Urteil des OLG Celle vom 19.07.2002

OLG Celle: erbeinsetzung, testament, nachlass, zuwendung, vermächtnisnehmer, grundstück, anteil, erblasser, bruchteil, bestattungskosten

Gericht:
OLG Celle, 06. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 6 W 82/02
Datum:
19.07.2002
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 2087, BGB § 133
Leitsatz:
1. Wendet der Erblasser in einem notariellen Testament drei als Erben bezeichneten Personen
bestimmte Vermögensgegenstände seines Nachlasses zu, die den gesamten Nachlass erschöpfen,
so kann hierin abweichend von der Auslegungsregel des § 2087 II BGB eine Erbeinsetzung auf den
Bruchteil des Vermögens liegen, der den Wert der jeweils zugewandten Gegenstände im Verhältnis
zum Gesamtwert des beim Erbfall vorhandenen Vermögens in Verbindung mit einer
Teilungsanordnung nach § 2048 BGB entspricht. 2. Bei der Frage, ob eine Erbeinsetzung oder
lediglich die Zuwendung eines Vermächtnisses vorliegt, kommt dem Umstand, wer nach dem Willen
des Erblassers die Bestattungskosten zu tragen hat, erhebliche Bedeutung zu.
Volltext:
6 W 82/02 4 T 6/02 Landgericht Hildesheim 9 VI 672/01 AG Hildesheim B e s c h l u s s In der Nachlasssache
betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach der am 21. März 2000 verstorbenen ############## Beteiligte:
pp. hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 vom 21.
Juni 2002, die als weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom
28. Mai 2002 aufzufassen ist, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am
Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 19. Juli 2002 beschlossen: Die
weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. Dem Beteiligten zu 4 werden die außergerichtlichen Kosten der
Beteiligten zu 1 und 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde auferlegt. Beschwerdewert: 36.000 Euro (= ca. 70.000
DM) Die Festsetzung des Beschwerdewerts in dem angefochtenen Beschluss wird wie folgt geändert: ‘für die
Beteiligte zu 1 58.255 Euro; für die Beteiligte zu 2 156.800 Euro’. G r ü n d e Die weitere Beschwerde ist
unbegründet (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, dass die Beteiligten zu
1, 2 und 4 aufgrund des notariellen Testaments der Erblasserin vom 7. März 1996 deren Erben geworden sind. 1. Die
Auslegung eines Testaments ist in erster Linie Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung im Verfahren der
weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Maßgebend ist hierbei, ob die Auslegung der
Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder
Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Betracht
gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen oder dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem
Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer
Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121,
357, 363; BayOblG NJW-RR 2002, 873 f.). 2. Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das Landgericht nicht
verstoßen. Es ist vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 3
ebenfalls Erbe geworden ist und ihm nicht lediglich ein Vermächtnis zugewandt wurde. a) Zunächst taucht in dem
notariellen Testament vom 7. März 1996 der Begriff des Vermächtnisses überhaupt nicht auf. Vielmehr hat die
Erblasserin in § 4 des Testaments die Beteiligte zu 2 als Erbin des Hausgrundstücks ############## in #######,
den Beteiligten zu 4 als Erben des Grundstücks ############## in ####### und die Beteiligte zu 1 als Erbin des
gesamten sonstigen Nachlasses einschließlich der kompletten Einrichtung der Wohnung im 1. Obergeschoss des
Hauses ############## in ####### eingesetzt. In dieser Verfügung, mit der die Erblasserin über ihr gesamtes
Vermögen verfügt hat, ist eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1, 2 und 4 auf den Bruchteil des Vermögens zu
sehen, der dem Wert der jeweils zugewandten Gegenstände im Verhältnis zum Gesamtwert des beim Erbfall
vorhandenen Vermögens in Verbindung mit einer Teilungsanordnung nach § 2048 BGB entspricht (hierzu BayOblG
FamRZ 1999, 1392, 1394; NJW-RR 1997, 517 f.; Palandt, BGB, 61. Aufl., § 2087 Rdnr. 4). Demgegenüber bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, das die Erblasserin lediglich die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einsetzen und den
Beteiligten zu 2 und 4 bezüglich der beiden Grundstücke Vermächtnisse zuwenden wollte. Die Auslegungsregel des
§ 2087 Abs. 2 BGB, wonach bei der Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel keine Erbeinsetzung
vorliegen soll, findet hier keine Anwendung. Vielmehr ergibt die vorrangige Auslegung des Testaments, dass die
Erblasserin die Beteiligten zu 1, 2 und 4 als Miterben einsetzen wollte. Hierfür spricht bereits das Wertverhältnis der
beiden Grundstücke zu dem übrigen Vermögen. Aus dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 vom
6. September 2001 ergibt sich, dass das Vermögen der Erblasserin ohne die beiden Grundstücke sich auf
170.902 DM beläuft (Bl. 42 d. A). Diese Wertfestsetzung wird auch durch den Beteiligten zu 4 nicht angegriffen.
Hinzu kommt der Wert der beiden Grundstücke, der von den Beteiligten zu 1 und 2 in ihrem Erbscheinsantrag für
das Objekt ############## mit 460.000 DM und für die Immobilie ############## mit 400.000 DM angegeben
wird (Bl. 42 d. A.). Der Beteiligte zu 4 geht demgegenüber davon aus, der Wert des Grundstücks ##############
belaufe sich auf 600.000 – 700.000 DM und der des Objekts ############## auf 273.646,99 DM (Bl. 87, 150, 215
d. A). Abgesehen davon, dass die vom Beteiligten zu 4 vorgenommene Bewertung des Hausgrundstücks
############## bereits deshalb zweifelhaft ist, weil er von dem unstreitig mit Gutachten vom 29. Januar 1997
ermittelten Wert von 400.000 DM den Wert durch ihn behaupteter Ein- und Ausbauten in Höhe von 126.353,01 DM
abzieht (Bl. 150 d. A.), ergibt sich jedenfalls aus der Wertrelation der beiden Grundstücke zum Gesamtnachlass,
dass diese den ganz überwiegenden Teil des Nachlasses erschöpfen. Nach der von den Beteiligten zu 1 und 2
vorgenommenen Berechnung machen die beiden Grundstücke 83 %, nach der Berechnung des Beteiligten zu 4 – bei
einem angenommenen Mittelwert für das Grundstück ############## von 650.000 DM – 84 % des gesamten
Nachlasses aus. In der Zuwendung einzelner Gegenstände, die den überwiegenden Teil des Nachlasses
ausmachen, was insbesondere bei (Haus-)Grundstücken in Betracht kommt, liegt indessen nach dem Willen des
Erblassers in aller Regel eine Erbeinsetzung und nicht lediglich die Anordnung eines Vermächtnisses (BayOblG
NJW-RR 2000, 1174; FamRZ 1999, 1392, 1393f.; NJW-RR 1997, 517, 518; OLG Köln FamRZ 1989, 549, 550;
Palandt, § 2087 Rdnr. 3). In diesen Fällen beabsichtigt der Erblasser regelmäßig eine Erb- bzw. Miterbeneinsetzung,
durch die seine wirtschaftliche Stellung in der Person der Bedachten unmittelbar fortgesetzt werden soll. Indem die
Erblasserin in dem Testament die Beteiligten zu 2 und 4 als ‘Erben’ der beiden Grundstücke bestimmte, hat sie
damit zum Ausdruck gebracht, dass diesen unmittelbare Rechte an den Grundstücken zustehen sollten.
Anhaltspunkte dafür, dass zunächst die Beteiligte zu 1, die im Ergebnis nur weniger als 1/6 des Nachlasswertes
erhalten sollte, Alleinerbin des gesamten Vermögens mit der Folge eines Zwischenerwerbs an den beiden
Grundstücken verknüpft mit einer rein schuldrechtlichen Übereignungspflicht aus Vermächtnissen zugunsten der
Beteiligten zu 2 und 4 werden sollte, bestehen demgegenüber nicht. Insbesondere ergeben sich solche Umstände
nicht daraus, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 1 den gesamten sonstigen Nachlass außer den beiden
Grundstücken zugewiesen hat und es im Testament an konkreten Erbquoten fehlt. Mit der pauschalen Übertragung
des restlichen Nachlasses beabsichtigte die Erblasserin vielmehr lediglich, durch ihr Testament ihr gesamtes
Vermögen zu verteilen. Es sollte also kein Vermögensbestandteil verbleiben, bei dem Unklarheiten darüber
entstehen könnten, wer diesen letztlich erhalten soll. Nicht gemeint ist hiermit demgegenüber, dass die Erblasserin
generell ihr gesamtes Vermögen der Beteiligten zu 1 als Erbin zuwenden und den Beteiligten zu 2 und 4 bezüglich
der Grundstück Vermächtnisse aussetzen wollte. Der Umstand, dass im Testament keine Erbquoten genannt sind,
steht der Einsetzung der Beteiligten zu 1, 2 und 4 als (Mit-)Erben ebenfalls nicht entgegen, da sich eine derartige
Regelung ohne weiteres als eine mit einer Teilungsanordnung verbundene Erbeinsetzung auslegen lässt, bei der sich
die jeweilige Erbquote aus dem Verhältnis des zugewendeten Vermögensteils zum Wert des Gesamtnachlasses
ergibt (BayOblG NJW-RR 1997, 517, 518). Für die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, die in erster Linie die
Entstehung größerer und unübersichtlicher Miterbengemeinschaften durch die Beteiligung von mit
Vermögensgegenständen geringeren Wertes Bedachter verhindern will, besteht hier demgegenüber kein Raum. b)
Gestützt wird diese Auslegung, worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, ferner durch die
Regelung in § 6 des Testaments, wonach ‘meine Erben verpflichtet sind, für eine angemessene Beerdigung, einen
ordentlichen Grabstein und die Pflege des Grabes Sorge zu tragen’. Bei der Frage, ob eine Erbeinsetzung vorliegt
oder nicht, kommt dem Umstand, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln und die
Nachlassschulden, zu denen auch die Bestattungskosten gehören (§ 1968 BGB), zu tragen hat, erhebliche
Bedeutung zu (BayOblG NJW-RR 1997, 517, 518; FamRZ 1986, 835, 837). Hier hat die Erblasserin unterschiedslos
‘meine Erben’ zum Tragen der Beerdigungskosten verpflichtet. Als ‘Erben’ hatte sie zuvor in § 4 des Testaments
jeweils die Beteiligten zu 1, 2 und 4 bezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass hiervon abweichend nur die Beteiligte zu
1, der der geringste Teil des Vermögens hinterlassen war, zum Bestreiten dieser Verbindlichkeiten verpflichtet sein
sollte, während sich die Beteiligten zu 2 und 4 als Vermächtnisnehmer hieran nicht zu beteiligen hätten, bestehen
nicht. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass unter Bevorzugung der Beteiligten zu 2 und 4 alleine die Beteiligte zu 1
verpflichtet sein sollte, auch die übrigen Nachlassverbindlichkeiten, zu denen etwa die vom Beteiligten zu 4
behaupteten Ansprüche von 92.404,87 DM und 115.123,71 DM gegen den Nachlass zählen (Bl. 88, 155 d. A), zu
tragen. c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich auch die Aussage des Notars ####### im
Anhörungstermin vom 15. Dezember 2000 als Indiz dafür gewertet, dass die Erblasserin eine Einsetzung der
Beteiligten zu 1, 2 und 4 als Erben beabsichtigte. So hat der Notar angegeben, er sei davon ausgegangen, die drei
bedachten Personen sollten Erben sein (Bl. 190 f. d. A.). Es habe sich um eine Erbeinsetzung nach Wertquoten mit
einer anschließenden Teilungsanordnung handeln sollen. Über die Aussetzung von Vermächtnissen sei bei der
Errichtung des Testaments dagegen nicht gesprochen worden. Ebensowenig sei der Wert der einzelnen
Vermögensgegenstände und die Frage erörtert worden, wer die Nachlassverbindlichkeiten tragen solle. Zwar hat der
Notar eingeräumt, er habe mit der Verwendung des Begriffs Nacherbfall einen falschen Terminus verwendet.
Tatsächlich sei vielmehr eine Ersatzerbenregelung gemeint gewesen. Dies ergibt sich i. Ü. auch schon aus dem
Wortlaut des Testaments selbst, indem dort vor der Bestimmung des Zeitpunkts des ‘Nacherbfalles’ jeweils
ausdrücklich bestimmte Personen als Ersatzerben bezeichnet wurden. Wenn das Landgericht angesichts der übrigen
Aussage des Notars dem Umstand, dass lediglich hinsichtlich der Regelung über die Ersatzerbenstellung, um die es
hier gar nicht geht, eine fehlerhafte Bezeichnung gewählt wurde, keine entscheidende Bedeutung beimisst, lässt dies
einen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Notar auch hinsichtlich der
eigentlichen Erbeinsetzung fehlerhaft von Erbe statt von Vermächtnisnehmer gesprochen hätte. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Die Entscheidung zum Beschwerdewert richtet sich nach §
30 Abs. 1 Hs. 1, § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 KostO. Dabei war das Interesse des Beteiligten zu 4 zu
berücksichtigen, keinen Anteil an den von ihm behaupteten Forderungen von 207.528,58 DM gegen den Nachlass
entsprechend seiner Erbquote mit zu tragen. Diesen Anteil schätzt der Senat auf etwa 70.000 DM (etwa
36.000 Euro). Die Erbquote gemessen an den Wert des dem Beteiligten zu 4 zugedachten Grundstücks im
Verhältnis zum Gesamtwert des Nachlasses beträgt bei derzeitig vorläufiger Einschätzung etwa 1/3 (Wert des dem
Beteiligten zu 4 zugedachten Grundstücks laut Gutachten 400.000 DM, Wert des der Beteiligten zu 2 zugedachten
Grundstücks nach der Behauptung des Beteiligten zu 4 650.000 DM, Wert des Restes für die Beteiligte zu 1 außer
Streit 170.902 DM). - Für den Wert der Beschwerde der Beteiligten zu 1 war der Wert des ihr Zugedachten
(170.902 DM), für denjenigen der Beschwerde der Beteiligten zu 2 der Wert des ihr zugedachten Grundstücks (nach
ihrer Behauptung 460.000 DM) zugrunde zu legen, jeweils abzüglich eines Drittels wegen der eingeschränkten
Funktion des Erbscheins als bloßes Legitimationspapier. ############## #######