Urteil des OLG Celle vom 14.06.2001

OLG Celle: abnahme, fassade, nachbesserung, anschlussberufung, gebäude, beweisverfahren, geschäftshaus, bauvertrag, geschäftsführer, werklohn

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 234/00
Datum:
14.06.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 640, BGB § 12
Leitsatz:
Zur Abnahmereife bei Fassadenmängeln eines Neubaus
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 13 U 234/00 6 O 263/98 LG Hannover Verkündet am 14. Juni
2001 Marutschke, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit pp. hat der 13.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2001 unter Mitwirkung der
Richter #######, ####### und ####### für Recht erkannt: Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. August
2000 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover - 6 O 263/98 - teilweise geändert. Die Klage wird insgesamt
abgewiesen. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 15.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Sicherheit darf auch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft
einer deutschen Großbank, Volksbank, öffentlichen Sparkasse oder Bank, die einem anerkannten
Einlagensicherungsfonds angehört, sein. Streitwert erster Instanz: bis zu 130.000 DM, zweiter Instanz: bis zu
80.000 DM. Beschwer: 74. 222 DM. T a t b e s t a n d Die Klägerin erstellte den Rohbau für das Wohn- und
Geschäftshaus der Beklagten aufgrund des Bauvertrages vom 14. März 1997. Das Gebäude wurde fertig gestellt.
Die Parteien wollten nach der Fertigstellung des Wohn- und Geschäftshauses am 10. Dezember 1997 die Abnahme
der Maurer-/Putzarbeiten durchführen. Das Abnahmeprotokoll (Bl. 6 der Beiakten LG Hannover 6 OH 325/98) wurde
nicht unterschrieben. In das Protokoll wurde aufgenommen, dass die Beklagte auf einer kompletten Neuverfugung
der Fassade bestand, weil der Fugenmörtel nur außenseitig in einer Stärke von 3 mm durchgehärtet war, danach von
pulverförmiger Konsistenz. Die Beklagte holte hierzu auch eine gutachtliche Stellungnahme der ####### vom 13.
November 1997 (Anlage B 6) ein. Die Klägerin hat Werklohn verlangt und das selbstständige Beweisverfahren zu 6
OH 325/98 LG Hannover wegen des Zustandes des Wohn- und Geschäftshauses betrieben. Nach einem
Abrechnungsprozess um erstinstanzlich geltend gemachte ca. 108.750 DM hat das Landgericht mit dem
angefochtenen Urteil die Beklagte zur Zahlung von 30.235,39 DM nebst Zinsen unbedingt und von 43.987,50 DM
Zug um Zug gegen Beseitigung von Mängeln verurteilt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die
Klageabweisung überhaupt erstrebt. Das Gewerk sei nicht abgenommen. Zwar habe sie - unstreitig - den Bau
fertiggestellt und benutze das Gebäude inzwischen. Dies stelle jedoch keine Abnahme dar. Diese habe sie im
Dezember 1997 verweigern dürfen, weil sie durch die gutachtliche Stellungnahme der ####### vom 13. November
1997 bereits gewusst habe, dass die gesamte Fassade derart beschädigt sei, dass sie erneuert werden müsse, weil
der Fugenmörtel schadhaft sei. Eine erfolgreiche Nachbesserung sei nicht möglich, was ein Nachbesserungsversuch
der Beklagten bereits gezeigt habe. Nur hilfsweise begehrt die Beklagte in erster Linie Verurteilung zur Zahlung Zug
um Zug gegen Neuerstellung eines Verblendmauerwerks, in zweiter Linie gegen Nachbesserung. Die Beklagte
beantragt, die Klage in vollem Umfange abzuweisen, hilfsweise, die Beklagte Zug um Zug gegen Neuherstellung des
Verblendmauerwerks zur Zahlung zu verurteilen, weiter hilfsweise, die Beklagte Zug um Zug gegen Nachbesserung
des Verblendmauerwerks zu verurteilen. Die Klägerin beantragt, die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Anschlussberufungsführend macht sie geltend, dass sie einige Positionen des angefochtenen Urteils inzwischen
nachgebessert habe, sodass das Zurückbehaltungsrecht insoweit entfallen sei. Anschlussberufungsführend
beantragt die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 1.725 DM, 5.295,75 DM und 1.466,25 DM nebst
Zinsen unbedingt zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen. Wegen des
weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und das angefochtene Urteil
nebst seinen Verweisungen Bezug genommen. Entscheidungsgründe A. Die zulässige Berufung der Beklagten hat
Erfolg. I. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Werklohn war als noch nicht fällig zurückzuweisen, denn die
Klägerin hat weder vorgetragen, dass die Beklagte das Rohbaugewerk der Klägerin abgenommen habe, noch dass
dieses Rohbaugewerk im Wesentlichen vertragsgemäß ist, sodass die Beklagte zur Abnahme verpflichtet wäre. 1.
Die Beklagte hat die Abnahme des Gewerks der Klägerin im dafür vorgesehenen Abnahmetermin am 10. Dezember
1997 ausdrücklich abgelehnt, weil die Fassade mangelhaft war. Das entsprechende Protokoll vom 10. Dezember
1997 ist nicht unterschrieben, sondern enthält einen Vermerk darüber, dass der Fugenmörtel nur ca. 3 mm
durchgehärtet sei, danach die Konsistenz pulverförmig. Deshalb sei die gesamte Fassade neu zu verfugen und
könne nicht abgenommen werden. Es liegt auf der Hand, dass dieses nicht unterschriebene Protokoll, das
gleichzeitig die Beschreibung eines erheblichen Mangels enthält und einen Vorschlag, wie dieser in aufwändiger
Weise nachgebessert werden soll, nicht die Billigung der Leistung der Klägerin darstellt. 2. Die Beklagte hat
entgegen der Auffassung der Klägerin deren Gewerk auch nicht dadurch abgenommen, dass sie auf den Rohbau
weiter gebaut hat und das Wohn- und Geschäftshaus inzwischen bewohnt. Dies stellt weder eine Abnahme im Sinne
von § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B noch entsprechend Nr. 12 der zusätzlichen Angebots- und Vertragsbedingungen zum
Bauvertrag der Parteien dar. a) § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B fingiert die Abnahme durch die Ingebrauchnahme der
Leistung nach Ablauf von 6 Werktagen nach Beginn der Benutzung nur für den Fall, dass nichts anderes vereinbart
ist. b) Hier waren sich die Parteien jedoch einig, dass im Dezember 1997 nach Fertigstellung des gesamten Wohn-
und Geschäftshauses eine Abnahme auch des Gewerks der Klägerin erfolgen sollte. Daran muss sich die Klägerin
festhalten lassen. Wenn die so vereinbarte Abnahme fehl geschlagen ist, so kann sie sich nicht wiederum auf die
Vorschrift des § 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B zurückziehen, denn sie hat anstelle der dort geregelten Abnahmefunktion
´Anderes vereinbart´. 3. Ebenso verhält es sich mit der Abnahme nach Ziffer 12.2. der zusätzlichen Angebots- und
Vertragsbedingungen zum Bauvertrag der Parteien. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Klausel ursprünglich
wirksam war. Jedenfalls haben sich die Parteien geeinigt, dass eine Abnahme nach Fertigstellung des gesamten
Wohn- und Geschäftshauses erfolgen sollte. Mithin haben sie übereinstimmend die Klausel der Ziffer 12.2 der
zusätzlichen Abgebots- und Vertragsbedingungen des Vertrages der Parteien abbedungen. 4. Das Gewerk der
Klägerin ist insgesamt nicht abnahmefähig, denn es weist schwer wiegende Mängel auf, sodass die Leistung nicht
als im Wesentlichen vertragsgemäß erbracht gewertet werden kann. a) Aus dem Gutachten des Sachverständigen
####### im selbstständigen Beweisverfahren zu 6 OH 325/98 ergibt sich, ohne dass die Klägerin dem entgegen tritt,
dass die Verfugung der gesamten Fassade mit einer Trennscheibe aufgeschnitten werden muss, der Fugenmörtel
und der Mauermörtel bis zur halben Tiefe der Kalksandsteinverblendung ausgeräumt werden muss und sodann das
Verblendmauerwerk insgesamt neu verfugt werden muss. Dieses stellt eine umfangreiche Nachbesserung dar, die
schon nach der Bewertung des Sachverständigen ####### 12.750 DM netto, nämlich 75 DM je qm kosten wird. b)
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Nachbesserungsversuch der Klägerin, wonach zwei Mann 2 1/2 Stunden
benötigt haben, um die Fugen einer Fläche von nur 1 qm auszuschneiden, bereits die Schätzung der
Mängelbeseitigungskosten durch den Sachverständigen widerlegt. Schon die Nachbesserung der Verfugung für
12.750 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bei einer verbleibenden Minderung von 5.300 DM, die der Sachverständige
dargestellt hat, stellt auch im Verhältnis zur Gesamtsumme der Rohbaukosten von ca. 400.000 DM einen
erheblichen Betrag dar. c) Die Gewichtigkeit des Mangels wird dadurch unterstrichen, dass die äußere Gestaltung
der Fassade die Optik des in anspruchsvoller Architektur errichteten Wohn- und Geschäftshauses der Beklagten
bestimmt. d) Bei der Bewertung des Mangels darf auch nicht übersehen werden, dass auch nach Auffassung des
Sachverständigen die Gefahr besteht, dass die Steine der das Gebäude der Beklagten prägenden Fassade
beschädigt werden. Dies hat auch der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, der
Nachbesserungsversuch der Klägerin hat ebenfalls zu Beschädigungen der Kanten der Verblendsteine geführt. Der
Geschäftsführer der Klägerin hatte Zweifel, ob ihm die Nachbesserung derart gelingen würde, dass das Werk
hernach als vertragsgemäß abgenommen werden muss. Ein Gewerk, dessen prägender Teil nur mit erheblichen
Kosten und unüberschaubaren Risiken nachzubessern ist, ist nicht im Wesentlichen vertragsgemäß. Deshalb war
und ist die Beklagte nicht verpflichtet, das Gewerk der Klägerin abzunehmen. B. Die Anschlussberufung der Klägerin
war aus den dargestellten Gründen zurückzuweisen. C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.