Urteil des OLG Celle vom 27.07.2011

OLG Celle: bindungswirkung, willkür, zuständigkeitsstreit, ausnahme, datum, meinung, vertretener

Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 4 AR 41/11
Datum:
27.07.2011
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 281, ZPO § 114
Leitsatz:
Hat ein Gericht ein Prozesskostenhilfeverfahren formal ordnungsgemäß gemäß § 281 ZPO verwiesen,
bindet das darin bezeichnete Gericht hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit für dieses Verfahren,
nicht jedoch für das ggf. folgende Klageverfahren.
Volltext:
4 AR 41/11
80 C 1455/10 Amtsgericht Meldorf
20 C 697/11 Amtsgericht Winsen/Luhe
Beschluss
In dem Verfahren
über die Bestimmung des zuständigen Gerichts
K. B., …
Klägerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W., …
gegen
S. K., …
Beklagter,
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter am Oberlandesgericht … und … sowie die
Richterin am Oberlandesgericht … am 27. Juli 2011 beschlossen:
Das Amtsgericht Winsen/Luhe ist zuständig.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Das Amtsgericht Winsen/Luhe war gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Denn der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 27. Januar 2011 ist für das Amtsgericht
Winsen/Luhe bindend nach § 281 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Das Amtsgericht Meldorf ist nicht schon deshalb örtlich zuständig, weil das Amtsgericht Winsen/Luhe mit Beschluss
vom 9. November 2010 und der erkennende Senat im Beschluss vom 22. Dezember 2010 dieses Amtsgericht als im
Prozesskostenhilfeverfahren örtlich zuständiges Gericht bezeichnet haben (Amtsgericht Winsen/Luhe 21 C 1579/10
und OLG Celle 4 AR 125/10). Denn nach heute ganz überwiegend in Rechtsprechung und Schrifttum vertretener
Meinung ist ein im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ergangener Verweisungsbeschluss nur für dieses bindend,
jedoch nicht für ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht anhängiges Hauptsacheverfahren (BGH NJW RR 2010, 209 und
ebenso BAG NJW 1993, 751. durch letztgenannte BAG Entscheidung hatte sich auch der Vorlagebeschluss des
Bundesgerichtshofs in BGH NJW RR 1992, 59 erledigt. ebenso Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 281 Rn. 16 b.
Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 281 Rn. 51. Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 281 Rn. 79.
Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 281 Rn. 16 und aus der obergerichtlichen Rechtsprechung OLG Saarbrücken FamRZ
1978, 807. OLG Karlsruhe OLGZ 85, 123. KG MDR 2008, 707. a. A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,
69. Aufl., § 281 Rn. 32. OLG Düsseldorf Rpfleger 1979, 431).
Von diesem Grundsatz fehlender Bindungswirkung der Verweisung im Prozesskostenhilfeverfahren für das
nachfolgende Streitverfahren wird nur in dem hier nicht vorliegenden Fall der Rechtswegverweisung nach § 17 a
GVG eine Ausnahme gemacht (BGH, BAG a. a. O.). Ansonsten wird die fehlende Bindungswirkung im Wesentlichen
damit begründet, dass der Antragsgegner in dem summarischen und im Wesentlichen zwischen Antragsteller und
Gericht geführten Prozesskostenhilfeverfahren nicht die Möglichkeiten eigener Stellungnahme zur
Zuständigkeitsfrage in einem Umfang hat wie im streitigen Hauptsacheverfahren (BGHZ 89, 65, 66. BAG NJW 93,
751, 752). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Das bedeutet, dass der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 27. Januar 2011 Bindungswirkung für
das Amtsgericht Winsen/Luhe entfaltet. Objektive Willkür lag der Verweisung nicht zugrunde, weil das Amtsgericht
Meldorf wie vorstehend dargelegt nicht schon deshalb bindend zuständig ist, weil seine örtliche Zuständigkeit im
Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bejaht wurde. Auch dem Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2010 kommt
keine weitergehende Bindungswirkung zu als dem seinerzeit im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen
Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 9. November 2010 (vgl. Patzina in Münchener
Kommentar zur ZPO, a. a. O., § 37 Rn. 7).
Das Amtsgericht Meldorf weist in seinem Beschluss vom 30. Juni 2011 auch mit Recht darauf hin, dass die Gründe,
die den Senat im Beschluss vom 22. Dezember 2010 zu der Annahme bewogen haben, eine bindende Verweisung
an das Amtsgericht Meldorf anzunehmen, nunmehr umgekehrt auf die Verweisung an das Amtsgericht Winsen/Luhe
im Beschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 27. Januar 2011 zutreffen. Denn nach wie vor kann offen bleiben, ob
das Amtsgericht Meldorf die Voraussetzungen einer Zuständigkeit des Amtsgerichts Winsen/Luhe nach § 29 a ZPO
zutreffend bejaht hat oder nicht. Denn der Senat hat in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2010 (dort S. 2) zwar
dargelegt, dass er eher dazu neige, eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach § 29 a ZPO zu verneinen, die
gegenteilige Auffassung aber ausdrücklich als ebenfalls vertretbar bezeichnet. Hieran hält der Senat fest. Deshalb
ist nunmehr im Hauptsacheverfahren der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meldorf für das Amtsgericht
Winsen/Luhe bindend.
Der erneute Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 14. Juni 2011 konnte diese
Bindungswirkung nicht mehr beseitigen, auch wenn diese erneute Verweisung wiederum auf übereinstimmendem
Willen der Parteien beruht haben mag. Denn der erneute Antrag vor allem der Klägerin, das Hauptsacheverfahren an
das Amtsgericht Meldorf zu verweisen, ist, wie ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 13. Mai 2011 (Bl. 63 d. A.) deutlich
aufzeigt, im Wesentlichen von dem durchaus verständlichen und auch vom Gesetzgeber mit der Bindungswirkung in
§ 281 ZPO bezweckten Anliegen getragen, den vorliegend nunmehr monatelang andauernden Zuständigkeitsstreit
der Gerichte nicht auf dem Rücken der Parteien auszutragen.
… … …