Urteil des OLG Dresden vom 24.06.2003

OLG Dresden: abwasserbeseitigung, wirtschaftliche einheit, zweckverband, fälligkeit, grundstück, anschluss, verwaltung, geschäftsführung, rechtsverletzung, aufsichtsrat

Leitsatz:
Schließt eine von einem Abwasserzweckverband insoweit beauf-
tragte GmbH mit einem Grundstückseigentümer einen Abwasser-
beseitigungsvertrag im eigenen Namen ab, so bedeutet diese
Tatsache allein nicht, dass der Abwasserzweckverband seine
Abwasserbeseitigungspflicht entgegen § 63 Abs. 4 SächsWas-
serG auf die GmbH übertragen hat. Vielmehr ist davon auszu-
gehen, dass die GmbH Erfüllungsgehilfin des Verbandes i.S.v.
§ 63 Abs. 3 SächsWasserG ist.
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Oberlandesgericht
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Dresden
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Aktenzeichen: 9 U 2015/02
7-O-1993/02 LG Chemnitz
Verkündet am 24.06.2003
Die Urkundsbeamtin:
Bräunig
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Beklagter und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter:
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wegen Forderung
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2003 durch
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kindermann,
Richter am Oberlandesgericht Frick und
Richterin am Amtsgericht Meng
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG
Chemnitz vom 20.09.2002, Az.: 7 0 1993/02, wie folgt ab-
geändert:
a) Der
Beklagte
wird
verurteilt,
an
die
Klägerin
2 649,64 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten
über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG vom 04.10.2001 bis
31.12.2001 sowie i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basis-
zinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.01.2002 und
7,67 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
b) Hinsichtlich des Baukostenzuschusses für das Flurstück
(2 849,95 EUR) wird die Klage als unbegründet
abgewiesen.
c) Im Übrigen wird die Klage als derzeit unbegründet ab-
gewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückge-
wiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt
die Klägerin 7/8 und der Beklagte 1/8.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird jeweils gestattet, die Vollstreckung
des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-
treibenden Betrages zzgl. 10 % abzuwenden, wenn nicht vor
der Vollstreckung der jeweilige Gegner Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
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G r ü n d e :
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung eines Baukosten-
zuschusses für den Anschluss von Grundstücken an die öffent-
liche Abwasserbeseitigung. Hierüber war zwischen den Partei-
en am 03./09.08.1999 ein Abwasserbeseitigungsvertrag ge-
schlossen worden (siehe Anlage K 5).
Der Beklagte bestreitet insbesondere die Fälligkeit der Kla-
geforderung, da 6 der 8 Grundstücke noch nicht bebaut seien
und noch kein Hausanschluss verlegt worden sei.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbe-
stand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 9 AVBWasserV
i.V.m. § 9 der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen der Kläge-
rin (AEB), der Anlage 2 zu den AEB und § 3 des zwischen den
Parteien
geschlossenen
Abwasserbeseitigungsvertrages
vom
03./09.08.1999. Der Beklagte sei Eigentümer der betroffenen
Grundstücke und somit der Anschlussnehmer, gegen den sich
der Anspruch auf Baukostenzuschuss richte. Die Höhe des Bau-
kostenzuschusses ergebe sich aus der Berechnung Grundstücks-
fläche x Geschossfaktor (hier 1,5) x Baukostensatz (hier
3,95 DM/qm), woraus sich die Summe von 20 209,65 Euro inkl.
16 % Mehrwertsteuer ergebe.
Obwohl für 6 der 8 Grundstücke noch kein Hausanschluss ver-
legt worden sei, sei der gesamte Baukostenzuschuss fällig,
da im Zeitpunkt der Rechnungstellung die örtlichen Vertei-
lungsanlagen verlegt waren.
Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte weiterhin die
vollständige Klageabweisung. Der Baukostenzuschuss sei noch
nicht fällig. Entscheidend für die Fälligkeit sei nicht die
Möglichkeit der Einleitung, sondern der tatsächliche abwas-
serwirksame Anschluss eines Grundstückes an das Netz. So
könne die Klägerin auch nicht von einem Brachlandeigentümer
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einen Zuschuss erheben, nur weil in der Nähe eine Abwasser-
leitung verlegt sei. Hierfür spreche auch die Formulierung
in der Anlage 2 zu den AEB Nr. 1: "Der Kunde hat bei Neuan-
schluss an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Gesellschaft
einen Zuschuss zu den Investitionskosten (Baukostenzuschuss)
zu zahlen." Wer keinen Vorteil vom Abwassernetz habe, dürfe
auch nicht an den Kosten beteiligt werden. Im Vertrag habe
sich der Beklagte nicht überobligatorisch zu etwas ver-
pflichten wollen, was er nicht nach der AVBWasserV und den
AEB schulde.
Der Beklagte wendet sich außerdem gegen die Höhe des Baukos-
tenzuschusses, da dieser aufgrund einer unrichtigen Grund-
stücksgröße und eines falschen Geschossfaktors berechnet
worden sei. Für das Grundstück könne kein Baukosten-
zuschuss anfallen, da es sich bei diesem Grundstück um die
Erschließungsstraße zu den anderen Grundstücken handle, wel-
che nicht nach den AEB zu entwässern sei. Hinsichtlich des
Geschossfaktors sei keine Einigung auf einen Faktor 1,5 zu-
stande gekommen. Bisher seien nur 2 Häuser mit jeweils einem
Vollgeschoss auf den Flurstücken und errichtet
worden. Höhere Häuser seien nicht geplant. Hinsichtlich der
Nebenforderung von 7,67 Euro fehle es an jeglicher Begrün-
dung durch die Klägerin.
Der Beklagte beantragt,
das Endurteil des Landgerichts Chemnitz vom 20.09.2002,
Az.: 7 O 1993/02, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidender Zeitpunkt für die Fälligkeit des Baukostenzu-
schusses sei die Fertigstellung des Grundstücksanschlusses.
Dies sei im Mai 2000 der Fall gewesen. Dies ergebe sich zum
einen aus § 3 des Vertrages: "Bei Neuanschluss" bedeute bei
Fertigstellung des Grundstücksanschlusses und der Möglich-
keit der Einleitung. Auch Nr. 9 der Anlage 2 zu den AEB sehe
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als Fälligkeitszeitpunkt 4 Wochen nach Herstellung des An-
schlusses an die Abwasserbeseitigungsanlage der Gesellschaft
vor. In den §§ 9 und 27 AVBWasserV sowie § 22 Sächsisches
Kommunalabgabengesetz sei sogar geregelt, dass die Schuld
entstehe, sobald das Grundstück angeschlossen werden könne
bzw. bereits mit dem Anschlussantrag. Mit dem Baukostenzu-
schuss erkaufe man sich nur das Recht, das Grundstück an das
Abwassernetz anzuschließen.
Zur Höhe des Zuschusses führt die Klägerin aus, Vertragsge-
genstand sei entsprechend den Angaben des Beklagten das ge-
samte Gelände des Beklagten als wirtschaftliche Einheit. Es
sei auch nur ein Grundstücksanschluss mit einem entsprechend
großen Durchmesser angelegt worden. Durch den Vertrag sei
eine Einigung auf den Geschossfaktor 1,5 zustande gekommen,
da zum Teil eine zweigeschossige Bebauung vorgesehen gewesen
sei. Auch die derzeitige Bebauung bestehe aus zweigeschossi-
gen Gebäuden. Für den Fall, dass lediglich für erschlossene
Teilflächen eine Zahlungspflicht bestehe, werde hilfsweise
eine Berechnung des Baukostenzuschusses dargelegt, der die
Flurstücke (506 qm), (625 qm), (423 qm)
und (811 qm) sowie einen Geschossfaktor von 1,5 be-
rücksichtige. Insgesamt ergebe sich dann bei einem Baukos-
tenzusatz von 3,95 DM/qm zzgl. MWSt. die Summe von
16 254,65 DM (= 8 310,87 EUR). Die Mahnkosten könne die Klä-
gerin gemäß § 21 Abs. 2 AEB pauschal abrechnen.
II.
Die Berufung hat zum Teil Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig, weil das Urteil des Landge-
richts mit der Behauptung angegriffen wird, es beruhe auf
einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu
legenden Tatsachen würde eine andere Entscheidung recht-
fertigen. Die Umstände, aus denen sich die behauptete
Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die ange-
fochtene Entscheidung ergibt (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO),
werden benannt. Die Klägerin rügt unter anderem eine feh-
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lerhafte Auslegung der Fälligkeitsregelung in Anlage 2 zu
den AEB.
2. Die Berufung ist aber nur zum Teil begründet.
a) Der zwischen den Parteien geschlossene Abwasserbeseiti-
gungsvertrag ist wirksam. Insbesondere steht er im Ein-
klang mit § 63 Abs. 4 SächsWasserG. Der Abwasserzweckver-
band G hat seine Verpflichtung zur Ab-
wasserbeseitigung nicht auf die Klägerin übertragen.
Da bisher keine Rechtsverordnung zur Regelung der Voraus-
setzungen für die Übertragung der Abwasserbeseitigungs-
pflicht auf Personen des Privatrechtes gem. § 63 Abs. 4
S. 3 SächsWasserG erlassen wurde, wäre eine Übertragung
dieser Pflicht auf Private derzeit nicht zulässig. Zwar
hat der Abwasserzweckverband G im vor-
liegenden Fall die Klägerin ermächtigt, mit den Benutzern
Verträge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu
schließen. Er ist jedoch selbst weiterhin Träger der
Pflicht geblieben. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der
Satzung über die Abwasserbeseitigung und den Anschluss an
die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung des Ab-
wasserzweckverbandes, welcher lautet:
"Dem AZV "G " obliegt die Abwasserbe-
seitigung der Grundstücke seines Gebietes. Der AZV hat
die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht auf die
W Abwasserentsorgungs- und Dienstleistungs-
gesellschaft mbH übertragen. Die Abwasserbeseitigung wird
über die Abwasserbeseitigungsanlagen der W
Abwasserentsorgungs- und Dienstleistungsgesellschaft mbH
durchgeführt. Die W Abwasserentsorgungs- und
Dienstleistungsgesellschaft mbH stellt diese Leistung den
Grundstückseigentümerin in Rechnung."
Der Abwasserzweckverband hat somit nur die Erfüllung der
Abwasserbeseitigungspflichten, nicht aber die Pflicht
selbst an die Klägerin übertragen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Ab-
wasserzweckverband die Klägerin dazu berechtigt hat, im
eigenen Namen und auf eigene Rechnung Verträge mit den
Benutzern abzuschließen.
Gem. § 63 Abs. 3 S. 1 SächsWasserG können sich die Besei-
tigungspflichtigen - hier der Zweckverband - zur Erfül-
lung ihrer Pflicht auch Dritter bedienen. Der auf diese
Weise eingeschaltete Dritte - hier die Klägerin - wird
als Erfüllungsgehilfe bzw. Verwaltungshelfer des Zweck-
verbandes tätig. Aufgrund der fortbestehenden Verantwor-
tung des Zweckverbandes für die Abwasserbeseitigung muss
sich dieser gegenüber dem Erfüllungsgehilfen ausreichende
Einwirkungsbefugnisse vorbehalten (siehe hierzu im Ein-
zelnen OVG Bautzen, Sächsische Verwaltungsblätter 2003,
65 f). Dies ist vorliegend durch folgende Maßnahmen er-
folgt: Der Abwasserzweckverband ist 100%iger Gesellschaf-
ter der Klägerin. In öffentlicher Verbandsversammlung
wurde die Geschäftsführung der Klägerin ausgewählt und
bestellt. Die Mehrheit des Aufsichtsrates liegt bei Bür-
germeistern aus dem Verbandsgebiet. Die Kompetenzen von
Geschäftsführung und Aufsichtsrat sind durch Geschäfts-
ordnungen geregelt. Hinzu kommen Richtlinien und Organi-
sationspläne, welche in einem Auditierungsverfahren durch
den TÜV zertifiziert wurden. Zudem berichtet die Ge-
schäftsführung mindestens vierteljährlich dem Aufsichts-
rat über die Erfüllung des Wirtschaftsplanes sowie bei
aktuellen Entwicklungen. Weitere Informations- und Kon-
trollregelungen finden sich in § 10 des Entsorgungsver-
trages für die öffentliche Abwasserbeseitigung zwischen
dem Abwasserzweckverband und der Klägerin (Anlage K 23).
Der Senat schließt sich nicht der Meinung des OVG Bautzen
und des VG Leipzig an, wonach es dem Zweckverband unter-
sagt sein sollte, die Klägerin zum Handeln im eigenen Na-
men zu ermächtigen (a. A. OVG Bautzen, Sächsische Verwal-
tungsblätter 2003, 65 f, VG Leipzig, Urt. v. 12.02.2003,
Az.: 6 K 25/01, S. 10, hier wird ein Abwasserbeseiti-
gungsvertrag zwischen einem im Gründungsstadium befindli-
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chen kommunalen Zweckverband und einem Benutzer gem.
§ 134 BGB i.V.m. § 63 Abs. 3 SächsWasserG als nichtig an-
gesehen; Dierkes, Sächsische Verwaltungsblätter 1997, 166
f, der insoweit eine kommunalrechtliche Ermächtigungs-
grundlage vermisst). Da der Zweckverband weiterhin Träger
der Abwasserbeseitigungspflicht bleibt, entfällt er für
den Kunden nicht als Ansprechpartner und Anspruchsgegner.
Der Zweckverband ist nach wie vor verpflichtet, entweder
durch eigenes Eingreifen oder durch Einwirkung auf die
Klägerin die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung sicherzu-
stellen. Eine privatrechtliche Ausgestaltung wäre auch im
Verhältnis Zweckverband - Nutzer möglich gewesen. Inhalt-
lich gestaltet sich die Stellung des Kunden daher nicht
anders, er erhält lediglich einen zweiten ihm direkt ver-
traglich verpflichteten und berechtigten Partner, wobei
ihn mit dem Zweckverband weiterhin ein gesetzliches
Schuldverhältnis verbindet.
b) Dennoch kann die Klägerin den Baukostenzuschuss nicht in
der Höhe verlangen, die im Abwasserbeseitigungsvertrag
festgelegt worden ist.
In Fällen, in denen die Verwaltung öffentliche Aufgaben
in den Formen des Privatrechtes wahrnimmt, werden die
privatrechtlichen Normen durch Bestimmungen des öffentli-
chen Rechtes ergänzt, überlagert und modifiziert (sog.
Verwaltungsprivatrecht, s. BGHZ 91, 81). So wird die Ver-
tragsfreiheit z. B. durch die Bindung der Verwaltung an
die Grundrechte, insbesondere an Art. 3 GG eingeschränkt.
Diese Einschränkungen gelten auch für juristische Perso-
nen des Privatrechtes, die von der Verwaltung zur Erfül-
lung ihrer Pflichten eingesetzt werden, insbesondere wenn
sie die Verwaltung ermächtigt, mit den Benutzern im eige-
nen Namen Verträge abzuschließen. Darüber hinaus ist in
der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem aner-
kannt, dass die Tarife von Unternehmen, die - im Rahmen
eines privatrechtlich ausgestellten Benutzungsverhältnis-
ses - Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren
Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall
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angewiesen ist, grundsätzlich der Billigkeitskontrolle
nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (s. BGH NJW 1992,
171 ff. m.w.N.).
Die Höhe des vertraglich geregelten Baukostenzuschusses
hält einer Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, die Höhe des
Baukostenzuschusses vom Baukostensatz, von der Grund-
stücksfläche und von der Geschossanzahl der vorhandenen
Bebauung abhängig zu machen, wie es die Klägerin in § 9
AEB i.V.m. Anlage 2 zu den AEB geregelt hat. Es verstößt
aber gegen Art. 3 GG, für einen Benutzer, der mehrere
Grundstücke besitzt, den Baukostenzuschuss undifferen-
ziert derart zu berechnen, dass die Gesamtfläche aller
Grundstücke mit dem Geschossfaktor der höchstmöglichen
Bebauung auf einem Einzelgrundstück multipliziert wird.
Die Klägerin hätte vorliegend eine gesonderte Berechnung
für jedes einzelne Grundstück durchführen müssen. Da sich
der Geschossfaktor gem. Nr. 8 der Anlage 2 zu den AEB an
der vorhandenen Bebauung orientiert, hätte die Klägerin
zudem den Faktor nicht lediglich anhand der Auskunft der
Baubehörde über die maximal mögliche Bebauung bemessen
dürfen, auch wenn dies bei Anwendung von § 18 Abs. 1
SächsKommAbWasserG möglich wäre, denn sie hat sich in ih-
ren AEB auf einen anderen, ebenfalls zulässigen Maßstab
festgelegt.
c) Davon abgesehen ist der eingeklagte Betrag zu einem gro-
ßen Teil noch nicht fällig.
Gesetzlich zwingende Vorschriften über die Fälligkeit des
Baukostenzuschusses existieren nicht. Auch die AVBWasserV
ist hier nicht anwendbar, da sie nur für Trinkwasser,
nicht aber auch für Abwasser gilt. Die Parteien waren da-
her frei, eigene Fälligkeitsregelungen zu vereinbaren.
In Anlage 2 zu den AEB Nr. 9 heißt es: "Der Baukostenzu-
schuss wird 4 Wochen nach Herstellung des Anschlusses an
die Abwasserbeseitigungsanlagen der Gesellschaft fällig."
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§ 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages
lautet: "Ein Baukostenzuschuss wird bei Neuanschluss bzw.
Änderung der Anschlussbedingungen gemäß Anlage 2 der AEB
der WAD erhoben." Ob mit "Herstellung des Anschlusses"
bzw. "Neuanschluss" lediglich die Verbindung der Abwas-
serbeseitigungsanlage mit der Grundstücksgrenze durch ei-
nen Grundstücksanschluss (wie vorliegend erfolgt) oder
der Anschluss einer Grundstücksentwässerungsanlage (mit-
tels Grundstücksanschluss) an die Abwasserbeseitigungsan-
lage gemeint ist, ist vom Wortlaut her unklar und bedarf
der Auslegung. Für die erste Variante spricht, dass es
andernfalls im Belieben des Kunden läge, die Fälligkeit
herbeizuführen und der Baukostenzuschuss nicht im Gegen-
leistungsverhältnis zur Abwasserentsorgung steht (s. o.).
Für die zweite Variante spricht dagegen § 12 AEB. Dieser
lautet: "Nach Herstellung der Grundstücksentwässerungsan-
lage schließen Gesellschaft oder dessen Beauftragte die
Grundstücksentwässerungsanlage an die Abwasserbeseiti-
gungseinrichtung an." Hieraus kann entnommen werden, dass
unter einem Neuanschluss die Verbindung der Grundstücks-
entwässerungsanlage mit dem im Eigentum der Klägerin ste-
henden Netz verstanden werden soll. Zudem knüpft Nr. 8
der Anlage 2 zu den AEB für die Bemessung des Geschoss-
faktors an die vorhandene Bebauung an, woraus zu entneh-
men ist, dass eine Fälligkeit vor Fertigstellung der Be-
bauung nicht gewollt sein kann. Selbst wenn letzte Zwei-
fel bei der Auslegung der Fälligkeitsregelung verbleiben
würden, käme § 5 AGBG a.F. zur Anwendung, nach welchem
Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingun-
gen zu Lasten des Verwenders gehen. Bei den AEB handelt
es sich um AGB im Sinne dieses Gesetzes.
d) Der Beklagte hat vorgetragen, erst auf zwei Grundstük-ken
(Flurstück und ) jeweils ein Haus mit einem
Vollgeschoss errichtet zu haben. Soweit die Klägerin um-
fangreichere Bebauung behauptet hat, hat sie trotz
Bestreitens durch den Beklagten hierfür keinen Beweis an-
geboten, sondern erklärt, es könne insoweit auf die Be-
rechnung des Beklagten zurückgegriffen werden. Der be-
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gründete und fällige Teil der Forderung der Klägerin be-
rechnet sich demnach wie folgt:
FlStk : 625 m² x 1,0 x 3,95 DM = 2 468,75 DM
FlStK : 506 m² x 1,0 x 3,95 DM = 1 998,70 DM
4 467,45 DM
zzgl. 16 % MWSt. = 5 182,24 DM = 2 649,64 EUR
e) Da aus den unter b) und c) genannten Gründen ein Wasser-
anschluss für das Straßengrundstück (Flurstück Nr.
) nie in Betracht kommen wird, war die Klage i.H.v.
1,5 x 3,95 DM x 811 m² = 4 805,18 DM = 2 456,85 EUR netto
= 2 849,95 EUR brutto abzuweisen. Im Übrigen war sie aus
den unter c) genannten Gründen als derzeit nicht fällig
abzuweisen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 286 Abs. 1, 288 BGB a.F.,
286, 288, 247 BGB n.F.
Der Anspruch auf Erstattung der Mahnkosten beruht auf § 286
Abs. 1 BGB i.V.m. § 20 Abs. 2 AEB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1
ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob Abwasserbesei-
tigungsverträge von Privaten mit den Benutzern gem. § 134
BGB, § 63 Abs. 3 SächsWasserG nichtig sind, grundsätzliche
Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Kindermann
Frick
Meng