheit - durch einen von ihr eingewiesenen
Bevollmächtigten erbracht worden waren.
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht ihm
weitere 58,74 DM (d.h. insgesamt nunmehr 1.145,33 DM) bewilligt, insbesondere
für den Zeitraum zweier Informationsgespräche zwischen der Vereinsbetreuerin
und dem "Bevollmächtigten" am Beginn und Ende des "Vertretungszeitraums";
insoweit ist der Beschluss nicht angefochten. Die darüber hinausgehende
sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit dem angegriffenen Beschluss
zurückgewiesen und sich zur Begründung darauf berufen, dass der Grundsatz der
persönlichen Betreuung eine Übertragung der Betreueraufgaben auf einen Dritten
in dem zur Abrechnung gestellten Umfang ausschließe. Mit der (vom Landgericht
ausdrücklich zugelassenen) weiteren sofortigen Beschwerde verfolgt der Beteiligte
zu 1) seinen ursprünglichen Antrag uneingeschränkt weiter.
II.
Der Rechtsbehelf ist statthaft (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 69 e Satz 1 FGG) und
auch sonst in zulässiger Weise, insbesondere rechtzeitig, eingelegt, da sich den
Akten eine wirksame Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den
Beteiligten zu 1) nicht entnehmen lässt, die Beschwerdefrist mithin nicht in Lauf
gesetzt war.
1. Die weitere Beschwerde bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das
Landgericht hat, soweit es die Erstbeschwerde zurückgewiesen hat, ohne
Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) angenommen, dass dem
Beteiligten zu 1) kein Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz
über den zuletzt insgesamt zuerkannten Betrag hinaus zusteht.
Denn die weitergehende Forderung des Beteiligten zu 1) ist auf Tätigkeiten
gestützt, die nicht durch die bestellte Betreuerin selbst, sondern in der Zeit
ihrer Abwesenheit durch einen Dritten erbracht worden sind. Aus dem
Grundsatz der persönlichen Betreuung (§§ 1897 Abs. 1, 1901 BGB) folgt
jedoch, dass der Betreuer seine Aufgaben grundsätzlich nicht, auch nicht in
Fällen vorübergehender, etwa urlaubs- und krankheitsbedingter
Abwesenheit, insgesamt auf einen Dritten übertragen darf (BayObLG, BT
Prax 2000, 214, 215; Bienwald, Betreuungsrecht 3. Aufl. 1999, § 1897 BGB
Rdn. 33 m.w.N.; Palandt-Diederichsen, 60. Aufl. 2001, § 1897 BGB Rdn. 2).
Tätigkeiten eines solchen "Vertreters" sind daher grundsätzlich auch nicht
vergütungsfähig. Das Landgericht hat bereits zutreffend darauf hingwiesen,
dass dem Vormundschaftsgericht im Rahmen der Betreuerbestellung eine
Steuerungs- und Kontrollfunktion hinsichtlich der Auswahl der
Betreuungsperson zukommt, die ins Leere laufen kann, wenn es dem
bestellten Betreuer möglich wäre, ihm obliegende Aufgaben an einen von
ihm alleinverantwortlich ausgewählten Dritten zu delegieren. Für
unabweisbare Vertretungsbedürfnisse hat der Gesetzgeber nach Maßgabe
von § 1899 BGB eigens die Möglichkeit der Ergänzungsbetreuung (Abs. 4,
1. Alternative) und der Delegationsbetreuung (Abs. 4, 2. Alternative)
geschaffen und damit eine gerade für Betreuungsvereine mit mehreren
Mitarbeitern auch organisatorisch unschwer umsetzbare Regelung zur
Verfügung gestellt, um Vorsorge für vorübergehende Verhinderungen des
"eigentlichen" Betreuers zu treffen.
2. Von der damit eröffneten Lösung mag (mit der Rechtsprechung des BayObLG
a.a.O.) Abstand genommen werden können, soweit in Fällen konkret
absehbarer zeitlicher Begrenzung der Verhinderung die Bevollmächtigung
eines Dritten ihrem Inhalt und Zweck nach darauf gerichtet ist, trotz der
Abwesenheit des bestellten Betreuers die persönliche Betreuung durch
diesen gerade aufrecht zu erhalten. Beschränken sich etwa die Aufgaben
des "Vertreters" darauf, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und
ggf. den Kontakt zu dem bestellten Betreuer herzustellen, um diesem im
Bedarfsfall ein schnelles Tätigwerden zu ermöglichen, so ist das mit dieser
Verfahrensweise verbundene Ziel nicht die Delegation des Betreueramtes,
sondern dessen sachgerechte Fortführung durch den bestellten Betreuer
selbst auch für den Zeitraum von dessen vorübergehender Verhinderung.
In diesem Rahmen mag der "Bevollmächtigte" dann auch zu
untergeordneten Hilfstätigkeiten technischer Art, z.B. der Entgegennahme
von Mitteilungen, der Beschaffung und Vorbereitung von Unterlagen oder
der Ausführung vorbereiteter Überweisungen, befugt sein, ohne dass
dadurch der Vergütungsanspruch des Betreuers für diese Tätigkeiten
berührt wird. Denn das schlichte "Abarbeiten" derartiger überschaubarer
konkreter Einzelaufgaben ohne nennenswerte Entscheidungskompetenzen
in Angelegenheiten des Betreuten beeinträchtigt den gesetzlich
vorgegebenen Grundsatz der persönlichen Betreuung nicht.
Vergütungsfähig sind damit, soweit sich die Einschaltung eines Dritten in
die Tätigkeit des bestellten Betreuers in den vorbezeichneten Grenzen hält,
auch die zur sachgerechten organisatorischen Abwicklung erforderlichen
Informationsgespräche zwischen dem Betreuer und seinem
"Bevollmächtigten"; dafür spricht schon, dass derartiger
Informationsaufwand im Falle einer vorsorglich angeordneten
Delegationsbetreuung (§ 1899 Abs. 4 Fall 2 BGB) in gleicher Weise anfiele.
3. Um all dies geht es bei den hier in der Rechtsbeschwerde im Streit
verbliebenen Ansprüchen des Beteiligten zu 1) aber nicht. Bei einem
vierstündigen Besuch des Betroffenen im Krankenhaus mit ausführlicher
Diskussion gesundheitlicher und finanzieller Fragen sowie telefonischen
Erörterungen von Angelegenheiten des Betroffenen mit Klinik und
Staatsanwaltschaft ist der nicht übertragbare Kernbereich der persönlichen
Betreuung mit der Folge betroffen, dass tatsächlich von einem Dritten
wahrgenommene Aufgaben des bestellten Betreuers keine Ansprüche auf
Vergütung und Aufwendungsersatz auslösen; der Senat tritt insoweit den
überzeugenden Ausführungen des Landgerichts ausdrücklich bei und
nimmt hierauf zur weiteren Begründung im Einzelnen Bezug. Die weitere
sofortige Beschwerde ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Eine Entscheidung über die Gerichtskosten trifft der Kostenbeamte nach Maßgabe
der Kostenordnung in eigener Zuständigkeit. Seine eigenen außergerichtlichen
Kosten hat der Beteiligte schon deshalb zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos
geblieben ist (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG); sonstige erstattungsfähige Kosten sind
im Verfahren der weiteren Beschwerde ersichtlich nicht entstanden.
Der festgesetzte Gegenstandswert ergibt sich aus der vor dem Oberlandesgericht
weiter verfolgten Zahlungsforderung des Beteiligten zu 1) (vgl. §§ 131 Abs. 2, 30
Abs. 1 KostO).