Urteil des OLG Dresden vom 13.03.2017, WVerg 5/05
OLG Dresden: ablauf der frist, vergabeverfahren, treu und glauben, unrichtige auskunft, rügeobliegenheit, architektenvertrag, kündigung, ausschreibung, vertragsschluss, unverzüglich
- Entschieden
- 13.03.2017
- Schlagworte
- Ablauf der frist, Vergabeverfahren, Treu und glauben, Unrichtige auskunft, Rügeobliegenheit, Architektenvertrag, Kündigung, Ausschreibung, Vertragsschluss, Unverzüglich
Leitsätze:
1.Vollzieht sich auf Seiten einer kommunalen Vergabestelle der Prozess zur Auswahl eines Bieters in einem Verhandlungsverfahren in mehreren aufeinander aufbauenden Stufen (hier: Verabschiedung einer Beschlussvorlage
durch die Verwaltungsspitze der Antragsgegnerin und spätere Beschlussfassung des Stadtrats hierüber), so
wird die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB nicht erst durch den Abschluss des Auswahlverfahrens auf der
letzten Stufe bestimmt, sondern bereits durch zur Kenntnis des Bieters gelangtes fehlerhaftes Vergabeverhalten auf der früheren Stufe ausgelöst.
2.Eine zulässige Rüge setzt die Bezeichnung konkreter Tatsachen voraus, aus denen sich - zumindest schlüssig - die Behauptung des Bieters ableiten lässt, dass sich darin ein Vergabeverstoß des Auftraggebers verwirklicht.
3.Der Ablauf der Informationsfrist nach § 13 VgV beendet das Vergabeverfahren nicht, solange der Auftraggeber von der ihm danach freistehenden Möglichkeit, den Vertrag über die ausgeschriebenen Leistungen abzuschließen, tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat.
4.Verhandlungen über den Inhalt der zu erbringenden Leistung sind in einem Verhandlungsverfahren nach VOF, auch soweit dadurch von Vorgaben der Ausschreibung abgewichen wird, zulässig, solange die Vergabestelle nicht an die beteiligten Verhandlungspartner unterschiedliche
Änderungswünsche heranträgt und der nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien zu beurteilende Wesenskern der Ausschreibung gewahrt bleibt (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 03.12.2003, VergR 2004, 225).
OLG Dresden, Beschluss vom 21.10.2005, Az. WVerg 5/05 -
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: WVerg 0005/05 Verkündet am 21.10.2005 1-SVK-010-05 Regierungspräsidium Die Urkundsbeamtin Leipzig Reinhardt Justizobersekretärin
Beschluss
des Vergabesenats
In dem Vergabenachprüfungsverfahren
1.
2.
3.
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
Verfahrensbevollmächtigte zu 1-3: Rechtsanwälte
gegen
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Beigeladene
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hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2005 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Oberlandesgericht Bokern
beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 24.03.2005 gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 11.03.2005 - 1/SVK/10-05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, deren Beiziehung notwendig war.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 80 000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin hatte sich in einem Verhandlungsverfahren nach VOF um Architektenplanungsleistungen für den Neubau einer Eissport- und Ballspielhalle beworben und ist dabei letztlich nicht zum Zuge gekommen; wegen der Einzelheiten des Vergabeverfahrens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Beteiligten des Beschwerdeverfahrens gewechselten
Schriftsätze nebst dazu überreichten Unterlagen, die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer sowie die Sachverhaltsdarstellung in der Senatsentscheidung vom 11.04.2005 (Bl. 120 ff. dA) Bezug genommen. Nachdem die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag im ersten
Rechtszug gescheitert war und der Senat mit dem vorgenannten Beschluss die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der demgegenüber erhobenen sofortigen Beschwerde der Antragstellerin abgelehnt hatte, ist der streitbefangene Auftrag im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens an die Beigeladene erteilt worden. Die Antragstellerin hat daraufhin mit
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Schriftsatz vom 29.06.2005 ihr ursprüngliches Begehren auf den Antrag umgestellt, festzustellen, dass die Vergabe an die
Beigeladene rechtswidrig ist und die Rechte der Antragstellerin verletzt. Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde auch in
der letztgenannten Fassung entgegengetreten.
II.
Der Rechtsbehelf ist zulässig, aber unbegründet. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevorbringens an der bereits in seinen Beschlüssen vom 11.04. und 12.09.2005 zum Ausdruck gebrachten Auffassung fest, dass alles dafür spricht, das Vergabekontrollverlangen der Antragstellerin schon als unzulässig anzusehen. Soweit man die im
Rügeschreiben vom 14.01.2005 und im folgenden Nachprüfungsantrag vom 24.01.2005 enthaltenen Beanstandungen als zulässig, insbesondere als rechtzeitig erhoben ansehen will, sind sie jedenfalls in der Sache nicht gerechtfertigt. Vor diesem Hintergrund kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
1. Gem. § 107 Abs. 3 GWB ist ein Bieter, der zu seinen Lasten einen Vergabeverstoß des Auftraggebers erkannt haben will, gehalten, diesen Verstoß unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern gegenüber der Vergabestelle zu rügen. Tut er dies nicht oder nicht rechtzeitig, so ist sein späteres Nachprüfungsbegehren unzulässig, soweit es auf eben diesen Verstoß gestützt werden soll. Dieser Obliegenheit wird das Verhalten der Antragstellerin, wie der Senat bereits im
Beschluss vom 11.04.2005 angedeutet und mit der Entscheidung vom 12.09.2005 bekräftigt hat, nicht gerecht.
a) Das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 14.01.2005 ist der Antragsgegnerin im Rechtssinne am Morgen des
17.01.2005 - montags - zugegangen (vgl. Senatsbeschluss vom 12.09.2005, Bl. 246 dA). Damit ist die Rüge verspätet, weil die Antragstellerin bereits seit dem 04.01.2005 darüber informiert war, dass die Vergabestelle beabsichtigte, den umstrittenen Auftrag an die Beigeladene zu vergeben. Die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.09.2005
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dagegen erhobenen Einwände geben dem Senat keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
Die Gespräche zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin über die konkrete planerische Umsetzung des Entwurfs der Antragstellerin und den dabei zu beachtenden
Kostenrahmen waren Ende November 2004 eingestellt worden, ohne dass Einigkeit erzielt oder der bis dahin zumindest
in Einzelheiten streitig verhandelte Architektenvertrag unterschrieben gewesen wäre. Am Abend des 03.01.2005 beschlossen daraufhin der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin und deren Beigeordnete, also die leitenden kommunalen Wahlbeamten, im sog. Verwaltungsvorstand der Antragsgegnerin, dem Stadtrat eine Beschlussvorlage zu unterbreiten, wonach der abzuschließende Architektenvertrag in Abkehr von früheren Vorstellungen der Vergabestelle nicht mit der Antragstellerin, sondern mit der Beigeladenen zu vereinbaren sei. Darüber ist der bevollmächtigte Vertreter der Antragstellerin am Folgetag vom Leiter des zuständigen Fachamtes der Antragsgegnerin in einem persönlichen Gespräch informiert worden. Damit war auf Verwaltungsebene eine der Antragstellerin nachteilige Weichenstellung erfolgt, die zwar noch der späteren Bestätigung durch den Stadtrat bedurfte, gleichwohl aber, wenn sie denn aus Sicht des Bieters vergaberechtswidrig war, die in § 107Abs. 3 GWB geregelte Rügeverpflichtung selbst auslöste.
Der Senat redet damit nicht etwa der Notwendigkeit einer
vorsorglichen Rüge das Wort; auch der Senatsbeschluss vom 12.09.2005 tut das - entgegen der Stellungnahme der Antragstellerin hierzu vom 16.09.2005 - gerade nicht, sondern weist ausdrücklich darauf hin, dass der Bieter nicht auf Verdacht erst bevorstehende Vergabeverstöße beanstanden müsse. Das ändert aber nichts daran, dass die Rügeobliegenheit durch jedes - auch im laufenden Vergabeverfahren - dem Bieter bekannt werdende vergaberechtliche Fehlverhalten der Vergabestelle unmittelbar und nicht erst durch eine dem Bieter nachteilige abschließende Vergabeentscheidung ausgelöst wird. Erst recht entsteht sie nicht
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erst dann, wenn der Bieter eine Absage erhalten hat, wie die Antragstellerin meint; das mag - je nach den Umständen
des Einzelfalls, z. B. wenn der Bieter keine frühere Kenntnis hatte - so sein können, taugt aber schon nach dem
Wortlaut von § 107 Abs. 3 GWB nicht als verallgemeinerungsfähiger Rechtssatz. Erkennt etwa ein Bieter, dass die
Vergabestelle in einem Wertungsprozess unzulässige Wertungskriterien anwenden will, dann muss der Bieter dies
selbstverständlich unverzüglich rügen; er darf gerade nicht das Ergebnis des Wertungsprozesses - und sein Abschneiden dabei - abwarten, bevor er Beanstandungen geltend macht. In gleicher Weise ist ein Bieter, der von einem in seinen Augen vergaberechtswidrigen Verwaltungshandeln der Vergabestelle erfährt, gehalten, dies gem. § 107
Abs. 3 GWB zu rügen, damit etwa eine vergaberechtswidrige Beschlussvorlage erst gar nicht zur Abstimmung gelangt; die Vorstellung, der Bieter dürfe stattdessen zuwarten, bis das weitere Schicksal dieser Vorlage klar ist, lässt sich aus Sicht des Senats mit Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit nicht vereinbaren. Denn der dahinter stehende Zeitdruck für den Bieter soll sicherstellen, dass fehlerhafte Weichenstellungen in einem Vergabeverfahren so früh wie möglich unterbunden werden und die Vergabestelle im Interesse aller Verfahrensbeteiligten Gelegenheit erhält, ihren Fehler zu beseitigen. Das hat mit einer Verpflichtung zu vorsorglichen Rügen nichts zu tun; der Senat sieht sich daher auch nicht im Widerspruch zu der von der Antragstellerin angeführten Rechtsprechung des OLG Koblenz,
so dass eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof gem. § 124 Abs. 2 GWB unter diesem Gesichtspunkt von vornherein ausscheidet.
b) Die Rüge war weder zu einem Zeitpunkt vor dem Schreiben
vom 14.01.2005 erhoben, noch war sie, wie die Antragstellerin meint, als unnötige Förmelei überhaupt entbehrlich. Es trifft zwar zu, dass § 107 Abs. 3 GWB die Rüge nicht an
eine bestimmte äußere Form bindet, also auch eine mündliche Beanstandung zur Wahrung der Rügefrist geeignet wäre. Die dem bevollmächtigten Vertreter der Antragstellerin mit
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dem Schriftsatz vom 16.09.2005 zugeschriebenen Äußerungen in der o. g. Besprechung vom 04.01.2005 sind aber ihrem
Inhalt nach nicht geeignet, die Rügeobliegenheit auszufüllen; denn dazu reichen allgemein gehaltene Wendungen wie
die, dass vieles falsch gelaufen und das Vorgehen der Vergabestelle nicht fair gewesen sei, nicht aus. Erforderlich
ist vielmehr nach allgemeiner Meinung (vgl. etwa Kühnen, NZBau 2004, 427, 430 mit umfangreichen Nachweisen), dass
mit der Rüge ein bestimmtes, vom Bieter näher zu bezeichnendes tatsächliches Verhalten des Auftraggebers als vergaberechtswidrig getadelt wird. Dafür sind weder die Bezeichnung von als verletzt angesehenen Vergaberechtsvorschriften noch nähere Ausführungen zur Rechtslage überhaupt notwendig; unerlässlich ist aber die Bezeichnung
konkreter Tatsachen, aus denen - zumindest schlüssig - die Behauptung des Bieters abzuleiten wäre, dass sich darin ein Vergabeverstoß des Auftraggebers verwirkliche. Die Antragstellerin hat indessen am 04.01.2005 - über die o. g. allgemeinen Wendungen hinaus - im Ergebnis allenfalls Einwendungen erhoben, die darauf hinausliefen, dass die Auftragserteilung an die Beigeladene in der Sache nicht den Interessen der Antragsgegnerin entspreche.
Die Rüge war hier auch nicht als sinnlose Förmelei überflüssig. Zwar steht die aus § 107 Abs. 3 GWB folgende Obliegenheit - zu Recht - unter dem letztlich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Vorbehalt, dass eine Vergabestelle sich nicht auf eine fehlende Rüge berufen
darf, wenn sie selber zuvor unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, an ihrer Entscheidung "unter allen Umständen festhalten zu wollen und auch auf Rüge hin nicht gewillt zu sein, den in Rede stehenden Vergabefehler zu beheben" (vgl. Kühnen NZBau 2004, 427, 428). Dafür reicht es aber
nicht, dass eine Vergabestelle sich mit aus ihrer Sicht guten Gründen im Vergabeverfahren positioniert und die getroffene Entscheidung im anschließenden Nachprüfungsverfahren verteidigt (Kühnen aaO.). So wird etwa nirgends bezweifelt, dass selbst eine von der Vergabestelle als abschließend erachtete Auswahlentscheidung zugunsten eines
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bestimmten Bieters, von der die Mitbieter nach § 13 VgV in Kenntnis gesetzt werden, als Zugangsvoraussetzung eines
nachfolgenden Nachprüfungsverfahrens jedenfalls im Grundsatz die vorherige Rüge des antragstellenden Konkurrenten
erfordert, der diese Auswahlentscheidung für rechtswidrig hält. Nicht jede Entscheidung einer Vergabestelle ist daher allein deshalb, weil sie getroffen ist, auch im vorgenannten Sinne unumstößlich. Im vorliegenden Fall vermag
der Senat keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass die Antragsgegnerin mit der am 04.01.2005
mitgeteilten Beschlusslage zugleich eine ernsthafte und endgültige Abhilfeverweigerung verbunden hätte, die jegliche Gegenvorstellung von vornherein als aussichtslos hätte erscheinen lassen müssen. Auch insoweit fehlt es - schon
auf der tatsächlichen Ebene - daran, dass der Senat sich mit seiner Sichtweise in Gegensatz zur Rechtsprechung anderer Vergabesenate setzen würde; eine hierauf gestützte Divergenzvorlage kommt daher im Ansatz nicht in Betracht.
c) Am 17.01.2005 war die Frist zur unverzüglichen Rüge für die Antragstellerin abgelaufen; zur näheren Begründung der dieser Beurteilung zugrunde liegenden zeitlichen Überlegungen wird auf den Senatsbeschluss vom 12.09.2005 (Bl. 248 dA) verwiesen. Mit seinen dahinter stehenden Anforderungen an ein fristwahrendes Tätigwerden des Bieters (zur weiteren Erläuterung siehe etwa den Senatsbeschluss vom 06.04.2004, VergR 2004, 609) folgt der Senat im Meinungsspektrum der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur einer vermittelnden Auffassung, die - bei aller notwendigen Überprüfung anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls - für Vergaberechtsfälle durchschnittlicher Komplexität einen Rügezeitraum von etwa einer Woche für angemessen hält (ähnlich Dreher in: Immenga/Mestmäcker,
Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl. 2001, § 107 GWB Rn. 39 m.w.N.). Dass die mit dem Schreiben vom 14.01.2005 geltend gemachten Rügen der Antragstellerin wegen außergewöhnlicher rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten des Falles innerhalb dieser Woche nicht zu erheben gewesen wären, vermag der Senat nicht zu erkennen.
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Er teilt auch nicht den Vorhalt der Antragstellerin, dass
ein Rügezeitraum von weniger als 13 Tagen (wie die Antragstellerin ihn für ihre Beanstandung in Anspruch genommen
hat) im Lichte von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz verfassungsrechtlichen Prüfmaßstäben nicht standhalte. Das Gegenteil
zeigt sich schon daran, dass der durch § 97 Abs. 6 GWB legitimierte Verordnungsgeber bei der Konzeption der Vorabinformation nach § 13 VgV von eher engeren zeitlichen Vorgaben an den nachprüfungswilligen Bieter ausgegangen
ist. Denn danach muss ein Bieter, der die angekündigte Auftragserteilung an einen Konkurrenten zuverlässig verhindern will, binnen 14 Tagen nach der Absendung der Vorabinformation bei der Vergabestelle das Zuschlagsverbot des
§ 115 Abs. 1 GWB herbeiführen. Von diesem Zeitfenster (14 Tage) sind also am Anfang und am Ende Übermittlungszeiträume von jeweils ein bis zwei Tagen abzuziehen, bis die bei der Vergabestelle abgegangene Information beim Bieter eingegangen und der Nachprüfungsantrag von der Vergabekammer dem Auftraggeber zugestellt ist; überdies muss der Bieter damit rechnen, dass die Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag nicht sofort nach Eingang zustellt, sondern eine zumindest kursorische Prüfung nach § 110 Abs. 2 S. 1 GWB vorschaltet. Im Ergebnis wird dem Bieter, wenn erst der Eingang der Vorabinformation seine Rügeobliegenheit auslöst, von da an bis zur - u. U. weitere Zeit in Anspruch nehmenden - Versendung des Nachprüfungsantrags an die Vergabekammer kaum mehr als eine Woche Zeit bleiben,
und vor dieser Versendung muss er jedenfalls in der Regel den Vergabeverstoß, den er zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens machen will, gegenüber dem Auftraggeber gerügt haben. Das stellt den Bieter von Gesetzes wegen unter einen spürbaren Zeitdruck, bei dessen Bewertung allerdings zu berücksichtigen ist, dass die inhaltlichen und formalen Anforderungen an eine zulässige Rüge gering sind: Vom Bieter wird lediglich erwartet, dass er ein konkretes
Bedenken gegen das Vergabeverhalten des Auftraggebers formuliert und Abhilfe fordert, ohne dass er damit ein rechtliches oder kostenmäßiges Risiko einginge; diesen geringen
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Aufwand - im vorliegenden Fall umfasst das Rügeschreiben vom 14.01.2005 denn auch gerade achteinhalb Zeilen Beanstandungstext - muss der Bieter im Interesse einer zügigen Abwicklung des Vergabeverfahrens allerdings "so schnell
wie möglich" betreiben. Tut er dies nicht, so ist er mit allen nicht fristgerecht erhobenen Rügen im Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen, ohne dass es auf die inhaltliche Berechtigung dieser Rügen noch ankäme.
d) Die Antragstellerin muss sich die Fristversäumung auch
als schuldhaftes Zögern zurechnen lassen; denn wer eine Erklärung "unverzüglich" abzugeben hat, muss auch für seinen Rechtsirrtum über die damit verbundene Frist einstehen, soweit er fahrlässig gehandelt hat (Palandt/Heinrichs, 64. Aufl. 2005, § 121 BGB Rn. 3 unter Verweis auf § 276 BGB Rn. 22 m.w.N.). Dabei ist ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen; der Erklärende muss die Rechtslage unter Beachtung der hierzu ergangenen Rechtsprechung sorgfältig prüfen und ggf. Rechtsrat einholen; eine dabei von einem Rechtsanwalt erteilte unrichtige Auskunft muss er sich gem. § 278 BGB zurechnen lassen. Im vorliegenden Fall war die Auffassung der Antragstellerin, das Vergabeverfahren sei im Nachgang zu dem Stadtratsbeschluss vom 11.12.2003 zu ihren Gunsten abgeschlossen gewesen, aber bei sachgerechter Prüfung aus den Gründen, die der Senat bereits in seinem Beschluss vom 11.04.2005 erörtert hat, erkennbar fern liegend. Von einem Bieter, der sich an einer Ausschreibung der hier in Rede stehenden Bedeutung beteiligt, muss erwartet werden, dass er sich über die Rechtsgrundlagen des Verfahrens beizeiten informiert oder informieren lässt; dass der anwaltliche Rat, den die Antragstellerin ausweislich ihres Vorbringens vom 16.09.2005 (Bl. 256 dA) dann tatsächlich eingeholt haben
mag, die Notwendigkeit und Eilbedürftigkeit der Rüge jedenfalls zunächst ebenfalls nicht erkannt hat, entschuldigt die Antragstellerin schon im Ansatz nicht (s. oben).
Abgesehen davon fehlt - bei aller Ausführlichkeit im Übrigen - jeder Vortrag dazu, dass jener Anwalt von der Antragstellerin überhaupt vollständig über die den vorlie-
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genden Fall charakterisierenden Umstände informiert worden war.
Der Auffassung des Senats steht auch nicht entgegen, dass die Vergabekammer das Rügeschreiben vom 14.01.2005 für
rechtzeitig gehalten hat. Denn es gibt - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Erklärende in jedem Fall entlastet sei, wenn ein Kollegialorgan seine Rechtsansicht
einmal gebilligt hat (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO., § 276 BGB Rn. 22 m.w.N.). Das gilt namentlich dann, wenn, wie
hier, die Antragstellerin die von der Vergabekammer herangezogenen Erwägungen (die den Senat im Ergebnis nicht ü-
berzeugen) seinerzeit gar nicht angestellt hatte (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation BGH NJW 1982, 36, 37).
Letztlich läuft die von der Antragstellerin dazu nunmehr verfolgte Argumentation daher auf die unzulässige nachträgliche Geltendmachung eines rechtswidrigen hypothetischen Alternativverhaltens hinaus; das verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
2. Bei diesem Resultat bleibt es überdies selbst dann, wenn man sich den vorstehenden Überlegungen des Senats nicht anschließen und das Rügeschreiben vom 14.01.2005 grundsätzlich als fristwahrend ansehen wollte. Denn die Fristwahrung erfasste dann jedenfalls nur die Beanstandungen, die mit diesem Rügeschreiben tatsächlich ausgesprochen worden sind; hinsichtlich aller anderen Vergabeverstöße, die zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen haben mögen und der
Antragstellerin bekannt waren, die mithin rügepflichtig waren, aber nicht gerügt worden sind, ist der Nachprüfungsantrag gleichwohl unzulässig, weil die Erfüllung der Rügeobliegenheit für jeden einzelnen Vergabefehler gesondert zu prüfen ist. Das Rügeschreiben vom 14.01.2005 beschränkt sich aber - ebenso wie der im Wesentlichen inhaltsgleiche Nachprüfungsantrag vom 24.01.2005 - auf den Einwand, die Vergabe an die Beigeladene sei rechtswidrig,
weil nach der Entscheidung des Preisgerichts zugunsten der Antragstellerin und nach dem Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin vom Dezember 2003 mit dem Mandat für den
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Oberbürgermeister, den Vertrag mit der Antragstellerin zu schließen, dieser der nämliche Auftrag bereits erteilt
sei, mindestens aber ein Rechtsanspruch auf Erteilung des Auftrags zustehe.
Dieser Einwand ist, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 11.04.2005 dargelegt hat, unzutreffend. Weitergehende Beanstandungen hat die Antragstellerin aber frühestens mit dem an die Vergabekammer gerichteten
Schriftsatz vom 18.02.2005 erhoben, also während des laufenden Nachprüfungsverfahrens. Das wäre - ungeachtet der
im Ergebnis zu verneinenden Frage, ob in einer solchen Konstellation noch außerhalb des Verfahrens ausdrücklich
gegenüber der Vergabestelle gerügt werden muss oder ob (richtigerweise) die Beanstandung sogleich in das Nachprüfungsverfahren eingebracht werden darf - jedenfalls nur dann zulässig gewesen, wenn die Rügeobliegenheit erst während des Vergabekontrollverfahrens entstanden wäre (vgl. Kühnen, NZBau 2004, 427, 428). Die Antragstellerin hätte mithin zumindest behaupten müssen, dass sie die nach § 107 Abs. 3 GWB erforderliche Kenntnis von den zu einem späteren Zeitpunkt thematisierten (vermeintlichen) Vergabefehlern der Antragsgegnerin erst nach dem 24.01.2005 erworben hat; der Senat hat hierauf mit seinem Beschluss vom 12.09.2005 ausdrücklich hingewiesen, ohne dass dies indessen eine Reaktion der Antragstellerin hervorgerufen hätte. Es obliegt aber dem Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens, für jeden konkret in Rede stehenden Vergabefehler darzulegen, dass eine ordnungsgemäße, insbesondere rechtzeitige Rüge erfolgt ist (vgl. § 108 Abs. 2 GWB) oder zu erläutern, warum das im Einzelfall entbehrlich war und das Nachprüfungsbegehren zulässigerweise auf nicht gerügtes Verhalten der Vergabestelle gestützt werden kann. Daran fehlt es hier; auch die dem Senat vorliegenden Verfahrensunterlagen im Übrigen lassen keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass und ggf. in welcher Weise die Antragstellerin erst nach Einleitung ihres Nachprüfungsbegehrens entsprechende Informationen erhalten hätte. Das gilt insbesondere für den in mehrfacher Hinsicht erhobenen Vorwurf, die Antragsgegnerin sei bei der Auftragserteilung an die Beige-
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ladene zu deren Gunsten von inhaltlichen Planungsvorgaben wieder abgerückt, auf deren Einhaltung sie gegenüber der
Antragstellerin bestanden hätte. Auf die inhaltliche Berechtigung dieser Vorhalte kommt es daher aus Rechtsgründen nicht an, so dass der Senat - auch unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin - weder gehalten noch überhaupt in der Lage ist, sich in entscheidungserheblicher Weise damit im Einzelnen auseinanderzusetzen.
3. Soweit die Antragstellerin mit dem Schreiben vom
14.01.2005 und dem nachfolgenden Nachprüfungsantrag konkrete Beanstandungen erhoben hat, verhelfen diese der Beschwerde aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 11.04.2005 nicht zum Erfolg. Der Senat hält an den in dieser Entscheidung angestellten Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Antragstellerin fest. Ergänzend ist lediglich auf Folgendes hinzuweisen:
a) Aus Sicht des Senats ist der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt ein Architektenplanungsauftrag erteilt worden; unterstellt man indes das gegenteilige Vorbringen der Antragstellerin als zutreffend, so wird sich der Nachprüfungsantrag insoweit erst recht als unzulässig darstellen. Der an dieser Überlegung geäußerten Kritik (vgl. Voppel, VergR 2005, 652 f in einer Anmerkung zu dem aaO. S. 646 ff. abgedruckten Senatsbeschluss vom 11.04.2005) vermag
der Senat nicht zu folgen. Er teilt für den vorliegenden Fall schon nicht die Auffassung, dass in der Auftragsvergabe an die Beigeladene zugleich die Kündigung des (unterstellten) Vertrags mit der Antragstellerin nach § 649 S. 1 BGB zu sehen sei. Dabei zieht der Senat nicht in Zweifel, dass es Fälle geben mag, in denen der Besteller einer Werkleistung seinen Wunsch nach Vertragsbeendigung dadurch konkludent zum Ausdruck bringt, dass er ausstehende - also zuvor bestellte - Leistungen anderweitig vergibt (s. etwa Palandt/Sprau, 64. Aufl. 2005, § 649 BGB Rn. 2 unter Berufung auf OLG Düssel-
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dorf, BauR 2002, 336, 338). Auch das OLG Düsseldorf hat (aaO.) angenommen, dass eine schlüssige Kündigung des Auftraggebers dann vorliegen kann, wenn er "das Bauvorhaben mit dem ursprünglichen Auftragnehmer nicht fortsetzen
will" und dies etwa dadurch nach außen dokumentiert, dass er einen anderen Architekten mit der Abwicklung des Werks
beauftragt. Diesen Konstellationen ist gemeinsam, dass es fraglos zunächst einen Vertrag gab, den der Auftraggeber
nicht weiterführen wollte; manifestiert sich dieser Beendigungswille in entsprechendem schlüssigem Verhalten des
Auftraggebers, so wird der Anwendungsbereich von § 649 BGB eröffnet sein. Hier hat die Antragsgegnerin aber stets mit
Nachdruck erklärt, es habe mit der Antragstellerin nie einen Vertrag gegeben, der einer worauf auch immer gestützten Kündigung zugänglich wäre. Bei einem solchen Auftraggeber aus der Tatsache, dass er Leistungen - aus seiner erklärten Sicht erstmals - vergibt, abzuleiten, dass er damit zugleich schlüssig einen Vertrag über dieselben Leistungen kündigen will, dessen Bestehen ein Dritter für sich in Anspruch nimmt, überschreitet in den Augen des Senats die Grenzen der zulässigen Auslegung dieses Auftraggeberverhaltens, zumal die Annahme einer Kündigung nach § 649BGB für den Auftraggeber ausgesprochen nachteilige Folgen haben kann (weil er im Extremfall die Leistungen vorbehaltlich ersparter Aufwendungen des "Gekündigten" zweimal bezahlen müsste). Berühmt sich demgegenüber ein Bieter, wie hier die Antragstellerin, einer danach gesicherten zivilrechtlichen Rechtsposition, so mag er seine
Rechte aus dieser Position vor den Zivilgerichten wahrnehmen; gerade diese Möglichkeit unterscheidet die hier zu beurteilende Konstellation von den Fällen der "de facto- Vergabe", in denen ein übergangener Bieter ohne die Chance auf vergaberechtlichen Primärrechtsschutz im Wortsinne
"schutzlos" wäre. Die Antragstellerin bräuchte hingegen, ausgehend von ihrem Vortrag zu einem mit ihr zustande gekommenen Architektenvertrag, diesen Schutz nicht, weil sie
mit einem erfolgreichen Nachprüfungsverfahren auch nicht mehr erreichen könnte, als für sich einen Auftrag zu
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erstreiten, von dem sie als Antragsbegründung vorträgt, dass sie ihn schon hat.
b) Im Ergebnis kann der Senat dies allerdings - wie bereits im Beschluss vom 11.04.2005 - dahinstehen lassen, weil ein Architektenvertrag zwischen der Antragstellerin
und der Vergabestelle nicht zustande gekommen ist. Die Auffassung der Antragstellerin, das Vergabeverfahren
sei im Gefolge des Stadtratsbeschlusses vom 11.12.2003 und der Information der übrigen Bieter - auch der Beigeladenen - über den Inhalt dieses Beschlusses gem. § 13 VgV mit Ablauf der dadurch ausgelösten Schutzfrist von 14 Tagen
quasi "von selbst" - und zwar zugunsten der Antragstellerin - zu Ende gegangen, ist vergaberechtlich wie zivilrechtlich unhaltbar. Das Verfahren nach § 13 VgV bewirkt nur, dass die Vergabestelle innerhalb der Schutzfrist, wegen der in § 13 S. 6 VgV angedrohten Nichtigkeitssanktion, keinen wirksamen Vertrag über die zu vergebenden Leistungen schließen kann. Der Ablauf der Frist führt zum Wegfall dieser Sperre und der dahinter stehenden Sanktionsdrohung. Das ändert aber nichts daran, dass das Vergabeverfahren erst beendet ist, wenn und sobald die Vergabestelle den Vertrag auch tatsächlich schließt; solange sie dies nicht tut, hat jeder Bieter, auch nach Ablauf der Frist des § 13 VgV und unter Beachtung der Rügeobliegenheit des § 107Abs. 3 GWB, die Möglichkeit, in zulässiger Weise um Primärrechtsschutz nachzusuchen. Das veranlasst die Vergabestellen in der Regel, den Auftrag unmittelbar nach Ablauf
der Frist "unter Dach und Fach zu bringen", weil - erst - damit das Beschaffungsvorhaben abgeschlossen ist. Die Auffassung der Antragstellerin, dass diese Eile im Ergebnis fehl am Platze sei, weil der Ablauf der Frist nach § 13 VgV als solcher das Vergabeverfahren bereits zugunsten des
für die Auftragserteilung in Aussicht genommenen Bieters beende, wird, soweit für den Senat ersichtlich, in der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur von niemandem vertreten. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat - auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs - nicht veranlasst, sich zu dieser Rechtsfrage mit
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den Ausführungen der Antragstellerin, die sich dabei in willkürlicher Weise benachteiligt sieht, im Einzelnen weiter auseinanderzusetzen.
c) Tatsächlich ist es hier nach Ablauf der Frist des § 13 VgV zu einer für den zu vergebenden Architektenauftrag
konstitutiven erklärten Willensübereinstimmung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin nicht gekommen. Soweit der Senat dabei in der Frage des Vertragsschlusses allgemein zwischen VOB/A und VOL/A einerseits
und dem Verhandlungsverfahren nach VOF andererseits unterschieden hat, ist dies zuweilen offenbar Anlass zu -
letztlich nur terminologisch bedeutsamen - Missverständnissen gewesen (vgl. Voppel, VergR 2005, 653). Es ist daher klarstellend darauf hinzuweisen, dass der Senat den insoweit angesprochenen Unterschied nicht in der rechtlichen Konstruktion, sondern im typischen äußeren Geschehensablauf sieht, der allerdings einen Anhaltspunkt dafür liefern mag, warum die VOF auf die Verwendung des Zuschlagsbegriffs verzichtet. Denn in den VOB/A und VOL/A unterliegenden Vergabeverfahren erfolgt der Zuschlag typischerweise dergestalt, dass die Vergabestelle das in annahmefähiger Form vorliegende konkrete Angebot des in ihren Augen günstigsten Bieters dadurch annimmt, dass sie dem Bieter ihre Zuschlagserklärung zugehen lässt. Im Moment des Zugangs ist der Vertrag nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben zustande gekommen und das Vergabeverfahren beendet, wobei die Auswahlentscheidung der Vergabestelle zugunsten eines bestimmten Bieters und die Manifestation dieser Entscheidung nach außen durch die entsprechende vertragliche Angebotsannahme regelmäßig zusammenfallen. Im Unterschied dazu liegt bei einem Verhandlungverfahren nach VOF in der Auswahl eines bestimmten Projektentwurfs (und des dahinter stehenden Projektverfassers) typischerweise gerade keine vertragliche Annahmeerklärung, und dies schon deshalb,
weil es ein annahmefähiges Vertragsangebot, wie hier, (noch) gar nicht gibt und der Auftraggeber angesichts dessen mit einer bloßen Projektauswahl auch keine vertraglich
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relevante Annahmeerklärung abgeben will. Gleichwohl ist in den dem Senat bekannt gewordenen Fällen (so auch in der
früheren Entscheidung vom 11.07.2000, WVerg 5/00) diese interne Auswahlentscheidung der Vergabestelle von den Beteiligten zuweilen als "Zuschlag" bezeichnet worden. Vor diesem Hintergrund hat sich der Senat veranlasst gesehen
darauf hinzuweisen, dass ein solcher "Zuschlag" - den die VOF eben begrifflich nicht kennt - jedenfalls nicht unmittelbar das Vergabeverfahren beendet, sondern der Umsetzung durch den über die zu vergebenden Leistungen abzuschließenden Vertrag bedarf, der nach allgemeinen zivilrechtlichen Kriterien zwischen den Beteiligten ausgehandelt und
vereinbart werden muss. Praktisch kommt die an der Sichtweise des Senats geübte
Kritik (s. oben) denn auch zum gleichen Ergebnis wie die kritisierte Rechtsprechung und stützt dies auf die - zutreffende, aber in den Fällen des Senats nicht immer dem Sprachgebrauch der Beteiligten entsprechende - Erwägung, dass in der Projektauswahl eben keine "Zuschlagsentscheidung im eigentlichen Sinne", also in der dem Begriff sonst beigemessenen Bedeutung zu sehen sei, sondern lediglich ein Mandat, nur noch mit dem ausgewählten Projektverfasser weiter zu verhandeln, weil ein Vertragsschluss mit ihm angestrebt werde (Voppel aaO., S. 653 f). Genau dieser Sinn - und nur dieser - kommt dem Ratsbeschluss der Antragsgegnerin vom 11.12.2003 zu: Der Oberbürgermeister sollte einen Vertragsschluss mit der Antragstellerin herbeiführen und dadurch das Vergabeverfahren beenden; das
setzte allerdings voraus, dass es zu einer vertraglichen Einigung zwischen den Beteiligten gekommen wäre, die indessen in der Folgezeit scheiterte. Dass die Antragstellerin das seinerzeit auch selbst so verstanden hat, ist in dem Senatsbeschluss vom 11.04.2005 eingehend begründet und
bedarf keiner weiteren Wiederholung.
d) Ein das Vergabeverfahren beendendes Vertragsverhältnis
zwischen den Beteiligten ist auch nicht dadurch zustande gekommen, dass sie ohne förmliche Vertragsvereinbarung in ein Stadium des Austauschs von Leistungsbeziehungen einge-
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treten wären. Dabei stellt der Senat nicht in Frage, dass ein solcher konkludenter Vertragsschluss grundsätzlich
möglich ist. Zum einen fehlt es hier aber schon an einem Leistungs austausch, weil nur die Antragstellerin in der
zweiten Jahreshälfte 2004 gewisse Planungsleistungen, die Antragsgegnerin aber keine Gegenleistung (die auch nicht
vereinbart war) erbracht hat, so dass daraus jedenfalls ein schlüssiger Bindungswille der Antragsgegnerin nicht
abzuleiten wäre. Aus dieser Sachlage lässt sich aber, abgesehen von kommunalrechtlichen Vertretungsfragen, auf die
es nicht entscheidend ankommt, zumindest deshalb nicht auf einen einvernehmlich ins Werk gesetzten Vertrag schließen,
weil parallel dazu zwischen den Beteiligten inhaltlich divergierende Entwürfe des abzuschließenden Architektenvertrages ausgetauscht und - wenigstens in der Frage des einzuhaltenden Kostenrahmens - streitig verhandelt wurden (zustimmend Voppel aaO., S. 653).
Dabei ist für den Tatbestand der fehlenden Willensübereinstimmung im Ergebnis unerheblich, ob und ggf. welchen der Beteiligten eine u.U. überwiegende Verantwortung für das Scheitern der Vertragsbemühungen treffen mag. Die Antragstellerin hat das Verhalten der Antragsgegnerin während der Verhandlungen, auch hinsichtlich der darin eingeflossenen Änderungswünsche der Antragsgegnerin zum Nutzungskonzept der zu errichtenden Halle, im Übrigen unter vergaberechtlichen Aspekten in keinem Punkt beanstandet, sondern sich auf diese Verhandlungen eingelassen, solange sie
sich "im Rennen wähnte". Vor diesem Hintergrund hat sie ohne vertragliche Grundlage, ggf. aber in der subjektiven Erwartung, der Auftrag sei ihr im Ergebnis sicher, Vorleistungen erbracht, für die ihr auch zivilrechtliche Vergütungsansprüche zustehen mögen. Gegenstand eines vergaberechtlichen Primärrechtsschutzverfahrens können diese Ansprüche indessen auch in Gestalt des zuletzt verfolgten Fortsetzungsfeststellungsbegehrens nicht sein.
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4. Denn die Antragstellerin hatte nach dem Verlauf des Vergabeverfahrens auch keinen Rechtsanspruch auf Abschluss des
Architektenvertrags, den die Antragsgegnerin vergaberechtswidrig unberücksichtigt gelassen hätte. Weder die
Entscheidung des Preisgerichts zu ihren Gunsten - das räumt die Antragstellerin inzwischen selbst ein - noch der
Ratsbeschluss vom 11.12.2003 und die anschließende Information der übrigen Bieter nach § 13 VgV bewirken einen
Kontrahierungszwang der Vergabestelle im Hinblick auf das ausgewählte Projekt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt
der Selbstbindung der Verwaltung (ebenso Voppel aaO. S. 653 f). Denn binden wollte sich die Antragsgegnerin an das
ausgewählte Projekt nur mit der - angesichts der Tatsache, dass ein annahmefähiger Vertragsentwurf im Dezember 2003
gar nicht existierte, selbstverständlichen - Maßgabe, dass der Oberbürgermeister in den anschließenden Vertragsverhandlungen, mit denen er beauftragt war, mit der Antragstellerin auch einig wurde. Dieser Fall ist jedoch nicht eingetreten. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, dass die Antragsgegnerin in diese Verhandlungen nicht unbeträchtliche Änderungswünsche für das Nutzungskonzept der Halle eingebracht hat. Denn Verhandlungen über Änderungen am Inhalt des zu vergebenden Auftrags sind im Verhandlungsverfahren nach VOF nicht nur zulässig, sondern geradezu erwünscht und regelmäßig sogar notwendig (vgl. zur näheren Begründung den Senatsbeschluss vom 11.04.2005, VergR 2005, 646, 650 f). Erforderlich ist nur, dass die Identität des ausgeschriebenen Vorhabens aufrechterhalten bleibt, also kein "Aliud" beschafft wird. Diese Identität ist - entgegen den Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 16.09.2005 - natürlich nicht als Übereinstimmung im Maßstab 1 : 1 zu verstehen, weil damit gerade der Spielraum verloren ginge,
den das Verhandlungsverfahren gerade eröffnen will und der ihm wesensmäßig eigen ist. Geboten ist vielmehr bei allen verhandlungsbedingten Änderungen, dass der nach wirtschaftlichen und technischen Kriterien zu beurteilende Wesenskern der Ausschreibung gewahrt bleibt (vgl. etwa den Senatsbeschluss vom 03.12.2003, VergR 2004, 225 mit zu-
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stimmender Anmerkung Willenbruch). Verboten ist danach nicht die Modifikation, sondern nur die Auswechslung des
Leistungsgegenstands. Diese Grenze hält der Senat bei den hier in Rede stehenden Änderungswünschen der Antragsgegnerin noch für eingehalten; dessen ungeachtet gilt auch hier, dass die Antragstellerin, wenn sie denn insoweit zu
anderen vergaberechtlichen Schlüssen gelangt war, diese Wünsche der Antragsgegnerin beizeiten als vergaberechtswidrig hätte beanstanden müssen, anstatt sich für ihre eigenen Planungsüberlegungen darauf einzulassen. Nachdem die
Antragstellerin dies einmal getan hat, ist sie unter dem Blickwinkel des § 107 Abs. 3 GWB gehindert, diese Bedenken
nunmehr wieder aufzugreifen, nachdem die Antragsgegnerin - Monate später - die Verhandlungen mit der Antragstellerin
ergebnislos eingestellt und sich im laufenden Vergabeverfahren wieder dem Entwurf der Beigeladenen zugewandt hat.
Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen, wobei der Senat davon absieht, auf die weiteren so bezeichneten Gehörsrügen der Antragstellerin im Detail einzugehen. Aus den vorstehenden Ausführungen des Senats und den vorangegangenen Entscheidungen vom 11.04. und 12.09.2005 ergibt sich bei verständiger Lektüre ohne weiteres, aus welchen Gründen es auf die abweichenden Überlegungen der Antragstellerin im Ergebnis nicht ankommen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der
festgesetzte Gegenstandswert resultiert aus § 50 Abs. 2GKG, wobei der Senat von einem Honorarumfang in der von der Vergabekammer angenommenen und von den Beteiligten nicht beanstandeten Größenordnung ausgegangen ist.
Bastius Piel Bokern