Urteil des OLG Dresden vom 30.11.1999

OLG Dresden: restriktive auslegung, besuch, vertragsschluss, widerruf, ware, vertragsabschluss, vertreter, report, handschriftlich, dach

³ ³
³ ³
³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
³ ³
³ ³
Vorhergehende Bestellung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG
Leitsätze
1.
ist
als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 11 Nr. 15 b ABGB
unwirksam.
2.
Privatwohnung zur Abgabe eines Angebotes liegt nicht ohne weiteres eine
vorhergehende Bestellung i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG vor.
Urteil des OLG Dresden vom 30.11.1999, Az.: 8 U 1687/99 (rechtskräftig).
Aktenzeichen: 8 U 1687/99
2 O 860/98 LG Bautzen
Verkündet am 30.11.1999
Die Urkundsbeamtin:
Schwarze
Justizsekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
GmbH
vertr. d. d. GF ,
,
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte &
Koll.,
gegen
,
,
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ,
,
wegen Wideruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 03.11.1999 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,
Richter am Landgericht Kadenbach und
Richterin am Amtsgericht Dennhardt
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bautzen vom
04.05.1999 - Az.: 2 O 860/98 - wie folgt
a b g e ä n d e r t :
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Beschwer der Klägerin: 15.750,00 DM -
Die Klägerin, ein überörtlich tätiges
Dachdeckerunternehmen, begehrt
Schadensersatz wegen eines nicht zur Ausführung gelangten Werkvertrages.
Der Beklagte wollte das Dach seines Hauses neu eindecken lassen. Aufgrund
eines Zeitungsinserates rief er bei der Klägerin an. Bei diesem Telefonat kam es
zur Vereinbarung eines Termins für einen Hausbesuch beim Beklagten. Bei
diesem Besuch des für die Klägerin tätigen freien Handelsvertreters am
05.05.1998 unterzeichnete der Beklagte einen Werkvertrag über die
Neueindeckung des Daches des damals in seinem Eigentum stehenden Hauses
zu einem Nettopreis von 45.000,00 DM zzgl. weiterer Zusatzleistungen.
Das Vertragsformular enthält auf der Vorderseite vor der Unterschrift des
Beklagten im Kleindruck u.a. eine Ziff. 10, die lautet:
Hinter dieser Zeile befinden sich zwei Kästchen mit der Beschriftung "ja" und
"nein", von denen ersteres offenbar handschriftlich angekreuzt wurde. Die auf dem
Formular befindliche Widerrufsbelehrung ist durchgestrichen. Unter der
Widerrufsbelehrung findet sich folgender vorgedruckter Text:
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 08.05.1998, also drei Tage nach
Vertragsschluss, den Vertrag widerrufen. Die Klägerin hält den Widerruf für
unberechtigt, da der Vertrag aufgrund einer vorherigen Bestellung durch den
Beklagten gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG zustande gekommen sei.
Die Klägerin verlangt gestützt auf Ziff. 5 ihrer AGB Schadensersatz wegen
Nichterfüllung i.H.v. 35 % des Auftragswertes, mithin 15.750,00 DM. Das
Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben.
Die Berufung des Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz zu, da
ein wirksames Vertragsverhältnis zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt
bestand. Der Beklagte hat seine Willenserklärung nämlich wirksam gem. § 1
Abs. 1 Nr. 1 HWiG widerrufen. Die Voraussetzungen für eine vorhergehende
Bestellung i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG hat die insoweit darlegungs- und
beweisbelastete Klägerin nicht vorgetragen.
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts enthebt die in der vom Beklagten
unterzeichneten Vertragsurkunde unter Ziff. 10 enthaltene Klausel, wonach
der Vertrag "auf Einbestellung durch den Kunden zum Vertragsschluss"
zustande gekommen sei, die Klägerin nicht von der Pflicht, Umstände
darzulegen und ggf. zu beweisen, aus denen sich das Vorliegen einer
vorhergehenden Bestellung ergibt. Derartige Tatsachenbestätigungen sind
gem. § 11 Ziff. 15 b AGBG unwirksam, weil durch sie die Beweislast zum
Nachteil des Kunden verschoben wird. Der Klauselcharakter entfällt nicht etwa
dadurch, dass neben dem entsprechenden Text je ein Kästchen mit "ja" und
"nein" vorgesehen ist und hier offenbar handschriftlich das Kästchen "ja"
angekreuzt wurde. Auch handschriftliche Ergänzungen bzw. Ankreuzungen
können sich als vorformulierte Vertragsbedingungen darstellen, wenn der
Verwender oder dessen Gehilfe das Formular überlicherweise oder gegenüber
einer Vielzahl von Kunden in gleicher Weise ergänzt oder ergänzen lässt (vgl.
hierzu im Einzelen: Urteil des BGH vom 10.03.1999, ZIP 1999, 711, mit dem
die Entscheidung des Senates vom 08.07.1998, OLG-Report Dresden 1998,
426 = BB 1999, 228 = VuR 1998, 382, bestätigt wurde, sowie BGH, NJW
1998, 1066 = ZIP 1998, 336). Davon ist hier auszugehen, da unstreitig der
Vertreter der Klägerin die Ankreuzung vorgenommen hat und dies, wie die
vorgedruckte Erläuterung unterhalb der durchgestrichenen
Widerrufsbelehrung zeigt, offenbar planmäßig geschieht. Die vorgedruckte
Erklärung, wonach eine vorhergehende Bestellung des Kunden vorliege,
entfaltet somit keine Rechtswirkungen.
2. Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände zur Vorgeschichte des
Hausbesuches füllen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2
Nr. 1 HWiG nicht aus.
Der Schutzzweck des Haustürwiderrufsgesetzes, das den Verbraucher vor der
Beeinträchtigung seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit bei
Haustürgeschäften durch Überrumpelung oder anderweitige Beeinflussung
durch unseriöse Gewerbetreibende bewahren soll, gebietet eine restriktive
Auslegung des Begriffs der vorhergehenden Bestellung (BGH, NJW 1990,
181, 182; Senat, NJW-RR 1996, 758; Fischer/Machunsky, HWiG, 2. Aufl.
1995, § 1 Rdn. 204, der auf die bedenkliche Praxis gewerblicher Anbieter im
Direktvertrieb verweist, den Kunden bei telefonischer Kontaktaufnahme dazu
zu veranlassen, einem Besuch von Außendienstmitarbeitern zuzustimmen und
sich auch im Rechtsstreit auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 HWiG zu berufen). Jedenfalls
dann, wenn der Besuch lediglich zu Informationszwecken oder zur
Warenpräsentation erfolgen soll, kann eine vorhergehende Bestellung nicht
angenommen werden (OLG Dresden, OLG-Report 1998, 39, 40; BGHZ 109,
127, 135). Aber auch die Vereinbarung eines Termins, in welchem ein
Angebot abgegeben werden soll, ist nicht ohne weiteres als vorhergehende
Bestellung i.S.d. genannten Vorschrift anzusehen. Insoweit ist eine
differenzierende Beurteilung geboten (BGHZ 110, 308 = NJW 1990, 1732).
Die Bitte um Unterbreitung eines Angebotes kann danach auch nur das
allgemeine Interesse des Kunden zum Ausdruck bringen, zunächst
unverbindlich über Art und Qualität der Ware sowie über den Preis unterrichtet
zu werden. Hier will der Kunde zunächst einmal das Angebot kennenlernen
und unbefangen prüfen. Dann aber kann selbst der erbetene Hausbesuch den
Kunden in eine vom Zweck des Gesetzes missbilligte Situation führen, wenn
die andere Vertragspartei über das allgemeine Interesse des Kunden am
Angebot hinaus in der Wohnung des Kunden auf einen Vertragsschluss
drängt (BGH a.a.O.).
Eine lediglich zu Informationszwecken abgegebene Aufforderung liegt nach
Auffassung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) regelmäßig vor, wenn bisher
zwischen den Parteien keine Geschäftsbeziehung bestand, wenn der Kunde
die Ware, die ihm angeboten werden soll, von der Art und Qualität her nicht
kennt, wenn es sich um ein aus objektiver Sicht größeres Geschäft mit
erheblichen finanziellen Belastungen für den Kunden handelt oder wenn der
Kunde ein Vergleichsangebot noch nicht eingeholt hatte. Insbesondere im Fall
des Abschlusses von Bauverträgen liegen nach Auffassung des BGH diese
Voraussetzungen häufig vor.
Gemessen an diesen Kriterien ist schon nach dem klägerischen Vortrag eine
den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG genügende Bestellung nicht
gegeben. Selbst wenn der Beklagte den Vertreter der Klägerin um einen
Besuch gebeten haben und erklärt haben sollte, er wolle sein Dach von der
Klägerin gedeckt haben, so ist hierin noch nicht die Einbestellung zu
konkreten Vertragsverhandlungen zu sehen. Der Beklagte war über das
Warenangebot der Klägerin lediglich aufgrund einer kleinen Anzeige
unterrichtet. Auch das dort genannte Preisbeispiel war keinesfalls geeignet,
beim Beklagten konkrete Vorstellungen über einen abzuschließenden Vertrag
zu entwickeln. Bei dem Volumen von 45.000,00 DM netto sowie weiterer
vereinbarter und gesondert in Rechnung zu stellender Leistungen handelt es
sich ohne jeden Zweifel um ein größeres Geschäft, bei dem zu erwarten ist,
dass der Kunde diesbezüglich noch Vergleichsangebote einholt, was zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht der Fall war. Schließlich
bestand auch zuvor keinerlei Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien.
3. Auf die Frage, ob, wie der Beklagte vorträgt, der Vertrag unter der Bedingung
stand, dass ihm die Finanzierung desselben gelinge, kommt es nach alledem
nicht an.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2
ZPO.
Häfner
Kadenbach
Dennhardt