Urteil des OLG Celle vom 10.11.2004
OLG Celle: eltern, rente, leistungsfähigkeit, auskunft, ausnahme, selbstbehalt, verwandter, unterhaltspflichtiger, eherecht, unterhaltsklage
Gericht:
OLG Celle, 17. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluss, 17 WF 183/04
Datum:
10.11.2004
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1606 Abs 2, BGB § 1606 ABS 3, BGB § 1607 Abs 1
Leitsatz:
Zum Umfang der Darlegungslast hinsichtlich der Ersatzhaftung gem. § 1607 Abs. 1 BGB.
Der angemessene Selbstbehalt anderer unterhaltspflichtiger Verwandter (mit Ausnahme der Eltern) ist
auf 1.250 EUR festzusetzen.
Eine Unterhaltsklage ist als mutwillig anzusehen, wenn sie ohne jegliche Ermittlung der
Einkommensverhältnisse erhoben worden ist. Eine vernünftig denkende Partei, welche die Kosten des
Rechtsstreits selbst hätte tragen müssen, hätte zunächst im Wege der Auskunft versucht, die
Einkommensverhältnisse zu ermitteln.
Volltext:
17 WF 183/04
37 F 254/04 Amtsgericht Lüneburg
B e s c h l u s s
In der Familiensache
pp.
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### am 10. November 2004
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3. November 2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - Celle vom 18. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis
zu Recht Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht versagt, denn die Klage ist in mehrfacher Hinsicht
unschlüssig. Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Wer einen nachrangig verpflichteten Verwandten auf Unterhalt in Anspruch nimmt, muss darlegen und beweisen,
dass der vorrangig Verpflichtete nicht leistungsfähig ist (BGH FamRZ 1981, 347). Daran fehlt es. Die Ersatzhaftung
nach § 1607 Abs. 1 BGB setzt zwingend voraus, dass der vorrangig haftende Verwandte nicht nur tatsächlich,
sondern auch rechtlich wegen - voller oder teilweiser - Leistungsfähigkeit teilweise oder insgesamt ausfällt, obwohl
alle Erwerbsobliegenheiten ausgeschöpft sind (BGH FamRZ 1985, 273; OLG Celle FamRZ 1984, 1254). Dieser
Darlegung ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Der Kindesvater ist der Antragstellerin gemäß § 1603 Abs. 2
BGB gesteigert unterhaltspflichtig. Es ist deshalb nicht ausschließlich auf das aktuelle Einkommen abzustellen,
sondern auf die Vermögensverhältnisse. Auch ein möglicher Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 BGB ist für
die Frage der Leistungsfähigkeit von Bedeutung. Hierzu fehlt es an jeglicher substantiierter Darlegung seitens der
Einkommensverhältnisse des Kindesvaters und seiner Ehefrau. Allein die Überreichung eines Schreibens des Sozial
und Jugendamtes der Stadt F#######/B####### vom 24. August 2004 ermöglicht nicht die Feststellung, der
Kindesvater sei leistungsunfähig. Zu den tatsächlichen konkreten Einkommensverhältnissen ist nichts dargetan.
2. Die Klage ist auch deshalb unschlüssig, weil die Antragstellerin zu den Einkommensverhältnissen der sie
betreuenden Mutter nichts vorgetragen hat. Trotz der Bestimmung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, nach der die
Kindesmutter im Regelfall ihre Verpflichtung zum Unterhalt des Kindes durch Pflege und Erziehung des Kindes
(Betreuungsunterhalt) erfüllt, ist sie im Verhältnis zu den hier in Anspruch genommenen Großeltern nach § 1606
Abs. 2 BGB vorrangig der Antragstellerin zum Unterhalt verpflichtet (OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745; LG Kleve
FamRZ 1988, 1085; AG Leverkusen FamRZ 2003, 627; Staudinger/Engler BGB, 2000, § 1607 Rz. 5).
3. Schließlich ist die Klage auch deshalb unschlüssig, weil die Antragstellerin nichts zu den
Einkommensverhältnissen bzw. dem Vorhandensein eines Großvaters mütterlicherseits vorgetragen hat. Da die hier
in Anspruch genommenen Großeltern väterlicherseits gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB nur neben den Großeltern
mütterlicherseits in Form einer Teilschuld anteilig haften, lässt sich der Umfang des Anspruchs gegen die
Antragsgegner nur ermitteln, wenn sich auch die Ansprüche gegen eventuelle Großeltern mütterlicherseits aufgrund
deren Einkommens und Vermögensverhältnissen bestimmen lassen (Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl. §
1607 Rn. 3; AG Leverkusen FamRZ 2003, a.a.O.; OLG Frankfurt FamRZ 2004, a.a.O.).
4. Schließlich sind die in Anspruch genommenen Antragsgegner auch nicht leistungsfähig. Die Antragsgegnerin zu 1
verfügt über eine monatliche Rente von 342,09 EUR, der Antragsgegner zu 2 über eine Rente von 1.382,50 EUR.
Nach Auffassung des Senats ist der angemessene Selbstbehalt anderer unterhaltspflichtiger Verwandter (mit
Ausnahme der Eltern) auf 1.250 EUR festzusetzen (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen
Praxis, 6. Aufl. § 2 Rn. 273). Die Haftung des Antragsgegners zu 2 wird dadurch eingeschränkt, dass einem
eventuellen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin der Anspruch der Antragstellerin zu 2, seiner Ehefrau, vorgeht (§
1609 Abs. 2 Satz 1 BGB). Deshalb erscheint es angezeigt, den angemessenen Unterhalt der Antragstellerin zu 1
analog Abschnitt D der Düsseldorfer Tabelle mit mindestens 950 EUR anzusetzen. Dies bedeutet, dass der
Antragsteller zu 2 seinen angemessenen Bedarf von 1.250 EUR und denjenigen seiner Ehefrau von 950 EUR
behalten darf mit der Folge, dass beide nicht leistungsfähig sind.
5. Im Übrigen kann die beabsichtigte Klage auch nur als mutwillig angesehen werden, da sie ohne jegliche Ermittlung
der Einkommensverhältnisse der Antragsgegner zu 1 und 2 erhoben worden ist. Insoweit hätte eine vernünftig
denkende Partei, die die Kosten des Rechtsstreits selbst hätte tragen müssen, zunächst im Wege der Auskunft
versucht, die Einkommensverhältnisse zu ermitteln. Die Kosten dafür wären bei weitem geringer gewesen.
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