Urteil des OLG Celle vom 22.05.2001

OLG Celle: untersuchungshaft, haftbefehl, erpressung, haftprüfungsverfahren, beschleunigungsgebot, verdacht, strafverfahren, straftat, entlassung, missbrauch

Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 32 HEs 4/01
Datum:
22.05.2001
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 121 Abs. 1
Leitsatz:
Begeht ein Beschuldigter nach Aufhebung eines Haftbefehls eine weitere Tat und er-geht deshalb ein
neuer Haftbefehl, so sind –auch wenn die Verfahren verbunden wer-den- die vollstreckten
Untersuchungshaftzeiten für die Berechnung der Sechsmonats-frist des § 121 Abs. 1 StPO nicht
zusammenzurechnen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle 32 HEs 4/01 28 Js 36274/00 StA ####### B e s c h l u s s In der Strafsache gegen den
Maurer ####### #######, geboren am ####### in #######, zurzeit #######, #######, wegen schwerer räuberischer
Erpressung u. a. hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsan-waltschaft,
des Angeklagten und des Verteidigers durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter
am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Landgericht ####### am 22. Mai 2001 beschlossen: Der Senat
ist zurzeit zu einer Entscheidung im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO nicht berufen. Gründe Der
Angeklagte wurde zunächst am 19. Juli 2000 festgenommen und befand sich seit dem 20. Juli 2000 auf Grund des
Haftbefehls des Amtsgerichts ####### vom selben Tage (4 Gs 99/00) in Untersuchungshaft; durch Beschluss des
Amtsgerichts ####### vom 24. August 2000 wurde der Haftbefehl aufgehoben und der Angeklagte auf freien Fuß
gesetzt. Dieser Inhaftierung lag der Vorwurf eines schweren Raubes, begangen am 29. April 2000, zu Grunde. Am
20. Dezember 2000 wurde der Angeklagte erneut vorläufig festgenommen und befin-det sich seit dem 21. Dezember
2000 auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts ####### vom selben Tage (4 Gs 465/00) ununterbrochen in
Untersuchungshaft. Mit dem Haftbefehl wird ihm eine räuberische Erpressung - richtig wohl schwerer Raub -, began-
gen am 20. Dezember 2000, vorgeworfen. Beide genannten Vorwürfe sowie sechs weitere werden dem Angeklagten
in der zwi-schenzeitlich gefertigten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ####### vom 29. März 2000 zur Last
gelegt. Durch Beschluss der ersten großen Strafkammer des Landgerichts ####### vom 30. April 2001 ist diese
Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Der Beginn der
Hauptverhandlung ist in Absprache mit der Verteidigung auf den 12. Juni 2001 anberaumt worden. II. Obwohl gegen
den Angeklagten unter Berücksichtigung des Gesamtverfahrens bereits insgesamt mehr als sechs Monate
Untersuchungshaft vollstreckt worden sind, ist zurzeit eine Entscheidung des Senats im besonderen
Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO noch nicht veranlasst, denn die Beschränkung der Untersuchungshaft
auf sechs Monate gilt nur für ´dieselbe Tat´ i. S. des § 121 Abs. 1 StPO. Bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist
ist jedenfalls im vorliegenden Fall allein auf die auf Grund des Haftbe-fehls des Amtsgerichts ####### vom 21.
Dezember 2000 vollstreckte Untersuchungshaft abzustellen. Die zuvor wegen des Haftbefehls des Amtsgerichts
####### vom 20. Juli 2000 veranlasste Untersuchungshaft muss außer Betracht bleiben und ist nicht etwa mit der
erstgenannten Zeit zusammenzurechnen, sodass die Frist des § 121 Abs. 1 StPO erst am 20. Juni 2001 ablaufen
wird. Der Senat schließt sich damit der ständigen Rechtsprechung der überwiegenden Zahl der Oberlandesgerichte
sowie der Literaturmeinung jedenfalls für den Fall an, dass der Be-schuldigte nach Aufhebung oder
Außervollzugsetzung eines früheren Haftbefehls eine weitere Tat begeht und deshalb ein neuer Haftbefehl ergeht
(vgl. KK-Boujong, StPO, 4. Aufl., § 121 Rn. 12; LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 121 Rn. 14; Kleinknecht/Meyer-
Goßner, StPO, 44. Aufl., § 121 Rn. 15, jeweils m. w. N.; Schlothau-er/Weider, Untersuchungshaft, Rdnr. 377; 1.
hiesiger ehemaliger Strafsenat, Nds. Rpfl. 1989, 261); dies hatte der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 2.
August 2000 (32 HEs 6/00 = Nds. Rpfl. 2000, 315) noch offen gelassen. Der jedenfalls in der Vergangenheit noch
vertretenen Auffassung des hiesigen 3. Strafsenats (zuletzt Beschluss vom 5. Mai 2000 - 33 HEs 12/00 -), dass im
Interesse der Beschuldigten auch bei der vorliegenden Fallgestaltung eine Zusammenrechnung der vollstreckten
Untersuchungshaftzeiten zu erfolgen habe, steht entgegen, dass die Haftsi-tuation, die der Gesetzgeber mit der
besonderen Haftprüfung hat regeln wollen, nicht vor-liegt. Durch das in § 121 Abs. 1 StPO verankerte
Beschleunigungsgebot sollen Strafver-folgungsbehörden und Gerichte dazu angehalten werden, Strafverfahren gegen
Untersu-chungshäftlinge beschleunigt zur Hauptverhandlung zu bringen, falls hinreichender Tat-verdacht gegeben ist.
Dem Sinn und Zweck der besonderen Haftprüfung durch das Oberlandesgericht würde es nicht entsprechen, wenn
die Anrechnung eines früheren Vollzuges von Untersuchungshaft wegen anderer Vorwürfe dazu führen könnte, dass
den Strafverfolgungsbehörden und Tatgerichten, die ihnen vom Gesetzgeber eingeräumte Bearbeitungsfrist aus nicht
sachbezogenen Gründen beschnitten oder ganz genommen würde. Eine neue Straftat setzt deshalb im Regelfall
eine neue Sechsmonatsfrist in Gang, um den Strafverfolgungsbehörden Gelegenheit zur Durchführung neuer
Ermittlungen zu geben. Missbrauch oder Manipulationen durch Strafverfolgungsbehörden, mit dem Ziel, auf die
Dauer der Frist einzuwirken, sind in Fällen, in denen nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft neue Straftaten
begangen wurden, kaum denkbar (vgl. auch erster hiesiger ehemaliger Strafsenat, a. a. O.). ####### #######
#######