Urteil des OLG Dresden vom 27.11.2009

OLG Dresden: rechtsschutzversicherung, beweisverfahren, versicherungsschutz, bedürftigkeit, verfügung, beweissicherung, fahrtkosten, rechtsgrundlage

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Leitsatz:
Zum Vermögen i. S. d. § 115 Abs. 2 ZPO zählt auch der Versi-
cherungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung, der vor-
rangig in Anspruch zu nehmen ist. Eine Rechtsschutzversiche-
rung kann jedoch nur soweit Teil des Vermögens i. S. d. §
115 Abs. 2 ZPO sein, soweit sie tatsächlich die Kosten der
Rechtsverfolgung deckt. Reicht die Deckungssumme der Rechts-
schutzversicherung für die von der Partei aufzubringenden
Kosten nicht aus, kann Prozesskostenhilfe hinsichtlich des
überschießenden Betrags gewährt werden. Dies gilt auch für
durch eine Selbstbeteiligung nicht gedeckte Kosten, genauso
für nicht (mehr) gedeckte Kosten.
OLG Dresden, Beschluss vom 27.11.2009 in dem Verfahren, Az.:
4 W 1188/09,
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Oberlandesgericht
Dresden
4. Zivilsenat
Aktenzeichen: 4 W 1188/09
1 OH 1/09 LG Zwickau
Beschluss
des 4. Zivilsenats
vom 27.11.2009
In dem selbständigen Beweisverfahren
xxx
Antragstellerin und Beschwerdeführerin
Prozessbevollmächtigte: xxx
gegen
xxx
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin
Prozessbevollmächtigte: xxx
wegen Beweissicherung
hier: Prozesskostenhilfe
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hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Möhring,
Richter am Oberlandesgericht Hörner und
Richter am Oberlandesgericht Schlüter
beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der
Beschluss des Landgerichts Zwickau vom 20.10.2009, Az.:
1 OH 1/09, aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Landgericht Zwickau zur weiteren
Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozess-
kostenhilfe für das selbständige Beweisverfahren zurück-
verwiesen.
G r ü n d e :
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde
ist begründet.
Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe i.H. des mit ih-
rer Rechtsschutzversicherung vereinbarten Selbstbehalts von
150,00 EUR sowie der vom Rechtsschutzversicherungsvertrag
nicht umfassten Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder des Pro-
zessbevollmächtigten beantragt. Das Landgericht hat den An-
trag als unzulässig zurückgewiesen mit der Begründung, für
eine Prozesskostenhilfegewährung, die sich auf einzelne
Handlungen oder Gebührentatbestände beschränke, gebe es kei-
ne Rechtsgrundlage.
Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönli-
chen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Pro-
zessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen
kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte
Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und
nicht mutwillig erscheint. Es ist allgemeine Auffassung,
dass bei der Prüfung eines Prozesskostenhilfeantrags bei der
Ermittlung des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden
Vermögens gemäß §115 Abs. 2 ZPO auch das Bestehen einer
Rechtsschutzversicherung zu berücksichtigen ist. Zum Vermö-
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gen i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO zählt auch der Versicherungs-
schutz aus einer Rechtsschutzversicherung, der vorrangig in
Anspruch zu nehmen ist (Kalthoener/Büttner, Wrobel/Sachs,
Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4 Aufl., Rn. 331;
Zöller/Philippi, ZPO, 27.Aufl., § 115 Rn. 49c; Musie-
lak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 115 Rn. 54). Eine Rechts-
schutzversicherung kann jedoch nur soweit Teil des Vermögens
i.S.d. § 115 Abs. 2 ZPO sein, soweit sie tatsächlich die
Kosten der Rechtsverfolgung deckt. Reicht die Deckungssumme
der Rechtsschutzversicherung für die von der Partei aufzu-
bringenden Kosten nicht aus, kann Prozesskostenhilfe hin-
sichtlich des überschießenden Betrags gewährt werden. Dies
gilt auch für durch eine Selbstbeteiligung nicht gedeckte
Kosten, genauso für nicht (mehr) gedeckte Kosten (Musie-
lak/Fischer, aaO., Kalthoener/Büttner, Wrobel/Sachs, aaO.;
LSG Schleswig-Holstein, JurBüro 2004, 146).
Ausgehend hiervon kann auch der von der Rechtsschutzversi-
cherung nicht gedeckte Kostenanteil Gegenstand eines Antrags
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sein.
Der Senat macht davon Gebrauch, die Sache an das Landgericht
Zwickau zur weiteren Entscheidung über den Prozesskostenhil-
feantrag zurückzuverweisen 572 Abs. 3 ZPO). Denn das Landge-
richt hat seine Ablehnung allein darauf gestützt, der Pro-
zesskostenhilfeantrag sei unzulässig. Die Kammer wird bei
der erneuten Entscheidung über die Bedürftigkeit der Antrag-
stellerin und die Erfolgsaussichten für das selbständige Be-
weisverfahren (vgl. Zöller/Philippi, aaO., § 114 Rn. 56) zu
befinden haben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet
(§ 127 Abs. 4 ZPO).
Möhring
Hörner
Schlüter