Urteil des OLG Celle vom 04.10.2011

OLG Celle: elterliche sorge, vaterschaft, übertragung der elterlichen sorge, entziehung der elterlichen sorge, beginn der frist, wohl des kindes, anfechtungsfrist, gesetzliche vertretung, jugendamt

Gericht:
OLG Celle, 15. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 15 WF 84/11
Datum:
04.10.2011
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1600 Abs 1 Nr 4, BGB § 1600 a Abs 4, BGB § 1600 b Abs 1, BGB § 1600 b Abs 2
Leitsatz:
1. Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft kann durch gerichtlichen Beschluss die im Rahmen
eines vorangegangenen Hauptsacheverfahrens erfolgte Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge
nicht geändert oder eingeschränkt werden.
2. Die Anfechtungsfrist für das minderährige oder volljährige geschäftsunfähige Kind wird
grundsätzlich mit der Kenntnis des zur Anfechtung befugten gesetzlichen Vertreters in Lauf gesetzt.
Wurde die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft durch diesen versäumt, so führt der Wechsel des
gesetzlichen Vertreters und dessen Kenntnis nicht zu einem Neubeginn der Anfechtungsfrist.
3. Im Rahmen der Kindeswohlprüfung nach § 1600a Abs. 4 BGB sind die konkreten Vor und
Nachteile, ob die Anfechtung der Vaterschaft im Interesse des Kindes liegt, gegen einander
abzuwägen.
Volltext:
15 WF 84/11
51 F 207/10 Amtsgericht Bückeburg
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die Abstammung (hier: Anfechtung der Vaterschaft)
Beteiligte:
1. J. W., geb. am xxx 2003, vertreten durch xxx, als Ergänzungspfleger,
Geschäftszeichen: xxx
Antragsteller und Beschwerdeführer,
2. T. W., xxx,
Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwälte xxx,
Geschäftszeichen: xxx
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des
Antragstellers vom 12. April 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bückeburg vom 5. April
2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brick sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr.
Schwonberg und Jarzyk am 4. Oktober 2011 beschlossen:
I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
II. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe
1.
Die Beteiligten streiten um die Abstammung des Kindes J. (Beteiligter zu 1) vom Beteiligten zu 2.
Der Beteiligte zu 2 hat mit Zustimmung der - bisher nicht am Verfahren beteiligten Mutter des Kindes (§ 172 Nr.2
FamFG) - am xx. Januar 2005 die Vaterschaft für den am xxx 2003 geborenen J. anerkannt. Am 11. April 2005
erteilte die Mutter von J. durch Erklärung gegenüber dem Standesamt H. mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 ihrem
Sohn den Familiennamen W. Sorgerechtserklärungen wurden nicht abgegeben.
Auf Anregung des Jugendamtes des Landkreises H. wurde am Amtsgericht H. ein Verfahren auf Entziehung der
elterlichen Sorge eingeleitet (xxx). In diesem Verfahren beantragte der Beteiligte zu 2 im Hinblick auf die zuvor
bestehende Lebensgemeinschaft die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Mit Beschluss vom 26. November
2009 wurde unter Zurückweisung dieses Antrags der allein sorgeberechtigten Mutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge, das Recht auf Stellung von Anträgen nach dem SBG VIII und
das Recht auf Regelung der Schulangelegenheiten sowie zur Regelung von Besuchskontakten entzogen und dem
Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde (xxx) hat der Beteiligte zu 2
zurückgenommen.
Im Verfahren xxx AG Bückeburg beantragte das Jugendamt, die bestehende Pflegschaft um den Wirkungskreis
Anfechtung der Vaterschaft zu erweitern, weil nach den übereinstimmenden Angaben in dem vorangegangenen
Sorgerechtsverfahren nicht der Beteiligte zu 2, sondern Herr M. der biologische Vater des Beteiligten zu 1 sei. Mit
Beschluss vom 20. August 2010 entzog das Amtsgericht der Kindesmutter die elterliche Sorge hinsichtlich des
Rechts, die Vaterschaft anzufechten, und übertrug auch diese auf das Jugendamt. Über die hiergegen gerichtete
Beschwerde des hiesigen Beteiligten zu 2 hat der 12. Senat des OLG Celle (xxx) noch nicht entschieden, weil die
Verfahrensbeteiligten in der Anhörung vom 20. April 2011 übereinstimmend darum gebeten hatten, das Verfahren im
Hinblick auf das im vorliegenden Abstammungsverfahren einzuholende Gutachten ruhend zu stellen.
Im vorliegenden Verfahren hat das durch das Jugendamt vertretene Kind mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2010
beantragt festzustellen, dass der Beteiligte zu 2 nicht sein Vater ist (Ziffer I.) und festzustellen, dass Herr M. sein
Vater ist (Ziffer II.). Dem ist der Beteiligte zu 2 entgegen getreten und macht geltend, dass für den Beteiligten zu 1
die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen sei und die Anfechtung nicht zum Wohl des Kindes i. S. v. § 1600 a Abs. 4
BGB liege.
Nach dem Erörterungstermin am 17. Dezember 2010, zu dem die Mutter des Beteiligten zu 1 und - nach
konkludenter Abtrennung des auf Feststellung der Vaterschaft gerichteten Antrags (xxx) - der als biologischer Vater
in Anspruch genommene Mann nicht geladen waren, hat das Amtsgericht mit Beweisbeschluss vom 7. Januar 2011
die Einholung eines Gutachtens der Dipl. Pädagogin K. angeordnet, in dem u. a. geklärt werden soll, ob die im
vorangegangenen Sorgerechtsverfahren (xxx AG Hameln) festgestellte Kindeswohlgefährdung fortbestehe und ob die
Eheleute W. erziehungsfähig seien. Mit Schreiben vom 29. März 2011 teilte die Sachverständige mit, dass zur
Beantwortung der Beweisfrage die Beobachtung der Interaktion zwischen dem Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau
einerseits sowie dem Beteiligten zu 1 andererseits über 48 Stunden, d. h. mit einer Übernachtung unerlässlich sei.
Dem war das Jugendamt als Ergänzungspfleger bereits mit Schriftsatz vom 11. März 2011 entgegen getreten und
hatte sich im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes mit einer Übernachtung nicht einverstanden erklärt.
Daraufhin hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss die Rechte des Ergänzungspflegers gemäß dem im
Verfahren xxx AG Hameln ergangenen Beschluss vom 26. November 2009 hinsichtlich der Regelung der
Besuchskontakte dahingehend aufgehoben, dass sich J. im Rahmen der Begutachtung einmalig für maximal 48
Stunden bei gleichzeitiger Anwesenheit der Sachverständigen im Haushalt des Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau
aufhalten darf (Ziffer 1.). In Ziffer 2. und 3. dieses Beschlusses hat das Amtsgericht weitere flankierende
Maßnahmen getroffen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1 und beantragt, diesen Beschluss
aufzuheben. Über den zugleich gestellten Antrag des Beteiligten zu 1, die Sachverständige wegen der Besorgnis der
Befangenheit abzulehnen, hat das Amtsgericht noch nicht entschieden.
2.
Die Beschwerde ist begründet.
Zwar ist das Amtsgericht in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses zutreffend davon
ausgegangen, dass ein Beschluss über die Beweiserhebung in Abstammungssachen gemäß §§ 177 Abs. 2 Satz 1,
30 Abs. 1 und 2 FamFG, 355 Abs. 2 ZPO nicht anfechtbar ist (vgl. BGH FamRZ 2007, 529). Entgegen der
Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich jedoch bei Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses nicht um eine
Ergänzung oder Konkretisierung des Beweisbeschlusses vom 7. Januar 2011 und damit um eine unanfechtbare
Zwischenentscheidung.
Im Beschwerdeverfahren ist dem Senat eine Beurteilung des Beweisbeschlusses vom 7. Januar 2011, der auf die
Frage gerichtet ist, ob die Anfechtung der Vaterschaft dem Kindeswohl dienlich ist (§ 1600a Abs. 4 BGB), versagt.
Der angefochtene Beschluss ist jedoch nicht mehr unmittelbar auf die Beweisfrage gerichtet. Denn mit Beschluss
vom 26. November 2009 war der Mutter des Kindes die elterliche Sorge auch für das Recht zur Regelung von
Besuchskontakten entzogen worden. Auf diese in einem abgeschlossenen Hauptsacheverfahren ergangene
Regelung bezieht sich die Regelung in Ziffer 1. des angefochtenen Beschlusses, in dem das Amtsgericht den
Aufenthalt des Beteiligten zu 1 für maximal 48 Stunden bei gleichzeitiger Anwesenheit der Sachverständigen im
Haushalt des Beteiligten zu 2 und seiner Ehefrau konkret angeordnet hat. Für eine derartige, eine
Hauptsacheentscheidung ändernde Anordnung bzw. Regelung in einem auf Anfechtung der Vaterschaft gerichteten
Verfahren fehlt es an jeglicher gesetzlichen Grundlage.
Nach §§ 177, 178 FamFG ist die Beweisaufnahme unmittelbar auf die Abstammung gerichtet. Denn nach § 177 Abs.
2 Satz 1 findet über die Abstammung in Verfahren nach § 169 Nr. 1 und 4 FamFG eine förmliche Beweisaufnahme
statt. Demgemäß konkretisiert § 178 Abs. 1 FamFG die Duldungspflicht der Untersuchungsperson darauf, dass die
Untersuchung zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist.
Auch wenn im Rahmen der Beweisaufnahme über die Abstammung dienende und ergänzende Anordnungen denkbar
und möglich sind, fehlt ein solcher Bezug bei einer (teilweisen) Änderung einer Sorgerechtsentscheidung. Denn nach
§ 179 Abs. 2 FamFG ist eine Verbindung von Abstammungssachen mit anderen Verfahren - abgesehen von den
Möglichkeiten nach § 179 Abs. 1 - unzulässig.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss auch erkennbar keine einstweilige Anordnung zum
Sorgerecht erlassen wollen. Während eines anhängigen Hauptsacheverfahrens können vorläufige Regelungen allein
im Wege einer einstweilige Anordnung nach §§ 49 ff. FamFG erfolgen. Zwar kann das Amtsgericht grundsätzlich ein
einstweiliges Anordnungsverfahren zum Sorgerecht auch von Amts wegen einleiten und im Rahmen dieses
Verfahrens auch eine Regelung zum Aufenthalt des Kindes treffen.
Hiervon ist vorliegend jedoch bereits deswegen nicht auszugehen, weil eine Hauptsacheentscheidung zum
Sorgerecht durch eine einstweilige Anordnung - wohl auch für eine isolierte Maßnahme - nicht vorläufig geändert
werden kann (vgl. SchulteBunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl. Rn. 7 ff. zu § 51 FamFG). Darüber hinaus
lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen, dass das Amtsgericht überhaupt den Erlass einer einstweiligen
Anordnung erwogen hat. So hat es den Erlass einer solchen Maßnahme nicht mit den Verfahrensbeteiligten erörtert
und ein Anordnungsverfahren, das auch hinsichtlich Aktenführung selbstständig zu führen ist, nicht erkennbar durch
gesonderte Verfügung eingeleitet. Schließlich enthält der angefochtene Beschluss keine Kostenentscheidung (§ 51
Abs. 4 FamFG).
Für das weitere Hauptsacheverfahren weist der Senat hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme und
ggf. hierauf gerichteter Maßnahmen darauf hin, dass der Antrag des Kindes auf Anfechtung der Vaterschaft nicht
begründet ist, weil es die Anfechtungsfrist versäumt hat.
Der Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft vom 5. Oktober 2010 wahrt die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 Satz
1 BGB nicht. Danach kann die Vaterschaft nur binnen einer Frist von zwei Jahren angefochten werden. Diese Frist
beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen
die Vaterschaft sprechen. Bei der Anfechtung der Vaterschaft durch das minderjährige Kind ist für den Beginn der
Frist die Kenntnis seines nach § 1600a Abs. 3 BGB zur Anfechtung befugten gesetzlichen Vertreters maßgeblich
(vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2009, 59. OLG Köln FamRZ 2001, 245. OLG Bamberg FamRZ 1992, 220.
Senatsbeschlüsse NJWEFER 2000, 111. DAVorm 1998, 237. Grün, Vaterschaftsfeststellung und anfechtung, 2.
Aufl.,
Rn. 283 ff.. Helms in: Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, Rn. 95. Palandt/Diederichsen,
BGB, 70. Aufl., Rn. 9 zu § 1600b BGB.
FAFamR/Schwarzer, 8. Aufl., Kap. 3 Rn. 183). Ist die allein sorgeberechtigte Mutter des Kindes nicht verheiratet, ist
dem Kind für den Beginn der Anfechtungsfrist die Kenntnis seiner Mutter nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
Vorliegend stand der Mutter des Beteiligten zu 1 die elterliche Sorge bis zu dem Beschluss vom 26. November 2009
allein zu. Da sie nicht mit dem Beteiligten zu 2 oder einem anderen Mann verheiratet war und Sorgeerklärungen nicht
abgegeben worden waren, war die Mutter des Kindes auch nicht an dessen Vertretung gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz
2, 1795 Abs. 2 BGB gehindert. Da sie nach ihren Angaben im vorangegangenen Sorgerechtsverfahren wusste, dass
ihr Sohn J. nicht vom Beteiligten zu 2 abstammt, den sie erst über ihre frühere Lebensgefährtin Ende 2003 kennen
gelernt hatte, sondern aus einer flüchtigen Beziehung mit Herrn M. hervorgegangen war, begann die Anfechtungsfrist
für das Kind mit dessen Geburt. Daher war die Anfechtungsfrist bei Einleitung des Verfahrens bereits abgelaufen.
Von dieser Rechtslage ist das Amtsgericht auch im Beschluss vom 20. August 2010 (xxx AG Bückeburg = xxx
OLG Celle) ausgegangen. Denn in diesem Beschluss hat das Amtsgericht ausgeführt, dass weder der Beteiligte zu
2 noch die Kindesmutter oder das durch diese vertretene Kind die durch Anerkennung begründete Vaterschaft
anfechten können. Entgegen der dort vom Amtsgericht vertretenen Auffassung führt der Wechsel des gesetzlichen
Vertreters des Kindes zu keiner anderen Beurteilung. Für die Anfechtung des Kindes ist vielmehr wie folgt zu
differenzieren:
Die Anfechtungsfrist wird für das minderjährige oder volljährige geschäftsunfähige Kind grundsätzlich mit der
Kenntnis des zur Anfechtung befugten gesetzlichen Vertreters in Lauf gesetzt. Ist die Anfechtungsfrist noch nicht
abgelaufen und wechselt der gesetzliche Vertreter, läut die Frist für das Kind erst mit der Kenntnis des neuen
gesetzlichen Vertreters weiter (vgl. Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 40 zu § 1600 b BGB.
MünchKommBGB/Wellenhofer, 5. Aufl., Rn. 25 zu § 1600 b BGB. Grün, a. a. O., Rn. 285). Wurde hingegen die Frist
zur Anfechtung der Vaterschaft durch den gesetzlichen Vertreter versäumt, so führt der Wechsel des gesetzlichen
Vertreters und dessen Kenntnis nicht zu einem Neubeginn der Anfechtungsfrist (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1992,
220, 221. OLG Hamm DAVorm 1988, 65, 66 f.. OLG Nürnberg NJWRR 1987, 389. Grün Vaterschaftsfeststellung und
anfechtung, 2. Aufl., Rn. 283 ff.. Helms in: Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, Rn. 95.
Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl., Rn. 9 zu § 1600 b BGB. FAFamR/Schwarzer, 8. Aufl., Kap. 3 Rn. 183´.
MünchKommBGB/ Wellenhofer, 5. Auf., Rn. 25 zu § 1600b BGB. Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 40 zu § 1600 b
BGB). Dies hat seinen Grund darin, dass für den Beginn der Anfechtungsfrist auf die Person des
anfechtungsberechtigten minderjährigen Kindes abzustellen ist, dem die Kenntnis durch seinen gesetzlichen
Vertreter lediglich vermittelt wird (§ 166 BGB). Die einmal erlangte Kenntnis entfällt jedoch nicht dadurch, dass eine
bestehende gesetzliche Vertretung endet. Vielmehr läuft dann die begonnene Frist nicht mehr weiter, bis ein neuer
gesetzlicher Vertreter die Kenntnis erlangt hat und diese dem Kind wieder vermittelt. Daher kann sich das Kind, das
durch das mit - nicht rechtskräftigem - Beschluss vom 20. August 2010 bestellte Jugendamt auch für den
Wirkungskreis Vaterschaftsanfechtung vertreten wird, nicht darauf berufen, die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft
sei noch nicht abgelaufen oder beginne erst mit dem 20. August 2010.
Vor diesem Hintergrund wird das Amtsgericht im weiteren Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben, ob die
Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des Kindeswohls fortzusetzen ist. Sollte das Amtsgericht seine
abweichende Auffassung aufrechterhalten, weist der Senat darauf hin, dass im Rahmen der Kindeswohlprüfung nach
§ 1600 a Abs. 4 BGB nicht eine Kindeswohlgefährdung oder Erziehungseignung eines Elternteils im Vordergrund
stehen, sondern eine Abwägung der konkreten Vor und Nachteile, ob die Anfechtung der Vaterschaft im Interesse
des Kindes liegt (Vgl. OLG Schleswig FamRZ 2003, 51. BayObLG FamRZ 1995, 185. Palandt/Diederichsen, a. a.
O., Rn. 10 zu § 1600a BGB. Staudinger/
Rauscher, 2011, Rn. 54 ff. zu § 1600 a BGB).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 45 Abs. 3 und 1, 41
Satz 2 FamGKG.
Brick Dr. Schwonberg Jarzyk