Urteil des OLG Celle vom 02.12.1998

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Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 140/98
Datum:
02.12.1998
Sachgebiet:
Normen:
UWG § 1, BRAO § 43b
Leitsatz:
Es verstößt gegen anwaltliches Berufsrecht, wenn ein Fachanwalt für Steuerrecht in seinem Briefkopf
die Bezeichung “Anwalts und Steuerkanzlei” führt.
Volltext:
Urteil ist gemäß Anlage berichtigt
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 140/98
18 O 218/97 LG Hannover
Verkündet am
2. Dezember 1998
Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
XXXXXXX
XXXXXX
gegen
XXXXX
XXXXX
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am
Oberlandesgericht ##### sowie der Richter am Oberlandesgericht ##### und ##### aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 17. November 1998 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. März 1998 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, im beruflichen Verkehr die Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“
zu führen.
Dem Beklagten wird für den einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot ein Ordnungsgeld bis zu
500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch die Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 15.000,00 EM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Sicherheitsleistung des Beklagten darf eine unwiderrufliche, unbefristete, selbstschuldnerische
und schriftliche Bürgschaft einer Bank, die einem anerkannten Einlagesicherungsfond angehört, oder einer
öffentlichen Sparkasse sein.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist in ##### als Steuerberater tätig. Der Beklagte, ein Fachanwalt für Steuerrecht ist in ##### Mitglied
einer Rechtsanwaltskanzlei. Diese verwendet gemeinsam mit einer in ##### niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei
folgenden Briefkopf:
###############################
Anwalts und Steuerkanzlei
RAe ###########################
Kanzlei ###############
#####################
Rechtsanwalt · Fachanwalt für Steuerrecht
###########
Rechtsanwältin
######################
Telefon ################
Kanzlei #################
#######################
Rechtsanwalt
########################
Telefon##################
Der Kläger hat vorgetragen: Mit der Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“ erwecke der Beklagte den Eindruck, er
besitze neben der Anwalts auch die Steuerberaterqualifikation. Dies sei irreführend, da der Beklagte lediglich
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im beruflichen Verkehr die
Bezeichnung „Steuerkanzlei“ zu führen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat erwidert: Er sei unstreitig – auf sämtlichen steuerlichen Gebieten tätig, insbesondere auch im
Bereich der Buchführung und Erstellung von Bilanzen. Die beanstandete Bezeichnung sei daher nicht irreführend.
Sie bleibe auch im Rahmen von § 43 b BRAO.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil wird Bezug genommen.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten bei Meidung der üblichen
Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im beruflichen Verkehr die Bezeichnung „Steuerkanzlei“ zu führen,
hilfsweise,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Bezeichnung „Steuerkanzlei“ zu führen,
weiter hilfsweise,
die Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“ zu führen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und
Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
I.
Dem Kläger stehe der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung, im beruflichen Verkehr die
Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“ zu führen, zu.
1. Dies ergibt sich allerdings nicht, wie das Landgericht im Ergebnis mit Recht meint, wegen einer Irreführung aus §
3 UWG.
Zwar ist die Angabe „Anwalts und Steuerkanzlei“ (Unterstreichung des Senats) isoliert betrachtet, geeignet, bei
einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, es handele sich um
eine Kanzlei, in der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater tätig sind. Es ist weiten Teilen des rechtsuchenden
Publikums bekannt, dass in Kanzleien, die im Bereich des Wirtschafts und Steuerrechts arbeiten, häufig außer
Rechtsanwälten auch Steuerberater tätig sind. Werden im Briefkopf einer Kanzlei die Begriffe Anwalts und
Steuerkanzlei gegenübergestellt, so besteht daher die Gefahr, dass dies bei einem rechtlich relevanten Teil der
angesprochenen Personen die Vorstellung hervorruft, es handele sich um eine Kanzlei, in der neben Rechtsanwälten
auch Steuerberater tätig sind (anders möglicherweise bei der Verwendung ausschließlich der Bezeichnung
„Steuerkanzlei“, vgl. OLG Dresden, WRP 1995, 328, 329). An der Irreführungsgefahr ändert es nichts, dass der
Beklagte als Rechtsanwalt wie als Steuerberater zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist (§ 3
StBerG), und dass die Bezeichnung „Steuerkanzlei“ von Steuerberatern nicht geführt werden darf (Gehre,
Steuerberatungsgesetz, 3. Aufl., § 43 Rn. 28). Denn diese Vorschriften werden den angesprochenen rechtsuchenden
Personen regelmäßig nicht geläufig sein.
Die sich hieraus ergebende grundsätzliche Eignung zur Irreführung wird jedoch dadurch beseitigt, dass am rechten
Rand des Briefkopfes die Kanzleimitglieder und ihre beruflichen Qualifikationen, im Fall das Beklagten „Rechtsanwalt
· Fachanwalt für Steuerrecht“ aufgelistet sind. Diese Angaben reichen zur Klarstellung aus, auch wenn die oben in
der Mitte des Briefkopfes angeordnete und in größerem Druck gehaltene Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“
dem Durchschnittleser als erstes ins Auge springt. Anders als etwa bei einer Werbung für einen alltäglichen
Konsumartikel kann im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Irreführungsgefahr nicht auf einen flüchtigen und
unkritischen Verbraucher abgestellt werden, der etwa eine Zeitungsanzeige liest. Hier werden Personen
angesprochen, die an einer Beratung in steuerrechtlichen Fragen interessiert sind und insbesondere steuerlich
relevante Angelegenheiten einer bestimmten Kanzlei anvertrauen wollen. Dieser Adressatenkreis wird die wenigen
und insgesamt noch übersichtlichen Angaben auf dem Briefkopf insgesamt zur Kenntnis nehmen und daraus den
richtigen Schluss ziehen, dass in dem Kanzleienverbund ein Fachanwalt für Steuerrecht, nicht aber ein
Steuerberater tätig ist. Denn es liegt nahe, dass bei der Auflistung der beruflichen Qualifikationen ein Steuerberater
bereits aus Werbegründen mit angegeben worden wäre.
2. Der beanstandete Briefkopf verstößt indes gegen § 1 UWG i. V. m. § 43b BRAO.
a) Nach § 43b BRAO ist dem Rechtsanwalt Werbung – zu der die Gestaltung und Verwendung des Briefkopfes einer
Anwaltskanzlei gehören (BGH, WRP 1197, 1064, 1065) – nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form
und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Dieser
Rechtsgrundsatz wird in den §§ 6 bis 10 der am 11. März 1997 in Kraft getretenen Berufsordnung für Rechtsanwälte
(BO) in zulässiger Weise konkretisiert(BGH, WRP 1997, 949, 950; 1997, 1074). Danach dürfen unabhängig von der
Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen und/oder
Tätigkeitsschwerpunkte genannt werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BO). Die Tätigkeitsschwerpunkte können auch weit
gefasst sein und beispielsweise das Rechtsgebiet „Steuerrecht“ bezeichnen (vgl. BGH, WRP 1997, 949, 951).
Voraussetzung für ihre Zulässigkeit ist allerdings, dass der angegebene Interessen bzw. Tätigkeitsschwerpunkt als
solcher bezeichnet ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BO). Es darf keine andere Benennung gewählt werden (KleineKosack,
NJW 1997, 1257, 1260).
Gegen diese Vorschriften hat der Beklagte mit der Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“ nach dem InKraftTreten
der Berufsordnung für Rechtsanwälte am 11. März 1997 verstoßen (vgl. seine Schriftsätze vom März 1997 und
zuletzt mit Schriftsatz vom 4. April 1998 (Bl. 35 d. A.)). Denn der Begriff „Anwalts und Steuerkanzlei“ kann aus Sicht
der angesprochenen Verkehrskreise nur dahin verstanden werden, dass ein Teilbereich der Tätigkeit der Kanzlei auf
dem Gebiet des Steuerrechts liegt. Die Angabe wäre daher nur mit der ausdrücklichen Bezeichnung Interessen oder
Tätigkeitsschwerpunkt zulässig gewesen. Eine solche Bezeichnung fehlt.
b) Unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen die Werbebeschränkungen in der neuen Berufsordnung für
Rechtsanwälte die Rechtsfolgen des § 1 UWG auslösen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht
entschieden. Bis zum InKraftTreten der neuen Berufsordnung hat die herrschende Meinung angenommen, dass
Verstöße gegen Werbebeschränkungen aufgrund der Berufs oder Standesordnung ohne weiteres die
Wettbewerbswidrigkeit im Sinne des § 1 UWG nach sich ziehen (vgl. Büttner, Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht
und Wettbewerbsrecht, FS Vieregge, 1995, Seite 99, 108). Nach Ansicht des Senats ist die berufswidrige Werbung
ohne weitere Voraussetzungen als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG anzusehen, wenn die verletzte
berufsrechtliche Norm auch den Schutz des fairen Leistungswettbewerbs im Interesse der Allgemeinheit verfolgt,
oder, soweit dies nicht der Fall ist, wenn der Verletzer sich bewusst und planmäßig über die berufsrechtliche
Werbebeschränkung hinwegsetzt, um sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen (vgl.
Büttner, a. a. O Seite 109; Baumbach/Hefermehl, 20. Aufl., § 1 UWG, Rn. 678).
Diese Voraussetzungen liegen hier jedenfalls im Hinblick auf die 1. Alternative vor. § 7 der neuen Berufsordnung soll
anhand der zwingenden Klassifizierung Irreführungen des Publikums darüber vermeiden, ob der Anwalt sich für ein
Gebiet nur besonders interessiert, ob er darin bereits seit mehreren Jahren tätig ist, oder ob er darin besondere
Qualifikationen erworben hat (Römermann in: Hartung/Holl, Anwaltl. Berufsordnung, 1997, § 7 Rn. 26 f.). Es handelt
sich deshalb um eine Norm, die dem Schutz des fairen Zeitungswettbewerbs im Interesse der Allgemeinheit verfolgt.
Dass der Verstoß des Beklagten gegen die Vorschrift zu keiner konkreten Irreführung führt, ist unerheblich.
Der Senat lässt die Frage offen, ob der Beklagte sich bewusst über die Vorschriften der Berufsordnung
hinwegsetzte, um sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen. Dafür spricht, dass er an der
gegen den Wortlaut des § 7 Abs. 1 BO verstoßenden Werbung auch noch festhielt, nachdem der Kläger diese
beanstandete, und dass in der unzulässigen Angabe ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil liegt. Allerdings dürfte es
an einem bewussten und planmäßigen Hinwegsetzen über die Berufsordnung fehlen, weil die Steuerberaterkammer
die Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“ für zulässig gehalten hat (Schreiben der Steuerberaterkammer vom 22.
Mai 1997, Bl. 14 d. A.).
3. Der Unterlassungsantrag ist lediglich im Hinblick auf das Führen der Bezeichnung „Anwalts und Steuerkanzlei“
begründet. Nur mit dieser Bezeichnung hat der Beklagte geworben. Eine Werbung mit der bloßen Bezeichnung
„Steuerkanzlei“, auf deren Verbot die Klage in erster Linie gerichtet ist, würde der Kanzlei des Beklagten nach der
Lebenserfahrung mehr schaden als nutzen, denn die Kanzlei ist in der Hauptsache im allgemeinen anwaltlichen
Bereich tätig. Eine Werbung mit dem Begriff „Steuerkanzlei“ gehört deshalb nicht zu den mit dem tatsächlichen
Verstoß im Kern gleichen Verletzungshandlungen, für welche die Vermutung der Wiederholungsgefahr besteht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit in §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, wann ein Verstoß gegen die Werbebeschränkungen der
neuen Berufsordnung eine Wettbewerbswidrigkeit i. S. des § 1 UWG nach sich zieht, noch nicht entschieden ist, und
daher als grundsätzlich anzusehen ist.
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Beschluss
13 U 140/98
16 O 218/97 LG Hannover
In dem Rechtsstreit
pp.
XXXXXXX
XXXXXX
gegen
XXXXX
XXXXX
I. Das Urteil vom 2. Dezember 1998 wird nach § 319 ZPO wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit dahin berichtigt,
dass es auf Seite 8 in der drittletzten Zeile und in der letzten Zeile jeweils anstatt „Steuerberaterkammer“ richtig
„Rechtsanwaltskammer“ heißt.
II. Das Urteil wird ferner im Hinblick auf ein Schreibversehen der Kanzlei auf Seite 8, 2. Absatz, vorletzter Satz,
dahin berichtigt, dass es anstatt „die dem Schutz des fairen Zeitungswettbewerbs im Interesse der Allgemeinheit
verfolgt“ richtig heißt: „die den Schutz des fairen Leistungswettbewerbs im Interesse der Allgemeinheit verfolgt.“
Celle, 10. Februar 1999
Oberlandesgericht, 13. Zivilsenat
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Vorsitzender Richter Richter am Richter am
am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Oberlandesgericht