Urteil des OLG Celle vom 03.11.2010

OLG Celle: materielle rechtskraft, mitverschulden, terminologie, schmerzensgeld, jugendamt, berufungskläger, anwaltsbüro, rücknahme, rechtskraftwirkung, datum

Gericht:
OLG Celle, 10. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 UF 237/10
Datum:
03.11.2010
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 511
Leitsatz:
Eine Berufung des erstinstanzlich obsiegenden Beklagten, mit der ausschließlich eine andere
inhaltliche Begründung der Klagabweisung erstrebt wird, ist mangels einer erforderlichen Beschwer im
Rechtssinne unzulässig.
Volltext:
10 UF 237/10
620 F 2918/09 Amtsgericht Hannover
Beschluß
In der Familiensache
O. M.,
Antragsteller und Berufungskläger,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte G.
gegen
C. M.,
Antragsgegnerin und Berufungsbeklagte,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro L.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W. und die Richter am Oberlandesgericht B. und H. am 3. November 2010 beschlossen:
1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 300 € festgesetzt.
2. Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, daß der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO
als unzulässig zu verwerfen. Es wird Gelegenheit zur Rücknahme der Berufung bzw. zu ergänzender Stellungnahme
gegeben bis zum Ablauf des 26. November 2010.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat in dem vorliegend am 15. Juni 2009 eingeleiteten Verfahren mit dem allein vom Antragsteller
zur Folgesache Ehegattenunterhalt angefochtenen Urteil vom 26. August 2010 die Ehe der Parteien geschieden, den
Versorgungsausgleich geregelt und den Antrag der Ehefrau auf Zuspruch nachehelichen Unterhaltes abgewiesen.
Der Antragsteller will mit seiner Berufung zur Folgesache Ehegattenunterhalt erreichen, daß die - ausdrücklich
aufrecht zu erhaltende - Antragsabweisung allein auf eine abweichende Berechnung gestützt wird.
II.
1. Für das vorliegende vor September 2009 eingeleitete und erstinstanzlich vor September 2010 abgeschlossene
Verfahren ist gemäß Art. 111 FGGReformG weiterhin das vor September 2009 geltende Recht maßgeblich.
2. Die Berufung des Antragstellers ist unzulässig, da es bezüglich der Entscheidung zum Ehegattenunterhalt
seinerseits an der zwingend erforderlichen Beschwer fehlt.
a. Zulässigkeitsvoraussetzung eines (Berufungs) Rechtsstreits nach der Zivilprozeßordnung ist die Beschwer des
Rechtsmittelführers, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf (BGH - Beschluß vom 18. Januar 2007 - IX ZB
170/06 - MDR 2007, 801 f. - TZ 5). für einen Beklagten - wie vorliegend bezüglich des Ehegattenunterhaltes den
Antragsteller - liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, in dem Betrag oder in dem
Wert seiner Verurteilung (BGH aaO TZ 6), wobei allein der rechtskraftfähige Inhalt des angefochtenen Urteils
maßgeblich ist (BGH - Beschluß vom 8. Mai 2007 - VIII ZR 133/06 - MDR 2007, 1093 - Leitsatz). Wird die Klage
abgewiesen, ist der Beklagte grundsätzlich nicht beschwert (MüKo ZPO3Rimmelspacher, Vor § 511 ff. Rz. 58). nur
in besonderen Ausnahmefällen kann eine Beschwer des Beklagten bei Klagabweisung vorliegen, wenn der Inhalt der
Entscheidung hinter seinem Rechtsschutzziel zurückbleibt, weil die Klage als zur Zeit unbegründet statt endgültig
abgewiesen wird oder ihr nur eine beschränkte materielle Rechtskraftwirkung zukommt (vgl.
Wieczorek/Schütte3Gerken, ZPO Vor § 511 Rz. 30). Ein Rechtsmittel ist stets unzulässig, wenn der
Rechtsmittelführer selbst zu erkennen gibt, daß er sich nicht gegen den Entscheidungssatz wendet, sondern sich
lediglich durch die Begründung beschwert fühlt (OLG Düsseldorf Beschluß vom 14. März 1979 - 5 Ws 7/79 - MDR
1979, 956 - Leitsatz 1. vgl. auch OLG Celle - Beschluß vom 14. Juli 1978 - 4 U 91/78 - OLGZ, 1979, 194 ff. -
Leitsatz 1. OLG Köln, Beschluß vom 17. Februar 1986 - 2 Wx 39/85 - Rpfleger 1986, 184 - Orientierungssatz 1).
b. Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall an einer Beschwer des Antragstellers in der Folgesache
Ehegattenunterhalt. Sie ergibt sich - entgegen der Annahme des Antragstellers - auch nicht ausnahmsweise aus den
von ihm geltend gemachten Gesichtspunkten. Soweit ihn das Jugendamt als Beistand seiner minderjährigen Kinder
unter Zugrundelegung des im Verbundurteil enthaltenen amtsgerichtlichen Rechenwerkes - bislang außergerichtlich -
auf höhere Kindesunterhaltsbeträge in Anspruch nimmt, spielt dies für die Frage einer Beschwer hinsichtlich des
Ehegattenunterhaltes in keinem Fall eine Rolle. nach ausdrücklicher Rechtsprechung des BGH läßt sich eine
Beschwer des entsprechend seiner Angabe eines Mindestbetrages zum Schmerzensgeld erfolgreichen Klägers nicht
daraus herleiten, daß die erstinstanzliche Entscheidung von einem anteiligen Mitverschulden ausgegangen ist (BGH,
Urteil vom 2. Oktober 2001 - VI ZR 356/00 - VersR 2001, 1578f., TZ 7), obwohl sich auch in einem derartigen Fall
vergleichbare ´Konsequenzen´ für die Beurteilung weiterer Haftungsansprüche ergeben.
Insgesamt erwachsen darüber hinaus die in der angegriffenen amtsgerichtlichen Begründung enthaltenen Grundlagen
der Unterhaltsberechnung nicht einmal für etwaige spätere Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin in materielle
Rechtskraft. da es sich insofern nicht um ein Abänderungsverfahren, sondern um eine Erstklage (bzw. nach der
Terminologie des derzeitigen Verfahrensrechtes: um einen Erstantrag) handeln würde, wäre die Feststellung der
Voraussetzungen ohne eine etwaige Bindung vorzunehmen.
3. Insofern kommt es nicht einmal weiter darauf an, daß die Berufung des Antragstellers auch noch daran scheitern
müßte, daß der - allein nach dem Berufungsantrag zu bemessende - Wert des Beschwerdegegenstandes die
Erwachsenheitssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht übersteigt.
4. Die Prüfung der für die Zulässigkeit der Berufung erforderlichen Beschwer hat der Senat nach ganz einhelliger
Auffassung auch - ungeachtet des engeren Wortlautes - im Rahmen der Prüfung nach § 522 Abs. 1 ZPO
vorzunehmen (vgl. etwa ausdrücklich MüKoZPO3Rimmelspacher, § 522 Rz. 3. Wieczorek/Schütze3Gerken, ZPO §
522 Rz. 4. Zöller28Heßler, ZPO § 522 Rz 2.. Hk ZPO3Wöstmann, § 522 Rz. 2. Prütting/GehrleinKuske, ZPO § 522
Rz. 6) und bei - wie vorliegend - deren Fehlen die entsprechende Beschlußverwerfung auszusprechen.
III.
Die Festsetzung des Berufungsstreitwertes entspricht dem Mindeststreitwert.
W B H