Urteil des OLG Dresden vom 13.03.2017

OLG Dresden: operation, diabetes mellitus, unerlaubte handlung, vergleich, schmerzensgeld, anschluss, patient, toilette, behandlungsfehler, lagerung

Leitsatz:
1. Eine TEP-Operation nach der Methode „Robodoc“ stellte auch
im Jahre 2000 noch eine Neulandmethode dar, so dass der
Arzt auch darüber aufzuklären hatte, dass unbekannte Risi-
ken bei Anwendung dieser Methode nicht auszuschließen
sind.
2. Verwirklicht sich ein Risiko, über das der Patient aufge-
klärt worden ist (hier: Beschädigung des nervus fibula-
ris), kann er sich dann nicht auf ein Aufklärungsversäum-
nis über unbekannte Risiken berufen, wenn die Warschein-
lichkeit des konkret eingetretenen Schadens auch bei einer
Operation nach einer Standardmethode gleich hoch gewesen
wäre.
3. Bei einer TEP-Operation ist die Art der Lagerung nicht ge-
sondert zu dokumentieren.
2
Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 4 U 601/06
4-O-376/01 LG Görlitz
Verkündet am 13.09.2007
Die Urkundsbeamtin:
Bräunig
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
1.
2.
3.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1) bis 3):
wegen Schadensersatzes
3
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2007 durch
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Boie,
Richter am Oberlandesgericht Hörner und
Richter am Oberlandesgericht Schlüter
für Recht erkannt:
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landge-
richts Görlitz vom 22.02.2006 - Az.: 4 O 376/01 - wird
auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin
wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf-
grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden,
wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicher-
heit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leisten.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
4.
Der Befangenheitsantrag der Klägerin gegen den Sachver-
ständigen Prof. vom 21.08.2007 wird abgelehnt.
5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf
25.564,59 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf
Schadenersatz und Schmerzensgeld für eine ihrer Auffassung
nach
fehlerhaft
und
ohne
die
erforderliche
Aufklärung
durchgeführte
computergestützte
Implantation
einer
Totalendoprothese
des
rechten
Hüftgelenks
ohne
vorausgegangene Pin-Implantation sowie auf Feststellung der
Pflicht zum Ersatz zukünftig anfallender materieller und
immaterieller Schäden in Anspruch. Die Höhe des angemessenen
Schmerzensgeldes hat sie erstinstanzlich mit 15.000,00 DM
bis
24.000,00 DM
angegeben.
Daneben
begehrt
sie
Schmerzensgeld für die Folgen einer Sturzverletzung während
des anschließenden Aufenthalts im Klinikum der Beklagten zu
3)
bis
zum
29.03.2000.
Wegen
der
tatsächlichen
Feststellungen
wird
auf
das
angefochtene
Urteil
des
4
Landgerichts vom 22.02.2006 (Bl. 542 bis 565 dA) Bezug
genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausge-
führt, nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. H
könne ein ärztlicher Fehler bei der Operation nicht festge-
stellt werden, bei dem Schaden am nervus fibularis handele
es sich vielmehr um eine schicksalhafte Komplikation. Die
von der Klägerin behauptete Lockerung der Totalendoprothese
lasse sich anhand der Röntgenbilder und des klinischen Be-
schwerdebildes nicht bestätigen. Eine Fascienlücke sowie ei-
ne Verlängerung des rechten Beins von insgesamt drei Zenti-
metern habe der Sachverständige ebenfalls nicht bestätigen
können. Auch die Aufklärungsrüge könne der Klägerin nicht
zum Erfolg verhelfen, weil sie über die Risiken der Operati-
onsmethode an sich sowie über das Risiko eventueller Nerv-
verletzungen umfassend aufgeklärt worden sei. Der Einwand,
ihr sei keine andere Operationsmethode vorgestellt worden,
verfange nicht, weil die Frage nach alternativen Operations-
methoden im Februar 2000 für die Klägerin nicht mehr bestan-
den, sie sich vielmehr bereits abschließend auf das Robodoc-
Verfahren festgelegt habe. Dass sie hierbei nicht auf Risi-
ken hingewiesen worden sei, wie sie sich aus wissenschaftli-
chen Stimmen der Jahre 2004/2005 ergäben, begründe ebenfalls
keinen Aufklärungsmangel. Die Aufklärung der Klägerin habe
sich nur auf diejenigen Tatsachen beziehen müssen, die im
Zeitpunkt der Operation in der wissenschaftlichen Fachwelt
bereits bekannt gewesen seien. Schließlich sei auch eine
Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu 3) hinsichtlich
des Sturzes der Klägerin am 28.03.2000 nicht zu erkennen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form-
und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung. Sie
vertritt die Auffassung, das Landgericht habe die Aufklä-
rungspflicht der Beklagten rechtsfehlerhaft auf den Erkennt-
nisstand des Jahres 2000 beschränkt und dabei übersehen,
dass das Robodoc-Verfahren sich zu dieser Zeit noch in einem
experimentellen Stadium befunden habe und hieraus nicht nä-
her abschätzbare Risiken resultierten. Das Risiko von Ner-
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venschäden, wie die von ihr erlittene Schädigung des Pero-
naeusnerves (= nervus fibularis), sei beim Robodoc-Verfahren
messbar erhöht. Hinweise auf derartige Nachteile des Verfah-
rens gegenüber der konventionellen Methode seien ihr indes
nicht erteilt worden. Allein die Tatsache, dass ihr das Ro-
bodoc-Verfahren aufgrund "aggressiver Werbemethoden" bereits
vor Beginn des Aufklärungsgespräches mit dem Beklagten zu 2)
bekannt gewesen sei, lasse die Aufklärungspflicht nicht ent-
fallen. Die Verletzung der Aufklärungspflicht habe sich auch
deshalb ausgewirkt, weil ihre Beschwerden maßgeblich auf die
bei der Operation vorgenommene Ablösung der Muskulatur zu-
rückzuführen seien, die bei der Robodoc-Methode im Vergleich
mit der konventionellen Methode erheblich umfangreicher aus-
falle. Wäre ihr dies vorab mitgeteilt worden, hätte sie auf
einer Operation nach der konventionellen Methode bestanden.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. H , das ein er-
höhtes Risiko von Nervenschäden bei der Anwendung der Robo-
doc-Methode verneine, stehe im Widerspruch zur überwiegenden
Meinung in der Fachwelt, so dass gem. § 412 ZPO ein weiteres
Gutachten einzuholen sei. Darüber hinaus sei den Beklagten
ein "OP-Planungsfehler" unterlaufen, weil der Schenkelhals
des eingebauten Schaftes der Totalendoprothese einen fal-
schen Winkel aufgewiesen habe, der zu einer Luxationstendenz
geführt habe mit der Folge, dass der Schaft in einer weite-
ren Operation habe ausgetauscht werden müssen. Zudem sei zu
ihren Gunsten davon auszugehen, dass ihre Nervschädigungen
darauf beruhten, dass die Beklagtenseite es versäumt habe,
die Lagerung während der Operation in dem medizinisch gebo-
tenen Ausmaß zu dokumentieren.
Zu der Sturzverletzung am 28.03.2000 sei es gekommen, nach-
dem sie beim Aufstehen abgerutscht und gestürzt sei. Dass
sie sich geweigert habe, eine Bettpfanne zu benutzen, und
allein zur Toilette gegangen sei, könne ihr nicht vorgewor-
fen werden, nachdem das Pflegepersonal ihr die notwendige
Begleitung verweigert habe.
Die Klägerin beantragt,
6
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1.
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu
verurteilen, ihr ein angemessenes, in das Ermessen
des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 4 %
Zinsen für die Folgen der ärztlichen Behandlungs-
maßnahmen vom 28.02.2000 mit Ausnahme der Sturz-
verletzungen seit Klageeinreichung zu zahlen;
2.
festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2)
Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtlichen
teriellen Schaden, sowie sämtlichen zukünftigen
immateriellen Schaden, der auf die Folgen der Ope-
rationsmaßnahme vom 28.02.2000 zurückzuführen ist,
zu ersetzen;
3.
die Beklagte zu 3) zu verurteilen, der Klägerin
ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts ge-
stelltes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Zu-
stellung der Klage für die Sturzverletzungen wäh-
rend des Klinikaufenthalts in der Zeit vom 21.03.
bis 07.07.2000 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertreten insbe-
sondere die Auffassung, eine weitergehende Aufklärung habe
im Februar des Jahres 2000 nicht erfolgen müssen, vor allem
sei die Klägerin nicht über bloße Vermutungen aufzuklären
gewesen. Die Fußheberschwäche, die sie erlitten habe, stelle
eine operationsbedingte Komplikation dar, die nicht roboter-
spezifisch sei. Behandlungsfehler lägen der streitigen Ope-
ration nicht zugrunde, auch der Sturz der Klägerin am
28.03.2000 sei nicht auf eine Sorgfaltspflichtverletzung der
Beklagten zurückzuführen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die ge-
wechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 19.07.2007 Bezug genommen. Der
Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prof. H und An-
hörung des Gutachters. Wegen des Ergebnisses der Beweisauf-
nahme wird auf das Gutachten vom 29.01.2007 (Bl. 662 bis 669
dA) und das Protokoll vom 19.07.2007 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Er-
folg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadenersatz und
Schmerzensgeld wegen eines ärztlichen Fehlverhaltens der Be-
klagten vor und während der Operation am 28.03.2000 nicht zu
(1.). Auch auf eine Sorgfaltspflichtverletzung im Anschluss
an die Operation lässt sich ein Schmerzensgeldanspruch nicht
stützen (2.). Es liegt weder eine positive Verletzung des
Behandlungsvertrages noch eine unerlaubte Handlung der Be-
klagten vor (§§ 823, 831, 847 a.F., Art. 229 § 8 EGBGB) vor.
1.
Ein Behandlungsfehler lässt sich nicht aus der Anwen-
dung
des
"Robodoc"
genannten
computerunterstützten
Fräsverfahrens herleiten. In diesem Zusammenhang kann
dahinstehen, ob es sich im Jahre 2000 bei der Robodoc-
Methode um eine allgemein anerkannte Heilmethode gehan-
delt hat. Nach dem Grundsatz freier Methodenwahl, wo-
nach der Arzt unter verschiedenen nach Heilungsaussich-
ten und Eingriffsbelastungen im Wesentlichen gleichar-
tigen Theraphiemethoden seine konkrete Anwendungsmetho-
de frei wählen kann (Geiß/Greiner, Arzthaftpflicht-
recht, 5. Aufl., B I Rn. 35), ist auch die Anwendung
einer nicht allgemein anerkannten Heilmethode grund-
sätzlich erlaubt und führt nicht ohne weitere Umstände
zu einer Haftung des Behandlers (ständige Rechtspre-
chung, vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 22. Mai 2007,
VI ZR 35/06; BGHZ 113, 297 ff.). Die Therapiewahl ist
nämlich primär Sache des Arztes, dem für den Fall, dass
praktisch gleichwertige Methoden zur Verfügung stehen,
8
ein weites Ermessen eingeräumt ist (BGH a.a.O.; 106,
153; VersR 2005, 836). Bei der Wahl seiner Therapie ist
der Arzt auch nicht stets auf den jeweils sichersten
therapeutischen Weg festgelegt. Allerdings muss ein hö-
heres Risiko in den besonderen Sachzwängen des konkre-
ten Falles oder in einer günstigeren Heilungsprognose
eine
sachliche
Rechtfertigung
finden
(BGH
a.a.O.;
Geiß/Greiner, a.a.O., Rn. B 9, B 37). Zumindest hat der
Arzt alle bekannten und medizinisch vertretenen Siche-
rungsmaßnahmen anzuwenden, die eine erfolgreiche und
komplikationsfreie Behandlung gewährleisten, und muss
umso vorsichtiger vorgehen, je einschneidender ein Feh-
ler sich für den Patienten auswirken kann.
Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden,
dass die Beklagten zu 1) und 2) die bei der Klägerin
vorgenommene Totalendoprotheseoperation mit Hilfe des
computergestützten Fräsverfahrens ausgeführt haben. Un-
streitig war der Einsatz einer Totalendoprothese indi-
ziert, da die Klägerin an einer schweren Coxarthrose
gelitten und eine mehrjährige, erhebliche Beschwerde-
symptomatik
mit
Bewegungseinschränkungen
vorgelegen
hatte. Auch wenn es sich bei dem computergestützten
Fräsverfahren Robodoc noch im Jahre 2000 um eine Opera-
tionsmethode handelte, die - insbesondere wegen der er-
forderlichen Investitionen für die Anschaffung von Ope-
rationsrobotern -
in
Deutschland
nicht
durchgängig
praktiziert wurde, so war diese Methode doch bereits
seit 1995 an zahlreichen Kliniken in Deutschland, u.a.
am Klinikum der Beklagten zu 3), im Einsatz. Dort wurde
das Verfahren im Jahre 1998 eingeführt, die Beklagten
zu 1) und 2) hatten vor der Aufnahme der Klägerin be-
reits ca. 300 Operationen nach dieser Methode durchge-
führt, in ganz Deutschland belief sich die Gesamtzahl
der Operationen auf ca. 3.000. Der Sachverständige
Prof. H hat das Klinikum der Beklagten 3) in seinem
Zusatzgutachten vom 17.02.2005 als "ausgewiesenes Kran-
kenhaus auf dem Gebiete des Gelenkersatzes" bezeichnet.
In seinem im Berufungsverfahren eingeholten Zusatzgut-
9
achten hat er weiter ausgeführt, es handele sich bei
dem Robodoc-Verfahren der Sache nach auch nicht um eine
grundlegend neue Operationsmethode, weil Programmierung
und Fräsvorgang von Robotern in der Industrie lange ge-
übte Arbeitsvorgänge seien und die Robotertechnik als
solche bereits vor Einführung in der Endoprothetik si-
cher beherrscht worden sei. Es seien entsprechende Si-
cherheitsmaßnahmen vorgesehen worden, die ein fehler-
haftes Fräsen des Roboters ausschlössen. Das computer-
gestützte Fräsverfahren weise zudem erhebliche Vorteile
auf. Diese bestünden darin, dass der Anbindungsgrad von
Knochen an die Prothese durch den Fräsvorgang wesent-
lich verbessert werde, die Stellung der Prothese somit
perfekt sei und durch die bei dem Robodoc-Verfahren
mögliche präoperative Planung eine wesentliche Verbes-
serung der Auseinandersetzung mit der bevorstehenden
Operation garantiert werden könne. Dem stehe freilich
als Nachteil gegenüber, dass der Fräsvorgang einen Zu-
gang zum Oberschenkel benötige, was einen im Vergleich
zur konventionellen Methode größeren Schnitt in die
Muskulatur erfordere. Auch wenn der Sachverständige
darauf verwiesen hat, es habe in den Jahren bis 2000
keine verlässlichen Studien und keine Evaluation des
Verfahrens gegeben, und es sei mangels einer genügenden
Anzahl von Operationen nicht etabliert gewesen, sprach
dies nicht gegen den Einsatz des Robodoc bei der Opera-
tion der Klägerin. Der Sachverständige hat nämlich
zugleich ausgeführt, Langzeitergebnisse seien aus wis-
senschaftlichen Gründen nur für die Beurteilung der
Qualität der Prothesen von Bedeutung, während sich die
Qualität der bei der Operation angewandten Technik be-
reits im ersten oder zweiten Jahr nach Einführung der
Operationsmethode erweise.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass auch die AWMF-
Leitlinie "Endoprothese bei Coxarthrose" die Robodoc-
Methode für das Jahr 1999 als in Erprobung befindliches
Verfahren ausdrücklich ansprach. Auch das - freilich
erst Jahre nach der streitgegenständlichen Operation
10
publizierte - MDS-Gutachten vom April 2004 stellt (Sei-
te 61 des Gutachtens) ausdrücklich fest, dass "die An-
wendung des Robodoc-Verfahrens allein ... kein Behand-
lungsfehler (ist)". Bei dieser Sachlage durften sich
die Beklagten im Jahre 2000 nach einer verantwortlichen
medizinischen Abwägung und einem Vergleich der zu er-
wartenden Vorteile dieser Methode und ihrer abzusehen-
den und zu vermutenden Nachteile mit der konventionel-
len Operation unter Berücksichtigung des Wohles der
Klägerin für die Anwendung dieser Methode entscheiden.
Daran ändert es nichts, dass die Klägerin an einem
leichten Diabetes mellitus Typ II litt, der allerdings
gut eingestellt war. Der Sachverständige Prof. H hat
hierzu ausgeführt, ein Diabetes mellitus berge bereits
kein erhöhtes Risiko für Nervenverletzungen und stehe
damit der Anwendung dieser Methode nicht entgegen.
Auch ein konkreter Behandlungsfehler bei der Operation
der Klägerin am 28.02.2000 kann den Beklagten zu 1) und
2) nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin bleibt für
ihre Behauptung, die Beklagten hätten sie während der
Operation fehlerhaft gelagert, beweisfällig. Dem Land-
gericht ist im Anschluss an das vom Senat eingeholte
Ergänzungsgutachten darin beizupflichten, dass es sich
bei dem Schaden am nervus fibularis und der dadurch
hervorgerufenen Fußheberschwäche um eine schicksalhafte
Entwicklung gehandelt hat, die nicht auf einem Fehler
der Beklagten bei der Operation beruhte. Nach dem Ope-
rationsbericht (Bl. 151 dA) wurde das Bein in "forcier-
ter Adduktion und Außenrotation der Beinschale" gela-
gert. "In dieser Stellung wird das Bein fest fixiert".
Der Sachverständige Prof. H hat in seiner Anhörung
vor dem Senat angegeben, es sei aufgrund dieser Doku-
mentation davon auszugehen, dass die Operation in Rü-
ckenlage stattgefunden habe; bei dieser Lagerung sei es
kaum möglich, die von den Beklagten verwandte Bein-
schiene so weit hoch zu führen, dass sie das Fibula-
köpfchen erreichen und damit zu einem Schaden am nervus
fibularis führen könne. Vielmehr sei davon auszugehen,
11
dass es sich bei dem Schaden um eine Komplikation han-
dele, die der Knie- und Hüftendoprothetik generell mit
einem Risikopotential von 0,5 % bis 1,5 % inne wohne.
Die in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von
Prof. S vertretene Auffassung, ein Schaden am
nervus fibularis sei stets auf einen Lagerungsfehler
zurückzuführen, sei vor diesem Hintergrund unzutref-
fend. Dieser überzeugenden Einschätzung des Sachver-
ständigen, die durch eine Demonstration der Anlegung
der Beinschiene bei einer Operation in Rückenlage in
der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2007 veranschau-
licht wurde, tritt der Senat bei. Aus dem Gutachten von
Prof. S ergeben sich hieran keine durchgreifen-
den Zweifel. Das Gutachten bezieht sich nicht auf die
Klägerin, sondern auf eine andere Patientin. Sein In-
halt wird zudem lediglich in einem gleichfalls nicht
auf das vorliegende Verfahren bezogenen Privatgutachten
des Sachverständigen Dr. I zitiert. Ferner geht aus
ihm nicht hervor, ob in dem dortigen Fall überhaupt die
hier von den Beklagten verwandte Beinschiene zum Ein-
satz gekommen ist. Prof. H zufolge gibt es die un-
terschiedlichsten Lagerungsschienen. Dies kann indes
dahinstehen. Nicht jeder Widerspruch zwischen Gerichts-
und Privatgutachten zwingt entgegen der Auffassung im
Schriftsatz vom 21.8.2007 zur Einholung eines weiteren
Gutachtens nach § 412 ZPO. Hiervon kann abgesehen wer-
den, sofern das Gericht den Sachverständigen mit der
abweichenden Auffassung des Privatgutachters konfron-
tiert und sich auf dieser Grundlage seine Überzeugung
bildet (vgl. BGH VersR 2004, 790; VersR 1993, 1231).
Dies ist hier im Rahmen der Anhörung des Sachverständi-
gen geschehen.
Entgegen der zuletzt im Schriftsatz vom 21.8.2007 ver-
tretenen Ansicht der Klägerin kommt auch eine Beweis-
lastumkehr unter dem Gesichtspunkt eines Dokumentati-
onsmangels nicht in Betracht. Nach der ständigen Recht-
sprechung des BGH (grundlegend BGH VersR 1984, 386) ist
eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Patienten nur
12
dann geboten, wenn die ärztliche Dokumentation lücken-
haft und deswegen eine Aufklärung des Sachverhalts für
den geschädigten Patienten unzumutbar erschwert worden
ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der Sachverständige
hat hierzu ausgeführt, die von den Beklagten verwandte
Formulierung im Operationsbericht sei üblich, Weiteres
sei nicht zu fordern. Insbesondere könne schon ange-
sichts der Vielzahl von Nerven, die bei einer Hüftope-
ration möglicherweise verletzt werden könnten, nicht
gefordert werden, dass im OP-Bericht besondere Schutz-
maßnahmen zu beschreiben seien, die die diversen Nerven
beträfen. Die Dokumentation der "besonderen Lagerungs-
beobachtung" werde in der medizinischen Literatur denn
auch nirgends gefordert. Er selbst habe bei seinen mit
dem Robodoc-Verfahren ausgeführten Operationen nicht
mehr in den Operationsbericht aufgenommen als das, was
der Beklagte zu 1) im vorliegenden Fall dokumentiert
habe. Diese Ansicht steht auch im Einklang mit der o.a.
Rechtsprechung des BGH. Steht die Art der Lagerung des
Patienten während der Operation allgemein fest, ergibt
sich hiernach die technische Durchführung der Lagerung
aus den allgemein anerkannten, dabei einzuhaltenden me-
dizinischen
Regeln.
Diese
brauchen
nicht
jedesmal
schriftlich fixiert zu werden. Anders ist dies nur
dann, wenn im Einzelfall von der Norm abgewichen werden
soll oder wenn es während der Operation zu nicht ganz
unbedeutenden Korrekturen kommt (BGH VersR 1984, 131),
wofür hier nichts ersichtlich ist.
Keiner weiteren Beweiserhebung bedurfte auch die Frage,
ob der von der Klägerin in ihrer Anhörung geschilderte
weiße Fleck am Kniegelenk auf einen Lagerungsfehler
während der Operation hindeutet. Der Sachverständige
Prof. H hat hierzu ausgeführt, die von der Klägerin
geschilderte Beobachtung, wonach der weiße Fleck über
mehrere Tage bestanden habe, sei aus medizinischer
Sicht nicht nachvollziehbar, weil eine weiße Stelle
nicht durchblutet sei und deshalb nach einiger Zeit
nekrotisiere. Dies war indes bei der Klägerin unstrei-
13
tig nicht der Fall. Die gegenteilige Behauptung unter
Bezugnahme auf nicht näher genannte "Mediziner aus dem
Bekanntenkreis" des Klägervertreters gibt dem Senat
keine Veranlassung zu einer weitergehenden Beweiserhe-
bung.
Auch
ein
Behandlungsfehler
in
Form
eines
"OP-
Planungsfehlers", den die Klägerin im Anschluss an das
von ihr eingeholte Privatgutachten von Dr. W
darin sieht, dass der Schenkelhals des eingebauten
Schaftes einen falschen Winkel aufgewiesen habe, was in
der Folge zu einer Luxationstendenz des gesamten Schaf-
tes geführt habe, liegt nicht vor. Der Sachverständige
Prof. H hat hierzu nach Einsicht in die Original-
röntgenaufnahmen, die unmittelbar vor und nach der Ope-
ration gefertigt worden sind, darauf verwiesen, dass
die der Klägerin eingesetzte sogenannte ABG-Prothese
generell den Einsatz in jeder Hüfte ermögliche. Die An-
passung an einen pathologischen Schenkelhalswinkel wäre
"geradezu widersinnig", der Einsatz individuell gefer-
tigter Prothesen sei unüblich, nicht finanzierbar und
für den Patienten ohnehin mit keinerlei Vorteilen ver-
bunden. Dass der Abstand zwischen Oberschenkel und Be-
cken, das sogenannte Offset, ausweislich der Röntgen-
bilder bei der Operation am 28.02.2000 reduziert worden
sei, entspreche der Vorgehensweise bei jedem Prothesen-
einsatz und lasse keinen Rückschluss auf eine Luxati-
onstendenz zu. Auch die weiteren Vorwürfe der Klägerin,
die von den Beklagten eingesetzte Hüftpfanne sei zu
flach und der Stift zu klein dimensioniert, ließen sich
anhand der Aufnahmen nicht bestätigen. Hieran könne man
vielmehr deutlich erkennen, dass die Prothese an der
Stelle, an der sie festsitzen müsse, auch fest sitze.
Ob es bei der Klägerin zu einer Luxation gekommen sei,
lasse sich hieraus nicht erkennen, dies sei aber gene-
rell ein Risiko der primären Endoprothetik, ohne dass
hieraus Rückschlüsse auf einen Operationsfehler gezogen
werden dürften. Dieser Einschätzung tritt der Senat
bei.
14
Eine Haftung der Beklagten wegen einer Aufklärungs-
pflichtverletzung kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Die am 21.02.2000 vom Beklagten zu 2) vorgenommene und
im Aufklärungsbogen nebst "Ergänzung zur dokumentierten
Patientenaufklärung
- Hüftgelenksendoprothese -"
(Bl. 214 ff.) dokumentierte Aufklärung war zwar mangel-
haft, dies wirkt sich aber im Ergebnis nicht aus.
Wie oben dargelegt, ist die Wahl der Behandlungsmethode
primär
Sache
des
Arztes
(BGH
GesR 2007,
165;
VersR 2005, 836; OLG Zweibrücken OLGR 2001, 79; OLG
Karlsruhe MedR 2003, 229). Die Wahrung des Selbstbe-
stimmungsrechts des Patienten erfordert aber die Unter-
richtung über Alternativen, wenn - wie hier - für eine
medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere
Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu
jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten
führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen
bieten (BGH, a.a.O.; MüKo, BGB-Wagner, 4. Aufl., § 823
Rn. 707 f.). Zusätzlich ist der Patient bei Anwendung
einer neuen, noch nicht allgemein eingeführten Methode
über diesen Umstand und die jeweiligen bekannten Risi-
ken aufzuklären (BGH VersR 1988, 179; VersR 1980, 145).
Hiernach bestand im Streitfall eine Pflicht der Beklag-
ten, sowohl über die Chancen und Risiken der konventio-
nellen als auch der Robodoc-Methode aufzuklären.
Vorliegend wurde die Klägerin über die allgemeinen Ri-
siken einer Hüftgelenksendoprothesenoperation hinrei-
chend aufgeklärt. Dies umfasste auch die Aufklärung ü-
ber Nervenverletzungen mit der Gefahr dauerhafter Stö-
rungen und Druckschäden, wobei im bei den Gerichtsakten
befindlichen Dokumentationsbogen einschränkend ausge-
führt wird, dass sich diese "zumeist innerhalb weniger
Wochen zurückbilden". Der Beklagte zu 2) hat in seiner
Parteivernehmung vor dem Landgericht ergänzend ausge-
sagt, es sei zwar nicht speziell über die Schädigung
des Fibularisnervs, wohl aber allgemein über die Gefahr
15
der Prothesenlockerung, einer Luxation sowie von Ner-
venschädigungen, auch in Form von Dauerschäden gespro-
chen worden. Ein erhöhtes Risiko von Nervenverletzungen
im Vergleich zur konventionellen Operation sei ihm al-
lerdings zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen,
so dass er hierüber nicht aufgeklärt habe. Hingewiesen
habe er zudem darauf, dass sich das Risiko der Operati-
on generell durch die Diabeteserkrankung der Klägerin
erhöhen könne. Für die ordnungsgemäße Aufklärung der
Klägerin über die im Jahr 2000 bekannten Risiken einer
TEP-Operation im Allgemeinen reicht dies aus, insbeson-
dere unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der
Patient auch bei Anwendung einer neuen Behandlungsme-
thode nur "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risi-
ken der Behandlung aufgeklärt werden muss.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hält der Senat im
Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen
Prof. H eine weitergehende Aufklärung darüber, dass
die Anwendung des Robodoc-Verfahrens aufgrund der Ver-
längerung der Operationsdauer auch das Risiko einer
Nervschädigung erhöht, nicht für geboten. Die Pflicht
zur Risikoaufklärung setzt nämlich voraus, dass ernst-
hafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft auf be-
stimmte mit der Behandlung verbundene Gefahren hinwei-
sen, die nicht lediglich als unbeachtliche Außenseiter-
meinungen abgetan werden können, sondern als gewichtige
Warnungen angesehen werden müssen (BGHZ 168, 103; VersR
1996, 233; VersR 1990, 522). Dies gilt unabhängig da-
von, ob es sich um ein eingeführtes Verfahrens oder um
eine Neulandmethode handelt, wenngleich dort nach Lage
des Falles auch strengere Anforderungen gelten können.
Über bloße Vermutungen, die in der medizinischen Wis-
senschaft im Operationszeitpunkt nicht ernsthaft disku-
tiert werden, braucht der Patient nicht aufgeklärt zu
werden.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das erhöh-
te Risiko von Nerverletzungen bereits im Jahre 2000
16
aufgrund gewichtiger Warnungen in der medizinischen
Wissenschaft bekannt gewesen ist. Der Sachverständige
Prof. H hat ausgeführt, wissenschaftliche Veröffent-
lichungen zu Robodoc-Operationen seien im Jahr 2000
noch äußerst rar gewesen. Ernst zu nehmende Stimmen,
die auf die Gesamtproblematik einer erhöhten Komplika-
tionsrate verwiesen hätten, habe es nicht gegeben. Ner-
venschäden seien zwar beschrieben, im Einzelnen aber
nicht aufgelistet worden. Ein wesentlicher Unterschied
zur konventionellen Methode sei nicht herausgearbeitet
worden, evidenzbasierte Veröffentlichungen hätten in
diesem Zeitraum gänzlich gefehlt. Dieser Ansicht tritt
der Senat auch nach Lektüre der von der Klägerin zu den
Gerichtsakten gereichten Prozessgutachten aus anderen
Verfahren bei. Die gegenteilige Auffassung findet in
den von der Klägerin vorgelegten Gutachten von Dr.
I (Bl. 725 ff.) und Prof. W (Bl. 745 dA)
keine Grundlage. Insbesondere das Gutachten von Prof.
W weist ebenfalls auf die "sehr heterogene"
Studienlage hin (S. 27 des Gutachtens) und stellt her-
aus, dass die Verantwortlichkeit für Nervenschäden un-
abhängig von der Operationsmethode größtenteils auf den
Operateur zurückzuführen sei (S. 29 des Gutachtens).
Prospektive oder gar prospektiv kontrollierte Studien
seien die Ausnahme (Seite 36 des Gutachtens), insgesamt
ließen sich nur zwei randomisiert-kontrollierte Studien
finden, die sowohl Wirksamkeit als auch Komplikations-
rate der beiden Methoden verglichen (Seite 37 des Gut-
achtens): Die Studie von Bargar aus dem Jahre 1998 zei-
ge prinzipiell keine Unterschiede in Funktion, Lebens-
qualität und Komplikationsrate zwischen den beiden Me-
thoden auf. Ob mit der signifikant längeren Operations-
zeit höhere Risiken einhergingen, lasse sich ihr nicht
entnehmen, die Ergebnisse seien bei fehlendem Bezug und
fehlender Angabe zum zeitlichen Follow up letztendlich
wertlos (Seite 38). Die zweite prospektiv-randomisierte
kontrollierte Studie stamme erst aus dem Jahre 2003.
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Diese Darlegungen stehen im Einklang mit den Ausführun-
gen des Sachverständigen Prof. H . Dieser hat zudem
ausgeführt, das Gutachten von S und B aus dem
Jahre 1999, in dem als Ergebnis einer Robodoc-Fallserie
über 3,6 % Nervenschäden berichtet werde, stamme aus
der BG-Klinik in Frankfurt, die das Verfahren seit 1995
angewandt und propagiert habe. Ob sich das Ergebnis auf
alle Nervenschäden zusammen oder nur auf Schäden am
nervus gluteus inferior beziehe, lasse sich ihr nicht
entnehmen. Zudem sei auch diese Untersuchung nicht evi-
denzbasiert. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Opera-
tionsdauer und Nervschädigung ergibt sich nach alledem
aus der bis zum Jahre 2000 veröffentlichten wissen-
schaftlichen Literatur nicht. Hierbei ist auch zu be-
rücksichtigen, dass die Operationsdauer bei der Robo-
doc-Methode infolge der Einführung neuer Verfahren wie
der sogenannten Pinless-Operation und des Einsatzes von
Geradschaftprothesen seit 1995 erheblich verkürzt wur-
de, was zugleich das Risiko von Nervverletzungen deut-
lich verringerte. Im Streitfall betrug die Operation
nur 110 Minuten und war damit nach Einschätzung des
Sachverständigen nahezu identisch mit der Dauer einer
konventionellen Operation. Vor diesem Hintergrund war
eine Aufklärung über ein erhöhtes Risiko von Nervschä-
digungen im Vergleich zur konventionellen Methode nicht
geboten.
Die Klägerin wäre allerdings darüber aufzuklären gewe-
sen, dass bei der Anwendung der Robodoc-Methode im Jah-
re 2000 unbekannte Risiken nicht auszuschließen waren.
Grundsätzlich sind zwar allgemeine Überlegungen dazu,
dass der Eintritt bislang unbekannter Komplikationen in
der Medizin nie ganz auszuschließen ist, für die Ent-
scheidungsfindung des Patienten nicht von Bedeutung,
weil sie ihn im Einzelfall nur unnötig verwirren und
beunruhigen würden (BGH VersR 1990, 522). Anders ist
dies aber, wenn der Arzt keine allseits anerkannte
Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch
nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch
18
nicht abschließend geklärten Risiken anwenden will
(BGHZ 168, 103; OLG Karlsruhe VersR 2004, 244; OLG Düs-
seldorf VersR 2004, 386; OLG Bremen OLGR 2004, 320). Um
ein solches Verfahren handelte es sich bei der Robodoc-
Methode auch noch im Jahre 2000. Der Sachverständige
Prof. H hat zwar ausgeführt, die Methode, die be-
reits seit 1995 praktiziert worden sei, habe zu dieser
Zeit bereits das Stadium des experimentiellen Charak-
ters verlassen, zugleich hat er aber bekräftigt, dass
es evidenzbasierte klinische Studien zu den Risiken
dieser Methode seinerzeit noch nicht gegeben hat. Gera-
de das Fehlen derartiger Studien ließ, trotz guter Er-
fahrungen der Operateure im Einzelfall, die Möglichkeit
unbekannter Risiken offen. Hierauf wäre die Klägerin
vor Beginn der Operation hinzuweisen gewesen. Der Hin-
weis in der "Ergänzung zur dokumentierten Patientenauf-
klärung" (Bl. 218), aus dem Einsatz des Robodoc ergäben
sich keine weiteren, über die im Aufklärungsblatt "Hüf-
tendoprothese" bereits genannten hinausgehende Risiken,
reichte nicht aus, legte vielmehr nahe, dass die Metho-
de bereits soweit erforscht sei, dass unbekannte Risi-
ken ausgeschlossen werden könnten, und war damit nicht
geeignet, der Klägerin die für eine selbstbestimmte
Entscheidung notwendige Grundlage zu vermitteln.
Der Aufklärungsmangel hat sich aber im Ergebnis nicht
ausgewirkt, weil sich mit der Schädigung des nervus fi-
bularis gerade das Risiko verwirklicht hat, über das
die Klägerin - wenngleich in allgemeiner Form und nicht
im Zusammenhang mit der Robodoc-Methode - aufgeklärt
worden ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es
aber nicht darauf an, ob auch über unbekannte Risiken,
die sich nicht verwirklicht haben, hätte aufgeklärt
werden müssen, wenn sich (nur) ein Risiko verwirklicht,
über das aufgeklärt werden musste und über das auch
tatsächlich aufgeklärt worden ist (BGHZ 168, 103 ff.).
Hat der Patient bei seiner Einwilligung das später ein-
getretene Risiko in Kauf genommen, so kann er bei wer-
tender Betrachtungsweise nach dem Schutzzweck der Auf-
19
klärungspflicht aus der Verwirklichung dieses Risikos
keine Haftung herleiten (BGH a.a.O.; BGHZ 144, 1; VersR
2001, 592; Geiß/Greiner, a.a.O., Rn. 157). So ist es
auch im vorliegenden Fall. Dass die Klägerin behauptet
hat, bei einem Hinweis auf unbekannte Gefahren durch
die Robodoc-Operation hiervon Abstand genommen zu ha-
ben, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn sie
hätte sich unstreitig angesichts ihrer Coxarthrose und
der damit einhergehenden Schmerzen in jedem Fall einer
- dann
konventionellen -
Totalendoprothesenoperation
unterzogen. Durch die konventionelle Operation hätte
sich aber das Risiko einer Beschädigung des nervus fi-
bularis im Vergleich zu einer Robodoc-Operation nicht
verringert. Denn auch auf der Grundlage der nach dem
Jahre 2000 erschienenen wissenschaftlichen Veröffentli-
chungen ist lediglich davon auszugehen, dass die Robo-
doc-Operation ein höheres Risiko von Verletzungen des
nervus gluteus inferior, nicht aber des nervus fibula-
ris bedingt. Nach alledem vermittelte die Aufklärung
der Klägerin in Bezug auf das Risiko, das sich später
bei ihr tatsächlich verwirklicht hat, keine unrichtige
Vorstellung von der Schaden-Nutzen-Relation. Dies un-
terscheidet den Streitfall von demjenigen, der der Ent-
scheidung des BGH vom 22. Mai 2007 (VI ZR 35/06)
zugrunde lag. Bei dieser Sachlage kann sich die Kläge-
rin nicht auf die unzureichende Aufklärung seitens der
Beklagten über unbekannte Risiken der Robodoc-Methode
berufen. Die nachträglich auszugsweise eingereichte
Entscheidung
des
LG Essen
ändert
an
dem
Ergebnis
nichts, zumal es dort nicht um eine Nerv-, sondern um
eine Muskelschädigung ging und im Übrigen die Einzel-
heiten des Sachverhalts nicht bekannt sind.
2. Auch ein Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld aus
§§ 823, 831, 847 BGB a.F. gegen die Beklagte zu 3) we-
gen des Sturzes vom 28.03.2000 besteht nicht. Hierbei
kann dahinstehen, ob sich dieser Sturz - wie die Kläge-
rin erstinstanzlich behauptet hat - auf dem Rückweg von
der Toilette oder - wie sie jetzt vorträgt - beim Auf-
20
stehen aus dem Bett ereignet hat. Auch unter Berück-
sichtigung der Tatsache, dass ein vorgestelltes Brett
am Bettende der Klägerin nicht befestigt war (vgl. das
Foto Bl. 24), ergibt sich keine Verletzung einer Ver-
kehrssicherungspflicht. Allerdings begründete der Be-
handlungsvertrag mit der Beklagten zu 3) Obhutspflich-
ten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Klä-
gerin. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche deliktische
Verkehrssicherungspflicht zum Schutz der Klägerin vor
Schädigungen, die ihr infolge ihrer Krankheit durch sie
selbst oder die Einrichtung des Krankenhauses drohten
(allgemeine Auffassung, vgl. nur OLG Koblenz NJW-RR
2002, 867). Allein aus dem Umstand, dass eine Patientin
im Krankenhaus nachts bei dem Weg von oder zur Toilette
an ihrem Bett stürzt und sich dabei verletzt, kann al-
lerdings noch nicht auf eine schuldhafte Pflichtverlet-
zung des Pflegepersonals der Beklagten geschlossen wer-
den. Eine Beweislastumkehr nach § 282 BGB a.F. greift
nicht zugunsten der Klägerin ein. Die Anwendung dieser
Beweisregel kommt bei der Verletzung von Organisations-
pflichten im voll beherrschbaren Bereich des Kranken-
hauses nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte im
Herrschafts- und Organisationsbereich des Krankenhauses
verletzt wird und dessen Vertragspflichten auch dahin
gehen, ihn gerade vor einem solchen Schaden zu bewah-
ren. Dies kann nur in einer konkreten Gefahrensituation
angenommen werden, die gesteigerte Obhutspflichten für
den Krankenhausträger auslöst. Hierfür ist trotz der
vorausgegangenen Stürze vom 21. und 26.03.2000 im Falle
der Klägerin nichts ersichtlich. Vielmehr war lediglich
der normale, alltägliche Gefahrenbereich betroffen, der
grundsätzlich in ihrer eigenverantwortlichen Risiko-
sphäre verblieb. Die Klägerin war durchgängig bewusst-
seinsklar und wäre zumindest mit einer Peronaeusschiene
auch im Stande gewesen, allein die Toilette aufzusu-
chen. Aus der Tatsache, dass sie im März 2000 annähernd
80 Jahre alt war, folgt nichts anderes. Das Personal
der Beklagten zu 3) war daher nicht verpflichtet, die
Klägerin rund um die Uhr zu bewachen. Ebenso bestand
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angesichts der körperlichen Verfassung der Klägerin im
Anschluss an die Operation keine Verpflichtung, ihr
Bett besonders zu sichern. Dies zeigt ein Vergleich mit
anderen in der Rechtsprechung entschiedenen Fallgestal-
tungen: So hat das OLG Stuttgart eine besondere Siche-
rung des Bettes nur bei drohender Bewusstseinstrübung
oder Verwirrtheit, von der hier nicht ausgegangen wer-
den kann, für notwendig gehalten (OLGR 2001, 239). Be-
sondere Gründe für eine Sicherung des Bettes sollen
auch dann nicht vorliegen, wenn eine Schlaganfallpati-
entin auf dem Weg zur Toilette stürzt, sofern die Pati-
entin im Zeitpunkt des Sturzes bewusstseinsklar war
(OLG Frankfurt VersR 1995). Auch bei einer sehbehinder-
ten, aber voll orientierten Patientin nach der Operati-
on eines grauen Stars bestehen keine besonderen Gründe
für die Sicherung des Bettes (OLG Düsseldorf VersR
1977, 456). Im Streitfall ist zudem zu berücksichtigen,
dass die Klägerin sowohl die angebotene Bettpfanne als
auch die Peronaeusschiene, die zu einer höheren Gangsi-
cherheit geführt hätte, ohne ersichtlichen Grund abge-
lehnt hat. Selbst wenn man zu ihren Gunsten von einer
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ausginge, wäre
bei dieser Sachlage eine Haftung der Beklagten wegen
des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zu
verneinen.
III.
Der neuerliche gegen Prof. gerichtete Befangenheitsantrag
war abzulehnen. Die Klägerin greift ausschließlich Sachaus-
sagen des Gutachters an, die schon deshalb nicht auf Vorein-
genommenheit schließen lassen, weil sie - wie oben darge-
legt - überzeugend sind.
IV.
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in
§§ 710 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulas-
22
sen, da Gründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorlie-
gen. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den ge-
stellten Anträgen.
Boie
Hörner
Schlüter