Urteil des OLG Celle vom 02.02.2012

OLG Celle: akteneinsicht, beschränkung, beitrag, entscheidungsbefugnis, einsichtnahme, einzelrichter, rechtspflege, anfechtbarkeit, datum

Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 4 W 17/12
Datum:
02.02.2012
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 299 Abs 4, ZPO § 140, ZPO § 567 ABS 1
Leitsatz:
Gegen die Versagung der Akteneinsicht gem. § 299 ZPO ist die sofortige Beschwerde statthaft.
Volltext:
4 W 17/12
2 O 57/11 Landgericht Stade
Beschluss
In dem Rechtsstreit
I. B., …,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
gegen
C. R., …,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der
Klägerin vom 13. Januar 2012 gegen die ihr am 10. Januar 2012 zugegangene Entscheidung des Einzelrichters der
2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 23. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht … sowie die Richter am Oberlandesgericht … und … am
2. Februar 2012 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Beschwerdewert: 3.000,00 €.
Gründe:
Der Senat legt die mit Schriftsatz der Klägerin vom 13. Januar 2012 erfolgte Eingabe als sofortige Beschwerde nach
§ 567 Abs. 1 ZPO aus. Denn sie ist als Rechtsmittel bezeichnet und verfolgt offenbar auch inhaltlich das Ziel, mit
Hilfe des Beschwerdegerichts die vom Landgericht abgelehnte Übersendung einer Ablichtung des
Referendargutachtens zu erreichen.
Ob gegen ablehnende Entscheidungen der Gerichte betreffend Akenteinsichtsgesuche nach § 299 ZPO die sofortige
Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft ist, ist in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Ganz
überwiegend wird allerdings der Standpunkt eingenommen, dass gegen die Versagung von Akteneinsicht die
sofortige Beschwerde statthaft ist (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl.,
§ 299 Rn. 5. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 299 Rn. 69. Prütting, MüKo
zur ZPO, 3. Aufl., § 299 Rn. 15. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 299 Rn. 1.
OLG Schleswig Rpfleger 1976, 108. OLG Brandenburg NJWRR 2000, 1454). Nach einer abweichenden Auffassung
soll gegen Akteneinsicht versagende Entscheidungen eines Vorsitzenden oder anderen Mitglieds eines Kollegiums
zunächst nach § 140 ZPO die Entscheidung des Kollegiums herbeizuführen und dann entweder schon gegen diese
(so wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/
Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 299 Rn. 18) die sofortige Beschwerde eröffnet oder eine Anfechtbarkeit der Versagung
erst zusammen mit der Endentscheidung (so BGH MDR 1973, 580) gegeben sein.
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Akteneinsicht
jedenfalls im vorliegenden Fall statthaft ist. Wie insbesondere das OLG Brandenburg a. a. O., S 1455 mit Recht
ausgeführt hat, ist § 140 ZPO auf Entscheidungen des Vorsitzenden innerhalb einer mündlichen Verhandlung
zugeschnitten, die im Interesse der Fortführung des Verfahrens unverzüglich ergehen sollen. Dafür besteht hier kein
Bedarf, weil das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin nach der mündlichen Verhandlung schriftlich ergangen und
beschieden worden ist. Außerdem greift der Gedanke des § 140 ZPO (und auch des § 576 ZPO) für den auch hier
vorliegenden Fall, dass keine Entscheidung eines beauftragten Richters, sondern eines Einzelrichters vorliegt,
deshalb nicht, weil der Einzelrichter bei voller Entscheidungsbefugnis ohne jede Beschränkung seines
Geschäftsauftrags handelt. Schließlich entspricht die Eröffnung der sofortigen Beschwerde auch nicht nur besser
den Erfordernissen praktischer Handhabung, sondern auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes.
Die hiernach statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Denn der Gesetzgeber hat in § 299 Abs. 4 ZPO bereits ausdrücklich geregelt, dass die zur Vorbereitung der
Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen gelieferten Arbeiten sowie Dokumente, die Abstimmungen
betreffen, weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt werden dürfen. Als zur Vorbereitung einer solchen Arbeit
geliefert hat - neben den damit gewiss auch verfolgten Ausbildungszwecken - auch das hier in Rede stehende
Gutachten zu gelten. Es ist jedenfalls ebenso wie beispielsweise das Votum eines Berichterstatters der Kammer
oder des Senats ein intern der gerichtlichen Entscheidungsfindung dienender Beitrag und kein der Einsichtnahme der
Parteien zugänglicher Aktenbestandteil. Die in der Beschwerdebegründung der Klägerin zitierte Fundstelle bei
Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann besagt nichts Gegenteiliges. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der
Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil angesichts der Unbegründetheit der Beschwerde der Frage ihrer
Zulässigkeit keine entscheidungserhebliche Bedeutung (dazu vgl. Zöller/Heßler a. a. O., § 574, Rn. 13 a) zukam.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts ist mangels anderer Anhaltspunkte gem. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO erfolgt.
… … …